Also, ich würde gerne einen kleinen Post einschieben, weil ich gerne ein paar Dinge anmerken würde.
Das Berührtsein in der Seele von Musik rational erklären? Erscheint mir kategorial der falsche Zugang.
Wer sagt eigentlich, dass rationales Erklären der einzig legitime Zugang zur Wirklichkeit und der Erkenntnis ist? Mir scheint diese Position mehr ein "Vernunftglaube" zu sein. Ist es nicht vielmehr so, dass, je existentieller ein Mensch von einer Wirklichkeit betroffen ist, er umso weniger die Kategorie des vernünftigen Erklärens benötigt? Ist die Liebe zwischen zwei Menschen, oder die Liebe zur Musik abhängig von rationaler Erklärung, oder deren Urgrund? Und hat Freud nicht den "rationalen Vernunftgläubigen" einen Strich durch die Rechnung gemacht, wenn er aufzeigt, dass rund 90% des menschlichen "Bewußtseins" in die Bereiche des Unterbewußten und Unbewußten gehören?
Ich verstehe nicht, warum wissenschaftliche Erkenntnis immer zum Antagonisten "emotionaler", "sinnlicher" oder "intuitiver" Erkenntnis erklärt wird. Es ist lediglich ein weiterer Zugang zur Realität. Ich erkläre ja auch nicht nen Hammer zum Widersacher des Schraubenziehers.
Ich möchte an dieser Stelle auf dieses Video verweisen:
Selbst die Naturwissenschaften können die zentralen Tatsachen des Lebens nicht erklären, oder kann ein Physiker erklären
So, und nun sind wir wieder beim Fehler angelangt, den viele Leute machen, die sich noch nie ernsthaft mit einer Naturwissenschaft auseinander gesetzt haben. Naturwissenschaften können nicht erklären. Auch ein Physiker kann nichts erklären. Denn was heißt erklären?
Eine (kausale) Erklärung für einen Vorgang B ist ein anderer Vorgang A, sodass B eine notwendige Bedingung von A darstellt. (So würde ich es mal definieren).
Aber das Ziel der Naturwissenschaft ist lediglich eine Modellbildung derart, dass innerhalb des Modells deduktiv geschlossen wird, aus dem Modell deduktiv falsifizierbare Aussagen folgen, welche a) entweder durch empirische Erkenntnis falsifiziert werden (mit der Folge, dass das Modell falsch ist) oder b) induktiv als wahr angenommen werden (Aber niemals als wahr bewiesen werden können!)
So, und wo ist hier nun Platz für eine kausale Erklärung? Kaum ein ernstzunehmender Naturwissenschaftler würde in dem Sinne sagen, dass seine Wissenschaft die Welt erklärt, sie beschreibt sie lediglich!
(Edit: Mir ist aufgefallen, dass das vielleicht doch etwas unverständlich war, darum möchte ich es mit einem Beispiel etwas beleuchten, was Naturwissenschaftler eigentlich tun.
Nehmen wir ein Kind, welches zum Geburtstag einen Haufen Legos geschenkt bekommen hat, und sich zum Ziel gesetzt hat, das Haus in dem es wohnt nachzubauen. Nach einigen Tagen ist das Haus fertig. Das Legohaus ist in vielen Punkten ein gutes Modell für das echte Haus. Die Türen öffnen sich, wenn man an ihnen zieht, genauso wie sich die echten Türen im echten Haus öffnen wenn man an ihnen zieht. Wenn das Legomännchen die Treppe hochläuft, kommt es im 1. Stock raus, genauso wie man selbst im 1. Stock rauskommt wenn man die Treppe hochläuft.
Das echte Haus ist in unserem kleinen Beispiel nun die Realität, das Legohaus ist die Theorie. Die falsifizierbaren Aussagen die diese Theorie liefert sind nun Aussagen der Art: "Wenn ich in der Realität Tätigkeiten an dem echten Haus so durchführ, dass ich das Legomännchen durch mich ersetze"(=Experimentieranweisung)"dann passiert das gleiche, wie im Legohäuschen". Und das Legohäuschen ist tatsächlich ein super Modell! Aber natürlich ist es nicht die Realität, denn z.B. sind die Fenster im Legohäuschen nicht öffenbar, die echten Fenster aber schon! Unser Modell macht also die Aussage "Die Fenster im Haus sind nicht öffenbar", aber das Experiment sagt "Die Fenster sind öffenbar!".
