Es wäre mal interessant zu erfahren, wie dies ehemalige Klavierschüler und andere hauptberufliche Klavierlehrer hier sehen oder auch, wie sich das Unterrichten letzterer über Jahre und ggf. Jahrzehnte verändert hat.
Lieber Karlheinz,
ich freue mich sehr über deinen ausführlichen, interessanten und bedenkenswerten Beitrag! Ich stimme dir in vielem zu, wenn auch nicht in allem.
Die Persönlichkeit des Lehrers ist auch meiner Meinung nach für den Erfolg des Unterrichts entscheidend! Vor allem kleine Kinder lernen oft für den Lehrer, intrinsische Motivation hin oder her. Wie ich als Lehrerin mit dem Schüler umgehe und kommuniziere, hat Auswirkungen auf die Vermittlung der Unterrichtsinhalte und damit auf den Erfolg des Unterrichts. Welche Haltungen und Werte hinter dieser Kommunikation stecken, merkt jeder Schüler und ist ebenso wichtig. Welche Erwartungen ich als Lehrkraft an den Schüler habe, wird auch nonverbal durch mein gesamtes Auftreten vermittelt. Wenn der Schüler sich gesehen fühlt, wenn er sich aber auch herausgefordert fühlt, wenn ihm viel Wertschätzung entgegengebracht wird, wenn man ihm etwas zutraut, wenn Inhalte lebendig und spannend vermittelt werden und der Schüler selbst aktiv wird, so wird dies alles viel auslösen und ähnlich eines Ping-Pong-Effekts zu beiderseitiger großer Zufriedenheit und erfolgreichem Unterricht führen.
Salopp gesagt, der/die 25jährige frisch von der Hochschule, methodisch-didaktisch äußert belesen, weiß von Anselm Ernst über Hirzel-Langenhan bis Martienssen alles auswendig und fackelt entsprechend methodisch ein Feuerwerk ab, hat aber nur gelangweilte Schüler, dagegen der erfahrenere Klavierlehrer (oder -lehrerin) Mitte 40 oder Anfang 50, der seinen Anselm Ernst schon längst vergessen hat und aus dem Bauch heraus einen guten Unterricht macht, an den der 25jährige Frischling nie herankäme? So findet man etwa herausragende Schüler, die etwa bei JuMu oder in Konzerten erfolgreich sind, tendentiell eher bei älteren Lehrern, ist meine Beobachtung.
Ich glaube allerdings nicht, dass ein Lehrer egal welchen Alters, der methodisch wirklich was drauf hat, langweiligen Unterricht gibt! Methodenvielfalt ist meiner Meinung nach essentiell für guten Unterricht und bietet Lernfelder, die sich individuell nach dem ausrichten, wie jeder Schüler unterschiedlich lernt.
Ich glaube auch nicht, dass ein Qualitätskriterium guten Unterrichts sich automatisch nach dem Erfolg bei JuMu bemisst. Ein erster Preis im Bundeswettbewerb hängt von sehr vielen Faktoren ab und tatsächlich kann sogar schlechter Unterricht mit viel Druck nach dem hauptsächlichen Motto "Lehrer sagt, Schüler macht" zu so einem Preis führen.
Was das Alter angeht, bin ich mir sicher, dass gute Lehrer auch schon in jungen Jahren gut unterrichten. Sie haben nur noch nicht die Erfahrung und das methodische Wissen. Wenn im Alter beides plus immer noch existierende Leidenschaft an der Musik, am Klavierspiel und dessen Vermittlung dazukommen, ist der Lehrer ein außerordentlich guter.
Es hängt also nicht vom Alter ab, sondern von den grundsätzlichen Fähigkeiten, sowohl pädagogisch, pianistisch, musikalisch und menschlich.
Ich möchte gern auf ein paar weitere deiner Punkte eingehen:
- die Redeweise des Lehrers (sicher nicht kalt und streng, aber freundlich-bestimmt)
Ich würde eine gute Redeweise lieber "klar" nennen. Klarheit in der Ausdrucksweise ist extrem wichtig im Umgang mit Schülern! Freundlich-bestimmt ist mir zu einschränkend.
