Beethoven Sonate op.110

Angeregt durch deine Begeisterung für diese Sonate habe ich sie gestern nach bestimmt 10 Jahren zum 1. mal wieder gespielt (nur den 1. und 2. Satz, mit der Fuge habe ich mich nie beschäftigt). Es ist immer wieder erstaunlich, wie nach so langer Zeit Alles noch in den Fingern liegt. Ich habe die Beethovensonaten in der Henle-Urtextausgabe und spiele die Girlanden nur mit der rechten Hand. Für heute habe ich mir vorgenommen, die seit langem nicht mehr gespielten Sonaten zu spielen, durch Themen wie dieses hier bekommt man schöne Anregungen durch clavio, danke dafür!
 
Angeregt durch deine Begeisterung für diese Sonate habe ich sie gestern nach bestimmt 10 Jahren zum 1. mal wieder gespielt...

Sehr schön! Je mehr hier diese Sonate spielen, umso besser für diesen Thread. An die Fuge habe ich mich auch noch nicht so recht ran getraut. Der erste Teil ist sicherlich machbar, aber vor dem Finale habe ich doch gehörigen Respekt, das wird wohl noch ein bisschen warten müssen… aber eines Tages...

Viele Grüße!
 
Hallo Troubadix,
wann ich die Fuge in Angriff nehmen werde steht in den Sternen. Komme leider nur dazu am WE wirklich intensiv mehrere Stunden zu spielen. Muss auch zugeben, dass ich einfach nicht die Nerven habe mich bis ins kleinste Detail des jeweiligen Klavierstückes zu verbeissen:-), hier hast du meinen Respekt für.
Ich habe bis jetzt nur 6 Sonaten Beethovens komplett gespielt, mein Liebling hier bleibt Op. 78 (vielleicht weil sie so kurz ist:-)).
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß mit der 110!

Viele Grüße zurück
 
An die Fuge habe ich mich auch noch nicht so recht ran getraut. Der erste Teil ist sicherlich machbar, aber vor dem Finale habe ich doch gehörigen Respekt,
am schwierigsten ist die Inversion, gleich nach dem interpolierten g-Moll Arioso: das ist sehr knifflig, zuumal es beschleunigen muss -- danach ist es dann von "normalem" technischem Anspruch (und der quasi "Konzertschluß" klingt schwieriger, als er ist)
 
am schwierigsten ist die Inversion, gleich nach dem interpolierten g-Moll Arioso: das ist sehr knifflig...

Du hast in einem anderen Thread mal geschrieben, diese Stelle wäre im Bereich von Wolters 15 und das würde eigentlich über meinen Fähigkeiten liegen. Aber irgendwie juckt es nun doch gewaltig in den Fingern und ich werde es zumindest mal probieren. :)

Viele Grüße!
 
Ich habe bis jetzt nur 6 Sonaten Beethovens komplett gespielt, mein Liebling hier bleibt Op. 78 (vielleicht weil sie so kurz ist:-)).
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß mit der 110!

:) Jetzt verrate ich dir mal was...ich habe noch nie eine Beethoven-Sonate komplett gespielt, sondern immer nur einzelne Sätze, die mir gut gefallen haben. Der Grund liegt einfach darin, dass die meisten Sonaten doch recht arbeitsintensiv sind und mir dafür oft die Zeit fehlt. Man möchte ja auch Zeit finden, die einst mühsam erarbeiteten Sonaten weiter zu pflegen. Dann gibt es auch kaum Sonaten, bei denen mir wirklich alle Sätze so sehr gefallen, dass ich sie spielen möchte und alle Sonaten die ich gerne komplett können würde, liegen von den manuellen Schwierigkeiten her über op.110 (op.53, op.57, op.101, op.106, op.109, op.111). Auch dass ich op.110 gelernt habe ist mehr zufällig entstanden. Ich hatte mich eigentlich mehr aus Spaß hingesetzt und angefangen, den ersten Satz zu spielen. Ich war dann sehr erstaunt, dass es relativ gut voranging und dann konnte ich nicht mehr aufhören, bis ich den Satz in den Fingern hatte. Mit dem zweiten Satz war es ähnlich und vielleicht geht es mir ja mit der Fuge genauso. :)

Viele Grüße!
 
op.53 und op.57 sind manuell nicht schwieriger als op.110

Interessant...ich hätte ohne es je gespielt zu haben den dritten Satz aus op.53 und das Finale aus op.57 schwieriger als alles eingeschätzt, was man bei op.110 findet. Entweder ist der zweite Teil der Fuge sehr viel schwieriger, als ich ohnehin schon befürchte oder op.53 und op.57 stehen als nächstes auf der Liste! :)

Viele Grüße!
 