Aber kausale Erklärungen liefert dieses Modell nicht:
Schauen wir uns nun z.B. mal die Wand an, sie besteht aus Legosteinen. Und da unser Legomännchen die Wand nicht zersägen kann, und unser kleines Kind die Wand im echten Haus auch nicht zersägen kann, macht unser Modell die Aussage, dass die Ursache für die Stabilität der Wand, die noppen der Legosteine sind, aus welchen die Wand besteht. Nunja, unser Kind wird das nicht falsifizieren können. Aber dass sich die Wand gewissermaßen verhält wie eine Wand aus Legosteinen ist ja richtig. Will heißen: Unser Legomodell kann nicht erklären, nur beschreiben!
Zusammengefasst: Die Legosteine sind in der theoretischen Physik mathematische Aussagen, ineinanderstecken heißt, wir verknüpfen Aussagen durch Logik. Wir schauen an, wie sich diese Aussagen verhalten, und überlegen uns welche Experimente diese Aussagen falsifizieren können. Dann gehen wir "ins echte Haus"=die Realität, und schauen, ob das Legohaus gut gebaut ist. Und wenn nicht, ersetzen wir die störenden Steinchen durch bessere Steinchen...)
Und den Leute, die sich nun darüber den Kopf zermatern, was der Sinn von Naturwissenschaften ist, wenn sie doch nichts erklären können, möchte ich kurz meine Ansicht nahebringen:
Durch eine Modellbildung kann man die Natur sehr exakt (weil mathematisch) und sehr umfassend beschreiben. Man lernt sozusagen die Natur in sehr vielen ihrer Aspekte kennen, welche unseren anderen Erkenntniswegen normalerweise verschlossen bleiben würden. Ich sage gerne, ich liebe theoretische Physik, weil es eine ganz eigene Art der Naturerfahrung ist.
Ich meine, es ist eine wunderbare Naturerfahrung nach 1000 erklommenen Höhenmetern inmitten einer zerklüfteten Felsenlandschaft, den Rücken an einer Schutzhütte anlehnend auf einen tiefblauen Gletscher hinabzublicken, den kühlen Wind im Gesicht zu spüren, und die Sonne über den aus dem Wasser herauswachsenden Gipfeln des skandinavischen Gebirges untergehen zu sehen.
Aber es ist für mich auch eine wunderbare Naturerfahrung, mithilfe eines Blattes Papier und seinem Gehirn zu erfahren, dass Elektronen sich wie eine Welle verhalten, dass dieses Verhalten nur dann beschrieben werden kann, wenn die Welle komplex(=komplexwertig = komplexe Zahl) ist, dass aber nur das Betragsquadrat dieser Welle messbar sein kann, dass man deswegen die Phase der Welle beliebig verändern kann, dass aus dieser Invarianz unter einer beliebigen Phasenveränderung gewissermaßen folgt, dass ein elektromagnetisches Feld existiert, dass aus der Invarianz folgt, dass die Anregung dieses Feldes (= das Photon) masselos ist, ... das ist einfach alles so wunderschön! Und die Erkenntnis, dass das alles wunderschön ist, ist auch eine intuitive, emotionale Erkenntnis, gewonnen über eine andere Erkenntnis, die mithilfe "des rationalen Zugangs zur Wirklichkeit" getroffen wurde. Somit reichen sich doch emotionale und rationale Erkenntnis wunderbar die Hand.
warum überhaupt etwas ist, und nicht etwa Nichts?
Naja, nur weil ein Physiker diese Frage nicht beantworten kann, heißt es nicht, dass keine Wissenschaft sich damit beschäftigt. Diese Frage ist unphysikalisch, denn sie beschäftigt sich mit Dingen die nicht observabel sind. Aber frag mal nen Philosophen, dazu wurden sicher ganze Bücher geschrieben.
LG,
Daniel