Wird Klassische Musik jemals wieder populär?

  • Ersteller des Themas River Flowing
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Einerseits kann man sich über den fehlenden Geschmack der Masse ärgern, andererseits wäre auch blöd, wenn an der Straßenecke späte Beethoven Quartette gepfiffen werden.
(frei nach Aldous Huxley)

Nö, ich ärgere mich nicht darüber. Ich stelle fest und nehme das einfach hin.
Ist in anderen Gebieten auch nicht anders. Bei Musik mag uns das eher auffallen, weil damit zu tun haben.

Grüße
Häretiker
 
Wo kann man heute noch besser zeigen, wie kultiviert man ist, als in Bayreuth oder im klassischen Konzert?

So einen kannte ich auch mal. Ich hatte immer das Gefühl, der hat von Musik keine Ahnung, aber hört Klassik, weil er ja angehender Akademiker ist. Hielt "ohne Zweifel" Mozart für den allergrößten Komponisten aller Zeiten, konnte aber noch nicht einmal Dur von Moll unterscheiden.

Hach, das erinnert mich an das Neujahrskonzert 2008 in der Kölner. Koglmann spieltemit seinem Monoblue Quartett, Name das Programms: "An Affair with Strauss". Es wunderte ich, wieviel sich in superschicke Abendgarderobe geworfen haben. Die ersten gingen während des ersten Stücks, nach der Pause waren nur noch die Hälfte da. Hätte man die Programmankündigung vorher gelesen und verstanden, hätte einem klar sein müssen, das hie keine Walzerseligkiet a la Rieu präsentiert wird.

Youtube hätte vielleicht sowas von ihm gezeigt:

View: https://www.youtube.com/watch?v=_DKEMdN7UaI

oder

View: https://www.youtube.com/watch?v=9Pkcj2EuBTs


Nicht so ganz direkt Andre Rieu ...

Grüße
Häretiker
 
Die Operetten des 19. und 20. Jahrhunderts gehen auch als populäre Musik durch, haben sie sich doch - ebenso wie die Musicals - hemmungslos an der Stilistik der jeweiligen Unterhaltungsmusik orientiert. Im 19. Jahrhundert waren das Walzer, Polka, Marsch und Galopp, im 20. Jahrhundert kamen dann Foxtrott, Charleston, Tango etc. hinzu. Das Musical hat vielleicht die (ohnehin schon im Niedergang begriffene Operette) verdrängt, aber ganz gewiss nicht die Oper oder gar die Klassik im Allgemeinen.
Nun war aber die Operette als musiktheatralische Gattung nicht plötzlich da und ebenso plötzlich wieder verschwunden. Es ist vielmehr festzustellen, dass es frühzeitig im Musiktheater leichter und schwerer gewichtige Sujets oder Stoffe gab - und das schon zu vorklassischen Zeiten. In der klassischen Zeit gab es bereits eine begriffliche Unterscheidung zwischen Opera seria und Opera buffa, mit der bereits das Lebenswerk Wolfgang Amadeus Mozarts für die Bühne differenzierbar ist. Diese Zweiteilung bestand im 19. Jahrhundert weiterhin und zwar auch über Ländergrenzen hinweg, indem beispielsweise in Frankreich zwischen Grand opéra und Opéra comique unterschieden wurde - da gab es im deutschen Sprachraum eben die Wiener Operette (Johann Strauss II) und im französischen Sprachraum die Pariser Operette (Offenbach). Auch in anderen europäischen Ländern gab es besondere Spielarten dieses Genres wie die "englischen" Operetten (Gilbert and Sullivan). Das Musical oder Musical play existierte begrifflich in Nordamerika bereits, als in Europa die großen Operetten der "silbernen Ära" entstanden (Lehár, Kálmán, Lincke, Kollo, Abraham, Künneke...). Die bereits klassischen Musicals wie "My fair Lady" knüpften nahtlos an die europäische Operettentradition an, während die europäischen Operetten längst Tanzformen und Instrumentarium aus der populären Unterhaltungsmusik integriert haben. Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden noch viele Operetten im deutschen Sprachraum, vornehmlich in der DDR als eigenes Genre:









Natürlich war es politisch gewollt, dem amerikanischen Musical als Produkt des westlichen Imperialismus und Kapitalismus künstlerisch die Stirn zu bieten. Das setzte der Verbreitung dieser Stücke natürliche Grenzen und hatte zur Folge, dass Stücke wie "Hello Dolly", "Anatevka" oder "Kiss me Kate" immer noch gut laufen, während die künstlerisch auf Augenhöhe befindlichen DDR-Operetten wohl niemals mehr ihr Nischendasein in der Theaterlandschaft aufgeben können. Habe gerade mal nach der Aufnahme auf DuRöhre gesucht, in der Rex Gildo "Mein Freund Bunbury" gesungen hat, um wenigstens eine Konserve mit einem West-Interpreten anbieten zu können. Ist nicht. Dabei hat Rex Gildo weitaus mehr als diese billige "Hossa"-Scheiße gesungen und hat unter dieser Geringschätzung zeitlebens gelitten.

LG von Rheinkultur
 
Ein Aspekt ist noch nicht betrachtet worden. Wenn wir hier betonen, dass europäische Kunstmusik nicht populär war und in früheren Jahrhunderten auch nur bei einer Minderheit bekannt war, muss man dennoch bedenken, dass immerhin über die Kirchenmusik eine gewisse Bekanntheit erreicht worden ist. Und da früher so gut wie jeder brav sonntags in den Gottesdienst ging, kam man doch gar nicht umhin, mit geistlichen Musikwerken in Berührung zu kommen.
 
Ein Aspekt ist noch nicht betrachtet worden. Wenn wir hier betonen, dass europäische Kunstmusik nicht populär war und in früheren Jahrhunderten auch nur bei einer Minderheit bekannt war, muss man dennoch bedenken, dass immerhin über die Kirchenmusik eine gewisse Bekanntheit erreicht worden ist. Und da früher so gut wie jeder brav sonntags in den Gottesdienst ging, kam man doch gar nicht umhin, mit geistlichen Musikwerken in Berührung zu kommen.


Das wundert mich auch.

Außerdem wenn man bedenkt wieviele Konzepte aus der Klassischen Musik in die Pop-Musik eingeflossen sind ( Dur/Moll-Tonleitern, Dreiklangs-Harmonik) ist es nicht naheliegend anzunehmen, dass klassische Musik hohe Popularität hatte um so einen Einfluss auszuüben?
 
Ich kann zum Glück trotz der Kirchenbesuche in meiner Jugend bei Orgelmusik noch konzentriert zuhören, bei Predigten falle ich immer in Dämmerschlaf und kann mich danach an nichts erinnern.
 
Außerdem wenn man bedenkt wieviele Konzepte aus der Klassischen Musik in die Pop-Musik eingeflossen sind ( Dur/Moll-Tonleitern, Dreiklangs-Harmonik) ist es nicht naheliegend anzunehmen, dass klassische Musik hohe Popularität hatte um so einen Einfluss auszuüben?
Und wenn man bedenkt, wieviele Elemente der Volksmusik, der Unterhaltungsmusik und später auch des Jazz in die Konzertmusik eingeflossen sind: ist es nicht naheliegend, dass sich die Genres gegenseitig beeinflusst und befruchtet haben?
 
Wenn wir hier betonen, dass europäische Kunstmusik nicht populär war und in früheren Jahrhunderten auch nur bei einer Minderheit bekannt war, muss man dennoch bedenken, dass immerhin über die Kirchenmusik eine gewisse Bekanntheit erreicht worden ist. Und da früher so gut wie jeder brav sonntags in den Gottesdienst ging, kam man doch gar nicht umhin, mit geistlichen Musikwerken in Berührung zu kommen.
Orgelliteraturspiel, Kantaten und Oratoriums-Großprojekte sind vorrangig in Kirchenkonzerten und Sonderveranstaltungen anzutreffen - als Teil eines Gottesdienstes vorrangig an den Hochfesten des Kirchenjahres. Und auch das ist eher in größeren Kirchengemeinden in vorrangig (groß)städtischem Umfeld verbreitet, in denen künstlerisch ambitionierte Kirchenmusiker arbeiten. Originale Literatur mit konzertantem Anspruch ist im allwöchentlichen Sonntagsgottesdienst kaum unterzubringen. Da gibt es ein kurzes Spiel zum Einzug, eine diskrete Improvisation mit leiser Registrierung zur Kommunion bzw. zum Abendmahl und ein etwas schwungvolleres Spiel zum Auszug der Gemeinde - in der evangelischen Kirche mit einer gewissen Wertschätzung der Kirchenmusik darf es dann auch nicht choralgebundene Originalliteratur sein, deren Werktitel bei den Abkündigungen sogar manchmal genannt und die von der Gemeinde sitzend bis zum Schlussakkord angehört wird. Dann ist Applaus nicht unangebracht. In kleinen Dorfkirchen in ländlicher Umgebung, in denen vielfach ehrenamtliche Amateurspieler den Orgeldienst versehen, wird selbst dieser bescheidene künstlerische Anspruch kaum erreicht.

