Peter
Bechsteinfan
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Es ist der erste Beitrag den ich überhaupt nachvollziehen kann. Bisher waren viele Worte für einen Laien wie mich einfach unverständlich.
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Es ist der erste Beitrag den ich überhaupt nachvollziehen kann. Bisher waren viele Worte für einen Laien wie mich einfach unverständlich.
@kitium erst mal DANKE!! für deine ausführlichen und wohldurchdachten Ausführungen (auch wenn sie ein wenig "mensurnotationslastig" sind......) - missversteh mich nicht: mir leuchtet ein, was du schreibst - aber wir wissen beide, dass es sich bei deinen (wie auch bei meinen) Überlegungen nicht um eindeutige Beweise, sondern lediglich um argumentative Indizien handelt. Bon, das müssen wir nicht weitschweifig ausufern lassen, denn die Argumente sind mehr oder weniger vollständig aufgereiht.
also hierbei muss ich dir ein wenig widersprechen! Aber das weniger aus rechnerisch-rhythmischen Gründen, als aus spielpraktischen Gründen: den Taktwechsel von 9/16 zu 6/16 exakt mit der Vorgabe Takt=Takt zu realisieren, ist alles andere als einfach... Und insgesamt ist die rhythmische Progression im Variationensatz durchaus staunenswert (dergleichen findet man nicht alle Nase lang in der Klaviermusik) --- aus schnöde praktischer Sicht (also das Zeugs zu spielen) empfiehlt es sich, eben nicht in 9/16 oder 6/16 oder 12/32 zu denken, sondern stur in 3/8 (!!) zu denken [also als rhythmische Orientierung, als Puls, das Taktdrittel zu nehmen] und sich dabei einhämmern, dass allerlei verschiedenes innerhalb von einem Taktdrittel erforderlich sein kann.
Damit könnten wir peu a peu zu den spielpraktischen Problemen kommen - hast du Interesse, diese detailliert anzuschauen und beizutragen? Das würde mich freuen!
Ich fang mal an:
Der 1.Satz ist "schwierig" im herkömmlichen Sinn: wenn man das Finale der Appassionata oder Chopins op.10 Nr.4*) noch nicht beherrscht, wird man im Kopfsatz technisch scheitern. Damit ist ganz grob und ungefähr das technische Niveau umrissen. Aber leider gilt das nur für ca 95% des Kopfsatzes: darüber hinaus gibt es ~ 5% Notentext, dessen Schwierigkeitsgrad deutlich darüber hinaus geht (das ist gelegentlich das praktisch ärgerliche an den späten Beethovensonaten, dass sie Momente enthalten, die katastrophal schwierig zu spielen sind und obendrein gar nicht mal als herausragende Effekte eingesetzt sind - dem fiesen Beethoven war schnurzegal, ob es nur schwer oder ob es fürchterlich sauschwer ist: "wer´s nicht greifen kann, soll´s bleiben lassen")
Also kurzum op.57 Finale und ähnliches sollte man drauf haben, wenn man den 1.Satz gerne spielen können möchte.
Wählt man hier Viertel = 120-126 dann ist das alles noch (vorausgesetzt man kann die Etüde und das Appassionatafinale) ganz passabel, steigert man das bis 144 oder darüber hinaus, ja dann wird´s ganz verflucht schwierig...
Der Variationensatz...
...wenn man sich für Taktdrittel =40 entscheidet, dann gibt es keine besonderen technischen Probleme, vorausgesetzt dass man unermüdlich trillern kann
...aber Taktdrittel=40 ist schon sehr behäbig...
Taktdrittel~50 klingt schon fließender, aber dann wird die 3.Variation technisch schon sehr sehr anspruchsvoll...
Taktdrittel~60 ist das möglicherweise*) authentische Czerny/Moscheles-Tempo - spielt man (was noch sehr einfach ist!) Thema und Variation 1 in diesem Tempo, stellt man fest, dass das sehr fließend und angenehm cantabel ist: gewöhnt man sich an dieses Zeitmaß, dann erscheint es einem geradezu ideal (!! das spricht sehr für das Czerny/Moscheles-Tempo) Auch die 2.Variation lässt sich mit Taktdrittel=60 noch ganz angenehm spielen und klingt auch sehr schön, ohne dass man sonderlich viel dafür technisch üben müsste***) Aber bei der 3.Variation stellt man dann ernüchternd fest, dass das wunderschön ideal wirkende Tempo Taktdrittel=60 plötzlich an der Grenze der Spielbarkeit angelangt ist!! (wer´s nicht glaubt, der bewaffne sich mit einem Metronom und probiert´s aus in diesem Tempo befindet man sich hier in einem Bereich, der sämtliche Hüpferchen in Liszts La Campanella****) harmlos erscheinen lässt (!!) [wer´s nicht glaubt: Metronom anmachen, in Campanella herumspielen, dann die Synkopen in der 3. Variation probieren... viel Spaß dabei!!...]
