Tonleitern und Gleichmaessigkeit

weil ich irgendwann mal vor einem Stueck sitze, fuer das ich eine Technik dann erst monatelang trainieren muss, bis ich das Stueck spielen kann.
An diese Frage würde ich mich gern anschließen. Ich habe eine KL, die ihren Unterricht auf Stücken aufbaut und wenig separat Technik üben lässt. Deswegen kämpfe ich oft lang an Stücken, weil ich das dann jeweils am Stück mühsamst erarbeiten muss. Und ich habe dann oft das Gefühl, dass ich genau diesen Tonleiterlauf im Stück, diese Abfolge an Sexten, diese Arpeggien, diesen ungewöhnlichen Rhythmus an genau DIESER Stelle jetzt vielleicht kann, aber fühle mich trotzdem nicht sicher, dass ich das jetzt auf das nächste Stück übertragen könnte.
Was würde jetzt dagegen sprechen, das systematischer und übertragbarer separat zu üben? Sind Etüden nicht genau dafür geschrieben worden? Und was spricht dagegen, eine Übung, Tonleiter... musikalisch zu spielen?

Neuerdings schwenkt im übrigen sogar meine KL auf z.B. Czerny ein, ich glaube dazu haben einige gemeinsame Frusterlebnisse bei Stücken beigetragen, in denen wir gefühlt ewig an einigen Stellen rumgewerkelt haben.
Ich muss auch sagen, dass mich die musikalische Gestaltung im Stück oft überfordert, solange ich da noch an einer technischen Herausforderung zu knabbern habe. Da schmeißt mich dann so eine verzwickte Stelle radikal aus meinem musikalischen Gestaltungswillen... und wenn ich diese Stelle jetzt immer separat mit den paar Takten, Tönen aus dem Stück übe, ist der musikalische Effekt ja auch überschaubar. Oder recht speziell auf genau diese Stelle angepasst.

Da frage ich mich schon, ob ich die Herausforderung z.B. Tonleiter, Arpeggio... nicht mal etwas grundsätzlicher lösen könnte. Und vielleicht dabei auch verschiedene musikalische Gestaltungsformen üben, die man dann im jeweiligen Stpck abrufen kann?:konfus:
 
Zuletzt bearbeitet:
@Viva la musica wie geht ihr denn im Unterricht mit Stellen um, die dir in der Woche Probleme bereitet haben?

Wenn ich mit einer Stelle nicht klar komme, dann spreche ich die im Unterricht an. Mein KL hört und sieht sich die dann an und dann bauen wir sie oftmals langsam auf. Das kann so aussehen, dass wir z.B. bei einem Lauf nur der Über/Untersatz mit vielleicht 2 Tönen davor und danach spielen in verschiedenen Lagen. Dann wird der Lauf mit weiteren Tönen nach und nach aufgebaut. Oder wir fangen auch mal mit ein paar Tönen von hinten an und bauen den Lauf auf.
Eines gemeinsam haben aber letztendlich alle Stellen, die haken: zuerst werden sie vereinfacht und dann langsam aufgebaut.
Vereinfacht, indem Bewegung herausgenommen wird, z.B. den Akkord in der linken nur als Block anstelle arpeggiert spielen oder es werden Töne weggelassen. Beim Blues spielen wir z.B. erst einmal im geraden Rhythmus und wenn der sitzt, kommt der ternäre Rhythmus und.s.w.
 
@Albatros2016 , ansatzweise ist das schon ähnlich, wenn auch manchmal nicht ganz so detailliert.
Aber trotzdem habe ich dann oft das Gefühl, dass ich das jetzt irgendwie nur für genau diese eine Stelle gelöst habe. Und beim nächsten Mal, wenn die Stelle etwas anders ist, halt wieder von vorn anfange.
So als würde ich eine Sprache lernen, indem ich lerne, jeden einzelnen Satz grammatikalisch und von der Aussprache her korrekt auszusprechen. Ich kann dann halt sozusagen den Satz sagen:
"Ich habe das gelernt."
Aber den Satz "Du hast das gelernt" muss ich dann wieder neu lernen.
 
