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Hallo liebe Clavioten,
Die Balladen von Chopin sind ja hier immer wieder Gegenstand von Fragen und diskussionen. Welche ist die schwerste und in Bezug auf was, welche wann und für welches Spielniveau etc.
Chopin ist mir ja einer der liebsten und nähesten Komponisten und ich habe alle Balladen gespielt, da dachte ich, ich schreibe mal meine persönlichen Eindrücke auf. Es kann natürlich gut sein, dass andere, die die Balladen gespielt haben, das ganz anders sehen.
Vorab zur Info:
Ich habe die Balladen in der Reihenfolge 1 3 2 4 1 4 gespielt.
Das heißt: An der 1. hab ich alles gelernt, was man dafür brauchte, entsprechend lang hat es gedauert und ich wusste eigentlich nicht, was ich da tat. Dann kam im Studium die 3., gefolgt von der 2., damit ich zum Schluss die 4. spielen kann, wobei ich da mit dem Ergebnis nicht zufrieden war und sie erstmal wieder beiseite gelegt habe, um nochmal die 1. "gescheit" zu spielen. Inzwischen bin ich mit der 4. auch einigermaßen zufrieden. Die Spielzeit erstreckte sich etwa von 2005-2014, wobei vom ersten Ton der 1. bis zum ersten Ton der 3. bestimmt 5 Jahre vergangen sind.
Verständnis der Balladen:
Für mich fällt die dritte Ballade deutlich heraus, denn die finde ich viel schwerer zu durchdringen als die anderen drei. Meistens habe ich sofort eine Idee, was Chopin vielleicht gewollt haben könnte, aber besonders die ersten zwei Seiten der 3. Ballade waren für mich nicht so leicht zu interpretieren, und auch im sonstigen Verlauf ist für mich die 3. die am wenigsten offensichtliche.
Bei der 2. ist für mich sehr klar, was zu tun ist, in der 1. auch, wobei es da ständig Neues zu entdecken gibt und viele verschiedene Ideenansätze. Die 4. hat mich lange im Geiste beschäftigt, auch hier weiß ich, was ich grundsätzlich damit will, wobei natürlich im Detail auch oft viele Möglichkeiten gegeben sind.
Ich denke, wenn man keine Erfahrung mit den Chopinballaden hat, erschließt sich die 1. am ehesten, was wohl auch einer der Gründe dafür ist, dass die meisten diese als erstes spielen.
Interpretation der Balladen
Für mich gibt es einen Unterschied zwischen der Schwierigkeit, eine Ballade zu verstehen und der, sie zu interpretieren. Nehmen wir den Anfang der 4. Ballade (die ersten 3 Seiten). Ich weiß schon seit einigen Jahren sehr genau, welchen Eindruck und Charakter ich dort haben möchte. Leider hatte ich keine Ahnung, wie ich den erzeugen kann und ob das überhaupt möglich ist, oder ob man dafür nicht die Melodie auf der Geige spielen oder singen müsste. Inzwischen bin ich zwar immer noch nicht ganz zufrieden, aber näher an meiner Idealvorstellung als noch vor zwei Jahren. Das zeigt mir: Um eine gute Interpretation zu finden, braucht es nicht nur "Musikalität", sondern auch sehr viel Erfahrung und ein Repertoire an Möglichkeiten und Kenntnissen, wie genau sich bestimmte Spielweisen und "Effekte" charakterlich auswirken.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist die Vierte etwas schwieriger, wobei alles weitere im Verlauf für mich kein Problem dargestellt hat. Es ist dann eher eine Entscheidungsfrage zwischen verschiedenen Möglichkeiten, die sich bieten.
Die zweite ist nach wie vor nicht besonders kompliziert. Der langsame Anfang erfordert etwas Fantasie und Geschick, damit er die Innigkeit und Schönheit bekommt die es braucht und nicht in pulsierende Langeweile ausartet. Ähnlich schwierig ist auch das allerletzte Ende, von dem es ja zwei Versionen gibt: Ein schlichtes ohne und ein etwas größeres mit Vorschlag. Für mich hat es einen Reiz, das schlichte zu wählen, aber das ist auch das schwierigere.
Die Dritte bleibt nach wie vor etwas hakelig. Im Großen und Ganzen treten keine Kompliziertheiten auf, aber ich musste mehr überlgen und ausprobieren, was vielleicht besser oder schlechter klingt und wie die Möglichkeiten sind.
Die erste bietet meiner Meinung nach die größte Interpretationsfreiheit, weil sie so viele Themen und Motive hat, die man charakterlich unterschiedlich spielen kann. Die Schwierigkeit liegt hier vermutlich darin, den großen Bogen zu wahren über das ganze Stück. Es gibt aber keine Stelle, die mir unverständlich wäre.
Schwierigkeit der Balladen
Das ist eine besondere Frage, weil sie von jedem Standpunkt aus unterschiedlich betrachtet werden kann.
