Mögt ihr Oper?

Mögt ihr Oper


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    369
Ach, lieber Rolf,

ich habe keine Scheu, über Wagner zu sprechen, weder inner- noch außerhalb des Forums.
Wir sollten nur den "Opernthread" vor einem Gespräch bewahren, das in Streit auszuarten droht.
Ich habe zuviele mißglückte Gespräche mit Dir in Erinnerung - über Nietzsche, Adorno, Schreker,
Debussy -, und die lärmige Art und Weise, mit der Du hier eine Stellungnahme forderst, gefällt mir nicht.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich hatte mal die Phase ( Spleen ) , mir den Ring ununterbrochen anzuhören, quasi im Kreis. War für mich damals das Höchste. Auslöser war ein ROman von THea Dorn, der RIngkampf.

Da ich keine Opernerfahrung, ausser Carmen, habe, kann ich nicht beurteilen, ob es ausser den gestimmten Ambossen Innovationen im RIng gibt. Was mir allerdings aufgefallen ist, waren sehr viele Beethovenzitate.

Bescheidenen Meinung eines LAien.

RUdl
 
Guten Tag, Rudl,

ich würde mich davor hüten, Wagner den Erfindungsreichtum abzusprechen.

Nur den Begriffen "Innovation" bzw. "innovativ" würde ich gern eine Karenzfrist verordnen.
Sie sind durch phrasenhaften Gebrauch kontaminiert:

Als Innovator war ich bisher immer schon unbequem und liebe es,
den Status Quo in Frage zu stellen und effizientere Systeme zu finden [...]

HG, Gomez
 
Ach, lieber Rolf,

ich habe keine Scheu, über Wagner zu sprechen, weder inner- noch außerhalb des Forums.
Wir sollten nur den "Opernthread" vor einem Gespräch bewahren, das in Streit auszuarten droht.
Ich habe zuviele mißglückte Gespräche mit Dir in Erinnerung - über Nietzsche, Adorno, Schreker,
Debussy -, und die lärmige Art und Weise, mit der Du hier eine Stellungnahme forderst, gefällt mir nicht.

Herzliche Grüße,

Gomez

.

Lieber Gomez,

ich finde es sehr schade, dass Du darüber nicht weiter öffentlich schreiben willst, denn mich würde die Antwort auch interessieren auch wenn ich selbst nicht viel zu der Diskussion beitragen kann, da mir das nötige Wissen fehlt.

Viele Grüße
orange
 
ich würde mich davor hüten, Wagner den Erfindungsreichtum abzusprechen.
na immerhin - schließen wir mal daraus, dass er vielleicht doch nicht soooo eklektisch war

übrigens: ob ein Hirn-Akademien-Markus das Zeug hat, Begriffe unserer Sprache zu ruinieren, bezweifle ich doch sehr ;)

aber egal - schreib, was, wann und wo du willst - - es gibt je allerorten genügend über die Opernmusik des 19. Jh. zu lesen
 
Könnte man bei den Ambossen sagen, dass das eine musikalische Vorwegnahme der Idee des 3F-Designs ( Form follows function ) war. Er hätte ja auch Triangeln nehmen können.

Rudl
 

Er hätte ja auch Triangeln nehmen können.
hätte er - und mit Triangeln wäre sicherlich ganz uneklektisch klar geworden, dass da gerade geschmiedet wird ;):D

uverständige Simpel haben in Büchern (igitt) geschrieben, dass dieser Amboss-Lärm eine erste Vorwegnahme der Geräuschmusik sei - das ist natürlich falsch, denn Ambosse weden auch in der Operette "Der Zigeunerbaron" betätigt - aber diese Simpel schrieben und schreiben auch ansonsten eine gänzlich abzulehnende Lobhudelei auf den Schuldenmajor, der den lieben bayerischen König molk

(hoffentlich hat hier irgendwer Humor) :):)
 
Tristan & Tristan (Fortsetzung)

Ich beginn sachte sachte euere Hinweise abzuarbeiten. Eine Klausurenaufsicht gestern nachmittag hat mir die Gelegenheit zur Lektüre des von Gubu empfohlenen Bulthaupt, Dramaturgie der Oper gegeben (ich fand es sprachlich nicht schlimm, im Gegenteil, ich mag solche altertümlichen sprachlichen Kunstwerke über Kunstwerke).

