Wird Klassische Musik jemals wieder populär?

  • Ersteller des Themas River Flowing
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Hm, macht das Einaudi nicht auch? Queen? Musicals?
Queen ja, die halte ich auch für Künstler. Der Begriff „Musical“ ist zu weit gefasst, um hier darauf eingehen zu können. Einaudi aber betreibt kontrastlose Aneinanderreihung von zusammenhanglosen, „wohlklingenden“, aber beliebigen Versatzstücken. Und da liegt der große Unterschied zur motivisch-thematischen Arbeit, die eben Kunstmusik im Wesentlichen ausmacht.
 
Es kommt eben neben der Kunst am Instrument immer auch auf die Kunst des Verkaufens an. Natürlich kann man der Meinung sein, das man das nicht nötig hat oder es einem nicht wichtig ist.
 
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch nicht das Phänomen "Popmusik". Diese speziell für die Bedürfnisse der Youngsters gemachte Musik gibt es erst seit weit nach dem 2. Weltkrieg - ihr Urknall waren Elvis und die Rock 'n Roller. Und diese Musik hat die Klassik keineswegs "verdrängt" oder sonstwie behindert. Die Hörer der damaligen Popmusik haben ja nicht Mozart gehört bis Elvis kam, und sind dann am Erscheinungstag von "Jailhouse Rock" übergelaufen.

Mit "Popmusik" meinte ich Populäre Musik im weiteren Sinne. Die Musicals des frühen 20. Jahrhunderts gehen zB als Populäre Musik durch, auch der Jazz. Und diese Stilrichtungen haben ebenfalls zur Verdrängung der Klassik beigetragen.

Dass Klassische Musik nie populär war bezweifle ich übrigens. Was ist zum Beispiel mit der Lisztomanie im 19.Jahrhundert? Liszt war hinsichtlich seiner Fangemeinde Vorläufer von Elvis und den Beatles.

Oder Beethoven: Seine Beerdigung war ein riesiges Ereignis, das von tausenden von Leuten besucht wurde, selbst die Wiener Schulen wurden dafür geschlossen!

Ich denke man macht es sich zu einfach wenn man sagt "Klassische Musik ist halt zu komplex für die Leute". Frühere Zeiten haben gezeigt, dass es anders geht, und das obwohl wir heute ein höheres Bildungsniveau haben.
 
Mit Tokio Hotel tauschen wollen kann auch nur jemand, der eigentlich eine geheime Schwäche für Heidi Klum hegt. Freiwillig so ein Leben - noch dazu meine Fähigkeiten auf 0,5% einstampfen? Niemals...
 
@River Flowing
Dann hätte ich gerne mal von dir Zahlen, wie viel Prozent der Bevölkerung damals von der Lisztomanie befallen waren. Liszt oder Mozart als Popstars (z.B. Stern: Mozart als „First King of Pop“) zu bezeichnen klingt reißerisch, verkennt aber historische Tatsachen. Die breite Masse kannte Mozart oder Liszt zu deren Lebzeiten gar nicht.
 
Die Musicals des frühen 20. Jahrhunderts gehen zB als Populäre Musik durch, auch der Jazz. Und diese Stilrichtungen haben ebenfalls zur Verdrängung der Klassik beigetragen.
Noch so eine Behauptung v.a. in deinem zweiten Satz, die nicht untermauert und ganz einfach falsch ist.
Was sagst du denn z.B. zu George Gershwin, insbesondere seine Oper bzw. sein Musical (über die Gattungszuordnung kann man sich nämlich streiten) passt nicht in dein Schwarz-Weiß-Weltbild.

(Auch, wenn es so klingt, soll dies kein persönlicher Angriff auf dich sein.)
 
Was war im 18. und 19. Jahrhundert wirklich gefragt? Heine mokierte sich über das Variationen-Geklingel von Herz und Hünten. Man schaue sich die Verlagskataloge an: Das, was wir heute schätzen, waren auch damals schon Nischenprodukte. Während eines Beethovenkonzerts soll jemand im Publikum lauthals gerufen haben: „Ich gäb’ einen Kreuzer, wenn’s aufhörte.“ (Heutzutage werden - aus Feigheit? - nur die Saaltüren wutentbrannt zugeschlagen). Im Theaterleben war es ähnlich: Lessing, Goethe, Schiller - sie kämpften für eine Hebung des Niveaus. Und was wollte das Volk sehen? Hanswurstiaden!

Nein, die heutigen Zeiten sind nicht gut, aber es sind die besten, die wir je hatten.