- die Zugewandtheit zum Schüler (nicht nur i. S. v. Offenheit für die Ideen des Schülers, sondern v. a. daß der Schüler merkt "hier geht es um was Ernsthaftes" und er selbst - der Schüler - ist davon der wesentliche Teil, in dem er die entsprechende Leistung erbringt auf ein Ziel hin, daß der Lehrer vorgibt und bei dem der Schüler unbewußt spürt, das es das richtige ist. Damit wäre dann auch die Frage geklärt: was ist ein Lehrer und was ist ein Lernbegleiter? Ich denke, der Klavierlehrer wird erfolgreicher sein als der Klavierlernbegleiter)
Ein guter Lehrer nimmt im Unterricht viele Rollen ein. Anselm Ernst nennt in "Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht" verschiedene methodische Verfahrensweisen, die in jedem lebendigen und erfolgreichen Unterricht vorkommen sollten: Erarbeitendes Verfahren, Modell-Methode, Darstellendes Verfahren, Aufgebendes Verfahren, Entdeckenlassendes Verfahren, Dialog-Methode, wenn ich nichts vergessen habe. Der Lehrer nimmt dabei sehr verschiedene Rollen ein und das sollte er auch, wenn der Unterricht nicht in einem einzigen Modus "Lehrer sagt, Schüler macht" verkommen soll. Der Lehrer lenkt, er fordert auf, er fragt, er initiiert, er berät, er lässt machen und zieht sich zurück .... . Der Lehrer ist erfolgreich, der dem Schüler viele solcher Lernwege ermöglicht und damit größtmöglich fordert und fördert, ihm somit immer mehr zur Selbständigkeit verhilft.
- --> so wurde mir einmal über eine Kollegin erzählt "bei der trauen sich die Schüler nicht, ungeübt zu kommen", weil sie offensichtlich genau das obige pratikziert hat. Und das hat dann woh lauch bei Schülern funktioniert, die nicht aus musikaffinen Elternhäusern stammten.
Das kann leider auch ein Zeichen für schlechten Unterricht sein. Dann nämlich, wenn Angst der Motivator ist zu üben!
- die Struktur des Unterrichts, wird der Schüler fundiert und durchdacht durch den Lerngegenstand geführt. Damit meine ich weniger irgendwelche methodischen Modelle, sondern ein spontanes Arbeiten anhand dessen, was letztlich das zu lernende Musikstück klanglich/spieltechnisch vorgibt und womit der Schüler Probleme hat. So kann eine Arbeitsatmosphäre geschaffen werden, bei der Schüler ebenfalls merkt, hier geht es um was, und es wird nicht nur Beschäftigungstherapie betrieben und die Zeit totgeschlagen.
Das klingt für mich ein bisschen danach, als wären methodische Modelle Beschäftigungstherapie. Das sind sie nur, wenn sie um ihrer selbst willen gewählt und schlecht umgesetzt werden. Ich wünschte sehr, dass die methodischen Fähigkeiten vieler Klavierlehrer besser wären, vor allem wenn sie Kinder unterrichten!
- weniger die Lehrpersönlichkeit betreffend, aber auch: die äußere Erscheinung des Lehrers/der Lehrerin (krass gesagt, korrekt gekleidet oder mit Schlabberjeans, Schweißgeruch oder frisch gewaschen), die Beschaffenheit des Unterrichtsraumes, und auch nicht ganz unwichtig bei Privatunterricht: der Unterricht sollte beim Lehrer und nicht im Hause des Schülers stattfinden, wenn möglich.
Das stimmt, aber wenn der Lehrer tatsächlich Charisma hat, ist es völlig egal, ob er in Schlabberjeans unterrichtet. :D
Schön, dass du die Diskussion wieder angestoßen hast! :))
Liebe Grüße
chiarina