Tja es hält sich hartnäckig, dass man auf einem Digitalpiano nicht vernünftig üben könne oder sich gar das Spielen "verdirbt".
Das halte ich für überholt.
Ein gutes Digitalpiano ist besser zum Üben geeignet als ein analoges Instrument mit schlecht regulierter Mechanik. Z.B. wenn man wie
ich sich mal ein Silent-System in sein Klavier hat einbauen lassen - das kommt wieder raus und ich lass die Mechanik wieder vernünftig einstellen (es handelt sich um ein Sauter-Klavier mit Renner-Mechanik). Zu der Problematik von Silent-Systemen siehe
dieses Video.
Seit ich das Digi (Kawai CA-79) benutze konnte ich nach und nach einen nuancierteren Anschlag entwickeln, und das wäre IMHO mit dem (nach der Silent-Nachrüstung) nicht mehr optimal regulierten Instrument nicht möglich gewesen. Auch für das Gehör ist es sicherlich nicht von Nachteil an einem stets perfekt gestimmten Instrument zu üben.
Das soll aber jetzt nicht heissen, dass ich lieber auf dem Digi als auf einem guten Flügel spiele - auf keinen Fall! Absolut perfekt ist das Digi halt nicht,
insbesondere wenn es um sehr feine Nuancen und abgestufte Pedalierung geht (eben nicht nur "Ganz-" oder Halbpedal was am Digi möglich ist). Um dahin zu kommen, muss ich aber verdammt gut üben und verderbe mir da am Digi nichts, obwohl es natürlich immer eine Umstellung bedeutet, auf einem akustischen Instrument zu spielen. Da gewöhnt man sich wenn man abwechselnd spielt aber relativ gut dran.
Zur Einordnung was ich mir derzeit auf dem Digi "verderbe" ;-> : sitze u.a. an der Aria aus Francks "Prélude, Aria et Final" und der dritten Sonate von Kabalewski.
Auch professionelle Konzertpianisten nutzen mittlerweile digitale Instrumente zum Üben. Beispielsweise Cole Anderson hat auf seinem YouTube-Kanal "The Independent Pianist" sein Setup zum Üben vorgestellt, die ich wenn ich jetzt noch mal zu entscheiden hätte, meinem aktuellen Digitalpiano sogar vorziehen würde, weil es noch mal flexibler ist hinsichtlich des Klavierklangs. Bei Interesse bitte auch mal in seine Analyse von Brahms' Intermezzi
hier reinhören. - soviel ich weiß auch mit dem digitalen eingespielt. Mein Ziel: das auf einem akustischen Flügel es mal so schön zu spielen wie es dort auf dem ach so bösen digitalen Instrument erklingt.
Wenn ich frei wählen könnte auf was ich wann immer üben könnte, hätte ich sicher einen guten Flügel. Aber auch so ein Setup wie Cole Anderson zum üben, ohne irgendjemand zu nerven oder mir Gedanken machen zu müssen das andere mein bei neuen Stücken noch ganz am Anfang stehendes Geübe anhören und womöglich bewerten. Ein Hybrid-Instrument geht eventuell auch, wenn man nur Platz für ein Instrument hat. Da würde ich erst mal per Mietkauf sehr sehr gründlich schauen ob das okay ist. Nie wieder jedoch: ein gutes akustisches Instrument mit einer Silent-Nachrüstung verhunzen.