Meint jedenfalls
cb
 
Pop mag sexy sein...aber klassische Musik KANN durchaus erotisch sein...was ich persönlich als erstrebenswerter empfinde,weil da außer den Augen auch mal das Gehirn mitspielt.Und deutlich mehr tiefere Emotionen vermittelt.Von Liebe ,Tod und Teufel.😈
Von den Interpreten lass ich mich optisch nicht beirren.
Das Geschrammel von David Garrett geht mir auf die Nerven...
Und bei Khatia Buniatishvili muß ich die Augen zumachen,das ist mir etwas zu „over the top“🤣 Obwohl klasse Interpretin und hübsche Frau,eher was für die Herren der Schöpfung.
 
Die Musicals des frühen 20. Jahrhunderts gehen zB als Populäre Musik durch, auch der Jazz. Und diese Stilrichtungen haben ebenfalls zur Verdrängung der Klassik beigetragen.
Die Operetten des 19. und 20. Jahrhunderts gehen auch als populäre Musik durch, haben sie sich doch - ebenso wie die Musicals - hemmungslos an der jeweiligen Unterhaltungsmusik bedient. Im 19. Jahrhundert waren das Walzer, Polka, Marsch und Galopp, im 20. Jahrhundert kamen dann Foxtrott, Charleston, Tango etc. hinzu. Das Musical hat vielleicht die (ohnehin schon im Niedergang begriffene Operette) verdrängt, aber ganz gewiss nicht die Oper oder gar die Klassik im Allgemeinen.

Was ist zum Beispiel mit der Lisztomanie im 19.Jahrhundert? Liszt war hinsichtlich seiner Fangemeinde Vorläufer von Elvis und den Beatles.

Nö, war er nicht. Seine Fans hatte er im Adel und im gehobenen Bürgertum. In der Masse der Bevölkerung - Bauern, Handwerker und Kleinbürgertum - ganz sicher nicht. Die haben von ihm nie auch nur irgendwas gehört.

Oder Beethoven: Seine Beerdigung war ein riesiges Ereignis, das von tausenden von Leuten besucht wurde, selbst die Wiener Schulen wurden dafür geschlossen!
Beethoven hatte Kultstatus, das stimmt. Aber den hatte er in der breiten Masse nicht wegen seiner Musik (die galt den meisten als zu modern und unverständlich), sondern aufgrund seines skandalös schlechten Benehmens, seiner Taubheit und seiner Aufmüpfigkeit gegenüber den Herrschenden. Wenn die klassische Musik damals in breiten Schichten der Bevölkerung populär gewesen sein soll - wo waren denn die Massen bei Haydns, Mozarts, Schuberts, Schumanns Beerdigung?
 
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Beethoven hatte Kultstatus, das stimmt. Aber den hatte er in der breiten Masse nicht wegen seiner Musik (die galt den meisten als zu modern und unverständlich), sondern aufgrund seines skandalös schlechten Benehmens, seiner Taubheit und seiner Aufmüpfigkeit gegenüber den Herrschenden. Wenn die klassische Musik damals in breiten Schichten der Bevölkerung populär gewesen sein soll - wo waren denn die Massen bei Haydns, Mozarts, Schuberts, Schumanns Beerdigung?

Es waren vielleicht nicht ALLE klassischen Komponisten ihrerzeit populär, aber Chopins Beerdigung zB wurde auch von über 4000 Leuten besucht. Bei Tchaikovsky waren es über 60.000! Wie erklärst du das?
 
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Die Umstände von Tchaikovskys Ableben waren etwas nebulös, wenn ich mich recht erinnere. So war auch sein Privatleben. Nichts mobilisiert Massen wie ein Skandal oder die Möglichkeit, dass es überhaupt einen geben könnte.

Musik muss nicht populär sein, damit Menschen sie hören und eine Leidenschaft dafür entwickeln. (Wäre sonst echt langweilig.) Und vielleicht ist es ganz gut, wenn sie es nicht ist. Wer erinnert sich schon an die Top 40 vom letzten Jahr.
 
Ich glaube, die klassische Musik wird nie aussterben, schon weil sie sich so gut als Distinktionsmerkmal eignet. Wo kann man heute noch besser zeigen, wie kultiviert man ist, als in Bayreuth oder im klassischen Konzert?
Deswegen wird die Popmusik meiner Meinung nach nie Totengräber der klassischen Musik. Und weil es ja ein Distinktionsmerkmal sein soll, darf es auch gar nicht zu "massentauglich" werden...

