Im Mathematikunterricht redet man auch ganz selbstverständlich von „guten“ und „schlechten“ Schülern. Gemessen wird an den jeweiligen Leistungsanforderungen. Da ist halt einer besser, der andere schlechter. Natürlich kann man über die Ursachen spekulieren, aber das ändert nichts an der Tatsache als solcher. Warum habt Ihr deutschen Klavierlehrer eine solche Angst, derartige Unterschiede anzuerkennen? In den angelsächsischen Ländern sind Leistungsprüfungen (z.B. von ABRSM) selbstverständlich. Da geht es nicht, wie bei Jumu, um Spitzenleistung und Preise, sondern es wird lediglich festgestellt, ob der Schüler dem jeweiligen Maßstab gerecht wird. Ich halte das für eine sinnvolle Sache: Schüler, Eltern und Lehrer wissen, woran sie sind, und können dann nach den Ursachen forschen.
Lieber cheval blanc,
vielleicht liegt darin der Grund für das Faktum, das Schüler so oft von sich sagen: "Mathe kann ich nicht."? Gerade in diesem Fach hört man das ständig.
Ich halte nichts davon, Schüler in "gut" und "schlecht" einzusortieren. Und zwar deshalb, weil es eine
Du-Botschaft ist. Die Botschaft ist "Du bist schlecht", egal ob ich das vom Schüler nur denke oder ihm sage.
Eine Du-Botschaft birgt die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie abwertend aufgefasst wird. Es wird die Person kritisiert, nicht das Verhalten. "DU bist schlecht" oder selbst "DU bist schlecht in Mathe" ist zudem verallgemeinernd und auch ungerecht, denn vielleicht kann der Schüler Bruchrechnen ganz gut, tut sich aber mit Geometrie schwer.
Viel besser ist eine wertfreie Äußerung, die sich genau auf das bezieht, was den Lehrer stört. Also eine Ich-Botschaft, im Falle eines Lehrer-Schüler-Konflikts eine
dreiteilige Ich-Botschaft nach
Gordon, die das störende Verhalten des Schülers genau benennt (zum dritten Mal keine Hausaufgaben gemacht o.ä.), die Gefühlslage des Lehrers nennt (ich bin ratlos, ich ärgere mich ...), die Folgen des Verhaltens des Schülers für den Lehrer enthält (ich muss dir immer wieder den Stoff erklären und habe keine Lust mehr dazu, ich mache mir Sorgen, dass du nicht weiterkommst und den Anschluss an Mathe komplett verlierst ....) und somit eine klare Aussage über die Sicht des Lehrers trifft, dabei aber kein Urteil über den Schüler fällt.
Die Chance, dass bei einer solchen Ich-Botschaft das Ziel des Lehrers erreicht wird (nämlich das Verhalten des Schülers zu ändern) ist sehr viel höher als bei einer Du-Botschaft, die oft Widerstand auslöst.
Eine Du-Botschaft wirkt oft entmutigend - wenn ich schlecht bin, warum soll ich etwas ändern? Eine Ich-Botschaft lässt die Zukunft offen und traut dem Schüler sogar zu, sein Verhalten zu ändern bzw. fordert ihn heraus, etwas zu ändern.
Ein weiterer Punkt: wer ist eigentlich "schlecht"? Der Schüler, der sein Potential voll ausnutzt, aber mathematisch sich schwer tut und auf einer 3 steht? Oder der Schüler, dem alles zufliegt wegen seiner großen mathematischen Begabung, der aber faul ist und deshalb auf einer 2 steht?
Wenn man nun als Lehrer so ein Urteil "schlecht" fällt, ist die sehr große Gefahr, dass man all die Faktoren (häusliche Situation, Begabung, Fleiß .... des Schülers), die dazu führen, ob der Schüler erfolgreich ist in Mathe oder nicht sowie den Kontext, in dem diese Leistung erfolgt (nach einer 5 ist eine 3 ein Erfolg, nach einer 1 ein Misserfolg ....) nicht berücksichtigt und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein sehr undifferenziertes und ungerechtes Urteil trifft. Mit den entsprechenden Folgen, s.o.
Liebe Grüße
chiarina