Musikalische Gestaltung als Mittel zur Bewältigung manueller Schwierigkeiten

Ich finde, der Faden artet in Spitzfindigkeiten aus...

Wenn ich mir erlauben darf, das Thema -wie es sich für mich darstellt- auf meine simple Ebene zu bringen:

Ich habe als jahrzehntelanger "Konsument" klassischer Musik sehr genaue Vorstellungen davon, wie ein Orchester, eine Orgel, eine menschliche Stimme, ein Klavier klingen sollten.
Dabei registriere ich sehr genau, welche Interpretation mir gefällt und welche nicht . In vielen Fällen kann ich das auch (einigermaßen) begründen. Ich wäre aber nicht in der Lage, das Orchester so anzuleiten, dass es meiner Klangvorstellung folgt, die Orgel selbst zu spielen, eine Arie selbst (besser) zu singen..... Mir fehlt einfach das Handwerk dazu.

Und so ist es auch am Klavier. So lange die motorischen Fähigkeiten -oder wie immer man das nennen mag- nicht ausreichend entwickelt sind, nützt mir die beste Klangvorstellung nicht viel bis nichts. Und die Entwicklung dieser Fähigkeiten , das wissen wir doch wohl alle , dauert viele Jahre.

Sie entwickeln sich am konkreten Stück. Und da sollte man, so gut es am Anfang denn schon geht, natürlich jeden Ton, jeden Takt so zu spielen versuchen, wie es der "angezielten" Klangvorstellung entspricht.

Und es dürfte auch eine Binsenweisheit sein, dass es der Profi oder der erfahrene Amateur viel leichter haben, zum "angezielten Klang" , zur erstrebten Interpretation zu kommen, als ein Anfänger, dessen Gehirn und Bewegungsapparat sich immer wieder auf völlig neues Terrain begeben müssen.....

Insofern gibt es für MICH kein "versus" sondern eine Einheit, bei der der Schwerpunkt mal auf der einen , mal auf der anderen Seite liegt.
 
Sie entwickeln sich am konkreten Stück. Und da sollte man, so gut es am Anfang denn schon geht, natürlich jeden Ton, jeden Takt so zu spielen versuchen, wie es der "angezielten" Klangvorstellung entspricht.

Und es dürfte auch eine Binsenweisheit sein, dass es der Profi oder der erfahrene Amateur viel leichter haben, zum "angezielten Klang" , zur erstrebten Interpretation zu kommen, als ein Anfänger, dessen Gehirn und Bewegungsapparat sich immer wieder auf völlig neues Terrain begeben müssen.....

Insofern gibt es für MICH kein "versus" sondern eine Einheit, bei der der Schwerpunkt mal auf der einen , mal auf der anderen Seite liegt.

Es ist eine Einheit, da bin ich mit dir einig.
Der "Streit" geht in erster Linie um die Frage, wer ist die Kutsche und wer ist das Pferd :)

Ich denke, der Klangwille ist die Antriebskraft, der Bewegungsapparat (die Motorik) hängt im Schlepptau dieser Antriebskraft. Die Motorik hat keine aktive Rolle beim Klavierspielen, sondern eine passive. Wenn die Finger anfangen würden selber zu spielen wärs aus mit der Klangkontrolle. 8)
 
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Es geht selbstverständlich um tatsächliches physisches Üben, aber - jetzt wieder von meiner Seite aus - nicht mit dem Ziel, Muskeln wachsen zu lassen, sondern Bewegungsvorgänge herauszufinden, die zu einem gewünschten Klang führen. Und dann gibt es zusätzlich einen Regelkreis, wo sich über die Optimierung der Bewegung auch die Klangvorstellung weiterentwickelt.

