Beethoven Op111

... Varro, dessen Sprache für uns heute so gut wie ganz verständlich ist, konnte auch Etruskisch, das schon damals praktisch ausgestorben war und heute als unentziffert gilt.

Etruskisch zu entziffern ist überhaupt kein Problem. Das Problem liegt auf einer anderen Ebene.

(Zwar aus dem Zusammenhang gerissen, aber es paßt gerade so schön:)

Es ist der erste Beitrag den ich überhaupt nachvollziehen kann. :-) Bisher waren viele Worte für einen Laien wie mich einfach unverständlich.


Viele Wörter können wir zwar allgemein einordnen, doch ist eine genauere Präzisierung noch nicht möglich […] Wir wissen auf der anderen Seite mit absoluter Sicherheit, daß der allgemeine Begriff für „darbieten, schenken, geben“ - im Sakral- und eventuell Votivbereich, aber vermutlich auch im Profanbereich – durch die „Verben“ mul- tur- und al- ausgedrückt wurde. Deren Verhältnis untereinander bleibt freilich ungewiß, d. h. wir wissen nicht, ob es sich um verschiedene Nuancen oder um eine unterschiedliche Verwendung je nach Zeitstellung oder um eine reine Sinnverwandtschaft handelt. Um viele etruskische Wörter wirklich exakt „übersetzen“ zu können, muß oder müßte man die realen Konzeptionen kennen, die ihnen im religiösen, institutionellen, sozialen und technischen Bereich zugrunde lagen. Es handelt sich hier also weniger um ein linguistisches als vielmehr um ein kulturhistorisches Problem.
Pallottino, Etruskologie: https://books.google.de/books?id=N9KcBgAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
 
Zuletzt bearbeitet:
So viele Themen auf einer Seite!
Jonglieren muss man können. :)

Triller:
Meine Güte, war das konfus, was ich da geschrieben habe. Aber @rolf du hast alles genau so verstanden, wie ich es meinte. Du verwendest anscheinend auch dieselben Fingersätze wie ich.

Bei Beethoven gibt es (handschriftlich) die Fingersätze 54, 12:
qc8bs7p.png


Ich möchte nicht beurteilen, inwiefern die Zeichen "1" und "2" von der gleichen Hand stammt wie die anderen. Nehmen wir mal an, dass alles zu berücksichtigen ist, was wir da im Bild sehen.
Wird dadurch ausgedruckt, dass der obere Triller mit B beginnen soll? Ich meine ja.
Kommt also B zusammen mit D oder mit Es? Ich spiele B-Es, wie du, was 1 auf Es und 2 auf D bedeutet.

im drittletzten Takt wechsele ich beim Triller (d-es) von 2-3 auf 2-1 (!! 2 auf d, 1 auf es!!) während des letzten Achtels

Ja, genau das meinte ich mit "die Bewegung des 4. Fingers rechts vorzubereiten".

-

Op106:
also den 1.Satz finde ich rein manuell relativ harmlos - der letzte Satz hingegen, der auch etliche Triller enthält, ist haarsträubend...

Bei mir ist es genau umgekehrt. Ein Beispiel dafür, warum Diskussion über manuelle Schwierigkeit immer eine begrenzte Angelegenheit ist!

-

Gefühltes Tempo und metronomisches Tempo

1. es kann nicht schaden, das Experiment zu wagen, den Variationensatz konsequent von der ersten bis zur letzten Note in einem stets gleichbleibenden Puls (Taktdrittel ~ 60) zu spielen (das mache ich so - mal gibt´s dafür Ärger, mal nicht...)
2. mir behagt der Eindruck "je mehr Noten im Takt, umso länger wird der Takt" nicht, der da beim zuhören entstehen kann
...mit dem unmerklichen langsamer werden kann ich mich nicht anfreunden - so hat halt jeder seine privaten Marotten

