Loslassen - ein Geheimnis der Virtuosität?

Nur so: ein Samurai hat keine "Gegner", die er niedermäht.
[...]
Schon lustig, dieser Faden hier!

;

Ales Liebe

Viola

;) waren die mit ihren Klingen sanftmütig wie Teletubbies, die Samurai? ... oder waren die nicht doch Elitekrieger, und das zu kriegerischen Zwecken... hielten die Hunnen, als sie beim restlichen weströmischen Imperium zwecks "feindlicher Übernahme" vorstellig wurden, einander am Händchen?

Du hast recht, es gibt Verzweigungen, die wirklich lustig sind.

"mentales Üben" nützt sicher, aber erst nach dem technischen - und wie Du ja sagst: wer etwas können WILL, wird alles (hoffentlich nur zweckdienliche!) daran setzen und das tun. auch üben! zu esoterisch ist mir da nichts, nur fürchte ich, dass fernöstlich-meditative (und etwas aus dem Kontext herausfallende) Vergleiche Verwirrung stiften können - - - z.B. bei mir, mich hält das vom üben ab, weil mir dann nach Späßen über Samurai & Konsorten ist :D

wenn wir Räucherstäbchen, Teezeremonie & Kimono beiseite lassen: für mich hat übrigens das akribische, emotionslos (!) betriebene rein spieltechnische Trainieren etwas ungemein Meditatives - ich fühle mich wohl dabei, z.B. einen Oktavenlauf (den nenne ich, weil ich ihn halt erwähnt hatte) in verschiedenen Tempi & Lautstärken immer wieder zu "proben" (((üben ist das eigentlich nicht oder nicht mehr - üben kommt vorher))). Hierbei "alles loslassen" (Emotionen, spätere Absichten bzgl Ausdruck, Ängste, Kontrolle) und nahezu ohne zu denken (kein absichtliches sprachliches Denken meine ich) immer wieder die Bewegungsfolgen auszuführen und dabei zu verfeinern: eine Mixtur aus Meditation und Konzentration. Diese schafft die Grundlage, wobei ich allerdings Sachen wie Klangdifferenzierung, Agogik, Artikulation etc der trainierten/geübten/geprobten Stellen oder Stücke voraussetze. - - das ist nicht zu hoch gegriffen, denn eingangs ging es ja um Virtuosität bzw. eine der Möglichkeiten, diese zu erlangen - es ging und geht also nicht um die ersten Czerny-Etüden - - dieses konzentrierte Bewegungstraining bringt übrigens noch einen interessanten Vorteil: man erlebt schneller bzw. nimmt schneller und mehr wahr - so entsteht der oft erlebte Eindruck, dass man langsm zu spielen meint, obwohl es für den Hörer schnell ist. Hat man das erreicht, gilt es, erneut loszulassen: kein bewußtes "technisches" Denken mehr, denn das hat man hinter sich - man läßt es los. Ab hier geht es dann nur noch um Musik.

besser kann ichs nicht beschreiben.

übrigens wollte ich keinen Grimm mit meinem Abschweifen in Humor hervorrufen!!!

liebe Grüße, Rolf

(((((mein Lieblingssamurai ist Bruce Willis alias "Butch" in "Pulp Fiction")))))
 
...der größte Gegner in jeder Disziplin man immer SELBST!
Der größte Gegner ist man Selbst - Wer soll diesen Gegner je bezwingen, außer man selbst?

Dieser Gegner:
Er sagt: Das kann man nicht erlernen...
Er sagt: Das werd ich nie können...
Er sagt: Ich kann nicht...
Er sagt: Ich will nicht...

Seht ihr wie stark und mächtig der Gegner sein könnte?:cool:
...und doch lässt er sich bezwingen - ohne Hokuspokus!

LG
Michael
 
Siehst Du, lieber Michael, jetzt gehe mal einen Schritt weiter und bekämpfe diese Saboreure, denn nichts anderes sind diese Glaubenssätze, mit dem Üben von Oktavläufen.


Wie wäre es, wenn man diese GS mit anderen Mitteln beikäme? ZB mit Liebe? Wurde hier auch schon erwähnt. Lieben, was IST, ist für mich KEIN Hokus Pokus im übrigen sondern eine grundsätzliche Einstellung, die man lernen kann sich anzueigenen (im Gegensatz zum Üben aus ANGST - vor der nächsten Klavierstunde oä).
Der "Trick" bei diese liebevollen Art zu üben ist, anzuerkennen, dass es im Grunde genommen keinen (!) Gegner gibt. Auch man selbst, der sich da gelegentlich im Wege steht, ist in Wirklichkeit kein Gegner, sondern der beste Lehrmeister überhaupt. Diesem gegenüber kann man in Dankbarkeit begegnen, auch eine Haltung, die man trainieren kann. Liebe, Dankbarkeit, Demut - das macht alles ziemlich gute Laune und ist kein Hokus Pokus für mich - also keine Esoterik.
Aber wer will kann ja gerne sich mit hartem Üben quälen. Wenn hilft...
Wer weiss, wozu das gut ist.

Doch das Allerbeste ist: man MUSS sich selbst gar nicht bekämpfen und besiegen!

@Rolf, mit dieser Deiner Art zu üben stehst Du nicht alleine da, ich habe es in meiner aktiveren Zeit auch sehr genossen, durch diese Art von Üben weiter zu kommen, wobei das "Weiterkommen" nicht im Vordergrund stand, sondern eher ein Abfallprodukt der genussvollen Wiederholungen war. Das hat dann schon leicht autistische Züge, man muss schon bekloppt sein, sich so viele Wiederholungen anzutun. Hihi. Aber für mich ist diese Art zu üben nach wie vor ein sehr beruhigender Vorgang, ich bin dann vollkommen EINS und vollkommen im Frieden. Das scheint bei Dir ganz ähnlich zu sein!