Ok, 100% Zustimmung hierzu! Aber.... ;)
(und das hat violapiano hier frueher schon geschrieben): manchmal ist die Klangvorstellung schon viel weiter und es reicht trotzdem noch nicht zur Ausfuehrung. Noch schlimmer: manchmal (oft) ist sogar der Bewegungsvorgang theoretisch klar, kann vielleicht auch im langsamen Tempo ausgefuehrt werden, aber es gibt eine Schallmauer, wo es nicht weiter geht! Das ist dann einfach der physische Trainingsaufwand und fuehrt auch nicht immer zu einer Weiterentwicklung der Klangvorstellung, da diese oft vorher schon weiter entwickelt war (gerade bei Leuten, die sich ueber das aktive Klavierspielen hinaus viel mit Musik beschaeftigen, hoerend, komponierend, etc.)
 
Es ist eine Einheit, da bin ich mit dir einig.
Der "Streit" geht in erster Linie um die Frage, wer ist die Kutsche und wer ist das Pferd :)

Ich find's keinen Streit, sondern eine nette und interessante Diskussion :)


Ich denke, der Klangwille ist die Antriebskraft, der Bewegungsapparat (die Motorik) hängt im Schlepptau dieser Antriebskraft. Die Motorik hat keine aktive Rolle beim Klavierspielen, sondern eine passive. Wenn die FInger anfangen würden selber zu spielen wärs aus mit der Klangkontrolle. 8)
Das ist ganz sicher je nach Mensch verschieden: bei Gubu z.B. hinkt eben anscheinend die Motorik (Technik) hinterher -- sie kann ihre Klangvorstellungen (noch) nicht zufriedenstellend umsetzen.

Umgekehrt schimpfen viele doch oft und gern ueber die einfallslose, kalte technische Perfektion mancher jungen Pianisten, und schwelgen dann in Nostalgie z.B. ueber Cortot's fehlererfuelltes, aber herzerwaermendes Spiel! Es gibt also ohne Frage auch (viele) Pianisten mit bewunderundswuerdigem Bewegungsapparat, der aber nur nach Art eines trainierten Affen eingesetzt wird, um eine vom Lehrer antrainierte, oder von einer CD gehoerte Interpretation zu reproduzieren. Also ein klarer Fall, wo die Entwicklung der neuromuskulaeren Koordination eben nicht durch musikalische Ideen befoerdert wurde.

Das sollte doch ganz klarmachen, das sich die beiden Felder nicht bei jedem in voelliger Abhaengikeit und Verzahnung gemeinsam weiterentwickeln muessen! (obwohl das meiner Ansicht nach das schoenste ist, wenn das so klappt!)
 
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Im Fall der Tremoli braucht man so gut wie keine Kraft, wenn man es richtig macht.

das ist richtig auf der einen Seite (im Zustand des wohltrainierten Könnens)

das ist falsch, wenn man glaubt, das sei einfach so da: lass man zwei Monate lang die Finger von jeglicher Klaviatur (Weltreise, Südsee) - und danach setz Dich hin und spiel den ersten Satz der Pathetique.

selbstredend wird man das spielen können - aber man wird erstaunlicherweise die spürbare Erfahrung machen, dass man aus Fleisch und Blut ist, dass tremoli anstrengen, und dass die Klangvorstellung allein weder eine verlässliche Spieltechnik verursacht, noch sie bei lange unterbrochener Praxis (Training) total aufrecht erhält...

vom Unterschätzen war hier Vernünftiges zu lesen!!!

Gruß, Rolf
 
Mit mentalem Üben hat dieses Thema aber garnichts zu tun. Jedenfalls nicht von meiner Seite aus.

Es geht selbstverständlich um tatsächliches physisches Üben, aber - jetzt wieder von meiner Seite aus - nicht mit dem Ziel, Muskeln wachsen zu lassen, sondern [...]