Ja, eben. Eine Var. 2 in unverändertem Zeitmaß kommt mir schneller vor.
Das Tempogefühl hängt sehr stark mit der Charakterempfindung zusammen.
Wenn ich den Satz "groovy" spielen würde, fände ich es auch unerlässlich, ein gerades quadratisches (hier dreieckiges?) Gerüst zu haben.
Aber gerade bei diesem Satz, der zB in Var. 3 so etwas anbietet, bemühe ich mich bewusst, keinen Groove entstehen zu lassen. Das ist erstens eine Frage von Rubato und Phrasierung (ich betone die "Appoggiaturen" als solche im letzten Teil jedes Schlags), und zweitens eine der Tempoverhältnisse. Der Eindruck "je mehr Noten im Takt, umso länger wird der Takt" ist für mich nicht nur eine Indikation, sondern eine Eigenschaft einer lyrischen Ausdrucksweise.

Ekstatisch und nicht energisch – so will ich die bewegten Stellen in diesem Satz auffassen. Vielleicht mehr Marotte als Überzeugung. :)

-

Etruskologie:
Sehr interessant!

Mehr dazu später (muss weg)
 
Ich habe mal einige Likes verteilt, weil mir Eure Beiträge gefallen. Ich bin allerdings (noch) weit davon entfernt hier durchzublicken. Aber ich finde es klasse, dass Ihr Euch die Zeit für diese fundierten Beiträge nehmt.
:-) :super:
 
@DonBos manchmal können Triolisierungen als leicht verlangsamt aufgefasst werden, aber bei weitem nicht immer (Schuberts beliebtes As-Dur Impromptu mit verlangsamten Achteltriolen wäre Pfusch)
Ich habe es ehrlich gesagt immer noch nicht ganz verstanden. Kannst du (oder Kitium) ein Beispiel nennen, wo man die Triolen sinnvoll verlangsamt auffassen kann (und weshalb)?
 
@kitium
dieser Faden samt der Art und Weise, wie hier diskutiert wird, ist eine Wohltat - deshalb mach´ ich einfach weiter und hoffe, dass du weiter mitmachst. Als Anreiz dafür erst mal ein bissel Widerspruch:
Op106:
Bei mir ist es genau umgekehrt. Ein Beispiel dafür, warum Diskussion über manuelle Schwierigkeit immer eine begrenzte Angelegenheit ist!
op.106 hat primär das leidige Problem mit Beethovens Metronomisierung... da gibt es zwei Möglichkeiten:
- man kann probieren, ob man halbwegs zufriedenstellend die verblüffend raschen Tempi realisieren kann*) oder ob sich der trainierte Spielapparat ärgerlicherweise weigert
- oder man bleibt innerhalb der manuellen Komfortzone (also langsamer), wo das alles durchaus überzeugend und wunderschön klingen kann (z.B. Kempff)

Ganz herz- und fühllos mechanisch-manuell betrachtet: der 1. Satz bietet eigentlich nichts, was man nicht hinkriegen kann, wenn man Erfahrungen mit Lisztetüden hat (das gilt rein manuell auch für ein sehr hohes Tempo!) - die Fuge ist natürlich alles andere als "leicht spielbar", aber innerhalb einer sonoren Komfortzone a la Viertel = 112-126 ist sie tatsächlich nicht so furchtbar wie ihr Ruf. Aber das ändert sich drastisch, je näher man an Beethovens Viertel = 144 kommt (!!) **)

Die Grenzen, innerhalb derer sinnvoll über manuelle Schwierigkeiten diskutiert werden kann, mögen eng gesteckt sein - aber innerhalb der eng gesteckten Grenzen ist es ganz gut machbar. Und da lassen sie sich auch nachvollziehbar beschreiben.***)
Gefühltes Tempo und metronomisches Tempo
...das ist ein riesiges Thema!
Ganz kurz: ein stures metronomisches Tempo wirkt auf Dauer recht leblos - Tempo muss atmen (je nach Phrasierung / Periodik etc) kleine ritardandi und accelerandi - das kann in romantischen Werken zu einer überzeugenden Vielfalt von Tempovarianten führen****) - - bei den meisten Beethoven(klavier)Sachen finde ich allerdings ein zu starkes abweichen vom Grundtempo unangemessen*****) Geschmackssache?

