Zeitgenössische Musik, die man sich anhören kann

An Arvo Pärt werde wir uns nicht reiben. da ist der Zugang bereits durch einmaliges Hören hergestellt. Zumindest geht es mir so.

@hasenbein
mir missfällt auch sehr, wenn Pianistinnen ihre sogenannten Waffen (welch lächerliche Bezeichnung) am Klavier einsetzen. Und sie tut es wirklich bei jeder Gelegenheit.

Das missfällt mir übrigens bei dem eigentlich hervorragende Klavierduo: Süher und Güher Pekinel, die mich dann öfters an die Kessler Zwillinge denken lassen.

gibt es denn hier einen Kenner, der mal dieses Pollini-Nono Stück verstehen hilft.

pppetc hat ja angedeutet, dass es am Hörer liegt, der sich nicht genügend auf die Musik einlässt , sodass diese in Folge dann beleidigt sein könnte.

Die Musik würde demnach die Vorurteile des belasteten Hörers erkennen und sich demzufolge der weiteren Kommunikation verweigern.

Da ich der Musik als kosmischer Macht alles mögliche zutraue scheint mir auch diese Betrachtung nicht abwegig.

@rolf,

du schriebst, dass dir diese Betrachtung zu religiös sei.

Vielleicht ist aber gerade Musik die eigentliche Religion und das Wort (jenes Erste in der bibel erwähnte) war Klang.

In den Veden steht, dass die Gottheit die Universen ständig neu erschafft, indem sie sie ein- und ausatmet- Vielleicht ist das mit Klängen verbunden.?

Ich glaube, dass Nietzsche sagte, wenn der Mensch sich mit Musik beschäftige würden in dem Moment seine Seele philosophieren.

Was im Klartext heissen kann, dass sie nach noch unbekannten Weisheiten forscht.
 
Liebe Leute,

die Frage, die mich beim Hören zeitgenössischer Musik umtreibt, ist weniger die "Ist das nun Kunst / "gut" oder nicht?", sondern:

Was ist mit der überwiegenden Zahl der zeitgenössischen Komponisten los, daß sie, wenn sie die Muse küßt, fast immer nur Stücke komponieren, die "rätselhaft", "düster", "problematisch", "bizarr", "ironisch" etc. klingen?

Warum ist die Zahl der Stücke, die "fröhlich", "verspielt", "einfach schön", "wohltuend-erhebend" etc. klingen, so gering?

Meine These ist, daß sich Menschen, deren Inneres gerne Positives zum Ausdruck bringen will und für die Musik Ausdruck von Lebensfreude ist, mehrheitlich nicht Neue-Musik-Komponisten oder -Spieler werden, sondern sich entweder Jazz/Rock/Pop zuwenden oder aber "klassische Musiker" werden und das traditionelle Repertoire spielen.

Von selbstverständlichen Ausnahmen abgesehen, scheint mir die Neue Musik ein Refugium für die psychisch Beladenen unter den Musikern zu sein.

LG,
Hasenbein
 
@hasenbein:

Ich denke das hängt auch vom Publikum ab. Wenn man heute ein Stück aufführt, das schön harmonisch komponiert wurde, wird man ausgelacht. Als Komponist muss man sich leider an gesellschaftliche Verhältnisse anpassen.

Das musste sich beispielsweise Schostakowitsch auch. Wer die fünfte Symphonie von ihm kennt, der wird wissen, was ich meine.

Wenn jemand ins Konzertleben als Komponist eintritt und ein Werk, das fröhlich, simpel, thematisch komponiert und es dann aufführt, dann weißt du ja was passiert ;).

Aber selbst wenn - die Genies Bach, Beethoven und viele andere Komponisten hat noch nie jemand in ihrer Genialität übertroffen. Selbst wenn es so wäre, dann wäre es nur eine Kopie. Und die ist leider blasser als das Original.

Wer weiß, vielleicht kehrt irgendwann der Klassizismus wieder in die Komposition zurück?
 
