Lieber Pianovirus und alle anderen,
nur ganz kurz, da ich dringend los muss:
Ich weiß, was du mit deinem Einwurf meinst und habe es dir nicht übel genommen. Ich weiß, dass auch andere Leute teilweise keine guten Bedingungen hatten, hierher zu kommen und teilweise auch nicht haben, siehe eigenes Klavier. Ich wollte auch nicht gesagt haben, dass alle anderen unmusikalische Technik-Freaks sind - vielmehr habe ich mit dem Ausdruck "Granaten" ausdrücken wollen, WIE gut sie sind. Ich wollte also nicht sagen, dass SIE unmusikalisch sind, sondern dass das, was mich laut der Professoren (die Idee stammt ja nicht von mir) von den anderen absetzt, meine Musikalität sei und NICHT meine Technik, welche bei anderen aber sehr wohl noch viel besser ist als bei mir. Dass andere Leute zusätzlich zu ihrer sicherlich vorhandenen Musikalität auch noch technisch um soviel besser sind, weil sie viel mehr Zeit hatten, zu üben, weil sie viel weiter sind im Studium usw - das wollte ich sagen. Und, ja, meine Mitbewerber für das Meisterkursstipendium haben alle Zeit zum üben und hatten diese jahrelang.
In puncto eigenes Klavier:
Wie gesagt habe ich es mir auf Kredit gekauft, sprich, ich habe deswegen noch einige Schulden abzubezahlen. Und warum habe ich das getan? Da ich genau in der Situation war, die du beschreibst, sonstwann aufstehen zu müssen, um noch einen Überaum zu bekommen... Es ist wirklich schwer, wenn man kein eigenes Instrument hat. In der Tat hat dies meine Situation schon einmal deutlich verbessert, das sehe ich auch so!
Trotzdem ging es mir um die Sache mit der Zeit - ich sehe es doch hier direkt vor meinen Augen: Ich kenne niemanden, der hier SO viel Zeit neben dem Studium in Arbeit steckt und daher so wenig Zeit hat zum Üben. Selbst diejenigen, die nicht arbeiten müssen, beschweren sich noch darüber, dass sie nicht genug Zeit hätten zu üben... Der Bachelor ist zwar sehr voll, aber es ist locker zu schaffen, wenn man nicht noch nebenbei arbeiten muss. Manche stecken auch nicht soviel Zeit ins Üben, aber dann, weil sie ihr Studentenleben genießen wollen, was auch legitim ist. Es ist jedermanns Entscheidung, was er tut und was für ihn das beste ist. Aber ich kenne hier niemanden, der SO wenig Zeit für sich selbst hat und zum Üben. Außerdem, und das war mein wesentlicher Punkt in dem Beitrag über den Meisterkurswettbewerb, sind viele dieser "Granaten" - also der richtig, richtig guten Leute - entweder kurz vor Ende ihres Diploms oder aber schon im Master oder aber schon in der Solistenklasse. Daher hatten sie ganz sicher andere Bedingungen als ich, alleine schon ein ganzes Studium vorher und auch noch wesentlich mehr Vorbereitungszeit. Das wollte ich sagen.
Ich habe wie Blüte auch sagt, Hochachtung vor allen, die für die Musik ihr Land verlassen, ihre Eltern, ihre Freunde und in einem fremden Land von vorne beginnen wollen. Im Übrigen habe ich genau einer solchen Kandidatin letztes Jahr geholfen, ihren Weg hierher zu machen. Ich hatte sie bei der Aufnahmeprüfung kennengelernt, sie war durch Theorie und Gehörbildung gefallen und musste nochmal zur Nachprüfung kommen - ich habe sie während der Nachprüfungstage bei mir beherbergt, habe ihr vorher erklärt, wie die Aufgaben in den Prüfungen zu lösen sind, wie die deutschen Namen der Intervalle, Skalen, Umkehrungen usw. lauten, ich habe hier mit ihr alle Gänge auf die Ämter und Behörden erledigt, um Stipendienmöglichkeiten mit ihr zu finden und habe ihr sogar eine sehr günstige Wohnung besorgt. Ich weiß also schon, dass es für einige auch nicht einfach ist. Trotzdem ist es nun so, dass sie hier ein Stipendium hat und ich nicht und sie daher Zeit zum Üben hat und ich nicht soviel, weil ich arbeiten muss.
Ohne nun gegen meine in der Tat höchst zahlreichen asiatischen Mitstudenten zu wettern - ich kenne auch einige davon und finde sie sehr nett, schätze ihre Offenheit und ihre Musik - ich muss Blüte beipflichten in puncto Finanzen: Von mehreren Professoren (damals nicht aus Köln, sondern von anderen Hochschulen, an denen ich vorgespielt hatte und wo ich teilweise angefragt hatte, ob ich Unterricht bei einem Professor haben könnte) habe ich letztes Jahr gehört, dass man als Prof "von den Asiaten" 100-200 € pro 60 min. Klavierunterricht nehmen kann, weil sie das Geld haben. Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Sicher war der eine Prof, der mir von 200€ erzählt hat, auch ein seltsamer Kauz, der es dann auch gern von den Lebendigen nimmt, wenn es denn da ist - trotzdem ist das eine andere Dimension an finanzieller Lage als sie bei mir der Fall ist.
Natürlich hast du nicht solche Leute gemeint, sondern welche wie meine Freundin, die mit großem Talent, aber wenig Mitteln hierher kommen. Da hast du recht, sie haben es sicher auch nicht einfach, vor allem am Anfang. Aber ihnen stehen alle Stipendien hier offen und ich sehe es ja, wenn eine solche Studentin wegen finanzieller Probleme ihr Studium in Frage stellt, wird alles mobilisiert und sofort ist irgendwo Geld da. Bei mir würde es aber nur heißen, tja, hättest du dir das eben mal früher überlegt, dann geh eben arbeiten und üb halt weniger. Wieder: Ich weiß und verstehe, warum. Es war meine eigene Entscheidung.
Ich denke, dass du meinen Satz also ein bisschen überbewertet hast. Was ich sagen wollte war, dass alle, die dort mitspielen, viel mehr Zeit zum Üben hatten, dass sie alle viel weiter in ihrem Studium sind als ich und teilweise das Stipendium nicht einmal bräuchten, um am Meisterkurs teilzunehmen und insofern schon andere Bedingungen haben als ich.
Gleichzeitig erkenne ich den Punkt an, den du benennst, denn all denjenigen Leuten, die du ansprichst, gebührt ebenso Hochachtung, wie sie ihren Weg gemeistert haben!
Und hab keine Sorge, dass ich irgendjemandem einen Beitrag übel nehmen würde, der sachlich geschrieben ist. Meinungen sind bei mir immer willkommen - nur jene Angriffe, die hier immer mal wieder stattgefunden haben, die kann ich nicht ausstehen. Davon sind wir in diesem Faden zum Glück aber noch ein gutes Stück entfernt und ich hoffe sehr, dass das auch so bleibt. Es ist hier nämlich eine sehr konstruktive und diskursive Atmosphäre, die ich sehr schätze.
Liebe Grüße,
Partita