Kern des Tristan-Kapitels ist die Kritik am Mangel des Dramatischen. Wagner habe seine eigene Maxime ignoriert, daß »die Handlung nur dadurch zum Vorschein (kommt), daß die innerste Seele sie fordert«, die den Tannhäuser und Lohengrin gegenüber franz. und ital. Oper mit ihrem unbekümmerten Umgang mit der Handlungsstruktur so ausgezeichnet habe.

Das Zurückschieben aller Elemente, die zur äußeren Handlung gehören, mache den Tristan undramatisch und widerspreche Wagners eigener Auffassung von der Gleichwertigkeit von Handlung und Musik, derzufolge »das Publikum zu allererst an die dramatische Aktion selbst zu fesseln (ist) und zwar in der Weise, daß ... aller musikalische Schmuck ihm zunächst nur ein darstellungsmittel dieser handlung zu sein scheint«. B. bringt dann eine ganze Reihe von Beispielen für diese Dominanz des Lyrischen über das Dramatische, darunter die Eindampfung des Zweikampfes mit Melot, immerhin der dramatischen Grundlage für den dritten Akt, zugunsten des "überlangen Sermon des Königs, den kaum eine Bühnenleitung mehr unverstümmelt auf das Theater zu bringen wagt." Eine trivial scheinende, aber wichtige Konsequenz ist, daß die Handlung aus sich heraus nicht mehr verständlich ist, zumal die Exposition, die Isolde im 1. Akt singt, ja tatsächlich in ihrem Wortlaut wohl von niemand verstanden wird, der sie nicht vorher gelesen hat.

Summa summarum: da steht schon das, was ich immer geahnt habe, aber nie zu sagen wagte. Aber es führt über das was Gubu in #952 und Gomez in #958 gesagt haben, nicht hinaus. Mich interessiert angesichts dieser Reduktion des Dramatischen mir um so mehr die Frage, ob Wagner tatsächlich die Kenntnis Gottfrieds beim Zuschauer voraussetzt. Oder nur die der Fabel selbst? Ich will dem einmal an einem Punkt nachgehen, indem ich mir die Geschichte mit dem Minnetrank bei Gottfried und den Kommentar dazu genauer anschaue und mit Wagner vergleiche. In diesem Punkt, nämlich mit der Behauptung, daß der Minnetrank bei Gottfried nicht hinreichend motiviert sei, könnte Bulthaupt recht schief liegen, jedenfalls scheint mir das so nach der Lektüre einer Arbeit des bekannten Mediävisten Walter Haug.

Die Sache mit dem Tragödienchor und seiner modernen Aufteilung auf Bühne und Orchestergraben verstehe ich trotz Lektüre der von Christoph verlinkten Texte noch nicht so recht. Der klassische Tragödienchor ist nicht nur Kommentator der Handlung sondern, wie man immer sagt, "der vierte Schauspieler"; erst im 4. Jahrhundert geht das zurück (weil die "Solisten" sich in den Vordergrund schieben). Das kann ein Orchester nun ja nicht sein - oder kann es das in einem metaphorischen Sinne? Ich werde bei Gelegenheit mal versuchen, Über Wagners Vorstellungen vom griech. Tragödienchor ein wenig mehr Klarheit zu gewinnen.

Soviel als Zwischenbericht. Ich danke Euch für all Euere Hinweise und Erläuterungen.

Friedrich
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
[…] Ich habe keine Scheu, über Wagner zu sprechen, weder inner- noch außerhalb des Forums.
Wir sollten nur den "Opernthread" vor einem Gespräch bewahren, das in Streit auszuarten droht [...]

Ich finde es sehr schade, dass Du darüber nicht weiter öffentlich schreiben willst,
denn mich würde die Antwort auch interessieren [...]

Liebe Orange,

unter "Komponisten, Werke, Musiker" habe ich einen Thread
zum drohenden 200.Geburtstag Richard Wagners eröffnet -
und dort als Kuckucksei meine Antwort hineingesetzt.

HG, Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Friedrich,

Deine Fragen kann ich vermutlich nicht beantworten.
Ich kann nur versuchen, ihnen etwas von ihrer Dringlichkeit zu nehmen.