=> derartiges erfährt jeder, der sich mit den letzten fünf Beethovensonaten befasst: man wird gelegentlich mit absurd fiesen technischen Schwierigkeiten konfrontiert.
Dann noch die Trillerketten... zwei solche hat op.111 - - ich kann da nicht viel sinnvolles sagen: Triller und Tremoli machen mir keine Mühe, für mich sind sie einfach (ich muss sie nicht üben) Viele beklagen, dass die Trillerketten in op.106, op.109 und op.111 schwierig seien - das geht mir nicht so und ich kann es nicht nachvollziehen.
Da wären wir aber schon im Bereich der Esoterik oder Astrologie angelangt. Vielleicht sollte man vor jeder Aufführung die Urahnen befragen.Zu op. 111 kann ich zwar nichts beitragen, aber die Ausführungen zum Tempo damals vs. heute finde ich sehr überzeugend. Authentisch ist es nicht zwingend, wenn es genauso wie zur Entstehungszeit klingt, sondern wenn es bei uns möglichst so ankommt, wie es beim damaligen Hörer ankommt.
Edit: Mir fällt hier auch die Diskussion zu den Tempoangaben bei Schumanns Kinderszenen ein.
Reichen bei der Interpretation aber nicht kleine Nuancen, ohne die Struktur zu weit aufzuheben. Stelle mir gerade vor, jemand würde Shakespeares Hexameter so an die vermeintliche heutige Zeit anpassen, dass die Wirkung völlig Shakespeare widerspricht.Deshalb schrieb ich von einer "vermeintlichen Wirkung". Schließlich nennen wir uns Interpreten.
Ich glaube, für die Mehrheit zu sprechen, wenn ich behaupte, dass die Aussage, die wir heute in einer alten Musik zu spüren glauben, uns oft zwingend genug erscheint. Demnach geht es darum, diese in einen gegenwärtigen Kontext zu versetzen.
Interessanter Aspekt. Ich würde sagen, die Wahrheit liegt in der Mitte - man wird dort nicht völlig anders auftreten, aber bekannte kulturell bedingte Unterschiede in der Rezeption könnte man schon berücksichtigen. Wobei angesichts der Globalisierung regionale Hörgewohnheiten eine weit geringere Rolle spielen dürften als die Entwicklung der Hörgewohnheiten über die Zeit.Muss ich dann in Deutschland ein Stück anders spielen, als in China, oder in Japan, in Afrika, <...>
Hmm, Shakespeare &Co im Original wirkt heute nicht mehr so wie früher; im Gegenteil: Es ist für die meisten geradezu unverständlich. Insofern macht es schon Sinn, die Interpretation an die aktuelle Zeit anzupassen, was ja auch ständig passiert. Inwieweit man das für die Musik so pauschalisieren kann, mag ich nicht beurteilen. Aber zumindest sind Hörgewohnheiten und Instrumente heute sicher anders als zur Entstehungszeit.er Interpretation aber nicht kleine Nuancen, ohne die Struktur zu weit aufzuheben. Stelle mir gerade vor, jemand würde Shakespeares Hexameter so an die vermeintliche heutige Zeit anpassen, dass die Wirkung völlig Shakespeare widerspricht.
Aber zumindest sind Hörgewohnheiten und Instrumente heute sicher anders als zur Entstehungszeit.
das wagt nur noch der historisch informierte André Rieu.