....aber unmerklich führt das auch zur Frage nach dem "richtigen Tempo"... das allerdings kann zu einer Endlosdiskussion führen... Wie dem auch sei: zu starke Temposchwankungen behagen mir in Beethovensachen nicht.
Ekstatisch und nicht energisch – so will ich die bewegten Stellen in diesem Satz auffassen. Vielleicht mehr Marotte als Überzeugung. :)
ja
...Ekstase ohne Energie?...hm...
Spaß beiseite: das ist keine Marotte! Die Frage, was das Monstrum namens Var.3 innerhalb des (vermeintlich) "jenseitigen, ätherischen" Variationensatzes zu suchen hat, ist schon öfter gestellt aber noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden.
Nüchtern betrachtet: Var.3 ist die Kulmination der rhythmischen Progression (Halbierung - Viertelung der Notenwerte), kein Wunder dass die vehement hereinbricht - - für mich ist diese wild kobolzige Variation mit ihren krass rasanten Synkopen ein durchaus diesseitiger und bewußt virtuoser effektvoller Vitalitätseinbruch in die Variationen. Und Beethoven hat das hier ganz fantastisch auf Kontrasteffekte hin konstruiert: die nachfolgenden "Doppelvariationen" hätten bei weitem nicht ihre Wirkung, wenn es den gigantischen Kontrast zur vitalen Toberei vorher nicht gäbe (!!) => wenn man spaßeshalber mal den Variationensatz ohne Var.3 spielt, ist die Wirkung perdu!

Vor den Doppeltrillern kommt noch eine kleine, eher konventionelle Kadenz als zweiter Klanghöhepunkt, dann die orchestrale große synthetische Variation (das Thema wird endlich mal nicht figural variiert, sondern weiter entwickelt) mit ihren riesigen Klangräumen: die finde ich auch ekstatisch!!! Und danach dann - wiederum ein großer Kontrast - das "ätherische" Abschiednehmen mit dem langen Triller.
Ist schon ein tolles Stück, diese Sonate
(...aber ich habe den Verdacht, dass sie gar nicht so esoterisch-ätherisch jenseitig ist: die gewaltigen klanglichen (satz- und spieltechnischen) Steigerungen wirken auf mich nicht sonderlich "jenseitig"... aber ich habe mir ja auch das Czerny/Moscheles Tempo Taktdrittel ~ 60 angewöhnt...)
_________________
*) die Literatur zu Beethovens Metronomangaben sowie speziell zur Aufführungspraxis von op.106 ist ja sehr umfangreich und recht heterogen - trotzdem kann nicht schaden, sowas zu testen (die publizierten Messungen zum Fugentempo sind durchaus interessant (einige beginnen forsch und schnell, werden dann aber langsamer ... die meisten spielen das deutlich langsamer als Beethoven es vorschrieb ... ganz wenige gehen das Wagnis ein, die extrem raschen Tempi tatsächlich zu spielen)
**) 112-126 kann ich das - 144 halte ich nicht durch (da passiert mir dann im non ligato Abschnitt eine verwaschene Huddelei, die mir bei 126 nicht passiert...)
***) technische Schwierigkeiten sind für den Praktiker ein lästiges Problem, das es zu lösen gilt, und zwar so, dass der Zuhörer nicht merkt, ob und wie schwierig es gerade ist - kurzum, es gilt klanglich überzeugende Lösungen ohne Tempoeinbuße zu finden. Der lange Kettentriller am Ende von op.111 gilt als nicht einfach - das stimmt auch, wenn man Melodie und Trillerkette allein mit der rechten Hand spielt (wie es notiert ist) und der linken Hand die 32stel überlässt. Spielt man das so, ist man gezwungen, lange Zeit mit 3-5 oder gelegentlich auch 4-5 zu trillern, und das schön ätherisch pianissimo. So hatte ich das vor langer Zeit mal gelernt, weil es so gelehrt wurde - heute mache ich das ganz anders: wo der Kettentriller im Diskant liegt, spiele ich ihn mit 2-3 (!) Bon, dann muss halt die linke Hand viele Melodietöne übernehmen, aber das finde ich unproblematisch (zumal mich das "triolische" Tremolo nicht stört) Nur ganz zum Schluß geht das nicht mehr, da spiele ich dann den letzten Trillertakt mit 4-5 und die letzte Melodiewendung c-cis-d-g-g mit 1-2-1-1-1
****) niemand spielt das Moderato oder das agitato in Chopins erster Ballade permanent gleichmäßig mit metronomischer Sturheit
*****) ich halte auch nichts davon, z.B. das Seitenthema im Kopfsatz op.13 langsamer als das Hauptthema zu spielen
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist genau die richtige Frage! Man wird dem guten Mann sicher nicht gerecht, wenn man den Reiz auf die heute ungewohnte alte Sprache reduziert.
 