[…] sondern Dir primär erstmal diese Flausen aus dem Kopf austreiben
Liebes hasenbein,
Du magst ja recht haben mit dem, was Du schreibst, aber Deine Wortwahl klingt doch arg nach der schwarzen Pädagogik des 19. Jahrhunderts. Ich sehe förmlich den ungepflegten Klavierlehrer mit Rohrstock vor mir, der seinen Schüler anblafft: „Nun musizier mal gefälligst!“
 
...Ich kann dann halt sozusagen den Satz sagen:
"Ich habe das gelernt."
Aber den Satz "Du hast das gelernt" muss ich dann wieder neu lernen.
Genauso geht es mir auch. Man möchte doch erst einmal ein paar Vokabel können, bevor man sich an Sätze macht, oder? :denken:
Allerdings lese und höre ich immer mehr, dass ich mich technich weniger auf das Klavierspielen konzentrieren solle als mehr auf das Musizieren. Was Herr Hasenbein ja auch schon recht eindringlich betont hat. Und umso mehr ich mich auch darauf einlasse umso schöner empfinde ich es am Klavier zu sitzen. Denn ich ertappe mich dabei, wie ich neben Übungen auch einfach Töne anspiele, die sich zu einer schönen Melodie bilden. Aus dem Genuß am Musizieren entwickelt sich automatisch von Tag zu Tag eine Leichtigkeit, von der ich langfristig hoffe, dass es mich zu einem besseren Musiker werden lässt.
 
Aber trotzdem habe ich dann oft das Gefühl, dass ich das jetzt irgendwie nur für genau diese eine Stelle gelöst habe. Und beim nächsten Mal, wenn die Stelle etwas anders ist, halt wieder von vorn anfange.

Aber es geht doch darum, dass man diese Vorgehensweise dann bei anderen ähnlichen Stellen auch so ähnlich wieder anwenden kann, um sie so Schritt für Schritt aufzubauen.

Was aber beim nächsten Mal deutlich schneller geht, da sich das Repertoir an Übestrategien nach und nach ja erweitert.
Und wenn meine derzeitigen nicht ausreichen, erarbeiten wir im Unterricht eine neue, oder mein KL erinnert mich an eine die ich wieder vergessen habe, kommt natürlich auch oft genug vor.

P. S. Führst du ein Heft, indem du aufschreibst, was ihr im Unterricht gemacht habt?
 
@Normalo Wie ist denn Deine Situation in China? Stadt/Land? Dichte an Klavierlehrern? Corona-Einschränkungen? Wäre Unterricht momentan möglich? Es könnte auch sein, dass sich je nach Land/Kontinent die Lehrmethoden deutlich unterscheiden.

Liest Du gerne Fachbücher? Vielleicht erstmal was Grundsätzliches lesen zum Thema Klavier/Musizieren? Es ist ein neues Gebiet mit vielen Unbekannten für Dich und schlecht berechenbar, in Schemata zu pressen, scheint mir. Dafür kannst Du eine Menge, auch über Dich selbst, lernen und erfahren.
 
Wenn Du englisch sprichst, könntest Du das PDF-Buch von Allysia Kerney bestellen (gratis, Du bekommst dann einfach den Newsletter). Das sind die Basics „in a nutshell“ und sie spricht einiges Praktisches an, zB Ziele und Übedauer usw.
(Ich empfehle jetzt nur das PDF, nicht den ganzen Kanal oder Kurse bei ihr.)

Viel ausführlicher, auf deutsch und mit einer langen Linkliste zu Literatur ist diese Website:
 
Auch Fremdsprachendidaktik beinhaltet nicht das stupide Lernen von Vokabeln, sondern bettet diese von Anfang an in kommunikative Kontexte ein.
Und warum? Weil sich die einzelnen Vokabeln in Kontexte eingebunden zunächst besser/leichter einprägen. Da aber irgendwann der nötige Wortschatz doch recht groß wird, will man sich lieber nicht ausmalen, wie umfangreich die Kontextmenge dann wird - es wird nach einer anfänglichen Weile nötig, Wortfelder etc zu lernen (das Vokabellernen kommt quasi später durch die Hintertür eben doch hinzu) ...und ganz zu schweigen von der Grammatik, Stilistik (wer heute z.B. russisch lernt, tut sich für seine Wolgarundreise keinen Gefallen, wenn er feinsinnig das 19.Jh.Turgenev-Russisch parliert)

Das beliebte "ich will ja kein Pianist werden" im zu stark hinkenden Vergleich Fremdsprachelernen-Klavierlernen wäre dann sowas wie "im Urlaubsland bissel Zeitung lesen, nach dem Weg fragen, kleine Alltagssachen in der Landessprache können".