Wenn ich die Wahl zwischen André Rieu und der ungeprobten Passion in der kalten, feuchten Kirche und stundenlanger Predigt hätte, dann wäre die Passion definitiv meine erste Wahl. (Wobei, vielleicht kann man bei André Rieu die Schmerzen Jesu am eigenen Körper besser nachvollziehen als bei der Matthäuspassion...)Nicht nur die. Man hört sich heute auch nicht mehr unbedingt eine so gut wie ungeprobte Mattäuspassion in kalten, feuchten Kirchen an - mit stundenlanger Predigt zwischen erstem und zweitem Teil. Und selbst renommierte Spezialisten für Alte Musik treten nicht in Barockkostümen und Puderperücken auf - das wagt nur noch der historisch informierte André Rieu.
Das hier kann ich leider nicht so ganz nachvollziehen? Was meinst du damit, dass das Tempo einer Triole nicht immer genau das 1,5 fache einer Duole sein soll? Bzw. was ist "das natürliche Tempo" im Vergleich mit "dem Tempo"?Die Übergänge scheinen zu wollen, dass man bei jedem unmerklich langsamer wird. Es würde für mich hingegen merklich schneller klingen, wenn man nach dem Metronom im selben Tempo bliebe.
Man vergesse nicht: das natürliche Tempo einer Triole ist nicht immer genau 1,5 mal das einer Duole.
Hier versteckt sich ein unmerklicher Rechenfehler (!)3. Wenn Beethoven "L'istesso tempo" hier als Takt = Takt versteht, warum dann überhaupt der Wechsel von der Vorgabe 9/16 auf 6/16? Beethoven hätte doch eigentlich einfach sowohl die Vorgabe "6/16" als auch "L'istesso tempo" beide komplett weglassen können, die entsprechenden Sechzehntelnoten punktieren und dann wäre rhythmisch alles absolut eindeutig gewesen.
@kitium Danke für den schönen Beitrag!!!Ebenfalls!
(...)ohne ein neues Bewegungsmuster aktivieren zu müssen.
Da stimme ich dir überwiegend zu - aber es gibt in Beethovens Klavierwerk auch Ausnahmen in dieser Hinsicht: z.B. die klein gestochenen auskomponierten Miniatur-Kadenzen im Finale des c-Moll Konzerts müssen zwar möglichst klar, aber auch möglichst schnell (!!) gespielt werden. Sie bleiben auch in sehr hohem Tempo (also rasant) für den Spieler wie für den Hörer verständlich.Meine persönliche Meinung: die Musik von Beethoven ist noch keine, die schneller als verständlich gespielt werden muss. (Das ist für mich oft bei der Musik des späteren 19. Jhs anders.).
Hierzu zwei Überlegungen:Die Übergänge scheinen zu wollen, dass man bei jedem unmerklich langsamer wird. Es würde für mich hingegen merklich schneller klingen, wenn man nach dem Metronom im selben Tempo bliebe.
Man vergesse nicht: das natürliche Tempo einer Triole ist nicht immer genau 1,5 mal das einer Duole.
...damit betreten wir das lästige Thema "welches Tempo ist authentisch?"... das ist zwar interessant, aber es kann zu Abschweifungen führen (was ist authentisch? authentische Instrumente? (ausgerechnet beim tauben Beethoven...) usw usw...)Ich würde leicht glauben, dass das ursprünglich gemeinte Tempo vom Thema keineswegs so langsam gewesen ist, wie wir heute es spielen möchten. Anhand des Korpus überlieferter Tempoangaben scheint es überhaupt so zu sein, dass damals generell nicht so langsam gespielt wurde.
98% d´accord!!Allerdings:
(ich zitiere aus einem anderen Beitrag, den ich hier geschrieben habe:)
"Wegen der Frage des Stilbewusstseins in der Interpretation sage ich etwas zu meinen persönlichen Gefühlen, die vielleicht dem heutigen Zeitgeist nicht entsprechen. Sobald die Musik komplex und autonom genug geworden ist, war sie in der Lage, die ganze Denkweite ihrer Komponisten zu umfassen; um an die authentische emotionale Wirkung der Musik herankommen, müssen wir heute auch in der Weite unserer ganzen Welt denken. Manche Musik gibt das her – ohne entstellt werden zu müssen."