...ach Haydnspaß,
da ist sie ja schon wieder, die Polemisiererei... "Muskeln wachsen lassen als Ziel"... ... sei guten Mutes: niemand muss sich in einen Arnold Schwarzenegger verwandeln, um ein paar Tremoli oder Oktaven oder sonst was zu spielen - ok? beruhigt?
...ein schönes Ziel wäre, auf der Basis verläßlichen Könnens musikalisch ansprechend zu spielen, ok? kann man das so sagen? -- und wenn´s einem nicht vom Himmel hoch in den Schoß fällt, dann kann üben hilfreich sein: fände das auch Deine Zustimmung?
--- joggen war als Vergleich erwähnt (da frisst man auch keine Anabolika und verschwarzeneggert sich :D ...) bzgl der körperlichen Ausdauer, und die braucht man - gerade für einige Minuten tremolo im forte...

obs jetzt "neuromuskulär" oder sonstwie genannt wird: ohne körperliche Betätigung werden weder Muskeln noch Nerven daran gewöhnt, Bewegungen auszuführen, die man nicht für Nahrungsaufnahme und Flucht vor dem Feinde braucht - - letztere (wie u.a. das Zwinkern der Augen) laufen automatischer, ja sind teils gar angeboren. tremoli wohl nicht so sehr :)

muss ich noch mal das lange Pause machen wiederholen, damit man begreift, was alles getan wird (rein körperlich), wenn man paar nicht ganz einfache Takte Klavier spielt?

Gruß, Rolf
 
Insofern gibt es für MICH kein "versus" sondern eine Einheit, bei der der Schwerpunkt mal auf der einen , mal auf der anderen Seite liegt.

Dies ist für mich eine sehr treffende Formulierung.

Allgemein möchte ich noch mal sagen:
man sollte nicht den Trainingsfaktor für die Muskulatur und Koordination unterschätzen.
Jeder denke mal dran, wie es ist, wenn man eine Schiene oder einen Gips hatte, nach zwei Wochen sind die Muskeln futsch, salopp ausgedrückt. (absichtlich :razz:)
Bewegungsmuster werden erlernt, nicht zuletzt ist das eine Frage der Ausbildung von neuronalen Verbindungen, ganz schlicht gesagt.

Ich denke, die Ausbildung der muskulären und koordinativen Fertigkeiten findet quasi unterwegs statt, sodass man sie nicht wirlich registriert.

Als wir laufen lernen, übten wir auch fortwährend.

LG
violapiano

(Übrigens gibt es in der Neurologie eine neue Methode, um Schlaganfall Patienten zu behandeln. Es hilft bei der Therapie, Bilder zu sehen von Bewegungsabläufen, irgendwie wird es das Gehirn daran erinnern, was es mal gelernt hat über einen anderen Kanal, den visuellen. Das ist jetzt sehr vereinfacht ausgedrückt, bin mir dessen bewusst)
 
Ich find's keinen Streit, sondern eine nette und interessante Diskussion :)


Das ist ganz sicher je nach Mensch verschieden: bei Gubu z.B. hinkt eben anscheinend die Motorik (Technik) hinterher -- sie kann ihre Klangvorstellungen (noch) nicht zufriedenstellend umsetzen.

Umgekehrt schimpfen viele doch oft und gern ueber die einfallslose, kalte technische Perfektion mancher jungen Pianisten, und schwelgen dann in Nostalgie z.B. ueber Cortot's fehlererfuelltes, aber herzerwaermendes Spiel! Es gibt also ohne Frage auch (viele) Pianisten mit bewunderundswuerdigem Bewegungsapparat, der aber nur nach Art eines trainierten Affen eingesetzt wird, um eine vom Lehrer antrainierte, oder von einer CD gehoerte Interpretation zu reproduzieren. Also ein klarer Fall, wo die Entwicklung der neuromuskulaeren Koordination eben nicht durch musikalische Ideen befoerdert wurde.

Das sollte doch ganz klarmachen, das sich die beiden Felder nicht bei jedem in voelliger Abhaengikeit und Verzahnung gemeinsam weiterentwickeln muessen! (obwohl das meiner Ansicht nach das schoenste ist, wenn das so klappt!)

Achja, so sehe ich das auch. Technische Perfektion ist isoliert angewendet weit entfernt vom Musikmachen. Wohl wahr.
Und die Diskussion ist sehr spannend und anregend.

LG
VP
 
Bewegungsmuster werden erlernt, nicht zuletzt ist das eine Frage der Ausbildung von neuronalen Verbindungen, ganz schlicht gesagt.

