Dreiklang
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das erste ist richtig - das zweite geht fehl: man hat keine Angst vor irgendeinem Vorspielstress, und Lampenfieber ist auch kein Zeichen dafür, dass man was nicht genügend beherrscht
ja richtig, das kannte ich schon durch frühere Beiträge... ich habe mich schlecht ausgedrückt: es wird für mich interessant sein, ob ich (persönlich) im Zuge dieses "inwendigen" Spielens eventuell auch ein Lampenfieber in den Griff kriegen könnte. Das sind aber eher theoretische Fragen bei mir. Lampenfieber ist für mich eins der seltsamsten Phänomene.
Aber da das ein sehr relativer Begriff ist, hatte ich wahrscheinlich bisher nicht begriffen, dass damit wirklich ein extrem langsames, nahezu zeitlupenmäßiges Tempo gemeint ist.
Wenn ich das auch noch mit einem geduldigen Üben kombiniere, kann ich gute Resultate erzielen.
Somit gilt für das Klavierspielen wohl nicht, was für andere Lebensbereiche gilt: nämlich das man aus Fehlern lernen kann!
Du kannst aus dem "Fehler, beim Üben zu viele Fehler zu machen", lernen ;)
"letztendlich spart man jede Menge unnötige Übezeit." (chiarina)
Das ist neben dem viel sichereren Spielen natürlich ein weiterer riesengroßer Vorteil des ultralangsamen Einstudierens.
Man könnte vielleicht auch die folgenden Worte dafür finden: durch diese Strategie verhindert man, daß man beim Üben gar zu lange auf der Stelle tritt und keine rechten Fortschritte mehr macht.
Wir sollten unsere Finger immer vor Aufgaben stellen, die sie auch wirklich bewältigen können. Eben z.B. langsames Spiel. Sie danken uns das am Ende und belohnen uns dafür - auch wenns manchmal dauert.
Eben genau das ist der Punkt, auf den ich mit meiner Beschreibung hinarbeiten wollte, bzw. das, was ich mit der Vorstellung von Stimmungen und Bildern andeutete. Diese Bilder helfen mir bei der Interpretation, da ich das richtige Gefühl für das Stück aufbauen kann
Mit geistigen, innerlichen Bildern zu arbeiten, gefällt mir sehr gut. Wenn wir mit dem Spielen eines Stückes eine musikalische Aussage, ein Bild, eine Landschaft in den Raum stellen, dann kann es u.U. von Vorteil sein, im Hinterkopf ein solches Bild zu haben: eines beginnenden Regensturms, eines barocken Tanzes zweiter Figuren mit barocken Zöpfen, o.ä. Übrigens, am Rande: wenn Du nicht auf Hochschulniveau oder Konzertniveau spielst, vermeide bitte konsequent den Begriff "Interpretation". Nimm lieber "musikalische Gestaltung, Ausarbeitung" oder ähnliches. Dadurch kann man zeigen, daß man den Begriff "Interpretation" wirklich kennt ;)
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Langsam spielen ist gut, geduldig dabei zu sein noch besser - und irgendwann kommt auch der Punkt, wo man etwas "in die Geschwindigkeit" geht. Bei mir ist das in etwa dann, wenn die Töne "sitzen". Dann geht's bei mir darum, natürlich auch möglichst keine Spielfehler zu machen, aber auch: das Stück musikalisch zu gestalten. Man findet einen Ausdruck für eine Phrase, für polyphone Stimmen z.B., man setzt Teile des Stückes zueinander in Bezug, überlegt sich, und experimentiert, mit musikalischen Aussagen des Stückes, Betonung, Spielführung, Pedaleinsatz, man versucht, aus dem Stück ein ausgewogenes, ausgeglichenes ganzes zu schmieden.
Aber wie gesagt - die Grundprobleme hat man an dieser Stelle schon gelöst: wie treffe ich die Töne der schwierigsten Passagen des Stückes. Das ist dann schon "herausgeübt". Der Fingersatz ist kein Problem mehr, man weiß wie man die Hand hält, wann und wie man die Finger je nach Stelle im Stück mal anspannt, mal locker läßt, wie die Fingerchen halt das Stück mit seinen unterschiedlichen und unterschiedlich schweren Anforderungen in den Griff bekommen haben.
Dieses langsame Üben bietet m.E. noch einen weiteren großen Vorteil. Während des Prozesses, wo man übt, kann und sollte man mit verschiedenem musikalischen Ausdruck des Stückes experimentieren. Das kommt sogar von selber, wenn man ständig versucht, dem Stück, je nach seiner Spielgeschwindigkeit, einen irgendwie passenden musikalischen Ausdruck zu verpassen. Manchmal kann z.B. ein überzeichnetes staccato gut für das langsam gespielte Stück sein (Hauptsache dabei wieder: möglichst fehlerfrei beim Spielen bleiben.)
So lernt man nämlich verschiedene Arten, das Stück auszudrücken. Wozu kann das hilfreich sein?
Wenn man später "in die Geschwindigkeit" geht, oder kommt, und am Ausdruck, an der Präsentation des Stückes arbeitet, kann z.B. folgendes passieren (vermutlich, beim Vorspielen auch): eine Passage klingt ungewollt anders, als ich das wollte. Das erfordert dann, daß man die folgende Passage in ihrer Gestaltung während des Spielens anpassen muß, damit das Gesamtbild des Stückes im Gleichgewicht bleibt.
Man kann also dann auch folgendes: variieren und auch improvisieren in der musikalischen Gestaltung des Stückes. Aber halt nur, wenn man das Stück oft unter verschiedenem Ausdruck und musikalischen Gestaltungen geübt hat - denn auch das wird einem nicht einfach so "geschenkt".
All das braucht Zeit - und ein Stück ist dann eben nicht in ein, zwei Wochen, sondern vielleicht eher Monaten, (gar: Jahren...?) mal "fertig".
Aber es ist dann "fertig". Man kann dann schöne Dinge erleben, wie z.B. dieses:"Die Finger können's" :p
Rolf hat mal gesagt, und das war einer dieser Augenöffner für mich:"Man kann auch ein einfaches Stück gut oder schlecht spielen".
Rolf hat auch mal sinngemäß gesagt:"Man will ja viel lieber hoch hinaus - anstatt sich mit schnöden Grundlagen zu beschäftigen". Vielleicht kann man ja beides miteinander kombinieren: ein einfaches Stück sich schön erarbeiten, und Grundlagen gleich mit dazu.
Sicher - man spielt dann keine - oberflächlich betrachtet - "beeindruckenden" Stücke (und diese dann unschön und unsauber).
Sondern etwas Einfaches, das aber ziemlich sauber und schön. Und vielleicht könnten wir folgendes festhalten: wer über Klavierspielen etwas weiß, der weiß dann auch: ein einfaches Stück, schön gespielt - das ist kein Zufall.
Schöne Grüße!
Dreiklang
P.S. rolf und chiarina werden mich sicher zitieren, wenn ich mich irgendwo vergallopiert haben sollte...