AL

V.
 
"... jetzt gehe mal einen Schritt weiter und bekämpfe diese Saboreure ..."
Ich weiß zwar nicht, was Saboreure sind, Viola, aber das Wort klingt, als wenn auch ich, wenn ich welche hätte, sie bekämpfen sollte?
"Aber wer will, kann ja gerne sich mit hartem Üben quälen." Wie die Samurai?

Rolf, ich muß Viola Recht geben darin, daß die Kampfkunst mit der Klavierkunst durchaus vergleichbar ist:

"Die Ausbildung zum Samurai begann oft schon im Alter von drei Jahren und war geprägt von hartem Drill ... Sie waren gezwungen, ihre Angst zu bekämpfen, indem sie auf dem Friedhof oder Richtplatz eine Nacht verbringen mussten ... Wie in vielen stark spezialisierten Berufen, war es auch für die Ausbildung des Samurais üblich, dass ein älterer, erfahrener Samurai einen jungen Mann über mehrere Jahre in die Lehre nahm." (Wikipedia)

Es ist also alles vorhanden: der Drill in frühen Jahren (die meisten großen Pianisten haben schon sehr früh sehr viel üben müssen), die Überwindung der Angst (die meisten wurden schon früh aufs Podium genötigt) und der Einzelunterricht. Und wie die Pianisten war ein Samurai verpflichtet, seine Kampfkunst laufend zu verbessern. Und was bei den Klavierspielern die zahlreichen Wettbewerbe sind, waren bei den Samurai eben die Zweikämpfe.

Ein Unterschied besteht allerdings darin, daß ein Samurai nicht "loslassen" durfte, denn wenn ihm das Schwert aus der Hand fiel, war er verloren ...

Ein weiterer Unterschied ist, daß Klavierspiel-Wettbewerbe meistens nicht tödlich ausgehen und von Pianisten selten Harakiri verübt wird ...

"Schon lustig, dieser Faden hier!" Kommt drauf an, wie man's nimmt: Nimmt man geballtes Geschwafel nicht ernst, kann man drüber schmunzeln; nimmt man's ernst, kann einem vom vielen Kopfschütteln schrecklich schwindlig werden ...


Aber zur Sache und weniger glossierend:

Mit dem Begriff "Loslassen" kann ich nicht viel anfangen, er ist mir zu nebulös, wie manches hier. Gewiß ist, daß man über etwas, das man wirklich kann und jederzeit abrufbar zur Verfügung hat, nicht mehr nachdenken muß. Vergleichbar ist das z.B. mit Fahrradfahren, das eigentlich auch ein hochkomplexer Vorgang ist. Kann man's endlich, weiß man selber nicht mehr, wie's geht, jedenfalls werden nur wenige Radfahrer erklären können, wodurch man auf einem einspurigen Gefährt die Balance hält und sogar freihändig jede Kurve kriegt -- da hat man dann "losgelassen", nämlich den Lenker ...
Der einzige halbwegs sichere Weg dorthin heißt "Üben". Man beobachte, wie mühsam ein Kleinkind laufen lernt und wie oft es dabei auf die Nase fällt. Würde man als Kind nach dem ersten Unfall aufgeben, würde man nie laufen lernen. Statt aufzugeben, treibt das Kindchen irgendetwas an, es immer wieder zu versuchen, mit erstaunlicher Ausdauer und erstaunlicher Unverwüstlichkeit der eigenen Motivation und mit hartnäckiger Kontinuität, denn es vergeht nicht ein einziger Tag, ohne daß es übt.

Leider ist Klavierspielen noch komplexer als Laufen oder Fahrradfahren. Der Zustand der Selbstverständlichkeit, mit der man über etwas nicht erst nachdenken muß, stellt sich dort mühsamer ein, und es gibt Stücke, die meistert auch der beste Spieler nicht im Schlaf. Obendrein will auch das Vorspielen vor Publikum geübt sein, und da mangelt es fast immer an der Kontinuität, denn kaum jemand hat Gelegenheit, täglich die ernsthafte Vorspiel-Situation zu trainieren.

Zum Schluß gibt es aber nur eine Antwort, und die hat Stilblüte als Initiatorin dieses Threads längst selber gegeben: "... so ist es für mich doch irgendwie ein Handwerk."
Mit so viel herzerfrischendem Wissen stößt man aber nicht auf Gegenliebe bei denjenigen, die Kunst für einen Anlaß zum Faseln halten. Ich schlage eine andere Art vor von "Esoterik" (bedeutet so viel wie: innerer Kreis): sapienti sat -- dem Verständigen genügt's. Die Unverständigen mögen halt weiterfaseln: "Der leere Kopf pochte jetzt mit Fug auf sein volles Herz ..." (Heinrich Heine, 1846)

Zwei Pianisten-Zitate seien angefügt:
1. "Wenn ich gut spiele, dann habe ich nicht das Gefühl, daß ICH spiele, sondern ES spielt aus mir." (Sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert, es stammt von Ashkenazy).
2. "Einfach laufen lassen", wurde hier bereits zitiert, Gulda hat's gesagt. Er hat aber auch gesagt: "Spiele jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge."
Irgendwo zwischen "ES spielt aus mir", und spielen, als wenn es ums eigene Leben ginge, liegt vielleicht die Wahrheit?
__________
Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de
 
Rolf, ich muß Viola Recht geben darin, daß die Kampfkunst mit der Klavierkunst durchaus vergleichbar ist:

"Die Ausbildung zum Samurai begann oft schon im Alter von drei Jahren und war geprägt von hartem Drill ... Sie waren gezwungen, ihre Angst zu bekämpfen, indem sie auf dem Friedhof oder Richtplatz eine Nacht verbringen mussten ... Wie in vielen stark spezialisierten Berufen, war es auch für die Ausbildung des Samurais üblich, dass ein älterer, erfahrener Samurai einen jungen Mann über mehrere Jahre in die Lehre nahm." (Wikipedia)

Es ist also alles vorhanden: der Drill in frühen Jahren (die meisten großen Pianisten haben schon sehr früh sehr viel üben müssen), die Überwindung der Angst (die meisten wurden schon früh aufs Podium genötigt) und der Einzelunterricht. Und wie die Pianisten war ein Samurai verpflichtet, seine Kampfkunst laufend zu verbessern. Und was bei den Klavierspielern die zahlreichen Wettbewerbe sind, waren bei den Samurai eben die Zweikämpfe.