Barenboim über Beethovens Spätwerk

Barenboim sagt ein paar Sachen über Beethovens späte Sonaten und geht auch kurz auf das Arioso aus op.110 ein. Ich verstehe zwar was er sagt, warum das Arioso aber so "gebrochen" gespielt werden muss, ist mir noch nicht ganz klar. Kann da jemand etwas zu sagen?

Viele Grüße!
 

warum das Arioso aber so "gebrochen" gespielt werden muss, ist mir noch nicht ganz klar. Kann da jemand etwas zu sagen?
was passiert denn mit dem arioso dolente, welches erst im langsamen Satz erscheint und das dann in der Fuge interpoliert wird?
..."ermattet klagend" in g-Moll
in welchen Kontexten taucht das Arioso auf? (warum ein Passionszitat im Rezitativ?)

Kaiser und Uhde haben übrigens interessantes zum arioso geschrieben
 
was passiert denn mit dem arioso dolente, welches erst im langsamen Satz erscheint und das dann in der Fuge interpoliert wird?
..."ermattet klagend" in g-Moll
in welchen Kontexten taucht das Arioso auf? (warum ein Passionszitat im Rezitativ?)

Das sind schwierige Fragen die ich gerne versuche, soweit es mir möglich ist laienhaft zu beantworten und hoffe, dass nicht zu viel Unsinn dabei rauskommt. :) Das Arioso erscheint zum ersten Mal am Ende des Rezitativs. Man muss hier zunächst überlegen, ob die Sonate aus drei oder aus vier Sätzen besteht, wobei das Arioso hier zum dritten, langsamen Satz gehören würde und ab der Fuge der vierte Satz beginnen würde. Ich sehe diese Sonate gerne als Sonate mit drei Sätzen und dem letzten Satz als große Fantasie angelegt (oder vielleicht sogar die ganze Sonate?). Zunächst tritt das Arioso in as-moll als Zitat aus der Johannes-Passion auf (mit den berühmten letzten Worten „Es ist vollbracht!“). Warum dieses Zitat hier kommt ist eine gute Frage, bei der ich nur spekulieren kann. Schiff vermutet, dass Beethoven seine kurz zuvor überstandene schwere Krankheit hier zum Ausdruck bringt, mit solchen Vermutungen muss man aber immer vorsichtig sein. Aus diesem klagenden Gesang steigt dann der erste Teil dieser wundervollen Fuge im ungetrübten fröhlichen Klang hervor, die Tragödie scheint also überwunden. Schiff sieht hier wieder den Heilungsprozess von Beethovens Krankheit und damit das Gegenstück zum Arioso. Doch was passiert dann? Völlig unerwartet kann die Fuge nicht zum triumphalen Ende geführt werden, sondert kollabiert auf dem Dominantseptakkord und fällt schließlich zurück ins Arioso. Beethoven verstärkt die „Tragödie“ durch drei Effekte. Zunächst fügt er die Spielanweisung „Ermattet klagend“ bzw. „perdendo le forze“ hinzufügt. Die Melodie wird immer wieder durch kleine Pausen unterbrochen, wodurch der Eindruck entsteht, als wenn der klagenden Person bereits die Luft zum Reden fehlt. Das hier ein „Brechen“ der Melodie erfolgt, ist völlig klar, Barenboim bezog sich aber auf das erste Arioso. Zu guter Letzt wird das Arioso einen halben Ton nach unten interpoliert, um es weiter zu schwächen. Der völlige Verlust der Kraft soll also zum Ausdruck gebracht werden, der Klagende befindet sich am Rande der Niederlage. Erst zum Schluss wendet sich dann doch alles zum Guten. Nachdem Beethoven die Aufgabe gemeistert hat während der langsam wieder auflebenden, invertierten Fuge von G-dur nach As-dur zurück zu modulieren, findet die Sonate ihr triumphales Ende.

Dass die Melodie im „Ermattet klagend“ „gebrochen“ ist, ist mir klar. Warum und wie genau dass auch für das Arioso gilt, ist mir aber immer noch nicht ganz klar.

Viele Grüße!
 