Jemand, der technisch noch einige Dinge zu lernen hat, wird vermutlich mit der dritten am besten zurechtkommen, da es keine richtig schwere Stelle gibt. Man kann sie also auch im mittleren Niveau so spielen, dass ein gut anhörbares Ergebnis dabei herauskommt.
Als nächstes kommen dann wohl erste und zweite, wobei die zweite die Besonderheit hat, nur wenige, dafür spezielle Technik zu verlangen. Das ist vor allem die Unabhängigkeit der Hände in den presto-Teilen, wobei die rechte Hand eben ihre charakteristische Figur spielt, sowie die Repetitionen in Doppelgriffen und Akkordversetzungen am Ende. Ich bin nicht ganz sicher, wie schwer das ist, weil mir Repetitionen relativ gut liegen. Deshalb würde ich auch die 2. vor die erste legen in der Schwierigkeit.
Die erste kann man aber auch wunderbar spielen, abgesehen vom Ende, das vermutlich an Geschwindigkeit einbüßen wird.
Währenddessen ist die vierte wohl eher nicht spielbar, wenn man nicht schon viel pianistische Erfahrung hat, weil so viele verschiedene Schwierigkeiten vorkommen, wie z.B. Mehrstimmigkeit in einer Hand, viele Doppelgriffe, schnelle Oktaven links, Sexten, Terzen, Läufe in einer und beiden Händen, sehr schnelle Akkorde etc.
Allerdings, großes Aber:
Jetzt, da ich auch die vierte einigermaßen spielen kann, sehe ich sie nicht unbedingt mehr als die schwierigste an, da sie fast immer sehr gut in der Hand liegt. Im Gegensatz zur Coda der 1. Ballade. Als ich die gespielt habe, war ich natürlich noch etwas jünger als jetzt, aber ich denke, wenn man den höchsten Anspruch der Perfektion an die Balladen anlegt, wird man mit der vierten früher ein befriedigendes Ergebnis erreichen als in der 1., denn deren Coda ist einfach mörderisch...
Aufgrund dieser Dinge ist es so schwierig zu sagen, welche Ballade für wen warum geeignet ist und wie schwierig sie für ihn sein wird. Je nachdem, wohin man schaut und von welchem Standpunkt aus, stellen sie sich sehr unterschiedlich dar.
So, das waren ein paar Gedanken zu den Balladen, vielleicht ergänze ich das bei Bedarf noch.
Die Balladen von Chopin sind ja hier immer wieder Gegenstand von Fragen und diskussionen. Welche ist die schwerste und in Bezug auf was, welche wann und für welches Spielniveau etc.
Chopin ist mir ja einer der liebsten und nähesten Komponisten und ich habe alle Balladen gespielt, da dachte ich, ich schreibe mal meine persönlichen Eindrücke auf. Es kann natürlich gut sein, dass andere, die die Balladen gespielt haben, das ganz anders sehen.
Vorab zur Info:
Ich habe die Balladen in der Reihenfolge 1 3 2 4 1 4 gespielt.
Das heißt: An der 1. hab ich alles gelernt, was man dafür brauchte, entsprechend lang hat es gedauert und ich wusste eigentlich nicht, was ich da tat. Dann kam im Studium die 3., gefolgt von der 2., damit ich zum Schluss die 4. spielen kann, wobei ich da mit dem Ergebnis nicht zufrieden war und sie erstmal wieder beiseite gelegt habe, um nochmal die 1. "gescheit" zu spielen. Inzwischen bin ich mit der 4. auch einigermaßen zufrieden. Die Spielzeit erstreckte sich etwa von 2005-2014, wobei vom ersten Ton der 1. bis zum ersten Ton der 3. bestimmt 5 Jahre vergangen sind.
Verständnis der Balladen:
Für mich fällt die dritte Ballade deutlich heraus, denn die finde ich viel schwerer zu durchdringen als die anderen drei. Meistens habe ich sofort eine Idee, was Chopin vielleicht gewollt haben könnte, aber besonders die ersten zwei Seiten der 3. Ballade waren für mich nicht so leicht zu interpretieren, und auch im sonstigen Verlauf ist für mich die 3. die am wenigsten offensichtliche.
Bei der 2. ist für mich sehr klar, was zu tun ist, in der 1. auch, wobei es da ständig Neues zu entdecken gibt und viele verschiedene Ideenansätze. Die 4. hat mich lange im Geiste beschäftigt, auch hier weiß ich, was ich grundsätzlich damit will, wobei natürlich im Detail auch oft viele Möglichkeiten gegeben sind.
Ich denke, wenn man keine Erfahrung mit den Chopinballaden hat, erschließt sich die 1. am ehesten, was wohl auch einer der Gründe dafür ist, dass die meisten diese als erstes spielen.