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die Frage, die mich beim Hören zeitgenössischer Musik umtreibt, ist weniger die "Ist das nun Kunst / "gut" oder nicht?", sondern:
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Was ist mit der überwiegenden Zahl der zeitgenössischen Komponisten los, daß sie, wenn sie die Muse küßt, fast immer nur Stücke komponieren, die "rätselhaft", "düster", "problematisch", "bizarr", "ironisch" etc. klingen?
Warum ist die Zahl der Stücke, die "fröhlich", "verspielt", "einfach schön", "wohltuend-erhebend" etc. klingen, so gering?
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Meine These ist, daß sich Menschen, deren Inneres gerne Positives zum Ausdruck bringen will und für die Musik Ausdruck von Lebensfreude ist, mehrheitlich nicht Neue-Musik-Komponisten oder -Spieler werden, sondern sich entweder Jazz/Rock/Pop zuwenden oder aber "klassische Musiker" werden und das traditionelle Repertoire spielen.
(4)
Von selbstverständlichen Ausnahmen abgesehen, scheint mir die Neue Musik ein Refugium für die psychisch Beladenen unter den Musikern zu sein.

Hallo Hasenbein,

Du piontierst sehr schön - und natürlich auch ein Quentchen provokant :)

(1)
ich frage mich das, denn ich mag nicht von etwas bizarrem berieselt werden, wenn es sich obendrein als drittrangig erweist - also die Frage nach der Qualität stellt sich meiner Ansicht nach immanent immer.

(2)
und das ist ein sehr vielschichtiger Gedanke, denn er berührt das Verhältnis der Komponisten / Kompositionen zu ihrer Zeit, ihrer Realität.
Eindeutige Antworten weiss ich auch keine, aber mir scheinen zwei Beobachtungen als eine Art Annäherung praktikabel:
- manches bizarre reflektiert unsere bizarre, ver-rückte Zeit
- insgesamt (schon immer!) gab es mehr gelungene dramatische und tragische Werke (Literatur, Musik) als gelungene Komödien... !!! Das scheint sich fortzusetzen!! Manchmal habe ich den Verdacht, dass das "Heitere" (und Heiterkeit meint keine kurzlebige flache Comedy, sondern Sachen wie Mozarts Nocce di Figaro oder Verdis Falstaf, Kleists zerbrochenen Krug) vielleicht viel schwieriger zu erreichen ist, als das "Düster-Dramatische"

(3)
na ja, aber die "klasische" Musik hat ja auch ein deutliches Übergewicht bei den dramatischen Sachen...

(4)
:D :D
hier wiederholst Du, was Hanslick 1881 über Liszts Sonate schrieb, die er schon über 20 Jahre lang kannte:
Zitat von Eduard Hanslick:
Da hört jede Kritik, jede Diskussion auf. Wer das gehört hat und es schön findet, dem ist nicht zu helfen.
...ob wirklich alle Neutöner latent behandlungsbedürftig sind? ...ich glaub´s ja eigentlich nicht, eher scheinen mir manche wie aus Trotz etwas talentfrei zu sein...

Gruß, Rolf
 
Ubik, ich spreche nicht von Simplizismus oder Klassizismus.

Ich bitte darum, meine Äußerungen nicht in einen Topf zu werfen mit "Stimmen aus dem Volk", die entweder "Buhuhu, ich will was Verständliches hören" rufen oder dem Konservativismus verfallen sind.

Es gibt ja sehr wohl zeitgenössische Musik, die eine "positive" Ausstrahlung hat, was zeigt, daß keine dümmlichen Rückgriffe auf Altes oder Simplifizierungen nötig sind. Was mich interessiert, ist lediglich, warum dies so eine kleine Minderheit ist.

LG,
Hasenbein
 
...ob wirklich alle Neutöner latent behandlungsbedürftig sind? ...ich glaub´s ja eigentlich nicht, eher scheinen mir manche wie aus Trotz etwas talentfrei zu sein...

Gruß, Rolf

Nun, da könnte was dran sein... möglicherweise ist es auch einfach eine Sache des rationalen Denkens der Komponisten, das es nicht zuläßt, sich einfach einem "schönen Gefühl" zu überlassen beim Komponieren, weil das nicht "political correct" in "ernsthaften Kreisen" ist. (Das war ja in extremo in den 50er-60er-Jahren der Fall.)

Das Argument, die Musik (oder Kunst allgemein) spiegele halt den Zustand der heutigen Zeit wider und müsse daher zerrissen, dissonant etc. sein, wird ja häufig gebracht. Ist aber bei näherer Betrachtung Quatsch!

