Wann aufhören mit Klavierunterricht - oder gar mit Klavier spielen ?

Gut finde ich auch den immer wieder gerne geäußerten Kommentar: "Kann man davon leben?"
Oder "Haben Sie auch noch was Richtiges gelernt"
Mindestens ein Klischee fehlt noch: "Haben Sie's gut - Hobby zum Beruf gemacht, jeden Tag nur noch Sachen tun, die einem Spaß machen und dafür noch soooo viel Kohle kriegen".

Auch ein wenig mehr Wertschätzung und Respekt hätte man jenem Sachbearbeiter beim Arbeitsamt gewünscht, die einer aus Moskau stammenden Konzertpianistin (die inzwischen u.a. als Lehrbeauftragte an einer NRW-Musikhochschule tätig ist) zum Berufseinstieg einen Fließbandjob in einer Wurstkonservenfabrik anbot. Sein Kommentar: "Gehen Sie erst mal richtig arbeiten, klimpern können Sie auch nach Feierabend". In einem Formular wurde die berufliche Vorbildung erfragt - der Sachbearbeiter trug an der vorgesehenen Stelle die Angabe "Unqualifizierte Musikerin" ein... .

LG von Rheinkultur
 
Diese Bemerkungen kenne ich. Aber es ist wie in anderen Berufen: Man "sieht" den Aufwand nicht, der dahinter steht. Das Üben, Vorbereiten, Noten setzen, Material zusammensuchen, Weiterbildung.
Diese geringe Wertschätzung bekommt man auch von Ärzten, denen es offensichtlich egal ist, dass eine KL auf ihre Hände angewiesen ist.
Ich habe eine Schülerin, die schon mehrfach gefragt hat, was ich beruflich "sonst noch so" mache, ob ich noch einen anderen Job hätte.
:blöd:
Zum Glück bekomme ich sehr viel positives Feedback, sonst würde ich wirklich an mir zweifeln (was ich eh viel zu oft tue).
@Rheinkultur - in meinem Bekanntenkreis hat eine arbeitslose Grafik-Designerin damals ein Angebot für Programmierarbeiten in C++ bekommen. Auf ihre Frage, ob das ernst gemeint ist, folgende Begründung: sie arbeitet schließlich mit PC-Programmen, da muss sie das auch können...
 
Ich hab auch schon erlebt daß ein Mitarbeiter meiner Frau, als IT Fachkraft eingestellt ward, aber keine Ahnung von Serveradministration, html, php geschweige denn java hatte. Trotz alledem hatt der den Arbeitsplatz gute 6 Monate besetzt. :blöd:

Viele Grüße

Styx
 
@sweetchocolate
das ganz besonders rührende an diesemSatz ist, dass er gemeinhin nie an Leute gerichtet wird, deren selbstredend ordentllich arbeitsamer bürgerlicher Broterwerb darin besteht, dass sie anderen unnötige Versicherungen aufschwatzen...
Dieses Berufsbild kenne ich als Steigerung von:
Wer nichts wird, wird Wirt.
Sie lautet nämlich:
Ist auch das dir nicht gelungen,
probier's mal mit Versicherungen.

LG von Rheinkultur
 

Backhaus, Rubinstein, Kempff, Horowitz, Arrau, Gould, Pollini usw - das, lieber @Joh sind solche Leute... und sie sind/waren nicht die einzigen... ;-)
(ja ok, geübt haben die immer, aber Unterweisungen benötigten die nach ihrer "Ausbildung" nicht mehr)

Horowitz hat fuer seine Scarlatti-Einspielungen Rat bei Kirkpatrick gesucht, soweit ich weisz. Also: Kritik von befreundeten Kuenstlern, neue Stuecke vor ausgewaehlten Gaesten ausprobieren sicher ja, Unterricht im Sinne von "welchen Fingersatz soll ich da jetzt nehmen" sicher nein.
Die von Joh angesprochene niedrige Qualitaet mancher Konzerte koennte zwar im Einzelfall vielleicht durch Unterricht erhoeht werden, liegt aber eben hauptsaechlich doch am Pianisten und in seiner Persoenlichkeit begruendet. Zumindest an bedeutenderen Spielstaetten duerfte sich das kaum wiederholen. Jedenfalls stimme ich mick zu, dasz dort schlechte Klavierspieler die Ausnahme sind. D.h. jetzt aber nicht, dasz ich jede Interpretationsauffassung immer teile, aber Klavierspielen koennen die Leute ja trotzdem ordentlich.
 
deren selbstredend ordentllich arbeitsamer bürgerlicher Broterwerb darin besteht, dass sie anderen unnötige Versicherungen aufschwatzen...
Ab und an frage ich Leute, die ungefragt klingeln und mir was verkaufen wollen "Wissen Ihre Eltern eigentlich, was Sie tun?". Die meisten haben schon ein dickes Fell, aber manche müssen doch erst mal schlucken. :-)
Wer es ausprobieren will: Vorsicht bei Polizisten / Knöllchenschreiber. Man hat mir gesagt, das grenzt an Beamtenbeleidigung. :-D
 
Wer es ausprobieren will: Vorsicht bei Polizisten / Knöllchenschreiber. Man hat mir gesagt, das grenzt an Beamtenbeleidigung. :-D
Ich muss mich selbst korrigieren, der Satz mit den Gastwirten und Versicherungsvertretern ist noch steigerungsfähig:
Wird ohne Hirn ein Mensch gebor'n,
bekommt er eine Uniform.