Dazu, weil ich es auch beim Klavierüben so relevant und wichtig finde, habe ich in clavio.org 3 Buchseiten eingescannt, Hier ging das leider nicht, weil der Anhang immer zu groß war. Zum Lesen auf diesen Link klicken:http://www.clavio.org/profiles/blogs/sensomotorisches-lernen-sehr


(Übrigens gibt es in der Neurologie eine neue Methode, um Schlaganfall Patienten zu behandeln. Es hilft bei der Therapie, Bilder zu sehen von Bewegungsabläufen, irgendwie wird es das Gehirn daran erinnern, was es mal gelernt hat über einen anderen Kanal, den visuellen. Das ist jetzt sehr vereinfacht ausgedrückt, bin mir dessen bewusst)

Das ist nicht ganz so neu, es geht da um die sog. "Spiegelneurone". Demnach ist es sicher nicht abträglich, wenn der KL schon auch optisch was hermacht :D beim Klavierspielen natürlich.

LG, Sesam

P.S.: Was den gescannten Text betrifft, geht es natürlich nicht um die Bewegung der Zehen, sondern darum, dass Bewegung und Bewegungslernen maßgeblich von der konkreten Zielorientierung abhängig ist, fast mehr noch als von der gegebenen Feedbackquelle.
 
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ich fände schön, wenn man hier Liszts Ausdruck "difficulte materielle" (aus seinem Brief an Wagner über die Transkription der Tannhäuser Ouvertüre) bedenken würde, weil er eine sehr sinnvolle Erklärung bietet: die "technischen Schwierigkeiten" sind der materielle, der erdschwere Teil des Klavierspiels - sie müssen irgendwie überwunden werden: "die überwundene Schwierigkeit wird zu Schönheit" (Saint-Saens)
ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es nicht "Interpretation VERSUS (gegen) Schwierigkeitsmeisterung" heissen soll - mancherlei aufwändige Verwendung des Instruments (für uns kleinen Erdlinge die "difficultes materielles") gehört zur Musik dazu - - - allerdings bei guter Musik sind diese nicht das Zentrum oder gar die einzige Aussage (das interessanteste an der Fuge op.106 ist nicht ihre technische Schwierigkeit - aber für den, der sie spielen will, ist mit dieser zurecht zu kommen ein harter Brocken "materieller" Arbeit :) ...)

was Deine übrigens sinnvollen Fragen betrifft: hier kann man keine generellen Antworten geben - es ist ein Unterschied, ob man gerade seit 4-5 Jahren spielt, ob man schon Klavier studiert oder ob man zu den so genannten "Profis" gehört. Jeder wird andere Antworten geben.

je mehr man über Musik (sie verstehen usw) noch lernen muss, je mehr man (noch) spieltechnische Grundlagen erwerben muss, umso mehr wird man auf der materiellen Ebene lernen und trainieren müssen.

eigentlich ist "Technik des Klavierspiels" alles zusammen, was sich aus Phrasierung, Klanggestaltung und verlässlicher Motorik zusammensetzt (wobei die Motorik der gleichsam "materielle" Bestandteil ist) - und eine verlässliche und trainierte Motorik kommt (leider!) nicht von allein.

ich sehe keine Trennung zwischen "Technik" und "Interpretation" - aber ich erlebe oft genug, dass Lernende in beidem Defizite haben, welche es eben auszufüllen gilt. Natürlich können die Begriffe "Technik" und "Interpretation" anders nuanciert verwendet werden, etwa dass Technik nur der sportlich-akrobatische Geschicklichkeitspart ist - - aber so möchte ich Technik nicht verstehen. Marek erklärt recht gut, was unter Technik zu verstehen ist.

technische Schwierigkeiten: damit "kämpfen" auch alle Profis - keinem fällt eine 5. Skrjabinsonate in den Schoß: da wird auch, und nicht wenig, manuell trainiert (nicht anders ist es mit den Oktaven der Lisztsonate oder im b-Moll Konzert von Tschaikowski: "da muss man schuften wie ein Galeerensklave" hat Pogorelich dazu geschrieben!)