Ein Unterschied besteht allerdings darin, daß ein Samurai nicht "loslassen" durfte, denn wenn ihm das Schwert aus der Hand fiel, war er verloren ...

Ein weiterer Unterschied ist, daß Klavierspiel-Wettbewerbe meistens nicht tödlich ausgehen und von Pianisten selten Harakiri verübt wird ...

hallo,
na ja, die "Parallelen" der Ausbildung zum Samurai oder zum Pianisten... das zu vertiefen, könnte in die Gefilde der Faselei abschweifen. Sonderbar, dass man den Zweck, die Zielorientierung der fernöstlichen "Kampfkunst" nicht benennen will: wie die awarischen Reiterkrieger, die mittelalterlichen Ritter, die gotischen Panzerreiter waren die Samurai primär nichts anderes als eine hochspezialisierte Kriegerkaste! Die "Ausbildung" zum römischen Legionär, zum gotischen Kataphrakt (den Sarmaten abgeguckt), zum Ritter oder zum Samurai war hart und gründlich: die sollten ja auch ihresgleichen oder sonstwen effizient zu massakrieren in der Lage sein! und darin pflegten die sich zu bewähren - - - ich kann nur äußerst oberflächliche Parallelen in der Ausbildung zum Krieger oder zum Musiker sehen (es sei denn, der Musiker schlachtet Sonaten oder Etüden... was er aber eigentlich nicht tun sollte) und bzgl. der kriegerischen Exemplare dürfte die Kenntnis der Historie (wer waren die und was machten die und warum) mehr nützen, als solche Haudegen zu mystifizieren.

das Kleinkind lernt gehen, laufen - ohne Lehrer, und vor allem: ohne nach Tricks, Kniffen oder Geheimnissen zu fragen (ja sogar ohne fernöstliche Kampfkunst)...

den Lenker am Fahrrad "loslassen" kann prekäre Folgen haben, unzweifelhaft

das "nebulöse loslassen":
- das Schwert auf dem Schlachtfeld schwingend gewiss eine wenig nachahmenswerte Idee, ob Hunne, Legionär, Gote, Ritter oder Samurai...
- - am Klavier während des Spielens das Ausblenden/Weglassen von allen unnötigen, unnützen und hinderlichen Gedanken - das könnte man auch als Konzentration bezeichnen, als geschärfte aber konzentrierte Wahrnehmung - in diesem Sinne das loslassen oder weglassen von allem Unnützen

wortklauberisch könnte man jetzt argumentieren, dass es um die Konzentrationsfähigkeit geht (neben der in Sachen Virtuosität grundlegend erforderlichen technisch-manuellen Befähigung) - - warum nicht? mit Fragestellungen und unterschiedlichen Perspektiven kann man eine Problem einkreisen, und wenn man auf dem Weg dahin amüsante Abschweifungen findet, dann wird das schon nicht schaden.

Werner (Klavierdidaktik) "die Finger verlieren über längere Zeiträume die Disposition" bzgl der Tatsache, dass W. Backhaus sich mal wieder länger mit chopins op.10 Nr.2 befasst hatte - - leider ist es am Klavier so, dass man doch über das, was man kann, nachdenken muss, denn man behält es nicht ganz selbstverständlich wie irgendwas gekauftes: Klavierspielen bzw. das Repertoire müssen beständig gepflegt werden - das gilt für jeden (wie auch das üben, um das man in der Tat nicht drumherum kommt)

liebe Grüße, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe dein Eindruck, daß hier viel zu viel davon geredet wird, was man nicht tun soll und viel zu wenig davon, was man tun sollte. Ich habe ja so ungefähr begriffen, was hier mit "loslassen" gemeint ist, jetzt ist es aber wirklich an der Zeit, das genauer zu definieren und vor allem zu erklären, wie man das tut.
 
kreisende Gedanken

es sind Ferien und da kann man sich die Zeit nehmen, so einen tollen Faden mal in allen Einzelheiten genau zu studieren.

Es fällt mir das schöne Valentin Wort ein:

Es ist schon alles gesagt! Nur noch nicht von allen!

Stilblütes Thema lässt sich nicht im Rundumschlag abhandeln, aber von den vielen Aspekten schneide man sich die ab, die einem wichtig erscheinen.

Und da sind mir ein paar besonders aufgefallen:

Vorangestellt sei meine Bemerkung, dass ich die Fortschritte von Stilblüte seit ich im Forum bin, für bemerkenswert halte und dass Kritik in einigen Punkte mir hoffentlich verziehen und nachgesehen wird.

