*Fortsetzung*
...
Warum sage ich das alles?
Zum einen, weil ich denke, dass dies Dinge sind, über die wir wirklich nachdenken müssen und deren Reflektion eine echte, wichtige Bedeutung für unser aller Einstellung zum Leben haben kann. Ich möchte gleich dazu sagen, dass ich von niemandem verlange, sich auf seinen Tod zu freuen - nicht, dass Violas Extrembsp. hier überbewertet und zerpflückt werden - sie sollen wie gesagt idealtypisch das verdeutlichen, was hier gemeint ist. Zumindest in meinem Beitrag und ich glaube, auch Viola hat es so verstanden.
Zum zweiten sage ich das alles, weil ich, genauso wie Chiarina schon angedeutet hat, es als problematisch ansehe, in welche Richtung sich unsere zivilisierte Welt teilweise entwickelt. Es zählen Leistung, Effektivität, Fortschritt - alles muss schneller, besser, höher, weiter und perfekter werden - "perfekter" an sich verdeutlicht hierbei schon den teilweisen Irrsinn dabei - ist das Wort "perfekt" doch eigentlich schon als höchste Steigerung gedacht.
Hierzu passt nun folgender Gedanke:
Zitat von Musicus:
... Schlimm wird das nur dann, wenn das eigene Lebensglück an dem "perfekten" Zustand ausgerichtet wird, der letztlich nichts als Illusion ist. ...
Er muss von mir aus nicht einmal nur Illusion sein, es reicht schon, wenn er zwar erreichbar ist, aber der Druck, der dadurch entsteht, in keinerlei Verhältnis mehr zum Erreichen des Zieles steht. Das z.B. passiert auch, wenn Leute Burn-Out kriegen, wie Chiarina erwähnt hat.
Zitat von chiarina:
Mein ganz subjektiver Eindruck ist der, dass Gefühle wie, dass es einem einfach mal zu viel wird, dass man vielleicht sogar Zweifel hat, ob die eigenen Kräfte ausreichen (...) in unserer Gesellschaft oft nicht gewünscht sind.
Es wird dann gern von "Jammern" geredet. Kann es sein, dass es in unserer Leistungsgesellschaft nicht gern gesehen wird, wenn es einem zuviel wird (...)? Soll man so etwas doch bitte schön im stillen Kämmerlein belassen?
(...)
In meinem privaten Umfeld kenne ich leider schon eine ganze Menge, die ein Burn-out haben, weil sie ihre persönlichen Grenzen nicht wahrgenommen und auch nicht artikuliert haben. Sehr leistungsorientierte Menschen, andere kriegen nämlich gar kein Burn-out.
In vielen Unternehmen muss (...) dynamisch, erfolgreich, aktiv, einsatzfähig und karrierebewusst sein. Persönliche Grenzen und berufliche Interessen abseits von Geld und Karriere sind uninteressant. Beruflicher Erfolg wird oft nur an diesen beiden Kriterien gemessen.
Ohne das nun speziell auf meine Situation anwenden zu wollen - ich finde das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, den Chiarina da anspricht.
Zitat von Musicus:
... Ganz nebenbei, ohne dem Faden allzu viel Polemik verleihen zu wollen, sei vielleicht noch bemerkt, dass wir alle hier in diesem Forum durchaus demütig behaupten können, in Rahmenbedingungen zu leben, die nahezu unbegrenzte Möglichkeiten bieten. Wo wir darüber monieren, dass ein bestimmter eingeschlagener Weg ein äußerst beschwerlicher ist, müsste ein Großteil der Weltbevölkerung schon im Stadium der theoretischen Überlegungen einer derartig selbstbestimmten Lebensführung passen.
Das stimmt, Musicus, 100 % Zustimmung. Trotzdem sind solche Leute interessanterweise aber oft glücklicher als wir, die wir uns vielleicht zu sehr nach dem Sehnen, was wir nicht haben, anstatt uns an dem zu erfreuen, was wir haben. Das habe ich selbst auch schon beobachtet in einem Urlaub in einem Land, wo die Leute sehr ärmlich lebten - sie waren sehr glücklich und zufrieden, an ihrem Feiertag in der Quelle baden zu können, in der ich sie getroffen habe. Alles ist anders dort - das Mädchen, das mit mir erzählt hat, zeigte auf seine Mutter und sagte, sie sei 25 - sie war mit 4 Kindern an der Quelle und alle schienen sie glücklich und zufrieden zu sein, nun genau hier zu sein und das Wasser auf ihrer Haut zu spüren. In solchen Momenten versteht man wieder einiges besser, was man vorher eigentlich schon so gut wie vergessen hatte.