LG von Rheinkultur
 
Originale Literatur mit konzertantem Anspruch ist im allwöchentlichen Sonntagsgottesdienst kaum unterzubringen.

Also ich habe im Gottesdienst schon BuxWV 140, BWV 541, 543, 565 und sogar 582 gespielt und dafür immer sehr positives Feedback von der Gemeinde bekommen.
In zwei Gemeinden sollen Pfarrer und Organistin schon angepsrochen worden sein, wann ich denn mal wieder spiele und man würde sich drauf freuen - und ich bin popeliger C-Musiker und eine der Gemeinden beschäftigt zwei Hauptamtlerinnen mit A-Examen - eine davon sogar mit Konzertexamen. Die Gläubigen freuen sich schienbar durchaus mal ein dickeres Ding an der Orgel zu hören. Und wenn das nicht Hasenbeins Ansprüchen genügt, merken das von den 60 Leuten vielleicht 3.
 
Naja, Choralbegleitungen und Orgelstückchen mehr schlecht als recht auf der asthmatischen Dorforgel vorgedudelt zu bekommen betrachte ich nicht als "mit Klassik in Berührung kommen"... eher als Abschreckung...
Wenn dann noch die Frau des Organisten dazu auf ihrer Flöte dilettiert, bekommt man eine Vorahnung von dem, was einen im Fegefeuer erwartet...
 

Genau, so ne typische Dicke mit so weiten Klamotten und Halstüchern, die auch die Weihnachtsdeko im Gemeindehaus selber bastelt und levitiertes Wasser trinkt.
 
Also ich habe im Gottesdienst schon BuxWV 140, BWV 541, 543, 565 und sogar 582 gespielt und dafür immer sehr positives Feedback von der Gemeinde bekommen.
"Kaum" hieß ja auch ein repräsentatives Originalwerk und ansonsten eben solides liturgisches Handwerk. Es hängt auch stark von Gemeinde und der Kooperationsbereitschaft der Hauptamtlichen ab, ob die Kirchenmusik beim Besucher als vorbildlich im Gedächtnis hängenbleibt oder eben als wenig inspirierte Pflichtübung.

Und so mancher
macht einen richtig guten und engagierten Job und überzeugt aufgrund sorgfältiger Vorbereitung mitunter mehr als der eine oder andere Hauptamtliche, der ziemlich bald nach Stellenantritt mit dem Üben weitgehend aufgehört hat. Ohne ordentliche C-Musiker würde vielerorts schon jetzt nichts mehr funktionieren.

LG von Rheinkultur
 
Genau, so ne typische Dicke mit so weiten Klamotten und Halstüchern, die auch die Weihnachtsdeko im Gemeindehaus selber bastelt und levitiertes Wasser trinkt.
Diverse Details hast Du bei der Benennung Deines Klischees der typischen Kantorenfrau vergessen: den extra billigen Kurzhaarschnitt und den betont bierernst-alles durchblickenden Kirchentagsbesucher-Gesichtsausdruck sowie die Mitgliedschaft im Lektorenteam und im Pfarrgemeinderat. Noch schlimmer ist dann nur bei Hochzeitsgottesdiensten die beste Freundin der Braut seit ewigen Sandkastenzeiten, die nach dem Absolvieren einiger Gesangsstunden DAS Ave Maria singen soll. Die darfst Du dann auf der Orgel begleiten, natürlich ohne zusätzliche Kohle für etwaige Sonderproben einzusacken. Und selbstverständlich bist Du schuld daran, dass sie wieder das hohe A nicht gekriegt hat, warum musstest Du sie auch so nervös machen mit diesen viel zu wenigen Proben.

Falls wir immer noch wichtige Details vergessen haben sollten, geht es demnächst hier weiter!:
https://www.clavio.de/threads/es-reicht-es-reicht-wirklich.20237/page-19

LG von Rheinkultur
 
die nach dem Absolvieren einiger Gesangsstunden DAS Ave Maria singen soll.

