Loslassen - ein Geheimnis der Virtuosität?

@ Haydnspaß

eben!
hat schon Saint-Saens über Liszt gesagt: "die überwundene Schwierigkeit wird zu Schönheit".
...das Augenzwinkern begreife ich noch nicht so ganz...

davon abesehen äußern wir doch ziemlich ähnliches, oder nicht?

Gruß Rolf
 
@ Viola

so ein bissle ähnlich wie das, was Du teils psychologisch, teils "esoterisch" (??) beschreibst, hatte ich bzgl. des Klavierspielens "mentales loslassen" erwähnt.

(verzeih mir das "esoterisch", ich meine das nicht abwertend, mir ist nur auf die Schnelle kein besseres Wort eingefallen)

Gruß, Rolf
 
Das wäre ja dann nach deiner Definition so, dass das Publikum es nicht als "virtuos" hört,

Da hast du wahrscheinlich recht.

der Spieler (der die Anstrengung nur schauspielert) spielt aber "virtuos" :p :D

Die Anstrengung ist ja real, der Spieler schauspielert nicht. Wenn die Anstrengung vom Komponisten gewollt ist und als Ausdrucksmittel eingesetzt wird, ist es jedenfalls keine Virtuosität in meinem Sinne.
 
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@ Haydnspaß

eben!
hat schon Saint-Saens über Liszt gesagt: "die überwundene Schwierigkeit wird zu Schönheit".

Ja, in diesem Sinne meinte ich es auch.

...das Augenzwinkern begreife ich noch nicht so ganz...

Was ist daran so schwer zu verstehen? Schau doch Horowitz an ;) (augenzwinkernder Smiley!)

davon abesehen äußern wir doch ziemlich ähnliches, oder nicht?

Dachte ich ja auch. Und trotzdem fühlst du dich von mir angegriffen, sagst, ich sei polemisch...
 
@ Viola

so ein bissle ähnlich wie das, was Du teils psychologisch, teils "esoterisch" (??) beschreibst, hatte ich bzgl. des Klavierspielens "mentales loslassen" erwähnt.

(verzeih mir das "esoterisch", ich meine das nicht abwertend, mir ist nur auf die Schnelle kein besseres Wort eingefallen)

Gruß, Rolf


Schon völlig klar, es ist das gleiche wie "mental" loslassen, denke ich. Man muss sich selbst oder besser: sein SELBST vergessen beim Spiel. Selbstvergessendes Spiel eben... DAS ist die "göttliche" Abteilung.

Hat auch viel mit Zen und so zu tun, also ist esoterisch nicht unbedingt falsch, hat nur leider oftmals einen faden Beigeschmack, weil sich dort viele Leute tummeln, die "es" theoretisch drauf haben, es aber nicht in die Praxis umsetzen können. Vor allem die selbsternannten "Erleuchteten" oder "Erwachten" der Eso-Szene können ihr ganzes Wissen (was nicht falsch ist) oftmals nicht in die Praxis umsetzen. Tja, da nützt eben das ganze gute Wissen nix...

;)

by the way, diejenigen, die das dann umsetzen können wiederum wissen oftmals nicht, wie sie es beschreiben sollten, da es für sie der Normalzustand ist.

Alles Liebe

Viola
 
Hallo Viola,

Es ist aus einem Buch, an dem ich schreibe.
"

Kennst Du das: Durch Musik zum Selbst von Peter Michael Hamel

Es passt zu Deiner Sichtweise.

..das Aufklingen einer Kraft,eines Sinnes, einer Geborgenheit von ganz woanders her,aus einer jener Tiefe, die jenseits aller rationalen Erwartungen,
jenseits aller natürlichen Hoffnung aufbricht<<
Inwieweit Musik das Abbild solcher Phasen sein kann..

Ich lese es immer wieder gern, falls Du es kennst, nichts für ungut. War ja nur so ein Gedanke ( die sind ja frei).;)

PS: Die Beiträge zum Thema "Virtuosität" fand ich sehr aufschlussreich.