Daß ein schwer Depressiver beispielsweise dazu neigt, sich nur mit düsteren Dingen zu beschäftigen, ist zwar naheliegend, aber niemand wird ernsthaft behaupten können, daß das gut für ihn sei. Es geht ja darum, daß er wieder Positives zu sehen und zu schätzen lernt.

Genauso war schon immer eine Hauptfunktion der Musik, eben gerade aus dem harten, verstandesdominierten Alltag ausbrechen zu können und eine andere Ebene des Lebens erleben zu dürfen, die der Seele gut tut.

Und gerade in harten Zeiten ist diese Funktion um so wichtiger, damit der Mensch ausbalancierter werden kann und somit auch im täglichen Leben bessere Entscheidungen für sich und andere treffen kann.

LG,
Hasenbein
 
(1)
Das Argument, die Musik (oder Kunst allgemein) spiegele halt den Zustand der heutigen Zeit wider und müsse daher zerrissen, dissonant etc. sein, wird ja häufig gebracht. Ist aber bei näherer Betrachtung Quatsch!
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Daß ein schwer Depressiver beispielsweise dazu neigt, sich nur mit düsteren Dingen zu beschäftigen, ist zwar naheliegend, aber niemand wird ernsthaft behaupten können, daß das gut für ihn sei. Es geht ja darum, daß er wieder Positives zu sehen und zu schätzen lernt.
(3)
Genauso war schon immer eine Hauptfunktion der Musik, eben gerade aus dem harten, verstandesdominierten Alltag ausbrechen zu können und eine andere Ebene des Lebens erleben zu dürfen, die der Seele gut tut.

(1) leuchtet mir nun gar nicht ein!
die morbide Hyperromantik der ausgehenden Belle Epoche, die auf den ersten Weltkrieg zutaumelte, reflekiert sehr wohl die eigene Zeit (Skrjabin, R. Strauß usw.) - retrospektiv sehr schön im Zauberberg beschrieben.

(2) man weiß nicht genau, ob Chopin depressiv oder gar schizoid war (darüber ist bei Gavoty einiges zu lesen) - depressiv muss ja nicht gleich volle Lotte manisch mit 10 Suizidversuchen am Tag sein - - aber hätte man dem, dessen Werk zu mehr als 70% nicht heiter gefällig, sondern melancholisch-tragisch-schmerzlich ist, die Musik aus psychohygienischen Gründen untersagen sollen?

(3) greift mir zu kurz - das degradiert Musik zur erholsamen Berieselung, und davon bietet die Schlagerbranche mehr als genug...
Mozarts heitere Schönheit reflektiert durchaus die schreckliche Zeit, in der er lebte (was wir uns heute mit öffentlichen Hinrichtungen, Spießrutenlaufen etc gar nich vorstellen können), indem sie gerade gegen diese Schrecken eine Utopie von Schönheit aufstellt.
 
das ist doch in Form des Neo-Klassizismus längst geschehen (prokovev "klassische Sinfonie", Strawinski "Pulcinella" usw.)

Ja, gut, ne? Das war aber vor mehr als 100 Jahren ;) Ich meine aber heute.

Ubik, ich spreche nicht von Simplizismus oder Klassizismus.

Ich bitte darum, meine Äußerungen nicht in einen Topf zu werfen mit "Stimmen aus dem Volk", die entweder "Buhuhu, ich will was Verständliches hören" rufen oder dem Konservativismus verfallen sind.

Es gibt ja sehr wohl zeitgenössische Musik, die eine "positive" Ausstrahlung hat, was zeigt, daß keine dümmlichen Rückgriffe auf Altes oder Simplifizierungen nötig sind. Was mich interessiert, ist lediglich, warum dies so eine kleine Minderheit ist.

Und was meinst du mit positiver Ausstrahlung? Kannst du ein Beispiel für ein Stück geben?
 
Was ist mit der überwiegenden Zahl der zeitgenössischen Komponisten los, daß sie, wenn sie die Muse küßt, fast immer nur Stücke komponieren, die "rätselhaft", "düster", "problematisch", "bizarr", "ironisch" etc. klingen?