Kopf oder Gefühl? beides!

schwierig schnell zu spielen? manches ist das (Liszts Prestissimo in der Sonate), manches nicht (Chopins Etüde op.10 Nr.12 ist schnell, aber nicht schwierig)

wie entwickelt man Klangvorstellung? ich weiss es nicht besser, als viel hören und Musik lieben!

nur so zur Erinnerung, denn trotz allem Gezänk bleibe ich bei dieser Ansicht :)

Gruß, Rolf

...ja, schon ganz zu Anfang eine durchaus gerechtfertigte Ablehnung der Gegenüberstellung "versus" und der darin enthaltenen (unsachlichen!) Polemik.
 
(...)
Das ist nicht ganz so neu, es geht da um die sog. "Spiegelneurone". Demnach ist es sicher nicht abträglich, wenn der KL schon auch optisch was hermacht :D beim Klavierspielen natürlich.

(...)
LG, Sesam

:D Ja, aber da kommen die Themen Motivation und Appetenz noch ins Spiel.....:D
Bekanntlich isst das Auge ja mit.:floet:
 
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Es ist eine Einheit, da bin ich mit dir einig.
Der "Streit" geht in erster Linie um die Frage, wer ist die Kutsche und wer ist das Pferd :)

Ich denke, der Klangwille ist die Antriebskraft, der Bewegungsapparat (die Motorik) hängt im Schlepptau dieser Antriebskraft. Die Motorik hat keine aktive Rolle beim Klavierspielen, sondern eine passive. Wenn die Finger anfangen würden selber zu spielen wärs aus mit der Klangkontrolle. 8)

Haydnspaß, da bin ich mit Dir auch sehr einig .:)
 
Der bewegte Zeh

wenn ich den interessanten Artikel von Sesm richtig gedeutet habe, dann bilden sich neuronale verbindungen durch klare Vorstellung des zu erreichenden Ziels, wobei eine Kontrolleinrichtung gegeben sein muss.

Die Zielvorstellung ist der angestebte Gesamtklang und die Kontrolleinrichtung ist das Spielen nach dieser Vorgabe.

sogenannte Schwierigkeiten gibt es in der Klavierliteratur zu Hauf. Ob es die Pathetique, oder Liszt ist- da gibt es rauf und runter bereits im Barock tolle Hürden. Die schwierigen Stellen sind also nahezu unendlich. Was liegt also näher, also diesen Schwierigkeiten mit der richtigen Klangvorstellung aufzuhelfen.
wie oft muss man betonen, dass man bei der Entwicklung einer solchen Vorstellung nicht mdeitierend körperlich passiv im Lehnstuhl sitzt, sondern aktiv ständig am spielen und ausprobieren ist- meinetwegen auch 100 mal jede Stelle. Manchmal muss es so oft sein.

Aber jedes rein manuelle Training ohne die richtige Zielvorstellung, wie das eigentlich klingen soll halte ich für fast vertane Zeit. denn ich würde dann nur für einen der unendlichen Fälle eine Lösung finden aber mit Sicherheit passt die dann nicht.

Und noch ein Wort zu den Schwellen und Blockaden, die ja meist bei schnell zu spielenden Stellen auftreten. Auch diese Blockaden haben meiner Meinung nach ihre Usachen im Kopf und nicht in ungenügend trainierten Fingern.

Durch das ständige Studieren der Literatur ist doch genug Training vorhanden.
Ich glaube auch, dass der Geist und wille das ziehende element ist und der Spielapparat muss folgen.
 
wenn ich den interessanten Artikel von Sesam richtig gedeutet habe, dann bilden sich neuronale Verbindungen durch klare Vorstellung des zu erreichenden Ziels, wobei eine Kontrolleinrichtung gegeben sein muss.
Die Zielvorstellung ist der angestebte Gesamtklang und die Kontrolleinrichtung ist das Spielen nach dieser Vorgabe.