Beeindruckend und auch überzeugend fand ich die Gedanken von Viola, die sich mit dem "Handwerk"- ich lass das mal so verkürzt stehen, nicht abfinden wollte. Mir geht es genauso und ich gebrauche mal stattdessen den Begriff "Seelenwerk". Und dazu passt auch die Betrachtung, dass der Pianist eigentlich wie ein Sänger üben sollte. Das klavier muss verinnerlicht werden und genauso zum eigenen Instrument werden wie die Stimme des Sängers. Aus dieser Grundhaltung heraus gestalte ich den Klang. dies kann ein einzelner Ton oder eine ganze Kaskade von Tönen sein.

wir müssen jetzt nicht im Urbrei des Klavierspiels herumrühren, denn das wurde bereits alles getan. Es wurde mechanisch geübt, Fingerübungen gemacht und gedonnert. Neuhaus sagte, dass sich die Jugend ruhig mal am Klavier austoben soll. Das ist so eine Phase, die man ihnen gönnen soll und die auch ihren eigenen Reiz hat. Aber nach einigen Jahren dieses Handwerks hat man die Grundlagen oder auch schon früher. Für einen Pianisten, der Musik machen will, sehe ich dann keinen Grund mehr, warum er losgelöst von musikalischer Gestaltung solches üben sollte. Denn er hat wirklich Anderes zu tun.

Stilblüte sprach vom geraden Weg, den sie ab und zu kreuzt und dann wieder in der Pampa (sorry für den Ausdruck) verschwindet. Der beaknnte Skywalker soll sich durch die "MAcht " leiten lassen und wir sollten uns von der Macht der Musik leiten lassen. Dies erleichtert das Finden des geraden Wegs.

Warum verspielen sich Schüler, Studenten und andere noch so häufig? Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Sie haben sich einem falschen Fingerautomatismus anvertraut, der regelmässig Lücken aufweist. Wenn ich mit meinem Auto durch den Nebel fahre, muss ich die Geschwindigkeit verringern oder ich krache irgendwo dagegen. So geht es den Kalvierspielern mit mangelhafter Vorstellungskraft. Sie erzwingen ein Tempo, welches sie nicht mehr beherrschen, weil der Verlauf des Stückes auch eine Art Nebelwand ist. die Hoffnung ist dann auf die automatisierten Bewegungsbaläufe gerichtet, die es vielleicht schaffen, unfallfrei weiter zu kommen. Aber das ist eben keine Sicherheit. Ich muss jede Stelle so gut üben, bis sie mir vertraut ist und zwar nicht ungefähr sondern total. Ist man wirklich konhzentriert am Üben/Studieren so sollte fast jede weitere Wiederholung einer Phrase eine Verbesserung des Vorhergehenden Ablaufs darstellen. Ich stelle einen Klang dar und vergleiche ihn mit meiner bisherigen Vorstellung. War es so, wie ich es wollte und war das, was ich wollte bereits das richtige ? durch dieses konzentrierte Üben verändern sich nicht nur die körperlichen Fähigkeiten (Ich spreche lieber von körperlichen statt manuellen Fähigkeiten)sondern auch die Vorstellung des Klanges selber. Dies ist ein laufender Prozess, wo Probieren, Vergleichen und Verbessern sich ständig hochschaukeln. Und dieser Prozess findet nie ein Ende, höchstens eine art von Plateau, auf dem man verweilen kann.

Dieses Üben ermöglicht eine solide Kenntnis des Stückes. Wenn dann wirklich ohne Ausnahme alle Bereiche intensiv studiert wurden, stellt sich eine Art Gesamtschau des Werkes ein und die vorher angesprochene Nebelwand verschwindet.

Natürlich hat ein Pianist gute Kenntnisse in Harmonielehre aber dies ist durchaus unterschiedlich und eine Funktionsanalyse jedes Stückes ist sicher nicht erforderlich. Jeder Mensch ist individuell und während der eine genau weiss, wie ein Akkord in einer Stelle beziffert werden müsste identifiziert ihn ein anderer mit davon abweichenden Parametern. wichtig ist nur, dass er genau weiss, was er spielt und wie es klingen muss und ob er in der Lage ist, zu hören, wie das klingt, was er gerade produziert. Und eigentlich darüberhinaus muss er es bereits in seiner Vorstellung plastisch voraus hören, wie es dann realistisch klingen wird.

Und dies alles wäre aber noch nichts, wenn nicht die Kraft der Musik, die seelische Kraft uns leiten würde. Keine zwei Töne können erklingen, ohne dass psychische Energie fliesst. Das muss man aber fühlen.

Und jetzt komme ich zum Loslassen:

Das halte ich für den wichtigsten Aspekt, dass man sich vom Handwerk trennen kann und sich der Kraft der Musik anvertraut. Ich löse mich aus den Niederungen der machanistischen Auffassung und lasse mich durch die Musik leiten.

Ich sehe immer die Gefahr dieser Zweiteilung.

Zuerst treibe ich Lauf - und Kraftsport am Klavier und dann füge ich die Musik hinzu. In einem anderen Faden schrieb ich mal, dass ein Ironman Kandidat, der täglich 40 Kilometer in der freien Natur läuft, nicht noch abends aufs Laufband gehen muss.

Wenn wir unsere Stücke mit solcher Intensität üben. dass wir ständig - also möglichst jede wiederholung eine Verbesserung - dann wird zwangsläufig auch die Klaviermaschine ständig geölt.

Und wenn Musik am Klavier machen eher ein geistiger oder noch besser ein seelischer Prozess ist, dann sollten wir unsere edlen Vorstellungen nicht mit schnöder Mechanik langweilen oder sogar beschädigen.

Es gibt im WK von Bach so tolle eigentlich virtuose Präludien, von denen man immer einige vorpsielreif vorhalten sollte. Ein besseres Training als vielleicht 3 solcher Präludien zu spielen ist kaum denkbar.

Es hält den gesamten Körperspielapparat in Schwung und erhebt den Geist und macht gute Laune.

