Noch mal von vorne?

Auch so ein Irrglaube, es sei primär "Leidenschaft" vonnöten, um zu üben.

Mit dem Üben ist es wie beim Beziehungführen: Die meiste Zeit, zumal nach einigen Jahren, ist da nix mit "Leidenschaft". Damit die Beziehung gut geführt werden oder das Üben was bringen kann, ist vor allem notwendig, dass man sich eben nicht irgendwelchen Gefühlen überlässt, sondern aufgrund des erworbenen Wissens, dass es sich hier um etwas Wichtiges und Lohnendes handelt, die erforderliche Ernsthaftigkeit, Disziplin und Verbindlichkeit aufbringt, täglich aufmerksam in die Beziehung oder das Üben zu investieren.

Das bringt dann immer wieder kleine "Belohnungen", die einem zeigen, dass alles auf dem richtigen Pfad ist.

Man denke an die zahlreichen angesehenen Pianisten, die erzählen, dass sie als Kind von den Eltern zum Klavierüben gezwungen wurden, obwohl sie damals gar keinen Bock darauf hatten, und heute dafür dankbar sind. Heutige Eltern würden eher sagen "naja, Leander-Tristan hat einfach nicht genug Leidenschaft dafür, als dass er sich freiwillig ans Klavier setzen würde." Dementsprechend dann auch nur minimale Ergebnisse oder Aufhören nach kurzer Zeit.

Oder an Krafttraining. Das macht ja auch keinen "Spaß", man macht es aber trotzdem regelmäßig, weil man weiß, dass es wichtig ist, im Alter gegen die Sarkopenie anzuarbeiten. Und wenn man sich wieder überwunden hat, ist man nach dem Training happy.
 
Ob man es jetzt Leidenschaft oder Durchhaltevermögen oder Willen oder Biss oder sonst irgendwie nennt, relevant ist m.E. das Dranbleiben.

@Ralph_hh Wenn Du Spaß am regelmäßigen Üben hast, dann fang jetzt wieder an. Nimm Dir nicht zu viel vor, orientiere Dich nicht an anderen Leuten, was deren Niveau angeht, und freu Dich drauf, dass Du in einigen Monaten wieder Fortschritte merken wirst - wenn Du zweckmäßig vorgehst und nicht nach kurzer Zeit wieder die Geduld verlierst.

Ich war neulich auf einem Ukulele-Workshop und einige dort machten sich Gedanken, ob sie genügend Übezeit aufbringen könnten. Der Dozent nahm das locker und sagte sinngemäß: "Auch wenn die Ukulele mal ein paar Wochen liegt, man kommt schnell wieder rein. Klavier sind da viel eher beleidigt."
 
Ich habe rund 4 Jahre Unterricht genommen, viel geübt, zu Corona Lockdown Zeiten bisweilen extrem viel.
Wie viel hast Du denn geübt (in Stunden pro Tag)? Täglich?

Wenn ich ein Stück beiseite lege, ist das nach zwei Wochen aus meinem Gehirn gelöscht, wenn ich Stücke anspiele, die ich mal perfekt konnte, ist das, als wenn ich die Noten das erste Mal sehe und die Stücke kommen auch nicht schnell wieder mit ein bisschen üben.
War bzw. ist das bei der Querflöte bei Dir genauso? Kannst Du die Klavierstücke wenigstens noch singen, pfeifen oder summen, oder Dir im Stillen vorstellen?

Ich kann im Violinschlüssel (zumindest einstimmig) flüssig lesen, habe als Kind 8 Jahre Querflöte gespielt. Aber im Bass sieht das immer noch übel aus. Buchstabieren statt lesen,
Einen neuen Notenschlüssel zu lernen, das dauert! Ich würde Dir empfehlen, Deine Notenblättervor dem Spielen zu präparieren, indem Du bei jeder einzelnen Note den Notennamen und den Fingersatz dazuschreibst. Und dann abschnittsweise üben, nicht das ganze Stück auf einmal.

Beim Schreiben der Notennamen über die Notenköpfe lernst Du nach und nach den Bassschlüssel. Versuche Dir dabei die Töne gleichzeitig innerlich vorzustellen oder singe sie oder spiele sie Dir vor.

aber ich möchte, dass ich in der Lage bin, die einfachen Stücke einfach mal nach Noten spielen zu können und die nicht so schweren, die ich mal konnte auch. Ist das illusorisch?
Nach fünf Jahren als erwachsener Späteinsteiger ist das vermutlich viel zu ehrgeizig. Ich kenne nur extrem wenige Leute, die sehr gut vom Blatt spielen können. Allerdings haben die Klavier studiert und ihr Leben lang wenig anderes gemacht als Klavier zu üben. Und selbst die kommen ins Schleudern, wenn sie einen völlig unbekannten Komponisten vor sich haben, oder z.B. komplexe, schnelle moderne Stücke ohne erkennbare Melodie.

Bei der Querflöte mag das anders sein, weil Du da nur eine einzige Melodie lesen und spielen musst. Beim Klavier ist Blattspiel eine ganz andere Hausnummer als bei rein einstimmigen Melodieinstrumenten.
Ist das Klavierspielen ein Hobby, das nur funktioniert, wenn man täglich eine Stunde Übezeit aufbringt?
Wenn Du als Späteinsteiger wirklich ein neues, komplexes Instrument spielen lernen willst, musst Du richtig Gas geben. Eine Stunde täglich wäre sicher gut. Eine halbe oder dreiviertel Stunde kann es auch mal sein, aber Du musst täglich konzentriert üben. Als Ziel kannst Du Dir z.B. setzen, dass Du bestimmte Stücke in 10 Jahren (nach ca. 3500 Übungsstunden) spielen können willst. Dann hättest Du einen Ansporn, bleibst aber gleichzeitig realistisch.