Das Zurückschieben aller Elemente, die zur äußeren Handlung gehören,
mache den Tristan undramatisch und widerspreche Wagners eigener Auffassung
von der Gleichwertigkeit von Handlung und Musik

Wagner reduziert den optischen Anteil auf der Bühne, den Schaureiz,
und verlagert wichtige Teile der Handlung in die Vorgeschichte, die er (auch im "Ring",
der den größten Teil der Vorgeschichte dann doch präsentiert) stundenlang
durch seine Helden memorieren und rekapitulieren läßt - für das Schaustück 'Oper'
eigentlich ein Unding, wenn nicht die Zeiterfahrung selbst, das Ineinandergreifen
von Vergangenheit und Gegenwart (plus Auswirkungen auf die Zukunft),
bei Wagner Hauptbestandteil der Handlung wäre.

Und es wäre falsch, aus der Zurückdrängung des auf der Bühne sichtbaren
dramatischen Anteils zu folgern, daß die dazugehörige Musik undramatisch sei.
Bruckner hat den "Tristan" in Gestalt eines textfreien Klavierauszugs (sowas gab es damals)
kennengelernt und studiert, was viel über seine Wagner-Rezeption aussagt,
aber auch über die Rezipierbarkeit dieser Musik ohne Text- und Librettokenntnis.
Auch die französischen Wagnerianer haben die Musik überwiegend aus Klavierauszügen
kennen- und liebengelernt.

Ich würde Wagners Operntheorien, seine Formulierungen zur Idee des Gesamtkunstwerks
nicht allzu wörtlich nehmen. Letztlich galt auch für Wagner "prima la musica, poi le parole".
Er war in Bayreuth durch die Erfahrungen mit seinen eigenen szenischen Realisationen
so desillusioniert, daß er zuletzt vom unsichtbaren Theater träumte.

Zu Deiner Frage, ob Wagner beim Publikum die genaue Kenntnis der von ihm
aufgearbeiteten Stoffe voraussetzt: Ich glaube es nicht. Zu genaue Stoffkenntnis
hätte er vielleicht sogar als lästig empfunden, weil er dem Publikum ja seine
(Neu-)Interpretation der Themen einhämmern wollte.

In diesem Punkt, nämlich mit der Behauptung, daß der Minnetrank
bei Gottfried nicht hinreichend motiviert sei [...]

Auf die Gefahr hin, hier alles auf den Kopf zu stellen:
Auch bei Wagner ist der Minnetrank nicht hinreichend motiviert.
Die Spannung des gesamten ersten Akts (und seiner Vorgeschichte),
besteht doch darin, daß Tristan und Isolde bereits ineinander verliebt sind.

Zitat von Carl Dahlhaus:
[...], denn daß Affekte unversehens über die Menschen hereinbrechen,
erscheint, wenn man an Opern von Wagner oder Verdi denkt,
geradezu als ästhetisches Gesetz der Gattung.

Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Hsrg.: Carl Dahlhaus/Hermann Danuser
Bd.6: Carl Dahlhaus, Die Musik des 19.Jahrhunderts, S.230
Laaber, 1980

Der Minnetrank wäre dann nur als Droge begreifbar, mit deren Hilfe Tristan und Isolde
die moralischen Hemmungen, die sie bislang in Zaum hielten (Tristan stärker als Isolde),
zum allerfalschesten Zeitpunkt, nämlich kurz vor der Ankunft in Cornwall, über Bord werfen.

Ich werde bei Gelegenheit mal versuchen, über Wagners Vorstellungen
vom griech. Tragödienchor ein wenig mehr Klarheit zu gewinnen.

Und ich hoffe, Du läßt uns daran teilhaben. Aber auch hier will ich versuchen,
Dich von zuviel philologischem und literaturwissenschaftlichem Ernst abzuhalten.
Wagner hat die Tragödien von Aischylos/Sophokles/Euripides vermutlich sogar
im griechischen Original gelesen; sein Onkel Adolph Wagner, ein Altphilologe,
hat ihn gefördert, und seine Grundkenntnisse von griechischer Kultur, griechischer Polis
und attischer Tragödie dürfte er ihm verdanken. Aber beim Rückbezug auf die attische Tragödie
ging es Wagner, anders als in den Gelehrtenkreisen um Giovanni de Bardi und Ottavio Rinuccini,
nicht mal ansatzweise um philologische oder aufführungstechnische Exaktheit.
Der Rückbezug hatte für Wagner rein legitimatorische Funktion: sein Dionysoskult war die
Kunstreligion, seine Polis war die städtische Gesellschaft in einem republikanischen Deutschland
und sein Theater die identitätsstiftende Mitte darin. Der Traumsapekt ist dabei ganz wichtig;
Wagner hat sich die Pseudo-Antike zurechtgeträumt, aber aus diesen Träumen hat er die Kraft
zur Verwirklichung seiner ästhetischen Vorstellungen gewonnen.