Gute Gedanken auch weiterhin und tschüss
RiB
 
Hy Mr. Blue

nee kannte ich nicht, aber ich nehme nicht für mich in Anspruch, alleine die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben *g*. Ich weiß nur, dass ich seinerzeit an der MuHo mit solchen "Ideen" völlig auf dem Bauch gelandet bin.
Schön, dass es da mehrere Leute gibt, die in ähnliche Richtungen zielen!

Danke für den Tipp!

Alles Liebe

Viola
 
Ich denke, Loslassen bedeutet, daß man darauf verzichtet, beim Spielen seine Gedanken und Pläne der Interpretation einzubringen, sondern sich stattdessen von der Musik leiten zu lassen. Das heißt natürlich nicht, daß man keine persönliche Interpretation macht oder daß man alle Erkenntnisse verzichten muß. Das geht sowieso alles in die Intuition mit ein und sich von der Musik leiten zu lassen ist ja ein intuitiver Prozess.

Nach dieser Überlegung sehe ich überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Loslassen und Virtuosität. Jemand, der sein Instrument beherrscht, wird natürlich risikoloser loslassen können, denn er kommt nur schwer an seine eigenen Grenzen, während andere wohl besser vorher ihre Grenzen ausloten und dann nur innerhalb dieser loslassen sollten.

Auf der anderen Seite sehe ich schon einen Zusammenhang: Wenn man auf obige Weise losläßt, kann sich das eigene Können überhaupt erst entfalten und wenn man dabei auf Grenzen stößt, weiß man, woran man arbeiten muß. Und wenn man erstmal im Fluß der Musik ist, wächst man auch ein bischen über sich selbst hinaus.
 
Ich denke, Loslassen bedeutet, daß man darauf verzichtet, beim Spielen seine Gedanken und Pläne der Interpretation einzubringen,

Darf ich einen kleinen Änderungswunsch in der Formulierung anbringen?

daß man darauf verzichtet, beim Spielen seine Gedanken und Pläne dem Stück aufzuzwingen.

sondern sich stattdessen von der Musik leiten zu lassen. Das heißt natürlich nicht, daß man keine persönliche Interpretation macht oder daß man alle Erkenntnisse verzichten muß. Das geht sowieso alles in die Intuition mit ein und sich von der Musik leiten zu lassen ist ja ein intuitiver Prozess.

Nach dieser Überlegung sehe ich überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Loslassen und Virtuosität. Jemand, der sein Instrument beherrscht, wird natürlich risikoloser loslassen können, denn er kommt nur schwer an seine eigenen Grenzen, während andere wohl besser vorher ihre Grenzen ausloten und dann nur innerhalb dieser loslassen sollten.

Auf der anderen Seite sehe ich schon einen Zusammenhang: Wenn man auf obige Weise losläßt, kann sich das eigene Können überhaupt erst entfalten und wenn man dabei auf Grenzen stößt, weiß man, woran man arbeiten muß. Und wenn man erstmal im Fluß der Musik ist, wächst man auch ein bischen über sich selbst hinaus.

Das unterschreibe genau so wie du es formuliert hast! :)
 
Hi Guendola,

du hast es klasse auf den Punkt gebracht (plus Änderung von Haydnspaß).

Wenn Haydnspaß das unterschreibt, dann unterschreib ich das auch! ;-)

Gruß
 
Dachte ich ja auch. Und trotzdem fühlst du dich von mir angegriffen, sagst, ich sei polemisch...

ach Haydnspaß,
"ziemlich ähnliches" und "gleiches" sind doch zwei Paar Schuhe...
fürderhin: mal ist Virtuosiät die falsche Herangehensweise, mal ist sie prima, mal ist loslassen gut usw - - es ist nicht eben einfach, Deinen gelegentlich durchaus streitbar polemischen Beiträgen zu folgen, wenn hü und hott doch häufig wechseln.