(Anmerkung: Der Urlaub ist schon ein paar Jahre her - jetzt könnte ich mir das natürlich nicht leisten, einen solchen Urlaub zu machen. Nur bevor sich hier jemand wundert :))
Zitat von Viola:
Ich kann nur sagen: die Welt IST die beste Welt die wir haben! Sie ist wie sie ist und wie sie ist ist sie gut. Und wenn ich morgen nicht mehr so bin wie ich heute bin, dann ist das eben so. Da kann ich nichts dran ändern. Für mich nicht und für andere auch nicht.
Dass unsere Welt die beste ist, die wir haben, ist trivial: Wir haben nur eine Welt und das Maximum über eine einelementige Menge ist offensichtlich das eine Element selbst ;) Auch wenn ich ahne, was du mit den Sätzen davor sagen wolltest, Viola, möchte ich ergänzen, dass ich es nicht richtig finde, wenn du sagst "Da kann ich nichts dran ändern." Jeder hat sich selbst und damit ein Stück der Welt in der Hand und kann sehr wohl entscheiden, wie er lebt. Mit dieser Entscheidung beeinflusst man automatisch auch andere Menschen um uns, die durch das Zusammensein mit uns nicht unabhängig von uns sind. In dem Sinne ist es nicht egal, wie wir sind und was wir aus uns machen - wir gestalten unser Leben in den Grenzen selbst, in denen wir es gestalten können und damit auch ein Stück dieser Welt.
Zitat von Viola:
Aber ich verstehe durchaus, wenn man jung ist, 29 vielleicht, da darf man noch sich wünschen, die Welt und das eigene Dasein auf dieser Welt "sollte" schöner, besser, freundlicher und und und sein.
Na, na. Das klingt nun so, als hätte ich nach einer besseren Welt gerufen. Nein, nein - ich bin schon zufrieden mit dem, was ich habe - wie oft soll ich das noch schreiben, bis es verstanden wird. Ich bin dankbar dafür, noch Musik studieren zu können, ebenso bin ich dankbar für meine gute Mathematikausbildung und all die lieben Menschen, die mir auf meinem Lebensweg bisher begegnet sind. Ich bin sogar dankbar für die Steine, die mir im Weg lagen und an denen ich gelernt habe. Ich will keine Rosen oder roten Teppiche - vielleicht höchstens manchmal jemanden, der mir hilft, die Steine aus dem Weg zu räumen - oder wenigstens, wie diesmal hier im Forum, sie zu betrachten. Aus dem Weg räumen tue ich sie schon selbst.
Das oben genannte Buch lese ich übrigens abends im Bett, um meinen Kopf herunterzufahren und überhaupt schlafen zu können. Das bedeutet nun nicht, dass es so langweilig ist, dass ich davon einschlafe, sondern es befreit meinen Kopf von all dem durchgeplanten, strukturierten Denken der Art "was muss ich jetzt noch tun? Was muss ich morgen tun? Wann? Was darf ich auf keinen Fall vergessen? usw..." Ich hatte letztes Semester aufgrund der Tatsache, dass ich von morgens bis abends ohne Pause beschäftigt bin das Problem, dass ich nicht einschlafen konnte, obwohl ich total müde und erschöpft war, da mein Kopf noch nicht heruntergefahren war - also lag ich zudem auch noch lange wach, bis ich eingeschlafen bin. Nun nehme ich mir 15 Min., um zu lesen und mir diese innere Ruhe zu gönnen. Die Rechnung geht auf: 15 Min. Lesen ist besser als 45 Min. wach liegen und sich noch ärgern, dass man wach liegt anstatt zu schlafen. :)
In diesem Sinne: Ich gehe nun schlafen.
Liebe Grüße,
Partita