Auch ich finde diesen Faden hier sehr toll, auch wenn ich nur eingeschränkt etwas dazu beitragen kann. Aber es macht sehr viel Spaß, das hier detailliert nachzuverfolgen. (Und das obwohl ich op. 111 nicht einmal wirklich gerne mag - im Gegensatz zu op. 110. :blöd:*duck und weg*)
 
[OFF-TOPIC]

Was ist der Reiz an Shakespeare, wenn nicht das herrliche alte Englisch? :super: [/OFF-Topic]
@Barrat ... pffff... Shakespeare... das kann doch unser Fontane viel besser "wann treffen wir drei wieder zusamm´"... oder der Italoboy da, wie hieß der gleich? ach ja: Josef Grün
und sowieso war der Shakespeare ein Nazi! Schon dem Tolkien (auch so´n anglischer Inselfuzzi) hat niemand geringeres als der große tiefsinnige Fried, Erich, attestiert, dass im Herrn der Ringe zu viel Heil-Geschrei seie... nu gucksde in Macbeth im originalen altertümlich-slang von dem Shakesboy, und was lieste da beiden Hexen alle Nase lang? erraten: "hail hail"

...aber wenn hier schon der altertümliche Shakespeare und die Etrusker (sic!) herbeizitiert werden, dann sollte man sich endlich auch mal zu deren folgenreichen Schriften bezüglich der Klaviermusik äußern!...
;-):-D:-D
wie schön: jetzt sackt auch dieser Faden ins smalltalkige Geblödel ab - und ich Sünder bin daran (am absacken) beteiligt ;-):drink:
 
Wenn hier jetzt schon off-topic kommt, dann wage ich es mal ein anderes Thema in den Raum zu werfen, was zumindest half-topic ist: Und zwar geht es mir um die Coda des ersten Satzes.

1. (On-topic) Diese Coda scheint ein musikalisches Thema/Motiv zu haben, was auf den ersten Blick sonst nirgends (weder im ersten noch im zweiten Satz) auftaucht - eventuell habe ich es aber auch übersehen, dann dürft ihr mich gerne darauf hinweisen! Hat dieses Coda-Motiv also irgendeine tiefergehende Bedeutung innerhalb der Sonate, abgesehen davon dass hiermit "irgendwie elegant" der Wechsel von c-moll auf C-Dur vorbereitet wird (quasi vergleichbar mit der Coda im Scherzo von op. 110, die den Tonartwechsel zum dortigen dritten Satz vorbereitet)? Inwiefern die beiden Sätze miteinander zu einer Gesamtheit (also zur Sonate) verbunden sind, wäre vielleicht sowieso ein interessantes Thema für sich - nur kann ich dazu leider nicht viel aktiv beitragen, sondern nur interessiert nachfragen.