DAS Ave Maria (das eigentlich ja gar nicht so heißt) zeugt ja fast noch von Literaturkenntnis in Sachen Kunstmusik, zumindest kennen die dann überhaupt irgendetwas. Gefühlt wollen aber fast alle DAS Hallelujah bei Hochzeiten, weil man das noch nicht oft genug in Castingshows etc. hört wohl.
 
DAS Ave Maria (das eigentlich ja gar nicht so heißt) zeugt ja fast noch von Literaturkenntnis in Sachen Kunstmusik, zumindest kennen die dann überhaupt irgendetwas. Gefühlt wollen aber fast alle DAS Hallelujah bei Hochzeiten, weil man das noch nicht oft genug in Castingshows etc. hört wohl.
DAS Ave Maria mit dem hohen A (wenns in F gespielt wird), heißt aber schon so. DAS andere AM heißt dagegen anders :-)
 
Das folgende Zitat aus einem Vortrag von J. Eckhardt hilft vielleicht, die pessimistische Grundstimmung in dieser Frage zu entdramatisieren. Es stammt zwar aus dem Jahr 2003, ist aber meiner Meinung nach im wesentlichen unverändert aktuell.
Den ganzen Vortrag, der das Thema aus der Perspektive der Hörfunkproduktion analysiert, kann man einsehen unter:
http://www.rundfunk-institut.uni-koeln.de/sites/rundfunk/Arbeitspapiere/166_03.pdf . Er berücksichtigt auch gesellschaftlich relevante Bereiche der Musikerziehung.

''Zunächst möchte ich aber mit einer Mär aufräumen, die heutzutage in den Diskussionen über die Zukunft der klassischen Musik herumspukt, indem die Tonträgerbranche in den letzten Jahren in eine massive Absatzkrise gerutscht ist, wird gerne postuliert, dass das Interesse in der Bevölkerung nachlässt. Dies wird gerne auch mit der Frage einer Mediensozialisation in Verbindung gebracht, die jüngere Menschen in einem Überfluss an unterhaltenden Musikangeboten aufwachsen lässt, und deren Blick auf die Werte der klassischen Muikliteratur verschließen soll. Ich meine, dass diese These durch die bruchstückhaften Befunde der Musik- und Medienforschung in keiner Weise belegbar ist. Es sprechen auch einige bekannte Fakten dagegen.
(...) Das Problem liegt also nicht in der Veränderung der Struktur der Musikpräferenzen, sondern anderswo: Die Magazine der Kunden sind mit CD's gefüllt, die Piraterie an Tonprodukten hat sprunghaft zugenommen, und bei den neuesten Verkaufszahlen - die mir nicht vorliegen - spielt sicherlich auch noch die kaufkraftbedingte Konsumzurückhaltung eine Rolle. (...) 2001 hatten die Käufer von Tonträgern klassischer Musik im vorangegangenen Geschäftsjahr folgende Altersstruktur: 10-29jährige 7,1 Prozent, 30-49Jährige 34,1 Prozent und Käufer im Alter von über 50 Jahren und darüber 59,9 Prozent.
(...) Die Zielgruppe der klassischen Musikhörer ist in ihrer großen Mehrheit anderen Musikrichtungen gegenüber aufgeschlossen. Sie ist infolge Ihrer überdurchschnittlichen Bildung die am ehesten offene Zielgruppe für Musik überhaupt.
(...) Präferenzuntersuchungen zeigen, dass die Grenzlinien häufig nicht den Linien von Musikrichtungen, Gattungen oder Epochen entlang verlaufen, sondern sich eher an immanenten Eigenschaften der Musik orientieren. So erzielen z.B. Musikstücke mit einfacher melodischer und rhythmischer Struktur und heiterer Anmutung quer durch alle musikgeschichtlichen oder richtungsspezifischen Kategorien höhere Präferenzwerte als Musikstücke mit komplexer Struktur und melancholischer bis tragischer Anmutung.''
 
Genau, so ne typische Dicke mit so weiten Klamotten und Halstüchern, die auch die Weihnachtsdeko im Gemeindehaus selber bastelt und levitiertes Wasser trinkt.
Du hast vergessen, die unvermeidlichen entweder roten oder "ganz natürlich grauen" ungeschnittenen langen Haare zu erwähnen, die sich gerne in den selbstgebackenen laktosefreien Dinkelplätzchen des Weihnachtsbasars wiederfinden.
 
Chopins Walzer galten seinerzeit als vulgäre Tanzmusik... :rauchen:
 

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