Meine Freundin, die mir voraus hat, als Kind schon mal eine lange Zeit Klavier gespielt zu haben, davon ab allerdings nie übt und nur hin und wieder mal eine Runde klimpert, setzt sich ans Klavier, improvisiert traumhaft und spielt Stücke, die sie vor 10 Jahren mal gespielt hat vom Blatt.
Wer in der Kindheit bereits das Glück hatte, ein Instrument zu lernen und damals auch intensiv geübt hat, hat gegenüber einem erwachsenen Späteinsteiger einen himmelweiten Vorsprung. Das ist einfach so. Die Bewegungsmuster sind in der Kindheit ins Gehirn eingraviert worden. Damit darfst Du Dich nicht vergleichen!

dass ich ziemlich frustriert bin, wo ich nach 7 Jahren.... na, sagen wir nach 5 Jahren ernsthaft üben angekommen bin.
Fünf Jahre sind eine kurze Zeit für einen erwachsenen Klavier- bzw. Instrumentenlerner.

Meine Freundin meint, "einfach" noch mal von vorne anfangen.

So schlecht ist dieser Rat gar nicht. Allerdings fängst Du nicht ganz "von vorne" an, sondern da, wo Du jetzt gerade stehst. Ich wünsche Dir, dass Du einen guten Lehrer findest, der Dich fördert und (durchaus nach @hasenbein -Manier auch) fordert. Damit bleibst Du dran.

Ich kämpfe ein wenig mit Depressionen gerade. Und dann gibt es so Wochen, wo ich von frühmorgens bis spätabends schwer beschäftigt bin und da schlicht keine Zeit habe, selbst wenn ich wollte.
Vielleicht ist momentan auch einfach der falsche Zeitpunkt für den Wiedereinstieg ins Klavierüben?
Ich bin derzeit dabei, mal wieder sehr einfache Stücke zu spielen, viel einmal nur vom Blatt, einiges dann auch mal wieder richtig geübt,
Lass doch mal dieses Blattspiel und übe stattdessen lieber "tief" ein Stück ein, am besten begleitet durch einen kompetenten Lehrer. Lieber ein Stück pro Halbjahr, und das richtig, als zwanzig Stücke, die Du dann alle wieder vergisst.
 

Die Entscheidung war damals in der Tat Klavier oder Saxophon, ich mag den Sound! Wobei ich keine Ahnung habe, was ein BARITON Saxophon ist. ;-)
Wobei ich mich gerade frage, auf welcher Grundlage du diese „Entscheidung“ getroffen hast, wenn du dich nicht wenigstens mit den absoluten Basics über Saxophone auseinandergesetzt hast. Denn dann hättest gewusst, dass es verschiedene Baugrößen gibt und das Bari wäre dir ein Begriff gewesen.
 
Tja, das ist ja das Ding, dass die Leute sich nicht mit den Basics auseinandersetzen. Die meisten leben nach dem Motto "immer nur gerade so viel wissen, damit ich das, was ich in meiner Naivität als den angezeigten nächsten Schritt ansehe, gerade so hinkriege". Vermutlich aus Angst, das Gehirn mit so viel Kram anzufüllen, dass man nicht mehr durchsteigt... Ich werde diese Normalos nie verstehen, sorry.
 
Zum Lernen des Bassschlüssels lieber mit Ankernoten arbeiten.
Die "Ankernoten" stellen sich ganz automatisch ein, wenn Du Dich mit dem Notentext beschäftigst und die Notennamen dazuschreibst.

Das ist mir ehrlich gesagt zu hoch. Ich lerne den Tenorschlüssel gerade ganz simpel durch Anhören und gleichzeitiges Mitlesen von Stücken.
 
ganz simpel durch Anhören und gleichzeitiges Mitlesen von Stücken.
... und damit nutzt du eine der von @chiarina genannten Methoden.

Ich benutze beim Notenlesen tatschlich auch "Ankernoten" (und ich wusste bisher nicht, dass man das so nennen kann).
Es gibt bei mir wichtige und weniger wichtige Ankernoten.
Die wichtigste ist bei Violin- sowie Bassschlüssel die Note auf der Mittellinie .... das h bzw. das d. Ausserdem sind es die 1. Hilfslinien und die obersten/untersten Zwischenräume. Quarten also. Ich lese im Grunde "Eins tiefer/höher als <passende Ankernote>" und decke damit das ganze System ab.
 
Dabei wird es doch ab der Stelle, wo man nicht mehr durchsteigt, erst richtig interessant.

Mir sind Verrückte auch oft viel sympatischer :-D
Ich habe mit 19 mal aus Spaß ein kleines Spiel in ZX-Spectrum-Basic Schritt für Schritt in derartigen Spaghetticode umgewandelt, dass ich tatsächlich nicht mehr durchstieg. Der Programmcode war dadurch äußerst kompakt, allerdings nicht mehr nachvollziehbar. Ich war stolz, denn das Ganze funktionierte! :-D
 

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