Interpretation der Balladen
Für mich gibt es einen Unterschied zwischen der Schwierigkeit, eine Ballade zu verstehen und der, sie zu interpretieren. Nehmen wir den Anfang der 4. Ballade (die ersten 3 Seiten). Ich weiß schon seit einigen Jahren sehr genau, welchen Eindruck und Charakter ich dort haben möchte. Leider hatte ich keine Ahnung, wie ich den erzeugen kann und ob das überhaupt möglich ist, oder ob man dafür nicht die Melodie auf der Geige spielen oder singen müsste. Inzwischen bin ich zwar immer noch nicht ganz zufrieden, aber näher an meiner Idealvorstellung als noch vor zwei Jahren. Das zeigt mir: Um eine gute Interpretation zu finden, braucht es nicht nur "Musikalität", sondern auch sehr viel Erfahrung und ein Repertoire an Möglichkeiten und Kenntnissen, wie genau sich bestimmte Spielweisen und "Effekte" charakterlich auswirken.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist die Vierte etwas schwieriger, wobei alles weitere im Verlauf für mich kein Problem dargestellt hat. Es ist dann eher eine Entscheidungsfrage zwischen verschiedenen Möglichkeiten, die sich bieten.
Die zweite ist nach wie vor nicht besonders kompliziert. Der langsame Anfang erfordert etwas Fantasie und Geschick, damit er die Innigkeit und Schönheit bekommt die es braucht und nicht in pulsierende Langeweile ausartet. Ähnlich schwierig ist auch das allerletzte Ende, von dem es ja zwei Versionen gibt: Ein schlichtes ohne und ein etwas größeres mit Vorschlag. Für mich hat es einen Reiz, das schlichte zu wählen, aber das ist auch das schwierigere.
Die Dritte bleibt nach wie vor etwas hakelig. Im Großen und Ganzen treten keine Kompliziertheiten auf, aber ich musste mehr überlgen und ausprobieren, was vielleicht besser oder schlechter klingt und wie die Möglichkeiten sind.
Die erste bietet meiner Meinung nach die größte Interpretationsfreiheit, weil sie so viele Themen und Motive hat, die man charakterlich unterschiedlich spielen kann. Die Schwierigkeit liegt hier vermutlich darin, den großen Bogen zu wahren über das ganze Stück. Es gibt aber keine Stelle, die mir unverständlich wäre.
Schwierigkeit der Balladen
Das ist eine besondere Frage, weil sie von jedem Standpunkt aus unterschiedlich betrachtet werden kann.
Jemand, der technisch noch einige Dinge zu lernen hat, wird vermutlich mit der dritten am besten zurechtkommen, da es keine richtig schwere Stelle gibt. Man kann sie also auch im mittleren Niveau so spielen, dass ein gut anhörbares Ergebnis dabei herauskommt.
Als nächstes kommen dann wohl erste und zweite, wobei die zweite die Besonderheit hat, nur wenige, dafür spezielle Technik zu verlangen. Das ist vor allem die Unabhängigkeit der Hände in den presto-Teilen, wobei die rechte Hand eben ihre charakteristische Figur spielt, sowie die Repetitionen in Doppelgriffen und Akkordversetzungen am Ende. Ich bin nicht ganz sicher, wie schwer das ist, weil mir Repetitionen relativ gut liegen. Deshalb würde ich auch die 2. vor die erste legen in der Schwierigkeit.
Die erste kann man aber auch wunderbar spielen, abgesehen vom Ende, das vermutlich an Geschwindigkeit einbüßen wird.
Währenddessen ist die vierte wohl eher nicht spielbar, wenn man nicht schon viel pianistische Erfahrung hat, weil so viele verschiedene Schwierigkeiten vorkommen, wie z.B. Mehrstimmigkeit in einer Hand, viele Doppelgriffe, schnelle Oktaven links, Sexten, Terzen, Läufe in einer und beiden Händen, sehr schnelle Akkorde etc.
Allerdings, großes Aber:
Jetzt, da ich auch die vierte einigermaßen spielen kann, sehe ich sie nicht unbedingt mehr als die schwierigste an, da sie fast immer sehr gut in der Hand liegt. Im Gegensatz zur Coda der 1. Ballade. Als ich die gespielt habe, war ich natürlich noch etwas jünger als jetzt, aber ich denke, wenn man den höchsten Anspruch der Perfektion an die Balladen anlegt, wird man mit der vierten früher ein befriedigendes Ergebnis erreichen als in der 1., denn deren Coda ist einfach mörderisch...
Aufgrund dieser Dinge ist es so schwierig zu sagen, welche Ballade für wen warum geeignet ist und wie schwierig sie für ihn sein wird. Je nachdem, wohin man schaut und von welchem Standpunkt aus, stellen sie sich sehr unterschiedlich dar.
So, das waren ein paar Gedanken zu den Balladen, vielleicht ergänze ich das bei Bedarf noch.