Etwas zur Auflockerung zwischendurch... Ein fast zeitgenössisches Urteil über Beethovens Spätwerk:

Zitat von Joh. Christian Lobe - Musikalische Briefe (1852):
Wenn er aber den richtigen Grundsatz zur Übertreibung ausdehnt, wenn er auch das Hinweisen auf die unabänderliche Natur und die ewige Vernunft vernachlässigt, wenn er über Natur, Vernunft und deren Gebote aus Eigensinn hinauszugehen wagt, verlässt er die Bahn der reinen Kunst. Etwas der Art hat sich Beethoven zu Schulden kommen lassen. Wer das nicht erkennen will, wer es nicht offen auszusprechen wagt, wohl gar diese beklagenswerten Verirrungen des größten Meisters als gesteigerte Kunstleistung, als Schönheiten darzustellen sich nicht scheut, der ist ein Heuchler oder Nichtkenner und gefährdet das gesunde Gedeihen der Kunst. Das Anpreisen der Verirrungen des großen Geistes Beethoven sind die Ursachen, dass sein Einfluss auf die Folgezeit kein günstiger gewesen ist. Beethoven verdiente es allerdings, dass man seinen Werken aus dieser letzten Epoche Aufmerksamkeit schenkte. Sie ist ihnen zuteil geworden, aber tief betrübt sprechen alle wahren Verehrer der Kunst und ihres Meisters das Endurteil: hier irrte er. - Und dabei wird es bleiben, denn was von dem Natürlichen, Wahren und Schönen abweicht, kann nie selbst das Natürliche, Wahre und Schöne sein.

:D Tja...wer heute so was schreibt, findet sich wohl bestenfalls in der UFG wieder. :D

Ich würde mich sehr freuen, wenn noch jemand Meinungen und Ideen zur Spielweise des Ariosos (zu allem anderen natürlich auch) hat.

Viele Grüße!

Troubadix (überzeugter Heuchler und Nichtkenner!!! :D)
 
Troubadix (überzeugter Heuchler und Nichtkenner!!! :D)
da reihe ich mich gleich mit ein :D
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übrigens gab es noch mehr solche Absonderlichkeiten: ein Kritiker um die Jahrundertwende schrieb, dass Debussy aus der unharmonischen und unmelodischen Schule des späten Beethoven, Schumann, Liszt und anderer schlechter Komponisten käme (man fragt sich, wer die guten sind)
 
Schiff vermutet, dass Beethoven seine kurz zuvor überstandene schwere Krankheit hier zum Ausdruck bringt, mit solchen Vermutungen muss man aber immer vorsichtig sein.
:) ja, bei solchen biografischen Deutungen kann es schlimmstenfalls komisch werden, denn nicht jedes Tremolo deutet darauf hin, dass der Komponist unter Blähungen litt und dies der Nachwelt partout musikalisch überliefern wollte :)

ein anderer Ansatz wäre, zu überlegen, woraus diese herrliche und ungewöhnliche Sonate besteht - also zu fragen, was da passiert. Gibt es auffällige, ungewöhnliche Klangkombinationen, Klangverläufe - oder ist da alles roger, halt ne schöne normale Sonate wie eben eine Sonate sein sollte?

als Tipp: ungewöhnlich war in Berlioz fantastischer Sinfonie, dass der Scherzosatz als Konzertwalzer gestaltet war, dass ein weiterer Scherzosatz als Marsch daherkam und dass das Finale die mittelalterliche Sequenz dies irae in einem Hexensabbath verarbeitete (und klar, das literarische Programm der Sinfonie war auch ein Novum - aber um so eine Novität geht es gerade nicht)
 
Gibt es auffällige, ungewöhnliche Klangkombinationen, Klangverläufe - oder ist da alles roger, halt ne schöne normale Sonate wie eben eine Sonate sein sollte?

als Tipp: ungewöhnlich war in Berlioz fantastischer Sinfonie, dass der Scherzosatz als Konzertwalzer gestaltet war, dass ein weiterer Scherzosatz als Marsch daherkam und dass das Finale die mittelalterliche Sequenz dies irae in einem Hexensabbath verarbeitete (und klar, das literarische Programm der Sinfonie war auch ein Novum - aber um so eine Novität geht es gerade nicht)