Warum ist die Zahl der Stücke, die "fröhlich", "verspielt", "einfach schön", "wohltuend-erhebend" etc. klingen, so gering?


Hallo hasenbein,

zusätzlich zu Rolfs Überlegungen fällt mir noch ein, dass ja so einige zeitgenössische Komponisten den Bruch mit den klassischen Traditionen woll(t)en und insgesamt vielleicht eher eine Anti-Haltung einnehmen (ich weiß es aber natürlich nicht).

In so einer Stimmung könnte man dann ja keine fröhlich - verspielten Stücke erwarten. Was aber mein Cousin mir neulich erzählte, ist, dass es besonders im Bereich der elektronischen Musik Tendenzen zu einer "wohltuenden" Musik mit bestimmten sounds gibt. Hoffentlich nicht so wie diese Wellness-Musik, die man manchmal hört, aber in die Richtung. Aber ob es das ist, was du vermisst??? :D

Viele Grüße

chiarina
 

Stichwort "wohltuende Musik". Ich finde es schon frappierend, dass zeitgenössische Musik die Musiker der Orchester krank macht.

Im Buch "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer wird über eine Untersuchung von drei Orchestern berichtet. Das eine spielte nur zeitgenössische Musik, bei dem zweiten lag der Anteil der modernen Musik bei 25% und das dritte spielte Klassik, Oper und Operette.

Die Musiker des Orchesters mit der zeitgenössischen Musik hatten einen höheren Prozentsatz Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magendarm-Erkrankungen und funktionelle Störungen wie Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlaflosigkeit. Und auch die Schwere der Erkrankung war deutlich stärker. Außerdem nahmen die Musiker dieses Orchesters deutlich häufiger Tabletten, also Beruhigungs- und Schmerzmittel. Die Musiker begründeten dies mit den Auswirkungen der zeitgenössischen Musik.

Bei solchen Ergebnissen frage ich mich schon, ob diese Art der Musik wirklich eine Zukunft haben kann. Ist die Musik etwa am Menschen vorbei komponiert?

lg
Nora
 
Unter meinen Bekannten sind auch Mitglieder im Orchester und ich kann bestätigen, dass die Aussagen von Nora in Bezug auf den Medikamenten Gebrauch voll zutreffen.

es gibt einen regelrechten Schwarzmarkt unter Orchestermusikern um die Beschaffung von Betablockern und anderen Pillen.
 
Stichwort "wohltuende Musik". Ich finde es schon frappierend, dass zeitgenössische Musik die Musiker der Orchester krank macht.

Im Buch "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer wird über eine Untersuchung von drei Orchestern berichtet. Das eine spielte nur zeitgenössische Musik, bei dem zweiten lag der Anteil der modernen Musik bei 25% und das dritte spielte Klassik, Oper und Operette.

Die Musiker des Orchesters mit der zeitgenössischen Musik hatten einen höheren Prozentsatz Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magendarm-Erkrankungen und funktionelle Störungen wie Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlaflosigkeit. Und auch die Schwere der Erkrankung war deutlich stärker. Außerdem nahmen die Musiker dieses Orchesters deutlich häufiger Tabletten, also Beruhigungs- und Schmerzmittel. Die Musiker begründeten dies mit den Auswirkungen der zeitgenössischen Musik.

Naja, wenn's von Manfed Spitzer so beschrieben wird. Ich kenne die Hintergründe nicht, aber wenn diese "Studie" so war wie beschrieben, dann kann man sie m.E. auch gleich wieder vergessen. Die Aussagekraft von Beobachtungen, die anhand je eines Orchesters gemacht wurde, ich quasi gleich null.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Noch ein Nachtrag zu einer anderen Ecke der Diskussion (chiarina/rolf):

wir ändern uns mit jedem Zuwachs an Wahrnehmungs- und Verständnismöglichkeiten.

nach Beethovens komplexer Spätwerkharmonik kommen mir viele Mozartstellen harmlos vor - das zwang mich, sie genauer zu hören und ich stelle fest: sie sind nicht harmlos, sondern vermitteln ihre Expressivität optimal mit den eigenen (relativ begrenzten) Mitteln.