Ja, das ist richtig. Ergänzend noch etwas: das Bewegungsziel selbst dient gleichzeitig als Feedbackquelle. In dem Sinne nämlich, ob das Ziel erreicht wurde oder eben nicht (je ausdiffenrenzierter die Zielvorstellung dabei ist, umso besser logischerweise; dadurch ergeben sich einfach mehr Feedbackparameter). Das Entscheidende ist jedoch, dass das Ziel (und damit auch die Feedbackquelle) eindeutig wahrnehmbar ist (logisch!). Im Falle der Technikübungen, also in unserem Fall, bedeutet das: dem Hirn muss eine Information zugehen, die ihm eindeutig sagt, diese Bewegung war gut und hat mich zum Ziel geführt, oder eben nicht. Wenn man nun nachdenkt, was könnten denn das für Parameter sein, dann leuchtet schnell ein, dass es einen der menschlichen Sinne ansprechen muss: Auge, Nase, Tastsinn, der propriozeptive Sinn (meint die Rückmeldung ans Gehirn über Gelenkstellung und Muskelarbeit) oder eben das Ohr. Beim Klavierspiel relevant sind nur drei davon. Den propriozeptiven Sinn können wir nämlich gleich vergessen, weil er nur über komplizierte kognitive "Bewusstwerdungsprozesse" quasi indirekt in Erscheinung tritt und damit viel zu mittelbar und "subjektiv" ist. Auge und Tastsinn bieten den großen Nachteil, dass sie bei schnellen Bewegungen ziemlich unzuverlässig werden. Zumal sich der Tastsinn rezeptorbedingt generell nicht gut eigenet, um schnelle Bewegungen zu koordinieren, er ist schlichtweg zu undifferenziert und die Impulsübertragung dauert zu lange. Wirklich brauchbar erscheint somit das Ohr. Analog dazu beim Schreibenlernen übrigens das Auge. Was sagt uns das? Nun, das Ohr, vielmehr der Hörsinn ist eine geeignete Feedbackquelle, um das Hirn auf dem Weg zum Bewegungsziel zu unterstützen. Und wenn man jetzt 1 und 1 zusammenzählt, hat man eine einfache Gleichung: Bewegungslernen klappt dann besonders gut, wenn man ein Bewegungsziel voran stellt. Über die Zielerreichung muss Feedback gegeben werden (in dem Fall nennt man das Knowledge of results; diese Feedbackform grenzt sich von Knowledge of performance ab. Letztere hat sich als nicht gewinnbringend erwiesen und wäre ungefähr dem gleichzusetzten, wenn der Klavierlehrer die Finger/Hände des Schülers packt und sie auf die Tasten drückt und sagt: "Da! SO musst du`s machen!" :D) Also Feedback ist wichtig und dabei speziell eines, was dem Hirn eindeutige Informationen zuspielt. Wir haben uns auf das Ohr geeinigt. Die Gleichung lautet somit: Spielen + Hören = Bewegungslernen hat beste Voraussetzungen.

Natürlich kann man darauf auch verzichten und sich auf den propriozeptiven Sinn verlassen, nix anderes ist es nämlich, wenn man meint, das Ohr kommt später (die Musikalität also hintenan stellt, bzw. vertagt oder zwischenzeitlich ausklammert). Was dann aber passiert ist, man lernt einfach schlechter, langsamer, weil dem Lernenden eine Feedbackquelle fehlt.

Es gibt noch einen weiteres Aspekt, der nennt sich "Repetitives Üben". Damit ist gemeint, wie der Name schon sagt, dass zu lernende Bewegungen zig-mal wiederholt werden müssen, bis sie sitzen. Richtig! ABER: in zahlreichen, in wirklich zahlreichen Untersuchungen wurde untersucht, was beim repetitiven Üben eigentlich hirnorganisch passiert. Ergebnis: beim bloßen repetitiven Üben wächst die kapillare Gefäßversorgung im Hirn, es werden aber keine neuen Synapsen gebildet! In dem Fall kann also von Lernen keine Rede sein. In komplizierten Settings wurde dann weiter untersucht, warum die repetitiv Übenden in ihrer Aufgabe besser wurden. Was sich dabei herausstellte war folgendes: diese Gruppe konnte zwar diese eine Aufgabe an diesem einen Tag besser, aber wehe, wehe es fanden Abweichungen in der Aufgabenstellung statt oder es lagen mehrere Wochen zwischen Test und Re-Test. Da war es geschehen um den "Lern"erfolg. Also ging man dazu über das repetitive Üben an bestimmte Aufgaben (ZIELE!! FEEDBACK!! FEEDFORWARD!!) zu knüpfen. Lange Rede kurzer Sinn: hier zeigten sich Neuronensprossungen (Synapsen), kurz: Lernen.
Das ganze Thema könnte man unendlich ausbauen, aber ich erspar` es euch.