Also wenn es nach mir ginge, sollte jede Sonate so sein! :D Gestalterische Besonderheiten gibt es etliche bei dieser Sonate. Beethoven verschmilzt die Sonate mit der Fantasie. Schon die Tempobezeichnung "Moderato" ist ungewöhnlich für einen Kopfsatz, der so zart daher kommt, wie selten zuvor. A.B. Marx spricht von einem "Allegro" mit "Adagio-Charakter", was mir sehr gut gefallen hat. Auch nach dem Kopfsatz geht es ungewöhnlich weiter, mit einem Scherzo, dass nicht explizit als solches bezeichnet wird. Die Tonika steht in Moll, man erhält aber ein Dur-Hörerlebnis. Erwähnenswert natürlich auch die witzige Einbeziehung zweier Volkslieder. An dieser Stelle sei noch mal auf den Fantasie-Charakter der Sonate hingewiesen. Der zweite Satz beginnt auf demselben Ton in der Oberstimme, auf dem der erste Satz endet. Ich spiele ihn wie von Bülow vorschlägt "attacca". Ähnlich ist es mit dem Ende des zweiten Satzes. In der Coda löst Beethoven nach F-dur auf, was dann bereits als Dominate für den dritten Satz gilt, der in b-moll beginnt. Hier ist "attacca" explizit vorgeschrieben und auch hier folge ich von Bülows Vorschlag und übernehme dass zuletzt gespielte F durch stummes Ablösen in die rechte Hand und halte es für den ersten b-moll-Akkord. Wenn die Fuge nach dem Arioso beginnt, hört man im Grunde keinen Tempowechsel wodurch wieder ein fließender Übergang entsteht und durch die schönen Bezüge zum ersten Satz ergibt sich eine wunderbar geschlossene Form. Die Besonderheiten vom Beginn der Fuge bis zum Schluss habe ich ja schon im letzten Beitrag genannt.

Spätestens ab dem Adagio ist hier nichts mehr normal. Alles was folgt ist einzigartig. Man könnte das Adagio als Einleitung für den eigentlichen Finalsatz sehen, der mit dem Arioso beginnt (oder doch erst mit der Fuge) ähnlich wie bei op.101, op.106 und der 9. Sinfonie. Die Verständnisprobleme beginnen für mich sicher schon beim Adagio und dem Recitativo. Beethoven nutzt dies zwar für viel Modulationsarbeit, der eigentliche Sinn hinter diesem Abschnitt, besonders hinter dem Rezitativ bleibt mir aber verborgen. Ist es wie in der 9.Sinfonie die Suche nach “neuen Tönen“? Ich denke das ist auch der Grund dafür, warum ich Barenboims Ausführungsvorschläge für das Arioso nicht verstehe. Er spielt ja eigentlich nur die ersten beiden Takte. Dort gibt es keine Akzente oder irgendeine sonstige Anweisung in den Noten, die ein "Brechen" der Melodie vorgeben würde. Vielleicht liegt der Schlüssel in den harmonischen Spannungen, die bereits in diesen Takten entstehen, dann verstehe ich aber nicht warum Barenboim auf den Kontext hinweist, in dem das Arioso, dieses Zitat der Johannes-Passion, steht und nicht auf die harmonischen Besonderheiten, die laut Barenboim auch vom mittleren Beethoven hätten stammen können. In welchem Kontext steht dieses Arioso? Das scheint mir der Schlüssel zu sein nur fehlt mir die Antwort und ich habe das Gefühl, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen...:(

Soweit ein paar verwirrte Gedanken...

Viele Grüße!
 
Ich habe eine Frage zu einem kleinen, aber dennoch sehr interessanten Detail im Recitativo. Im angehängten Notenbeispiel habe ich die markierten Töne stets als Triole gespielt. Nun wurde ich kürzlich gefragt, warum ich denn dort eigentlich eine Triole spiele und ich konnte spontan keine Antwort geben. Eigentlich wollte ich sagen: „Na weil es so notiert ist!“, aber „dummerweise“ hatte ich gerade die Arrau-Ausgabe (Edition Peters) dabei und ausgerechnet dort (wie auch in der Erstausgabe z.B.) ist keine Triole notiert oder zumindest nicht explizit als solche gekennzeichnet. Das angefügte Beispiel ist aus der Schenker-Ausgabe und dort sind diese Töne auch als Triole notiert, ebenso wie bei von Bülow und einigen anderen. Rechnerisch kommt man hier nicht weiter, da ja kein Takt angegeben ist und auch sonst finde ich weder für, noch gegen die Triole ein Argument, das alle Zweifel ausräumt. Alle Pianisten, von denen ich diese Sonate je gehört habe (auch Arrau) spielen hier eine Triole. Intuitiv würde ich dort auch eine Triole spielen, allerdings kann ich hier meiner Intuition nicht trauen, da ich diese Sonate schon so oft gehört habe und sich die Triole in meinem Ohr so festgebrannt hat, dass ich nicht mehr unbefangen entscheiden kann.

Wie seht ihr die Sache?

Viele Grüße!
 

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Hallo Troubadix,

liegt die Erklärung nicht schon allein im Begriff des Recitativo der ja große Freiheiten beinhaltet? Für meine Ohren klingt die Triole am schlüssigsten und schönsten im Kontext des Vorangegangenen.

Liebe Grüße
Christian
 

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