ebenso geht es mir mit Chopin, nachdem ich Liszt und Mussorgski kannte - und auch hier zwang mich das, genauer bei Chopin hinzuhören - - - an dieser Stelle an pppetc tausend Dank, weil er mir mit richtungweisenden Überlegungen half, Chopin immer wieder neu zu hören

ebenso eht es mir, wenn ich erst Ravel und Skrjabin, und danach die diatonischen Abschnitte der Lisztsonate oder mancher Wagnerstellen höre - und auch hier zwingt mich das jedesmal neu, genauer in jede Musik und ihre eigene musikalische Sprache hineinzuhören.

in Maßen gilt dies auch für das (zugegebenermaßen manchmal ärgerliche) Hören extremer Positionen von avantgardistischer oder zeitgenössischer Musik: so manches Werk von Varese oder Boulez wirkt erst mal wie eine kalte Dusche - hört man aber direkt danach Tschaikowski, kommt zumindest mir diese Hyperromantik zunächst fast weinerlich vor - - bis sich beides mildert, und mir Tschaikowski wieder gefällt, ich aber auch bei Varese und Boulez schöne, rätselhafte und faszinierende Klänge entdecke.

Das ist wirklich wunderbar beschrieben, das immer-wieder-Neu (und detaillierter)-Hören. Ich habe zu Studienzeiten mal bei einem Musikabend bei einem (Nicht-Musik-)Professor die Pathétique gespielt, und danach meinte er (freundlich), dass er nach den Hörerfahrungen mit neuer Musik mit solcher Musik gar nichts mehr anfangen kann, und auch nichts mehr von Dramatik oder Ringen in so einer Sonate nachempfinden kann. Ich habe damals nicht weiter nachgebohrt, aber fand das damals schon eine sehr traurige Angelegenheit, dass diesen Mann seine Aufgeschlossenheit neuer Musik gegenüber nur um den Preis solcher Scheuklappen klassisch-romantischer Musik gegenüber zustandekam. Im besten Fall ist es, wie Rolf oben beschreibt, dass Hörerfahrungen in verschiedenen Stilen sich gegenseitig befruchten und zu weiter vertieftem Hören und Empfinden nicht nur für die Musik einer Epoche führen.

Zitat von rolf:
allerdings gibt es bei mir eine Grenze, die ich selber einfach nicht überschreiten will: wenn die vielen "herkömmlichen" Instrumente entweder um kalte Elektronik ergänzt oder gar durch sie ersetzt werden, dann mag ich nicht mehr zuhören und dann will ich taub für alle noch so gelehrsamen Erläuterungen sein - - Maschinen haben ihren berechtigten Platz andernorts, mag auch das eine oder andere kurzfristig faszinierend erscheinen (sowas vergleiche ich gerne mit den high-tech-Vorstellungen in der Filmbranche: wie altertümlich wirken die ersten Enterprise Folgen gegen z.B. Avatar, was das Science-Fiction-Interieur betrifft)
Ich muss sagen, das geht mir ganz genau so, und hat sich, dadurch dass ich (wie viele andere) auch an der Arbeit schon ständig von Elektronikzeugs umgeben bin, noch verstärkt. Ich habe bisher keine große Begeisterung verspüren können, wenn neben einem echten Klavier ein Sinusgenerator, Tape oder dergleichen rumdudelt (das ist ja auch bei Nonos einzigem Soloklavierstück der Fall). Rolf deutet auch schon an, wie schnell sich der Effekt abnutzt, und wie zeitgebunden die Musik dadurch wird. Vielleicht muss ich in der Hinsicht aber einfach noch auf ein Erweckungserlebnis warten (pppetc scheint sich ja intensiv mit der Musik Nonos befasst zu haben, vielleicht hat er ja einen Vorschlag zum Sich-Hineinhören)....
 
Naja, wenn's von Manfed Spitzer so beschrieben wird. Ich kenne die Hintergründe nicht, aber wenn diese "Studie" so war wie beschrieben, dann kann man sie m.E. auch gleich wieder vergessen. Die Aussagekraft von Beobachtungen, die anhand je eines Orchesters gemacht wurde, ich quasi gleich null.

