Wenn es die zeitgenössische Musik nicht gäbe, würde man vielleicht sogar die klassischen Komponisten anders hören, denn das musikalische Spektrum wurde gravierend erweitert und das wirkt sich m.M.n. auf uns als Hörer aus.
ein sehr wichtiger Gedanke!
wir ändern uns mit jedem Zuwachs an Wahrnehmungs- und Verständnismöglichkeiten.
nach Beethovens komplexer Spätwerkharmonik kommen mir viele Mozartstellen harmlos vor - das zwang mich, sie genauer zu hören und ich stelle fest: sie sind nicht harmlos, sondern vermitteln ihre Expressivität optimal mit den eigenen (relativ begrenzten) Mitteln.
ebenso geht es mir mit Chopin, nachdem ich Liszt und Mussorgski kannte - und auch hier zwang mich das, genauer bei Chopin hinzuhören - - -
an dieser Stelle an pppetc tausend Dank, weil er mir mit richtungweisenden Überlegungen half, Chopin immer wieder neu zu hören
ebenso eht es mir, wenn ich erst Ravel und Skrjabin, und danach die diatonischen Abschnitte der Lisztsonate oder mancher Wagnerstellen höre - und auch hier zwingt mich das jedesmal neu, genauer in jede Musik und ihre eigene musikalische Sprache hineinzuhören.
in Maßen gilt dies auch für das (zugegebenermaßen manchmal ärgerliche) Hören extremer Positionen von avantgardistischer oder zeitgenössischer Musik: so manches Werk von Varese oder Boulez wirkt erst mal wie eine kalte Dusche - hört man aber direkt danach Tschaikowski, kommt zumindest mir diese Hyperromantik zunächst fast weinerlich vor - - bis sich beides mildert, und mir Tschaikowski wieder gefällt, ich aber auch bei Varese und Boulez schöne, rätselhafte und faszinierende Klänge entdecke.
so ist es auch mit den radikalen Clustern bei Nono et al.
allerdings gibt es bei mir eine Grenze, die ich selber einfach nicht überschreiten
will:
wenn die vielen "herkömmlichen" Instrumente entweder um kalte Elektronik ergänzt oder gar durch sie ersetzt werden, dann mag ich nicht mehr zuhören und dann will ich taub für alle noch so gelehrsamen Erläuterungen sein - - Maschinen haben ihren berechtigten Platz andernorts, mag auch das eine oder andere kurzfristig faszinierend erscheinen (sowas vergleiche ich gerne mit den high-tech-Vorstellungen in der Filmbranche: wie altertümlich wirken die ersten Enterprise Folgen gegen z.B. Avatar, was das Science-Fiction-Interieur betrifft)
Neuhaus meinte nicht, man müsse Liszt können, um sich an Mozart
wagen zu dürfen - er meinte damit eine umfassende
musikalische und technische Schulung, die für jede Musik nötig ist.
Gruß, Rolf