Es existieren noch einige Zwischenstufen für Bahnbedienstete, Postbeamte, Gewerkschaftsfunktionäre und in der Telekommunikationsbranche tätige Personen.

LG von Rheinkultur
 
Es ist interessant, dass hier einerseits beklagt wird, dass ausübende Musiker bzw. Musiklehrende gefragt werden, ob sie denn nix Gscheits gelernt hätten, und andererseits andere Berufsgruppen munter in die Klischeeschubladen gesteckt werden. :konfus:

Zum Thema Aufhören mit Unterricht oder Spielen: ich habe (leider) seit gut 15 Jahren kein Klavier mehr zuhause, was dann zwangsläufig dazu führt, dass ich nicht mehr so oft spiele wie früher. (Klavier spielen bei Chorproben oder Stimmbildungsworkshops zähle ich mal nicht dazu, das mache ich sehr regelmäßig).
Ich ertappe mich durchaus ab und zu bei der Idee, auch wieder Unterricht zu nehmen, wenn mein Klavier endlich wieder in meiner Nähe ist. Allerdings vermisse ich das Spielen wesentlich mehr als den Unterricht. ;-)
 
Selber habe ich Anfang des Jahres mit Klavier aufgehört und mit Cembalo angefangen. Als ich vor einigen Jahren mit der Blockflöte angefangen bin, hatte ich schon überlegt mit Klavier aufzuhören, aber irgendwie habe ich es doch noch weitergemacht, trotz Motivationsdefizits. War schon ganz gut so, dass ich nicht früher aufgehört habe, sondern erst direkt vor dem Cembalounterricht.


Viele Grüße
Musicanne
 
Selber habe ich Anfang des Jahres mit Klavier aufgehört und mit Cembalo angefangen. Als ich vor einigen Jahren mit der Blockflöte angefangen bin, hatte ich schon überlegt mit Klavier aufzuhören, aber irgendwie habe ich es doch noch weitergemacht, trotz Motivationsdefizits.
Das ist aber eigentlich kein "Aufhören", sondern eine veränderte Prioritätensetzung. Denn die zuvor erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen gelangen in einem neuen Kontext zur Anwendung und werden eben nicht einfach als ein Gewesenes zu den Akten gelegt.

LG von Rheinkultur
 
wie lange ungefähr habt ihr alle Klavier gespielt, bevor ihr ans aufhören gedacht habt?
Denn ich spiele jetzt seit knapp 3 Jahren und kann mir einfach nichts anderes mehr vorstellen, so begeistert bin ich.
 
Ich habe nach 9 Jahren umgeschwenkt (ganz aufhören könnte ich auch nicht)
 
Soeben habe ich mal die Noten der Brahms-Klaviersonaten in C-Dur und Fis-Dur angesehen und einige der Fortissimo-Nonen und Oktavtremoli ausprobiert. Darüber bin ich in eine pathetische Stimmung geraten. Jetzt gerade denke ich daran, für immer mit diesem saublöden Instrument aufzuhören. Bzw. wollte ich schon lange mal anregen, 4/5-Tastengrößen einzuführen, und zwar als austauschbare Klaviatur, sodass sie auch in Sälen verfügbar wären (das gab es sogar mal eine Zeitlang, nicht wahr?). Ich sattele noch aus WUT über Brahms um auf Klavierbau und dann werde ich reich mit meinen Klaviaturen speziell für Menschen unter 1,65 m mit natürlicherweise Oktavenhänden! Schließlich will keiner mit dieser Körpergröße Hände wie ein Orang-Utan haben.
1. Alternative: gegen die Absichten des hohen Herrn Brahms aus weiten Lagen enge Lagen machen. Klingt dann halt mickrig und gemein, aber das tät ihm recht geschehen. Nicht alle Musik ist schön, genauso wie nicht alles Leben schön ist. 2. Alternative: die geschätzten 50 % der Weltbevölkerung unter 1,65 m lassen - wenn sie denn überhaupt das Privileg genießen, Klavier zu spielen - den Herrn Brahms einfach in der Ecke stehen. Seine Klavierwerke werden vielleicht vergessen werden, ha!

(Seine Symphonien aber bitte nicht vergessen!!!)

Grüßt Gnom HERZTON, der Wütende
 

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