Die Studie ist von 1973. Teils wurden die Daten qualitativ erhoben in teilstrukturierten Interviews von bis zu 3 Stunden Länge. Medizinische Berichte vor der Tätigkeit im Orchester und danach wurden gesichtet und ausgewertet. Natürlich ist die Untersuchung nicht repräsentativ. Aber da Spitzer den Anspruch hat, die neuesten Erkenntnisse zum Thema zusammenzutragen, gehe ich davon aus, dass es keine weiteren Untersuchungen zu diesem Thema gab.

Interessant finde ich die Ergebnisse dennoch. Eine Überprüfung durch eine repräsentative Studie steht aber wohl noch aus.
 
Die Studie ist von 1973. Teils wurden die Daten qualitativ erhoben in teilstrukturierten Interviews von bis zu 3 Stunden Länge. Medizinische Berichte vor der Tätigkeit im Orchester und danach wurden gesichtet und ausgewertet. Natürlich ist die Untersuchung nicht repräsentativ. Aber da Spitzer den Anspruch hat, die neuesten Erkenntnisse zum Thema zusammenzutragen, gehe ich davon aus, dass es keine weiteren Untersuchungen zu diesem Thema gab.

Interessant finde ich die Ergebnisse dennoch. Eine Überprüfung durch eine repräsentative Studie steht aber wohl noch aus.

Danke für die Info, Nora! Ein ordentlicher Nachweis dieser Hypothese (also dass Neue Musik krank macht) wird sicher sehr schwer werden. Denn man kann nicht einfach irgendwelche Orchester auswerten, denn dazu gibt es viel zu viele Störfaktoren, z.B. wurde ja oben schon diskutiert, ob z.B. depressiv veranlagte Menschen sich häufig einer bestimmten Musikart zuwenden -- das ist die komplette Umkehrung der Hypothese von Spitzer.

Durch das einfache Zählen der Häufigkeit von Medikamentengebrauch etc. in verschiedenen Gruppen wird man höchstens verifizieren können, ob z.B. durchschnittlicher Medikamentengebrauch in Ensembles die auf Neue Musik spezialisiert sind, tatsächlich höher ist als in anderen Ensembles (schon diese Vermutung kommt mir ziemlich fragwürdig vor; ich würde nicht meinen Hals darauf verwetten), aber man wird eben nicht sagen können, ob das eine Folge der Neuen Musik ist, oder aber nur eine Folge von etwas, das das Interesse an Neuer Musik begünstigt. So etwas könnte ordentlich nur in einer Studie beantwortet werden, die die Gruppenzuordnung schon vor dem intensiven Kontakt mit neuer Musik trifft, und eigentlich müssten die Studienteilnehmer noch zufällig einer Musikrichtung zugeordnet werden...da wird's schon schwierig....ich möchte z.B. nicht in der Operettengruppe landen, sonst brauch' ich Medikamente! :p
 
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Ergänzend zu dieser Orchesterstudie kann man noch fragen, ob das Orchester, welches die Zeitgenössische Musik gespielt hat sonst klassisches gewöhnt war, bzw. so ausgebildet wurde?
Spielen die Leute nämlich zwangsweise eine Musik, die sie eventuell nicht mögen, so wird dadurch der Stressfaktor auf sehr subjektive Art und Weise nach oben gekurbelt.

Wenn ich allerdings ganz ehrlich bin, finde ich es heutzutage sehr schwer konkrete Tendenzen festzumachen. Ich habe zumindest angehende Komponisten in meinem Alter kennengelernt die unfassbar stark gestreut sind.
Unter diesen gibt es sowohl Leute, welche die alte Tradition pflegen und immer noch Sinfonien mit strengem Kontrapunkt komponieren, so wie kleinere Fugen, als auch eben solche Leute, die alle Regeln verdammen wollen und sich praktisch nur am spontanem Chaos bedienen, um es mal derart auszudrücken.

Ich vermute allerdings, dass man heute weniger nachhaltig komponiert, also im Grunde nicht für die späteren Generationen, sondern man will nur das unmittelbare, jetzige Gefühl zum Ausdruck bringen (alternativ könnte man auch sagen, die aktuelle gesellschaftliche Lage...naja) und dieses ist eben kurzlebig, dafür aber intensiv und sicherlich auch auf den ersten Blick unverständlich. Vlt sogar auf viele weitere auch, weil man, sofern man sich in die Gefühlslage nicht hineinversetzten kann, oft auch keine sonderlich klare äußere Form hat, an der man sich festhalten kann.