2. (Off-topic) Kannte Chopin eigentlich diese Beethoven-Sonate? Oder ist es Zufall, dass die Revolutionsetüde irgendwie sehr mit dieser Beethoven-Coda verwandt zu sein scheint - zumindest drängt sich mir beim Hören der Beethoven-Sonate an dieser Stelle jedesmal ein ungewolltes Chopin-Gefühl auf, was Beethoven gegenüber etwas unfair ist, da die Revolutionsetüde ja erst ca. 10 Jahre später geschrieben wurde. :-D

Oder haben Chopin, Macbeth und die Etrusker miteinander nur gemein, dass sie eigentlich alle drei nicht in einem Faden über op. 111 "wieder zusamm" treffen sollten?:blöd:
 

2. (Off-topic) Kannte Chopin eigentlich diese Beethoven-Sonate? Oder ist es Zufall, dass die Revolutionsetüde irgendwie sehr mit dieser Beethoven-Coda verwandt zu sein scheint - zumindest drängt sich mir beim Hören der Beethoven-Sonate an dieser Stelle jedesmal ein ungewolltes Chopin-Gefühl auf, was Beethoven gegenüber etwas unfair ist, da die Revolutionsetüde ja erst ca. 10 Jahre später geschrieben wurde. :-D
@DonBos
die Coda des 1. Satz op.111
op.111 Coda 1.Satz.png
und Chopins op.10 Nr.12
op.10 Nr.12 a la op.111.png
sind tatsächlich verblüffend ähnlich (!) - wenn man dem Frizek vom Wislaufer böse will, könnte man da schon fast eine Guttenbergerei wittern :-D

Allerdings ist das schon des Öfteren aufgefallen und auch bemerkt worden, z.B. J. Kaiser hat das in seinem Buch über die 32 Beethovensonaten beschrieben. Chopin selber hat die Sonaten von Beethoven nur bis einschließlich op.57 gespielt (dabei die Sonate in As-Dur mit den Variationen sehr gerne), aber beginnend mit op.57 sei ihm das zu wild und exaltiert geworden (Chopin Briefe, von Gavoty Chopinbiografie) - allerdings sagt das nicht, dass er die späten Beethovensachen nicht gekannt hätte: die Beschäftigung mit Beethovens Spätwerken gehörte zum guten Ton der Musiker seiner Generation; Liszt spielte 1836 die weit beachtete Uraufführung der Sonate op.106, worüber Berlioz enthusiastisch berichtet hatte. Und dann gibt es die verblüffenden Ähnlichkeiten etlicher Stellen in Beethovens letzten Sonaten mit dem typischen Chopinklang und der typischen Chopinharmonik (bzgl. op.106 hat das übrigens auch der J.Kaiser mal angemerkt)
...Chopin war ein seltsamer Snob (!) die meiste Musik seiner Zeitgenossen war ihm ein Graus, nur ganz wenig von Mendelssohn und ein paar italien. Opern gefielen ihm - das snobistische daran ist, laut zu tuten dass nur Bach und Mozart erstklassig seien, alles modernere aber gräßlich, und dann selber harmonisch sehr "modern" komponieren...

(poco scherzando)
die Auflösung dieses verblüffenden Rätsels ist freilich sensationell: es gab nie einen Komponisten namens Frederic Chopin (1810-49), und die Lebensdaten von Beethoven (1770-1827) unterschlagen die vierte Periode des Beetovenschen Oeuvres! Tatsächlich lebte Beethoven von 1770 bis 1849*).