So verhält es sich auch mit dem "griechischen Chor", dessen Funktion in der attischen Tragödie
Wagner vielleicht gar nicht so genau wissen wollte. Er hatte aber eine klare Vorstellung davon,
welche Funktion das haben sollte, was ihm als Chor-Ersatz in seinem Musikdramen vorschwebte.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Und es wäre falsch, aus der Zurückdrängung des auf der Bühne sichtbaren
dramatischen Anteils zu folgern, daß die dazugehörige Musik undramatisch sei.


(...)

Ich würde Wagners Operntheorien, seine Formulierungen zur Idee des Gesamtkunstwerks
nicht allzu wörtlich nehmen. Letztlich galt auch für Wagner "prima la musica, poi le parole".

Er war in Bayreuth durch die Erfahrungen mit seinen eigenen szenischen Realisationen
so desillusioniert, daß er zuletzt vom unsichtbaren Theater träumte.

(...)

Auf die Gefahr hin, hier alles auf den Kopf zu stellen:
Auch bei Wagner ist der Minnetrank nicht hinreichend motiviert.
Die Spannung des gesamten ersten Akts (und seiner Vorgeschichte),
besteht doch darin, daß Tristan und Isolde bereits ineinander verliebt sind.

Applaus!! Und völlige Zustimmung!!

...ja, den Ring selber im "eignen" Theater zu sehen, war für den Wagner ein teils zweifelhaftes Vergnügen:
Zitat von Wagner:
meine Götter sehen alle aus wie Indianerhäuptlinge... nächstesmal muss alles anders gemacht [inszeniert] werden
Zitat von Wagner:
nachdem ich das unsichtbare Orchester erfunden habe, muss ich noch die unsichtbare Bühne erfinden
Humor hatte er gelegentlich!
 
Nuja, Wagner läßt die Konvention der Oper als eines Schaustücks hinter sich. So radikal
wie im "Tristan" verfährt er später noch einmal im "Parsifal". Sichtbare Handlungselemente,
die bei anderen Opernkomponisten spannungsfördernd im Mittelpunkt stünden,
werden bei ihm zurückgedrängt wie ein lästiges Anhängsel

[...]

Das Warten, die Ungewißheit und die damit verknüpften Gedankenspiele (imaginiertes Glück
oder Unglück) stehen im Mittelpunkt der Handlung. Vorwärtstreibende Handlungselemente
werden zu Realitätseinbrüchen an den Akt-Enden eingedampft. Das Warten als Operninhalt
greift Puccini im zweiten Akt der "Madame Butterfly" wieder auf.


Ich habe gestern Abend ein weiteres, mir bislang unbekanntes Beispiel für diese Technik, die Handlung bei äußerer Ereignislosigkeit nach "innen" zu verlegen, erlbene dürfen, nämlich E.N. von Rezniceks "Ritter Blaubart", das lange derartige "Zwischenspiele" aufweist; das im 1. Akt dauert sogar rund 20 Minuten. Der Augsburger GMD Dirk Kaftan schreibt dazu "... es ist ein Eintauchen in die Psyche Blaubarts: Schreckensvisionen, Albträume, groteske Gefühle und gleichzeitig die aufkeimende Sehnsucht nach Liebe...".

Die Musik - äußerste Spätromantik, aber für meinen Geschmack etwas zu einseitig auf expressionistisches Pathos getrimmt und ohne die Versatilität Schrekers.

Ein Riesenschreck im letzten Akt: der Dirigent fiel unter Donnergepolter ohnmächtig von seinem Pult - sicher genau das, was sich die Indentantin für die Premiere gewünscht hatte. Tatsächlich glaubten wir zuerst, er sein tot, weil eine der jungen Geigerinnen vor Schock einen Schreikrampf bekam und die Inspizientin auch kaum ein klares Wort ins Mikrofon sprechen konnte. Gottlob ist Kaftan aber inzwischen wieder unter den Lebenden und wird morgen Abend die zweite Vorstellung dirigieren. Den Rest des 3. Aktes mußte sein Assistent dirigieren; er tat mir sehr leid, denn seine Aufregung war bis in den 2. Rang herauf zu spüren.


Grüße,

Friedrich
 
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