Ich habe also nichts dagegen, die Stelle heute langsamer als man es damals je gemacht hätte, um die vermeintliche Wirkung überzeugend für unsere Ohren (denen eine noch extremere Langsamkeit vertraut ist) herüberzubringen.
also den 1.Satz finde ich rein manuell relativ harmlos - der letzte Satz hingegen, der auch etliche Triller enthält, ist haarsträubend...Mancher Triller im 1. Satz von Op.106 ist schon unangenehm.
das finde ich jetzt hochinteressant!!!Für den Doppeltriller in Op111: der Doppeltriller ist an sich nicht schwer, wenn man, wie Du sagst, so etwas kann. Aber der Übergang zu dem ist heikel. Ich spiele As-B mit der linken Hand (übergreifend), und fange schon da an, die Bewegung des 4. Fingers rechts vorzubereiten, um zum richtigen Zeitpunkt einfach "weiterzumachen" ohne ein neues Bewegungsmuster aktivieren zu müssen.
Danke für deine ausführliche Antwort, rolf. Ich habe zwar ehrlich gesagt den Rechenfehler auch nach deinen Erklärungen nicht gefunden, und soweit ich das überblicke haben wir die gleiche Argumentation. Nur dass du es in deutlich bessere Worte gefasst hast als ich. Ich entschuldige mich für jegliche eventuelle Verwirrungen die ich gestiftet habe (als ob Beethoven selbst nicht schon verwirrend genug geschrieben hätte). :)@DonBos danke für deine sympathisch vorgebrachten Überlegungen - zwar sind sie ein wenig irreführend, aber gerade das ist ja dazu gut, sich genau anzuschauen, was der Beethoven da gemacht hat und vielleicht auch zu verstehen, warum es da zu Problemen in der Notation mit unseren (seit Mozarts Zeiten gebräuchlichen) Noten kommt:
Hier versteckt sich ein unmerklicher Rechenfehler (!)
Wie das?
Zitat von rolf:...dann aber die ominöse Verdreifachung der Fließbewegung drei mal drei Sechzehntel (entspricht neun Sechzehnteln) des ursprünglichen Taktes (Thema) - und hier müssen die 32stel als Triolen verstanden werden.
Zitat von rolf:=> diese Überlegungen funktionieren nur, wenn man voraussetzt, dass hier überall Takt = Takt gemeint ist (wobei dann immer noch die Frage offenbleiben muss, warum am Ende von Var.3 bie der Rückkehr zu 9/16 das l´stesso tempo fehlt...
oder einfacher gesagt: es geht uns darum, eine (heutige) Interpretation überzeugend darzustellen.Deshalb schrieb ich von einer "vermeintlichen Wirkung". Schließlich nennen wir uns Interpreten.
Ich glaube, für die Mehrheit zu sprechen, wenn ich behaupte, dass die Aussage, die wir heute in einer alten Musik zu spüren glauben, uns oft zwingend genug erscheint. Demnach geht es darum, diese in einen gegenwärtigen Kontext zu versetzen.
das stimmt, wenn du in deinem Beitrag mit den gefälligst zu punktierenden Sechzehnteln die gemeint hat, die exakt einen halbierten Herzschlag (1/16 + 1/32) dauern -- das ist übrigens das, was Margulis in seinem Essay als "Punktisten" bezeichnet (damit ist gemeint, dass der gut lesbare 6/16 Takt eigentlich 6 punktierte 1/16 in Relation zu Thema und Var.1 meinen soll)Ich habe zwar ehrlich gesagt den Rechenfehler auch nach deinen Erklärungen nicht gefunden, und soweit ich das überblicke haben wir die gleiche Argumentation.
Genau diese habe ich gemeint. Aber ich habe mich da nicht klar ausgedrückt, von daher kein Wunder dass das zu Missverständnissen führt.das stimmt, wenn du in deinem Beitrag mit den gefälligst zu punktierenden Sechzehnteln die gemeint hat, die exakt einen halbierten Herzschlag (1/16 + 1/32) dauern -- das ist übrigens das, was Margulis in seinem Essay als "Punktisten" bezeichnet (damit ist gemeint, dass der gut lesbare 6/16 Takt eigentlich 6 punktierte 1/16 in Relation zu Thema und Var.1 meinen soll)
@DonBos manchmal können Triolisierungen als leicht verlangsamt aufgefasst werden, aber bei weitem nicht immer (Schuberts beliebtes As-Dur Impromptu mit verlangsamten Achteltriolen wäre Pfusch)Das hier kann ich leider nicht so ganz nachvollziehen? Was meinst du damit, dass das Tempo einer Triole nicht immer genau das 1,5 fache einer Duole sein soll? Bzw. was ist "das natürliche Tempo" im Vergleich mit "dem Tempo"?