Eigentlich wäre noch mehr zu sagen aber es ist unmöglich, auf alle angesprochenen Punkte einzugehen und deshalb lass ich dies mal so stehen
 
Das halte ich für den wichtigsten Aspekt, dass man sich vom Handwerk trennen kann und sich der Kraft der Musik anvertraut. Ich löse mich aus den Niederungen der machanistischen Auffassung und lasse mich durch die Musik leiten.

hallo klavigen,

in den Ferien sicher ein guter Gedanke, aber wenn gerade keine Ferien sind, halte ich die kontinuierliche Pflege des "mechanistischen" für sehr sinnvoll. Das gilt nicht für das komplette Repertoire, aber es gibt zahlreiche sehr schwierige Passagen, die nicht nur immer wieder trainiert werden müssen, sondern die auch extra für jedes Konzert trainiert werden müssen - analog vollführt ein Sportler seine Rekordzeiten ja nicht in jedem Training.

"engagiert Musik machen" ist seelisch/geistig sehr wohl anstrengend - unengagiert aber manuell konzentriert üben "ölt die Maschine" und reibt nicht so auf, strengt nicht so an. (mal humorig formuliert: würde man Chopins Trauermarschsonate beständig mit vollem Engagement pflegen, müsste man schwer depressiv werden :) ...)

liebe Grüße, Rolf
 
Wenn ich mit meinem Auto durch den Nebel fahre, muss ich die Geschwindigkeit verringern oder ich krache irgendwo dagegen. So geht es den Klavierspielern mit mangelhafter Vorstellungskraft. Sie erzwingen ein Tempo, welches sie nicht mehr beherrschen, weil der Verlauf des Stückes auch eine Art Nebelwand ist. die Hoffnung ist dann auf die automatisierten Bewegungsabläufe gerichtet, die es vielleicht schaffen, unfallfrei weiter zu kommen.


Hallo klavigen,

ich bin dir von Herzen dankbar für dieses wunderbare "Nebel-Gleichnis"!

Du hast damit ganz genau beschrieben, was ich mit meinem "Virtuosität ist die falsche Herangehensweise" gemeint habe. Die Vorstellung, man könne schneller spielen als man denken kann. Die Hoffnung, man müsse irgendwann nicht mehr die einzelnen Noten gestalten, sondern die Finger würden es dann schon richten.(Etwas, das ich leider auch bei Viola im Untergrund heraushöre - sie vertraut eben auf irgend etwas unbewußtes)

Das große Problem an diesem Fingerautomatismus ist: leider funktioniert das tatsächlich.

Es ist tatsächlich möglich, die Motorik so weit zu trainieren, daß die Finger allein laufen und daß man auf die Gestaltung der einzelnen Noten verzichtet. Insofern ist das Nebel-Gleichnis auch wieder nicht so gut, weil immer jemand beweisen kann, daß man auf diese motorische Weise sehr schnell spielen kann, auch ohne daß etwas passiert (in doppelter Hinsicht).

Mein Argument ist also nicht, daß es nicht funktioniert, sondern daß das Ergebnis solchen Denkens der Musik nicht gerecht wird. Man spielt dann quasi auf der Überholspur an der Musik vorbei.

Man kann mir jetzt natürlich unterstellen, da ich unfähig sei, mit dem Tempo der Schnellspieler mithalten zu können, würde ich sowas als Rechtfertigung schreiben. Es ist mir leider nicht möglich, das Gegenteil zu beweisen. Ich beherrsche diese motorische Art des Klavierspiels nicht und ich werde sie auch nie können, weil ich nicht motorisch übe.

Aber andererseits kann ich hören, ob jemand motorisch spielt oder ob er die Musik gestaltet - Ton für Ton, Motiv für Motiv, Phrase für Phrase, Formabschnitt für Formabschnitt.

Und ich weiß, es gibt Leute, die ein enorm schnelles Tempo spielen können, ohne daß sie das Heft aus der Hand geben. Wo die Musik trotz dem extremen Tempo immer noch Musik ist. Und da gibt es für mich nicht den leisesten Zweifel: der Weg dorthin führt nicht über die Motorik.
 
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Das große Problem an diesem Fingerautomatismus ist: leider funktioniert das tatsächlich.

Es ist tatsächlich möglich, die Motorik so weit zu trainieren, daß die Finger allein laufen und daß man auf die Gestaltung der einzelnen Noten verzichtet. Insofern ist das Nebel-Gleichnis auch wieder nicht so gut, weil immer jemand beweisen kann, daß man auf diese motorische Weise sehr schnell spielen kann, auch ohne daß etwas passiert (in doppelter Hinsicht).
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lieber Haydnspaß,

da Du gelegentlich Horowitz (den man ja gerne als "nur" brillanten Techniker verschrien hat) anführst, versuche ich es auch auf diesem Weg:
eine der Zugaben im Moskauer Konzert war "Etincelles" von Moszkowski, eine sehr sehr schnelle staccato-Etüde.

Grundlage diese zu spielen ist trainierte Motorik. In den rasanten Passagen wird im Tempo nicht jeder Ton kontrolliert, sondern Bewegungsgruppen werden aneinandergehängt, laufen also nacheinander ab. Zu unterstellen, dort passiere musikalisch nichts, erscheint mir wenig freundlich (bezieht sich auf Dein "ohne dass etwas passiert (in doppelter Hinsicht)") - im Gegenteil passiert dort dank der fantastischen Horowitzmotorik sehr viel: diese gefällige Etüde erhält Charme, Farben, Brillanz und Witz (mehr braucht sie nicht, denn sie ist keine Appassionata - aber was sie braucht, sollte sie bekommen, und das bekommt sie Horowitz)

motorische Stücke solcher Art - und dergleichen effektvolle Momente gibt es in der Klaviermusik nicht wenige! - muss man nicht spielen, muss man auch nicht mögen, aber es gibt keinen zwingenden Grund, sie insgesamt abzulehnen.