Bislang glaubte man, seine Werke seien in drei Perioden gegliedert:
Frühwerk ~ 1790-1800 (z.B. pathetique)
mittlere Periode ~ 1800-1815 ("Mondschein", Waldstein, Appassionata)
Spätwerk ~ 1816-27 (op.101, Diabellivar., missa solemnis)

Glaubte man bisher, dass nach dem Spätwerk keine weiteren Kompositionen Beethovens folgten, so muss dieser Irrtum korrigiert werden, denn an das Spätwerk schloß sich eine vierte - nun hochromantische - Periode an! Man kann sehen, wie Beethoven schon 1817 unzufrieden wurde, weil er sich in einer Sackgasse befand: immer nur monumentale, gräßlich schwierige und komplizierte Werke (späte Sonaten, 9. Sinfonie, Missa solemnis, 33 Veränderungen, letzte Quartette) ... zunehmender Überdruß mit dieser stilistischen Sackgasse fand dann seinen Niederschlag mit der peu a peu voranschreitenden Integration von Momenten einer gänzlich anderen Musik in diesem dem Komponisten zunehmend verhassten**) Spätwerk:
op.106:
op.106 erfindet auch den Chopin.png
op.109:
op.109 chopinesk.png
dann immer mehr davon in op.111:
op.111 erfindet Chopin 1.png
und
op.111 erfindet Chopin 2.png
sowie ebd.
op.111 erfindet Chopin 3.png
natürlich zählt zu derartigen Momenten auch die Coda des 1. Satzes sowie vorher schon eine verräterische Passage:
op.111 erfindet Chopin 4.png
Da sind sie ja alle versammelt, jene angeblich chopinesken typischen schon leittönigen Chromatismen samt melancholischer Atitüde (später zal genannt), sehnsüchtige Vorhaltbildungen, große Septimen, Passagengeglitzer und natürlich der Dominantseptakkord mit Sextvorhalt vor der Quinte - dieses Gebilde hat die irrende frühere Forschung als "Chopinakkord" bezeichnet: ja Pustekuchen, Beethovenakkord muss er heißen. Und was hier "typisch Chopin" ist, das ist ganz offensichtlich eben nichts anderes als "typisch Beethoven"!
Während der Arbeit am Spätwerk reifte in Beethoven der verschwörerische Plan, sein Ableben zu fingieren (denn ihm fiel nach den letzten Quartetten nichts mehr in seinem Spätstil ein, dessen er wie nachgewiesen überdrüssig geworden war) um dann - mit anderer Identität - im hochromantischen Stil mit leittönigen Chromatismen, sentimentaler Melancholie und weg-mit-der-Polyphonie weiter zu komponieren. Heute sind mehrere Identitäten kein Problem, damals aber war das schwierig: sich als Fanzos´ oder Brite auszugeben, das wäre aufgefallen. Aber die irgendwie slawisch kauderwelschenden Krapülinskis und Waschlapskis***) fern am Weichselstrome: hurra, die gab es ja eigentlich nicht! In Polen regierten der russ. Zar, die Preussen und KuK. Eine polnische Identität zu erfinden war also am geschicktesten, denn in diesem Durcheinander konnte das niemand nachprüfen. Raffiniert wartete Beethoven noch ein paar Jährchen, bis es im Kongresspolen heftigen Stunk in Warschau gab (Novemberaufstand) und dann publizierte der vermeintlich verstorbene Altmeister unter dem französisierten (raffinierte Doppeltarnung!!) polnischen Namen Frederic Chopin ab 1833 zwei Bände Etüden - - - warum? Damit die drögen Klavierspieler endlich lernen konnten, die Sonaten op.101-111 zu spielen :-D:-D:-D:drink:

Kurzum: Beethoven lebte bis 1849, nach 1827 komponierte er in seiner nun hochromantischen vierten Schaffensperiode noch zwei weitere Klaviersonaten (eine in b-Moll, eine in h-Moll) sowie die berühmten Etüden, deren Studium es dann nachträglich möglich machte, seine Klavierwerke der "Spätwerk-Periode" manuell zu meistern.