Aber wie gesagt: Der Vergleich hinkt grundsätzlich zu sehr, die Unterschiede sind zu groß:
1. Wer eine Fremdsprache lernt, bringt schon implizit eine komplette Sprache samt Kommunikation und angewandter Grammatik (siehe Chomsky) mit, auch wenn er nicht in der Lage ist, die Grammatik der eigenen Muttersprache darzustellen (Chomsky) - was bringt der Normalmensch für das Instrument Klavier mit??
2. Wer eine Fremdsprache erlernt, muss sich kaum mit noch ungewohnten Bewegungsmustern abplagen (das bisschen Aussprache benötigt nicht denselben körperlich-motorischen Aufwand wie die manuellen Grundlagen mittelschwerer Klavierstücke)
3. Text und Sprache sind prinzipiell linear bzw homophon - Musik ist simultan mehrschichtig, polyphon. Das Problem, simultan verschiedene Bewegungen auszuführen und diese samt ihrer Klänge mitzudenken, gibt es in Sprache nicht. Niemand liest oder spricht simultan mehrere Texte (außer Napoleon der Legende nach)

Fremdspracherwerb und Instrument/Musiklernen halte ich für zu verschieden, um direkte Vergleiche oder gar Wechselwirkungen der Lernstrategien zu behaupten.
 

Der kleine Finger ist muskelmässig mit dem Daumen vergesellschaftet, der 4. schmiegt sich als Anhängsel an den 3. (Jeder Anatom - jede Anatomine - möge mir verzeihen ob meiner
Das sind so kleine Hinweise, die immer wieder sehr aufschlussreich sind! Danke dafür, habe ich noch nie hinterfragt...

 
@JonasKlais:
Dann hat mein Fehler (vielmehr die Korrekturen dazu) ja tatsächlich auch was bewirkt ... peinlich, aber wenigstens mit positivem Effekt (auch bei mir).
 
Und was spricht dagegen, eine Übung, Tonleiter... musikalisch zu spielen?
Dass es Zeitverschwendung ist. Lieber schöne Stücke üben, in denen die Elemente vorkommen.

Davon abgesehen, sollte man am Instrument IMMER bemüht sein, musikalisch zu spielen.

und wenn ich diese Stelle jetzt immer separat mit den paar Takten, Tönen aus dem Stück übe, ist der musikalische Effekt ja auch überschaubar. Oder recht speziell auf genau diese Stelle angepasst.
Hm, aber nur, wenn Du die Stelle immer identisch wiederholst, was meines Wissens eben keine gute Übestrategie ist (in die ich aber auch leider immer wieder zurückfalle). Mein KL ist ein sehr großer Freund davon, beim Üben zu variieren. Das Fiese dabei ist, dass man dazu neben einem ordentlichen "Werkzeugkoffer" auch eine Menge Kreativität benötigt. Und mit letzterem habe ich es leider in künstlerischer Hinsicht nicht so.
 
Dass es Zeitverschwendung ist. Lieber schöne Stücke üben, in denen die Elemente vorkommen.
Zunächst: Auch ich bin der Meinung, dass man an Stücken sehr vieles lernen kann, was die technische Ausführung des Klavierspiels betrifft. Dennoch bin ich der Meinung, dass ausgelagerte Übungen extrem hilfreich sind.
Ich habe vor ein paar Jahrhunderten begonnen, Neugriechisch zu lernen. In dieser Sprache kommen Artikulationen vor, die wir im Deutschen nicht kennen. Dazu gehören das Xi und das Gamma. Ich habe damals die Fähigkeit, diese Konsonanten richtig auszusprechen nicht gelernt, indem ich griechische Bücher gelesen habe, ich habe es durchaus im Gespräch geübt, aber mehr noch, am Anfang habe ich mit mir selbst sprechend Wörter geübt, die diese schwierigen Klänge beinhalteten. Immer wieder. Das hat mir sehr geholfen.
So sehe ich es auch für jedes Instrument. Auf dem Cello übe ich, wie ich den Bogen streiche - vielleicht ein schönes Beispiel. Würde ich es im Stück üben, kämen manche Striche nur mal eben einmal vor und ich würde es nicht so trainieren, dass es immer und automatisch funktioniert.
Das ist für mich das Ziel: Ich möchte über manche Dinge nicht nachdenken, wenn ich ein neues Stück übe. Es gibt genug Baustellen in jedem Werk.
Was ich sehr empfehle, ist, bestimmte technischen Finessen improvisativ zu üben.
Beispiel: Sextenspaziergänge, locker geworfen. Dann dazu in der anderen Hand einen rhythmischen Puls spielen. Das gleiche mit Tonleitern oder Terzen. Es geht erstmal gar nicht um Geschwindigkeit, sondern um das Begreifen der Vokabeln.
Es macht Schülern durchaus Freude, ohne die Krücke von notierten Fingerübungen selbstversunken am Klavier zu sitzen und Untersatz und Übersatz zu üben. Es können sich richtige Stücke daraus entwickeln.
In meinen Augen wird dadurch mehr geschult, als durch Czerny - aber den kann man durchaus auch spielen.
Das Ohr hört immer mit. Das Auge kann auf die Hände schauen und ein Gefühl für die Choreographie entwickeln helfen.
Ich könnte jetzt noch stundenlang weiterschreiben...
Meine Meinung jedenfalls ist:
Technische Übungen sind sehr wichtig, wenn sie immer eine musikalische Grundlage haben.
 