trainierte und auch in hohem Tempo verläßlich funktionierende Motorik ist die pragmatische Grundlage, schwierige Stücke spielen zu können; sie hat den Vorteil, dass man sich mit ihr ohne Aufwand an "philosophierenden Überlegungen" befassen und sie verbessern kann. ich plädiere gerne jederzeit dafür, die Motorik zu pflegen und zu trainieren - wie ich mehrmals hier erklärt habe unter der Bedingung sämtliche agogischen Anweisungen dabei zu berücksichtigen (!!!!) - - - letzteres scheint untergegangen zu sein. Um das vereinfacht zu wiederholen: eine stacc.-pp Pasage ff & legato zu "trainieren" ist Schwachsinn, und das tut auch niemand.

sich mit Technik/Motorik zu befassen bedeutet nicht, sinnlos schnell zu hämmern

wie sagte Horowitz doch so schön?
ohne Technik = Amateur
ohne Herz = Maschine
ohne Verstand = Fiasko

alle drei, nicht nur die "höheren" beiden letzten, gilt es zu berücksichtigen :)

Gruß, Rolf
 
Und ich weiß, es gibt Leute, die ein enorm schnelles Tempo spielen können, ohne daß sie das Heft aus der Hand geben. Wo die Musik trotz dem extremen Tempo immer noch Musik ist. Und da gibt es für mich nicht den leisesten Zweifel: der Weg dorthin führt nicht über die Motorik.

Hier hast Du meine uneingeschränkte Zustimmung.

Nach meiner langjährigen Erfahrung bringt das im Forum so oft empfohlene "auf Tempo" üben überwiegend Nachteile, weil eben die feine Gestaltung dabei kaputt gemacht wird. Allein der Gedanke "ich muss dass schnell spielen können" ist schon kontrakroduktiv. Ein gestaltetes "schnelles" Tempo muss sich entwickeln, es muss quasi mühelos von selbst gehen. Leider wollen oft gerade "Späteinsteiger" dafür nicht die notwendige Geduld aufbringen.
 

sich mit Technik/Motorik zu befassen bedeutet nicht, sinnlos schnell zu hämmern

Da hast Du sicher recht. Leider haben viele da ein Missverständnis und meinen, dass man mit ein paar Chang-Tricks die langjährige Entwicklung umgehen kann.

Das Thema "schnelle Finger" ist in diesem Forum ein Dauerbrenner.

Ich denke, Klavierlehrer sollten in erster Linie daran arbeiten, dass die Schüler lernen "Musik" zu machen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hier hast Du meine uneingeschränkte Zustimmung.

Nach meiner langjährigen Erfahrung bringt das im Forum so oft empfohlene "auf Tempo" üben überwiegend Nachteile, weil eben die feine Gestaltung dabei kaputt gemacht wird. Allein der Gedanke "ich muss dass schnell spielen können" ist schon kontrakroduktiv. Ein gestaltetes "schnelles" Tempo muss sich entwickeln, es muss quasi mühelos von selbst gehen. Leider wollen oft gerade "Späteinsteiger" dafür nicht die notwendige Geduld aufbringen.

Also, bei mir ist der Hinweis angekommen. Vielen Dank für die kleine Erinnerungsstütze! Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere noch mal ins Nachdenken kommen.

lg Nora
 
Ich muss sagen, die Beiträge der letzten Stunden finde ich total spannend, vielen Dank an alle Schreiber!

Ich werde trotz der scheinbar entgegengesetzten Meinungen das Gefühl nicht los, dass viele hier das Gleiche meinen, aber anders beschreiben.
Wie ich schon mehrfach sagte, finde ich es sehr schwer, musikalisch-klavieristischen Gedanken, Eindrücke, Empfindungen usw. verständlich und unmissverständlich (!) schriftlich festzuhalten.

Was das "Loslassen" betrifft, so wird der Begriff hier immernoch in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht, wie mir scheint.
Mal nur auf die Vorstellungsebene bezogen, was blockierende Gedanken und Ängste beim Vorspiel betriff - sozusagen ein gedankliches "sich frei machen" von sämtlichem Gedankenballast und Selbstzweifeln; mal nur manuell eher im Sinne von Lockerheit und Muskelentspannung, dann als ein Loslösen von jeglicher manuellen Fertigkeit hin zum musikalischen Denken.
Das finde ich alles gut und wichtig.
Ich wollte das ganze etwas weniger theoretisch haben und habe versucht, durch Gedankenmodelle, Gefühlsbeschreibungen (Gemütsbeschreibung sowie Beschreibung des Körpergefühls) usw. zu erklären, wie sich der Spielapparat anfühlt, wenn man es richtig macht. (In diesem Falle ist "richtig" eben das, was ich persönlich als solches definiere).
Da Gedanken/Gemüt und Körperhaltung unmittelbar verbunden sind - (es gibt massenhaft Bücher über Körpersprache, die automatisiert dem Gemüt folgt) ist es genauso wichtig, seinen Körper nicht ausschließlich bewusst durch aktive Entspannung "auszurichten", sondern auch an der Ursache zu arbeiten, nämlich eben der Vorstellung...
Ich hab das Gefühl, ich drehe mich mit meinen Erklärungen im Kreis, und trotzdem bin ich nicht sicher, ob wir von derselben Sache sprechen.
Nun, zumindest das Ziel ist dasselbe.

Ich finde es sehr interessant, welche unterschiedliche Auffassung vom Üben Klavigen und Rolf haben.