Alfred Brendel schrieb in einem seiner Scherzgedichte, dass Beethoven ein Neger sei. Das hat sich als falsch erwiesen. Tatsächlich ist Beethoven Chopin, oder vielmehr umgekehrt: Chopin ist eine Erfindung von Beethoven****) :-D:ballon::drink:




____________
*) neuere Forschungen (u.a. P. Rehberg) haben Indizien gefunden, dass es nach 1849 womöglich noch weiter ging!...
**) hier erklärt sich auch die Taubheit als psychosomatische Flucht vor dem komplizierten Zeugs: er wollte einfach nicht hören müssen, was er da verzapfen musste
***) vgl. H. Heine, zwei Ritter
****) die Forschungen von Paula Rehberg zu Beethovens Diabellivariationen und Liszts Klavierstil legen nahe, dass nach der hochromantischen Beethovenperiode noch eine weitere folgte: dann hätten wir noch eine h-Moll Sonate und einen Mephistowalzer aus Beethovens Feder...
(und schaut man in op.13, grave, dann könnte man schier irre werden: womöglich ist der Wagner Beethovens dritte späte Fake-Identität)
 
Zuletzt bearbeitet:
und Varro, dessen Sprache für uns heute so gut wie ganz verständlich ist, konnte auch Etruskisch, das schon damals praktisch ausgestorben war

Kleiner Zwischenruf: schön, wenn es so wäre. Aber wie Du sagst, das Etruskische war schon vor der Wende zum 1. Jh. v.Chr. mausetot und mit allem was Varro sagt, muss man vorsichtig sein, denn er betreibt nicht Sprachwissenschaft im modernen Sinne, sondern steht unter dem einfluß stoischer Theorien und Spekulationen. Seine Etymologien etwa sind meist amüsant, aber oft nicht mehr als das.

Bitte um Entschuldigung für die Störung Euerer interessanten Diskussion.!
 
Zuletzt bearbeitet:
Kleiner Zwischenruf: schön, wenn es so wäre. Aber wie Du sagst, das Etruskische war schon vor der Wende zum 1. Jh. v.Chr. mausetot und mit allem was Varro sagt, muss man vorsichtig sein, denn er betreibt nicht Sprachwissenschaft im modernen Sinne, sondern steht unter dem einfluß stoischer Theorien und Spekulationen. Seine Etymologien etwa sind meist amüsant, aber oft nicht mehr als das.

Bitte um Entschuldigung für die Störung Euerer interessanten Diskussion.!

Nachdem die Diskussion sowieso gerade pausiert, noch ein kleiner Zwischenruf:

So mausetot kann das Etruskische damals noch nicht gewesen sein, denn die späteste erhaltene etruskische Inschrift datiert m. W. aus der Zeit des Kaisers Augustus.
 
Danke für den langen Beitrag, rolf, was die "Verbindung" zwischen Beethoven und Chopin angeht. Ich hab mich beim Lesen sehr amüsiert.:lol:

Ansonsten halte ich mich aktuell hier erst mal ein bisschen raus, weil ich mir mal das Reclam-Heft von Uhde über die Beethoven-Sonaten bestellt habe. Das war eine eigentlich überfällige Bestellung. Und bevor ich hier weiterquassel, will ich mir da erst mal ein paar Dinge durchlesen. Kann wohl nicht schaden.:coolguy:
 
Für Leute, die sich gerade in Berlin befinden und kurzentschlossen sind, kann das Projekt Wiesengrund 60 mal op. 111 spannend sein. Seit Freitag wird laut der Seite wiesengrund.info die Sonate op. 111 in Berlin-Schöneberg in der Meininger Straße 8 60x aufgeführt. Unter anderem von Igor Levit, Lars Vogt und in 2 Stunden von meinem Lieblingspianisten Pierre-Laurent Aimard. Morgen Abend gibt es noch 10 Konzerte, zum Abschluss spielt Markus Groh, den ich vor Jahren mal in einem Konzert mit Liszts h-moll Sonate erleben durfte, was sensationell war.
 
Ich war schneller!
Ich hab 111 schon vor etwa 2 Wochen gespielt!:010::008::026::023:
 

Zurück
Top Bottom