Derartiges lässt sich selbstverständlich nicht pauschalisieren, aber ist durchaus hier und da erkennbar.

Im übrigen kann ich mich dem nur anschließen, dass es verwerflich ist, mittels der Elektronik Instrumente zu imitieren. Da hört bei mir letztlich auch der Spaß auf. Wenn man in einem Programm diese Midi-Klänge hat um sich die Partitur probezuhören, so könnte man das unter Umständen noch verstehen, aber dann tatsächlich Orchestrale Werke mittels gesampelter Instrumente als fertiges Produkt zu verkaufen ist eine unverschämtheit. Eine Verrohung.
Und selbst dieses "Probehören" finde ich eig. manchmal auch schon kritisch.
Es ist, wie Klavigen bereits erwähnte ein Luxus der die Leute davon befreit von vornherein eine Klangvorstellung zu haben. Es wird also oft erstmal herumgeklickt bis plötzlich etwas tönt, was ihnen gefällt und das wird stehen gelassen.

Soviel erstmal dazu.

Schönen Gruß, Raskolnikow
 
Moin pianovirus

(pppetc scheint sich ja intensiv mit der Musik Nonos befasst zu haben, vielleicht hat er ja einen Vorschlag zum Sich-Hineinhören)....

Was heißt schon intensiv - da gibts Leute, die haben viel mehr gemacht
als ich. Michael Gielen zum Beispiel - es ist jetzt dreißig Jahre her, und
ich erinnere mich sehr gern daran: Er dirigierte damals in Frankfurt auch
Nonos Al Gran Sole Carico D'Amore, und ich bin heute über ein paar
links gestolpert:


Michael Gielen - Interview


Siemens-Preis Essay/Peters

Peter Hirsch - Interview


Michael Gielen - Portrait


Ich denke, daß man daran ne Menge lernen kann:
Wie solche Leute wie Gielen mit einer Musik wie der
Nonos arbeiten. Michael Gielen ist ein ganz wunderbarer
Musiker, an seine Version von Beethovens Neunter erinnere
ich mich nämlich auch gerne - und das widerum kann ich von
den meisten Einspielungen dieses Stücks nicht sagen.

Hier noch eine kleine Skizze zu Nono:

Al Gran Sole Carico D'Amore


gruß

stephan
 
Naja, wenn's von Manfed Spitzer so beschrieben wird. Ich kenne die Hintergründe nicht, aber wenn diese "Studie" so war wie beschrieben, dann kann man sie m.E. auch gleich wieder vergessen. Die Aussagekraft von Beobachtungen, die anhand je eines Orchesters gemacht wurde, ich quasi gleich null.


Hallo allerseits,

ich bin da auch sehr skeptisch! Seitdem ich mal einen Bericht über die Aussagekraft und Hintergründe von Studien gelesen habe, noch viel mehr.

Da meine eigene Familie im Orchester spielt und ich auch sonst eine Menge Leute darin kenne, gibt es eben sehr unterschiedliche mögliche Faktoren für Medikamentenmissbrauch. Z.B. die Frage, was für ein Orchester das ist. Zwischen einem miserabel bezahlten B-Orchester, dessen Mitglieder auch befürchten müssen, evtl. mit einem anderen Orchester zusammengelgt zu werden und einem A-Orchester an einem wunderbaren Standort besteht schon mal ein Riesenunterschied. Wie oft sie reisen müssen etc. hängt auch davon ab. Wenn man dann noch gezwungen ist, zusätzliches Geld mit womöglich ungeliebtem Unterrichten zu verdienen, um seine Familie zu ernähren, ist der Weg zu Missbrauch vielleicht kürzer.

Da gibt's viele Faktoren.

Die Mitglieder vom Ensemble modern, die ich allerdings vor langer Zeit im Studium mal kennen lernen durfte, schienen ihre Arbeit sehr zu lieben!

Allerdings würde ich bei allen einseitigen Sachen vermutlich Bauchkrämpfe kriegen .....:p . Am meisten wie pianovirus bei Operetten ! :D

Liebe Grüße

chiarina
 

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