Klavigens Nebelgleichnis (ich liebe solche Beispiele!) finde ich super. Ich habe diesen Nebelbrei bei mir schon oft gefunden und suche seit dem nach Möglichkeiten, ihn zu lichten. Bis zu gewissem Grad gelingt das, aber noch nicht vollständig.
Lieber Haydnspaß, erst jetzt verstehe ich, was du mit der falschen Herangehensweise an die Virtuosität meintest. Wenn es heißt, dass man das Stück erst kennen sollte, woraus sich automatisch eine Geschwindigkeit ergibt, statt krampfhaft zu früh das Metronom hochzudrehen, hast du meine Zustimmung. :)
Ich hab die Erfahrung gemacht, dass es auch möglich ist, ein Stück in kurzer Zeit schnell zu üben. Der Nebel ist dann sehr dicht und man hangelt sich irgendwie durch, ohne das Stück eigentlich zu kennen.
Das kann auch mal praktisch sein und Vorteile haben, z.B. wenn man recht spontan und zum Spaß mit anderen zusammen musiziere möchte und die Noten vor sich liegen hat.

Die motorische Überholspur finde ich auch klasse :D
Wobei ich wie rolf finde, dass es im Übeprozess auch Momente gibt, wo man das "sich-von-der Musik-entführen-lassen" und damit das seelenhafte, ausdrucksstarke Spiel zurückschrauben (nicht ausschalten) und sich guten Gewissens dem pianistischen Bereich widmen kann.
Das Beispiel des Trauermarsches ist gut gewählt - mir fällt dazu das langsame Rachmaninov-Prélude in D-Dur ein. Bei manchen Stücken ist es "psychisch" recht anstrengend, sich der Musik voll hinzugeben.

Ich denke, wichtig ist, dass man keine Extreme betreibt - ausschließlich motorisch auf Tempo üben, oder das pianistische über der Gestaltung vergessen.
Und vor allem finde ich es wichtig, vom Üben und dem Klavierspielen allgemein einen gedanklichen Plan zu haben. Das heißt, jede Phase sowie Art und Weise des Übens sollte nicht willkürlich gewählt sein, oder "weil xy mir das gesagt hat", sondern man sollte verstehen und wissen, wie dieses oder jenes zum Gesamtwerk beiträgt und einen dem Ziel ein Stück näherführt.
Denn es ist ja offensichtlich, dass es unterschiedliche Herangehensweisen gibt.
Das Problem bei vielen (ich schließe mich da auch nicht ganz aus) ist vermutlich eher, dass ihnen nicht klar ist, was genau sie mit einem Stück erreichen wollen (musikalisch - siehe Klavigens hinhören; inhaltlich - siehe Klavigens Nebellichtung; und pianistisch). Wenn man das weiß, ist der nächste Schritt, eine Vorgehensweise zu entwickeln, mit der man nachhaltig und effizient übt. Das ist glaube ich ein Jahrelanger Prozess, der nie beendet, sondern immer nur optimiert wird. Das muss auch nicht mit (selbst gedanklichem) Zettel + Stift passieren, das kann auch halb unbewusst ablaufen.
 
Ich hab das Gefühl, dass Haydnspaß und Rolf von verschiedenen Stadien des Übens sprechen. Beide Standpunkte erscheinen mir sinnvoll. Einerseits sollte jeder Ton gestaltet werden, andererseits kann man sich aber in höherem Tempo nicht mehr um jeden Ton kümmern.

Im ersten Stadium des Übens spielt man langsam und baut sowohl den Klang jedes einzelnen Tones als auch den Zusammenklang der Töne zu größeren Einheiten auf. Mit der Zeit funktioniert das so gut, dass man einen Schritt weitergehen kann und nun die Verbindung größerer Einheiten zu Phrasen üben und dabei auch das Tempo erhöhen kann. Am Ende, wenn man im Tempo spielt und das Stück "reif" ist, kann man sich nicht mehr um die Gestaltung jedes einzelnen Tones kümmern, sondern nur noch um die Gestaltung der ganzen Architektur des Stückes.

Die psychische Energie, das "Seelische", spielt meiner Meinung nach von Anfang an eine Rolle. Ohne emotionale Beteiligung ist Musik keine Musik, sondern dann laufen nur physikalisch-akustische Vorgänge ab, ohne Bezug und Bedeutung. Natürlich ist es nicht möglich, emotional unbeteiligt zu sein, wenn man Klavier spielt, - selbst wenn man das von Rolf geschilderte motorische Üben ins Extrem weiterdenkt. Bei jedem gestaltenden Üben wird psychische Energie investiert, aber diese verändert sich mit der Zeit auch. Am Anfang richtet sie sich eben auf einzelne Töne und verlagert sich dann zunehmend auf die Gestaltung größerer Einheiten.

Am Ende steht das Loslassen. Ich verstehe dies so, dass alle körperlichen Voraussetzungen für die Musik erfüllt sind, so dass sich die psychische Energie ganz auf den eigentlichen emotionalen Gehalt der Musik konzentrieren kann. Die körperlichen Voraussetzungen muss man sich durch längeres Üben Stück für Stück erarbeiten, daran führt kein Weg vorbei. Aber wenn man so weit ist, kann es wirklich passieren, dass "es einen loslässt" und man das Gefühl hat, das "es aus einem spielt".