Vielleicht wirft es aber ein bißchen ein anderes Licht auf die hier diskutierte Thematik. Natürlich kann man Klavierspielen und täglich seine Fingerübungen, Tremoli, Terzen etc. (der Einfachheit halber nenn ich das jetzt so) machen ohne groß drüber nachzudenken. Man wird dabei auch etwas "lernen", die Sache ist nur die: man lernt es nicht, weil man diese Fingerübungen macht, sondern obwohl man sie macht. Vielleicht sollte man sagen: trotz dieser Fixierung auf das Propriozeptive bleibt dem Hirn noch ein kleiner Rest Feedback (woher auch immer), der es zum Lernen veranlasst.



wie oft muss man betonen, dass man bei der Entwicklung einer solchen Vorstellung nicht mdeitierend körperlich passiv im Lehnstuhl sitzt, sondern aktiv ständig am spielen und ausprobieren ist- meinetwegen auch 100 mal jede Stelle. Manchmal muss es so oft sein.

Eben! Und manchmal habe ich das Gefühl, dass.... ach, ich sag `s nicht.

Lieben Gruß, Sesam
 
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Ein ganz großes Dankeschön an Stilblüte :kuss: - sie hat den Thementitel auf meinen Wunsch hin geändert. Ich hoffe, der modifizierte Titel trägt etwas zur Versachlichung und Konstruktivität der Diskussion bei.
 
Und noch ein Wort zu den Schwellen und Blockaden, die ja meist bei schnell zu spielenden Stellen auftreten. Auch diese Blockaden haben meiner Meinung nach ihre Usachen im Kopf und nicht in ungenügend trainierten Fingern.

Durch das ständige Studieren der Literatur ist doch genug Training vorhanden.
Ich glaube auch, dass der Geist und wille das ziehende element ist und der Spielapparat muss folgen.

hallo,

"Meinung" (bzgl. der Schwellen und Blockaden) sowie "Glaube" (bzgl. des ziehenden Elementes) sind beide recht unergiebige "Beweisörter"... aber lassen wir Feinheiten der Sprache und Argumentation ruhig mal beiseite.

wenn Du unter "studieren der Literatur" reales und häufiges Spielen derselben meinst, stimme ich mit Dir überein - frage aber, warum man das als "studieren" und nicht als "spielen" (also tun!) bezeichnen muss.

kritisch erscheint mir in Deinen Ausführungen, dass die "trainierten Finger" (ich verstehe das mal als "verlässliche Technik") im Falle des Misslingens schuldlos sind - wenn das so wäre, wozu braucht man die dann? Schließlich kann man dasselbe Ergebnis auch mit untrainierten Fingern erreichen... Offenbar gerät man mit solchen Verallgemeinerungen in Widersprüche. Zumal die Erfahrung, die Praxis lehrt, dass eine verlässliche Technik eher die Zahl der Fehler minimiert.

es ist hier - warum das nötig war, will ich nicht ergründen - vom Unterschätzen der motorischen, der materiellen Seite des Klavierspiels die Rede gewesen (gottlob nicht allein von mir!) - - und diese zu unterschätzen ist keine sonderlich gute Idee... warum? weil sich die Konsequenzen dieser Unterschätzung wenig erbaulich anhören.