@Wiedereinsteigerin38 Ich lebe seit fast zehn Jahren in China und leider ist es kulturell so, dass Erwachsene sich selbst fuer die Kinder zurueckstellen und ihr ganzes Hab und Gut in die Ausbildung der Kinder stecken. Ich kenne keinen Spaeteinsteiger am Klavier oder sonstigen Hobbys, dafuer haben die Chinesen vor Arbeit und Familie keine Zeit. Alles ist getrimmt auf die Ausbildung von Kindern, nicht von Erwachsenen. Meine erste KL hat mich auch behandelt wie ein kleines Kind. Wollte ich mal vom Programm abweichen oder irgendwas hinterfragen, wurde ich nicht ernst genommen. Fuer die Schulstunde wird hier mind. 350 Yuan (ca. 45 Euro) verlangt, dabei hat meine Lehrerin zugegeben, dass sie keine tiefergehenden Kenntnisse von Musiktheorie hat. Was kostet denn eine Stunde in Deutschland?

Das hat mich ueberrascht und enttaeuscht, deshalb glaube ich, dass ich das Budget weit hochschrauben und viel Zeit investieren muss, um einen passenden Lehrer zu finden. Dazu wohne ich etwas ausserhalb, die guten Lehrer konzentrieren sich aber im Stadtzentrum, weil dort auch die besten Schulen (Unis) und wohlhabenderen Familien sind.

Die entscheidende Frage ist, kann mir ein mittelmaessiger Lehrer was beibringen, ohne mich in die falsche Richtung zu lehren?

Nehmen wir an, ich finde einen passenden Lehrer, reicht denn Praesenzunterricht einmal pro Woche, so dass ich den Rest der Woche selbst uebe?

Mir wurde von euch vorgeschlagen, Etueden zu spielen. Jemand hat Bach erwaehnt. Kann mir ein Pianist mit Erfahrung unter euch einen konkreten Link oder Namen nennen? Am besten als PDF Download (gerne auch kostenpflichtig). Ich bin etwas ueberfordert von den vielen Etueden, die es gibt. Bin nicht sicher, welche fuer einen Anfaenger geeignet sind.

Hier wird Bach gar nicht erwaehnt: https://de.wikipedia.org/wiki/Etüde#Etüden_für_Klavier

Was bedeutet eigentlich das "op." mit der anschliessenden Nummer hinter vielen der Etuedenbezeichnungen?

Fragen ueber Fragen :-D
 
Technische Übungen sind sehr wichtig, wenn sie immer eine musikalische Grundlage haben.
Den Satz solltest Du groß, fett und unterstrichen notieren! Und alle anderen sollten ihn sich übers Klavier hängen. Was „technische Studien“ (unbedingt ohne Noten!) zudem interessant macht: man kann sich voll und ganz auf Bewegungsabläufe, auf Körper- und Handhaltung konzentrieren.
 
@Normalo das sind natürlich keine einfachen Bedingungen.

Hier im Faden Klaviernoten für Anfänger findest du schon einige Stücke gelistet.

Op. ist die Abkürzung für Opus=Werk, die einzelnen Werke von Komponisten sind normalerweise durchnummeriert, um eine Ordnung in das Schaffenswerk zu bringen.
 
Was bedeutet eigentlich das "op." mit der anschliessenden Nummer hinter vielen der Etuedenbezeichnungen?
Op. Steht für Opus (lateinisch „Werk“). Die Komponisten nummerieren auf diese Weise ihre Stücke. Mozart gat so etwas nicht gemacht, das hat dann später ein Herr Köchel unternommen. Deswegen heißt es bei Mozart „Köchel-Verzeinis“. Bei J.S. Bach gibt es seit etwas 1955 das BWV, das „Bach Werke Verzeichnis“. Das nur am Rande.

Wenn Du Dich eingehender über das Klavierspielen informieren willst, worauf man achten und was man vermeiden sollte, empfehle ich Dir die Website von Ulrike Danne-Feldmann und ihre Beiträge hier im Form (zu finden unter @chiarina) Allerdings kann das alles keinen regelmäßigen (sinnvollerweise wöchentlichen) Präsenzunterricht bei einem erfahrenen Klavierlehrer ersetzen. Daß es die in China nicht geben soll, kann ich mir kaum vorstellen. Sicherlich wird man sie suchen müssen, aber das ist hierzulande auch nicht besser.
 

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