Ich kenne diese Erfahrung nur sehr punktuell und nur wenn ich längere Zeit intensiv an einem Stück geübt hatte (kann mich momentan nur an ein Ereignis erinnern, bei dem ich regelrecht das Gefühl hatte, dass "es mich spielt"). Es war das Gefühl, als ob ich meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf die technische Umsetzung der Noten und die motorische Kontrolle richten müsste, sondern mich ganz auf die eigentliche Musik konzentrieren könnte. Die Kontrolle war weiterhin voll da, aber sie beanspruchte nur noch minimale Aufmerksamkeit. Und die Wahrnehmung dessen, was das Stück musikalisch zum Ausdruck bringt, verstärkte sich. Ich weiß noch, was für ungeheuer gute Laune ich nach dieser Loslasserfahrung hatte... :D

Ob man loslassen trainieren kann, weiß ich nicht. Ich würde eher denken, dass es einfach passiert, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. So gesehen kann man die Voraussetzungen trainieren. Das erinnert mich gerade wieder an das Bild vom Acker und den Steinen. Man kann die Saat nicht zum wachsen bringen, aber man kann die Steine aus dem Acker räumen, damit die Saat von selber wachsen kann. Das ist vielleicht so wie mit der schöpferischen Einsicht beim kreativen Prozess. Dieser Moment kann nur nach intensiver Vorarbeit und und nur plötzlich und spontan kommen. Genauso kann das Loslassen vielleicht auch nur plötzlich und spontan nach einer längeren Übephase passieren.

Grüße von
Fips
 
Einerseits sollte jeder Ton gestaltet werden, andererseits kann man sich aber in höherem Tempo nicht mehr um jeden Ton kümmern.

- man kann und muß sich auch in höherem Tempo um jeden Ton kümmern

- die Gestaltung kommt nicht automatisch, man muß ihr die entsprechende Aufmerksamkeit zuwenden - und zwar ganz von Anfang an, wenn man ein neues Stück beginnt, und bis zur letzten Minute vor dem Vorspiel. Daß man im Lauf der Zeit weiß, wie man was spielen will, ist eine Erleichterung und es läuft dann nicht mehr alles über das Bewußtsein, aber im Prinzip muß die Möglichkeit, jeden beliebigen einzelnen Ton spontan ganz anders zu spielen, immer da sein.

Man kann das auch ganz praktisch testen: einfach mal spontan in einem schnellen Lauf vorher bestimmte zufällige Töne (die nicht auf die normalen Betonungen fallen) herausknallen - ohne daß man das vorher übt.
 
Hi Haydnspaß,

Man kann das auch ganz praktisch testen: einfach mal spontan in einem schnellen Lauf vorher bestimmte zufällige Töne (die nicht auf die normalen Betonungen fallen) herausknallen - ohne daß man das vorher übt.

aber genau das geht doch nicht.
Um etwas sehr schnell spielen zu können, muss es ein automatisches Bewegungsprogramm geben, da das Bewusstsein auf der notwendigen schnellen Zeitskala nicht arbeiten kann.

Dieses Bewegungsprogramm fasst das Spielen von mehreren Noten in hohem Tempo zusammen. Es sind nur noch Parameter für alle Noten durch das Bewusstsein steuerbar, z. B. Lautstärke/Dynamik.

Es könnten natürlich BPs vorhanden sein, die genau diese Note in einem Lauf betonen. Da du das aber spontan entscheiden willst. Müssen sehr (unendlich) viele BPs vorhanden sein.

Gruß

PS: Juhu, 100. Beitrag. D:)
 
Hi Haydnspaß,



aber genau das geht doch nicht.
Um etwas sehr schnell spielen zu können, muss es ein automatisches Bewegungsprogramm geben, da das Bewusstsein auf der notwendigen schnellen Zeitskala nicht arbeiten kann.

Dieses Bewegungsprogramm fasst das Spielen von mehreren Noten in hohem Tempo zusammen. Es sind nur noch Parameter für alle Noten durch das Bewusstsein steuerbar, z. B. Lautstärke/Dynamik.

Bachopin, was liest du für Bücher...? ;)


Es könnten natürlich BPs vorhanden sein, die genau diese Note in einem Lauf betonen. Da du das aber spontan entscheiden willst. Müssen sehr (unendlich) viele BPs vorhanden sein.

Verstehe ich nicht, was du meinst


Gratuliere :D

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Noch was schönes zum Anhören/Anschauen

jedes klassische Stück hat eine ausgefeiltere Dynamik aber hier wird es vermutlich deutlicher, daß jeder einzelne Ton bewußt eine Dynamik erhält

http://www.youtube.com/watch?v=fKu4MJNbsfI
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bachopin, was liest du für Bücher...? ;)

diese z. B.:
  • Renate Klöppel, Die Kunst des Musizierens: Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis (Taschenbuch - 1997)

  • Dagmar Wolff, Zur Optimierbarkeit von Klaviertechnik: Erfassung und Evaluation von Bewegungsabläufen und Übestrategien - Broschiert (Januar 2009)

  • George A. Kochevitsky, The Art of Piano Playing - Taschenbuch (Juni 1967) von Alfred Pub Co Inc

:D

In diesen wird das Modell der Bewegungsprogramme erklärt.

jedes klassische Stück hat eine ausgefeiltere Dynamik aber hier wird es vermutlich deutlicher, daß jeder einzelne Ton bewußt eine Dynamik erhält

http://www.youtube.com/watch?v=fKu4MJNbsfI

Ich glaub' in Takt 37 hat er sich verspielt. :)

Gruß
 
diese z. B.:
  • Renate Klöppel, Die Kunst des Musizierens: Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis (Taschenbuch - 1997)

  • Dagmar Wolff, Zur Optimierbarkeit von Klaviertechnik: Erfassung und Evaluation von Bewegungsabläufen und Übestrategien - Broschiert (Januar 2009)

  • George A. Kochevitsky, The Art of Piano Playing - Taschenbuch (Juni 1967) von Alfred Pub Co Inc

:D

In diesen wird das Modell der Bewegungsprogramme erklärt.

Wenn die behaupten, daß solche alltäglichen Sachen nicht gehen, dann bring ich diesen Büchern doch eine gewisse Skepsis entgegen... :rolleyes:

Ich glaub' in Takt 37 hat er sich verspielt. :)

Gruß

Ich glaub nicht - aber er spielt ihn sehr verwaschen - liegt vielleicht am Pedal :D
 

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