Oh ja: der Spielapparat hat gefälligst dem Geist zu folgen - aber das wird nur unter zwei Bedingungen funktionieren: 1. wenn sich der Spielapparat auf einem möglichst nicht niedrigen Niveau befindet, welches 2. der "Geist" auch haben sollte!!! Ganz banal argumentiert: wenn der schlaueste Geist einen Esel hinter sich her schleifen muss, dann ... na, das muss ich wohl nicht ausmalen! (vgl. Unterschätzung) ohne Skalpell wird auch der beste Chirurg häßliche Narben hinterlassen, sofern der Patient überhaupt überlebt...

mir kommt es hier so vor, als seie es ganz selbstverständlich, dass man bezogen auf Musik über "Geist", über Klangvorstellung, über "Interpretation", über Verständnis und Gefühl, über klangliche und emotionale Gestaltung verfügen würde und dass man DANN mit hochnäsigem Abscheu auf die ärgerlichen schwierigen Stellen runterschaut (und wo sie sich nicht spielen lassen, da heisst es dann verärgert "sowas ist eh nur für wenige, das gilt nicht für uns" etc) ------------------------------------------------------ ist das so? hat "man" das einfach so?? hat "man" rundum all das, wofür hier das Schlagwort "Geist" (bezogen auf Musik) steht??? ??? ???

ich glaube eher (ja, jetzt glaube ich auch mal :D), dass beides - Geist UND Technik - in einem recht langwierigen und wahrlich nicht einfach oder nebenbei zu bewältigendem Lernprozess entwickelt werden kann.

insofern als versöhnliche Variante: man sollte die Literatur studieren UND üben - und von beidem nicht wenig, eher im Gegenteil!

Gruß, Rolf
 
Ein ganz großes Dankeschön an Stilblüte :kuss: - sie hat den Thementitel auf meinen Wunsch hin geändert. Ich hoffe, der modifizierte Titel trägt etwas zur Versachlichung und Konstruktivität der Diskussion bei.

eben erst gesehen

na, da nehm ich alles zurück, was ich hier so geäußert habe!!!!

aber eine Schikane behalte ich mir vor: Gratulation an solche, die Probleme mit der eigenen Formulierung eines Themas haben... auf die Tour wird alles beliebig...:D

aber ja: musikalische Gestaltung hilft bei der Bewältigung schwieriger Stellen, genau genommen gibt es keine "schwierigen Stellen", es gibt nur musikalische Stellen (wehe einer sagt, die Oktaven der Lisztsonate seien unmusikalisch :D - denn das sind sie nicht!!!), und die werden musikalisch gespielt (sofern sie gut gespielt werden, unmusikalisch gespielt sind sie scheußlich)

amüsierte nächtliche Grüße, Rolf
 
insofern als versöhnliche Variante: man sollte die Literatur studieren UND üben - und von beidem nicht wenig, eher im Gegenteil!

Rolf, du rennst hier offene Türen ein. Niemand, soweit ich es verstanden habe, hat hier etwas Gegenteiliges geschrieben. Aber man versteht halt das, was man verstehen will ;) Das gilt natürlich auch für mich. Aber im Sinne einer sachdienlichen Diskussion wäre es schön, wenn auch du nicht dafür sorgst, dass wir uns hier im Kreis drehen.

Zitat von Rolf:
aber eine Schikane behalte ich mir vor: Gratulation an solche, die Probleme mit der eigenen Formulierung eines Themas haben... auf die Tour wird alles beliebig...

...auch dieses hier finde ich, könnte der Mann sich sparen. Im oben genannten Sinne.

Ach ja, und dann verlange ich natürlich nicht von dir, dass du dir meine Beiträge #111 (bzw. der darin enthaltene link) und #116 durchliest. Allerdings tragen sie ein bißchen zur Diskussionsgrundlage bei (und könnten den Fokus in dieser Debatte etwas schärfen). Damit man weiß, worüber man auch redet. Selbst dem bedeutensten Profi hat es noch nicht geschadet, über den Tellerrand hinauszublicken :floet:

Liebe Gruße,
Sesam

P.S. Im nächsten Beitrag noch ein interessanter Artikel
 
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