Drei Dinge die mir zu dem Thread (indem ich nur den Eingangsbeitrag kurz überflog) einfallen:
1. Ich finde es immer wieder verblüffend wie sehr viel man unbewusst wahrnimmt. Stell ich ein nicht vorhandenes Metronom um, oder verschiebe einen Stoß Noten, oder auch nur Noten auf dem Pult, die lange in einer Position verharrten, bemerke ich das an irritierten Bewegungsabläufen.
Spricht dafür, dass man nicht nur unbewusst "hinguckt" und die Klaviatur wahrnimmt sondern das auch aktiv fördern kann.
2. mentales Training. Etwas was ich (leider erst) mit zunehmendem Alter sehr schätzen lernen. Es ist so verblüffend. Ich splittere mittlerweile ganze Unterrichtsteile ab und verlagere sie auf´s Nachttischschränkchen. Einzige Vorgabe: NIE am Klavier spielen/betrachten.
Was man dann an individuellen Ingredienzen in seinen Topf wirft, ob man mehr analytisch vorgeht, lieber singt, die Bewegungen durchspielt, mehr nach dem Notenbild geht (ich beziehe mich hier meist auf weniger seitige Literatur), und alles was ich noch vergessen habe.
Letztlich ist es, zumindest bei mir, eine Kollage von Techniken, Memory - chunks, die sich überlagern und oft auch abwechseln. Manchmal verblasst etwas, dann muss eine andere Erinnerung herhalten und im besten Falle sind immer genügend Erinnerungen da. Dabei haben die komplexer gespeicherten Informationen eine höhere Halbwertszeit als das was gleich vom Blatt funktionierte. "Schikanen" sind dann länger (aber eher auch motorisch) memorisiert, als eben jenes Material was "erst überhaupt nicht memorisiert werden muss". Hier gibt junke ich dann mit Funktionsharmonik, singe die Melodie (immer noch eine der effektivsten Mnemotechniken).
Kreativität ist in solchen Foren immer ein Unwort, aber ich ziehe da wirklich "jeden Mist" heran.
Schlüsselwort ist da mMn Assoziationen. Die oben genannte Kollage ist im Grunde auch lediglich eine Assoziationskette.
Da Bilder ein sehr mächtiges Speichermedium sind kann man sie auch sehr gut mittels Assoziation mit der Musik verquicken.
Dabei finde ich es sogar wichtiger, dass man sich nicht irgendwelche komplizierten Musik-Analysen merkt, nur um sich vielleicht in so einem Forum mal rechtfertigen zu können.
Hier sind die ersten Assoziationen oft zweckdienlicher. Lieber eine Stelle als Papagei gemerkt, oder eine schwierigerer, düstererer Abschnitt als "Räuberhöhle" (ja das mache ich bisweilen heute noch ;) den man sich nur vorsichtig und mit bedacht, mit mulmigen Gefühl nähert um froh zu sein, wenn man ihn schadlos passierte, als nüchtern skelettierte "tote" Fakten.
Bisweilen schnürt mich auch der "musikwissenschaftliche Druck" vollkommen ein. "Spiel so, mach das. Hier das ist jenes und das macht man so. Hab ja keinen Spaß. Spaß vermitteln nur Lehrer, die keine Ahnung haben und ihre Ignoranz damit kaschieren etc. etc."
(Auch bei meinem Zweitinstrument. Früher rannte ich nach jeder exzessiven Übewoche zum Lehrer und wollte gelobt werden. Es hagelte Kritik und es wurde immer und immer wieder sein Exoskelett, sein Korsett, seine Meinung seine Technik etc. bla übergestülpt. Bis zu einem gewissen Grad ja!
Dann war ich bei einem anderen (bekannten) Lehrer und er gab mir einen der wertvollsten Tipps die ich je erhalten habe. Ich kann ihn leider nicht mehr wortgetreu zitieren, aber er sagte: "wir DÜRFEN auf uns selbst hören ( er meinte das nicht esoterisch ;) ... wir haben das wichtigste Werkzeug schon in uns. Unser Gehör."
Klingt nach Plattitüde, für mich war´s die Initialzündung. Seither war ich nie mehr bei meinem alten Lehrer und bin so viel weiter gekommen. Und was das wichtigste ist: Ich hab Bock ohne Ende. Hupe jeden Tag so lang es geht und ärgere mich, wenn ich dann doch mal keinen Ansatz mehr habe.
(Zumindest funktioniert mein Gehirn so besser... )
Also arbeite ich lieber mit Vorstellungen als mit "guckst du mal 6/8 Takt, da leicht da schwer, betonst du mal da und ja nicht da und hier dann Emphasis und bla" ... Lieber tanze ich vor bzw. mit ihnen Walzer, sie lachen, und ohne viel Zutun läuft es wie gewünscht. (Nur ein Beispiel)
3. Ich für meinen Teil, glaube nicht, dass das schauen auf die Finger irgend etwas mit einer Mnemotechnik zu tun hat. Ich denke entweder ist´s Teil der Show, oder eben ein Fixpunkt für die Konzentration. Sicherlich sind da auch 20-30 Infos´ drin gespeichtert, aber ich denke es ist mehr eine "unbewusst Blickposition" von der aus man halbversonnen in sämtliche Bewusstseinsschichten der Erinnerung hinein kommt / durch sie hindurch "schwebt", mal hier mal da ein "einhaken" in eine noch nicht komplett internatlisierte Passage etc. etc.