Weil wenn man es wirklich wollte, glaube ich sehr ernsthaft, dass es da schon noch einiges an Potenzial für die Klassik zu erschließen gäbe. Dazu dürfte dann aber erstmal nicht all zu kritisch mit der "niederschwelligen" Einstiegsmusik a la TEY oder Andre Rieu oder meinetwegen sogar Richard Clayderman ins Gericht gegangen werden. Ich glaube, dass kann für viele der Einstieg in die Klassik sein.
Aber man nimmt die, denen so was schon mal besser gefällt als die aktuellen Popcharts, bestimmt nicht mit in höhere Sphären, in dem man da jetzt wieder riesige Barrieren zur "echten" Musik aufbaut.

Aber breite Popularität scheint ja eben auch gar nicht das Ziel zu sein...


Und ich ganz persönlich würde jetzt auch nicht jedes kleine einseitige Musikstückchen heiligsprechen, nur weil Beethoven oder Mozart drauf steht. :coolguy:
 
Nö, war er nicht. Seine Fans hatte er im Adel und im gehobenen Bürgertum. In der Masse der Bevölkerung - Bauern, Handwerker und Kleinbürgertum - ganz sicher nicht. Die haben von ihm nie auch nur irgendwas gehört.
Ich versuche vergeblich, mir vorzustellen, wie eine Welt ohne Musikkonserven aussieht. Dieses Forum würde es nicht geben (mangels Internet) aber hier könnte, selbst wenn es das Forum gäbe, auch nicht über einzelne Pianisten und ihre Interpretationen abgelästert werden, weil 90% der Teilnehmer noch nie Lang Lang oder wen auch immer live gehört haben.
Für uns ist Musik ein Massenphänomen und allgegenwärtig, weil sie aus der Konserve kommt. Ist das vor Erfindung der Schallplatte auch so gewesen? Hat es in jedem Cafe jemanden gegeben, der sein Geld damit verdient hat, Musik zu erzeugen? Wie gut musste man als Musiker sein, um so sein Geld verdienen zu können? Welche Art von Musik konnte man unter diesen Bedingungen spielen? Wie häufig ist "man" in einem Cafe gewesen?
 
Welche Art von Musik konnte man unter diesen Bedingungen spielen?
Ich erlebe oft bei Freunden auf dem Land (also dem richtigen Land nicht suburbia), dass es da noch eine ganz eigene Musikkultur gibt. Da wird auf fast allen Feiern gesungen, getanzt und selbst (auch oft spontan) Musik gemacht. Fast jeder spielt irgendein Instrument. Die Musik ist eher volkstümlich (aber kein doofer Musikantenstadl). Ich glaube, das war früher vermutlich auch so, bevor man nur Playlists abspielen musste.
 
Es waren vielleicht nicht ALLE klassischen Komponisten ihrerzeit populär, aber Chopins Beerdigung zB wurde auch von über 4000 Leuten besucht. Bei Tchaikovsky waren es über 60.000! Wie erklärst du das?
Das erklärt sich keineswegs aus deren Musik, sondern aus der gesellschaftlichen Stellung, die diese Komponisten inne hatten. Die Begräbnisfeiern wurden als pompöse Großereignisse inszeniert. Das zieht bei den Massen immer - wenn in England irgendwer aus der Königsfamilie heiratet, schauen sich das ja auch Millionen im Fernseher an.
 
Und da liegt der große Unterschied zur motivisch-thematischen Arbeit, die eben Kunstmusik im Wesentlichen ausmacht.
Das hat sich aber auch bei der Kunstmusik gewandelt, indem athematische Schreibweisen zur Anwendung gelangten. In größerem Umfang scheint Erik Satie hier der erste Komponist gewesen zu sein, der damit auch traditionelle Formbegriffe gesprengt hat, nicht ohne diesen Vorgang parodistisch zu begleiten, indem er auf die These, seine Musik habe keine Form, mit der Komposition von Drei Stücken in Form einer Birne antwortete. Die Kunstmusik späterer Jahrzehnte setzte dann an die Stelle der motivisch-thematischen Arbeit beispielsweise den konsequenten Verzicht auf verbindliche Festlegungen (Cage) oder die mikropolyphone Ausarbeitung komplexer Strukturen (Ligeti) oder den gelenkten Zufall (Pousseur, Lutoslawski) oder... - generell geht es um ein gestalterisches Arbeiten mit musikalischem Material, das irgendwann nicht mehr auf motivisch-thematisches Arbeiten eingeschränkt war. Vorformen finden sich bereits bei den mitunter rätselhaft daherkommenden späten Klavierstücken von Franz Liszt.

LG von Rheinkultur
 

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