sicherheitshalber zitiere ich mich:
zitat --- ich glaube nicht, dass Haydnspaß diese Perspektive auf die Virtuosität meint, ich vermute eher, er möchte davon abraten, "lediglich technisch virtuos spielen zu können" als einzige Motivation beim Klavierüben zu haben (und in der Tat ist "citius, altius, fortius" eher was für olympische Spiele, als für Klaviermusik) - - aber technische Schwierigkeiten und ihre "virtuose Überwindung" lassen sich nicht aus der Klaviermusik wegdiskutieren: "die überwundene Schwierigkeit wird zu Schönheit" (Saint-Saens) - ebensowenig lässt sich vielerlei Klaviermusik Virtuosität als wesentlicher Bestandteil absprechen: eine tragische und erschütternde Trauermarschsonate von Chopin ist eben auch ein extrem virtuoses Klavierwerk, und das in jeglicher Hinsicht!

in diesem Sinne halte ich es für wenig hilfreich, Stilblütes Fragestellung nach einem eventuellen "Geheimnis" der Virtuosität dadurch auszuhebeln, dass Virtuosität als solche erst mal abgelehnt wird. "Loslassen" in eher mentalem Sinn ist tatsächlich eine Notwendigkeit für das Bewältigen von manuellen Problemen, welche ja in aller Regel in raschen Tempi erst auftauchen

- - - - bevor es hierzu Indianergeheul gibt: im halben Tempo oder noch langsamer ist mehr oder weniger alles ohne große Sorgen spielbar! - - - -

loslassen im Sinn vom achtgeben, dass man nicht zu aktiv und angespannt spielt, ist ein sehr sinnvoller Rat. Natürlich braucht man zum Klavierspiel auch Spannung und Kraft - ABER eine Fixierung auf diesen Bereich, welchen Haydnspaß völlig richtig "die andere Seite" nennt, kann mehr Schaden (Verspannung) anrichten als das Augenmerk auf das "immer wieder locker sein".

meine ganz subjektive Erfahrung hierzu ist: fühlen sich Hände und Arme nach stundenlangem Training im Tempo (!!!) warm und weich an, dann hat man es richtig gemacht - fühlen sie sich matt, lahm, erschöpft an, dann hat man viel zu viel komplett unnützen Aufwand betrieben. Und letzterer wird ziemlich sicher nicht durch außerirdische Einflüsse, sondern durch zu viel (!!!) Spannung verursacht worden sein (sowohl im Kopf wie muskulär). --- zitat ende

(ich schnalle das mit dem virtuosen Einfügen mehrerer Zitate noch nicht, evtl. lasse ich da was nicht los oder verpanne mein notebook ... ;) ... aber den zwinker-Smiley hab ich einzufügen hingekriegt)

eventuell habe ich Dich falsch verstanden?

das mit dem "Aufzwingen" - was nun mit von Stilblüte erfragten möglichen Lernstrategien hinsichtlich der Virtuosität (die nix böses oder falsches ist) gar nichts zu tun hat - also das mit dem "Aufzwingen" ist höchst heikel: angenommen, man machte alles restlos richtig ohne einen einzigen eigenen Gedanken, ein einziges eigenes Gefühl mitzubringen - das müsste dann ja eine perfekte Interpretation sein, welche speziell durch das Fehlen jeglicher Individualität bestechen würde...

ich vermag mich nicht mit so einer Chimäre des (scheinbar) objektiven Musikmachens anzufreunden... ohne Individualität wirds bestenfalls gekonnt maschinell.

übrigens halte ich Aufführungen, die zu wenig aus einem Stück herausholen, für deutlich häufiger als solche, die irgendwas von außen hineinzwängen was nicht hineinpasst.

Gruß, Rolf
 

Guten Abend

Ich darf verweisen auf:

www.quickrelease.me

insbesondre auf die Aufsätze:

Healin' Music

und

Das Blinde Spiel


gruß

stephan
 
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ich schnalle das mit dem virtuosen Einfügen mehrerer Zitate noch nicht, evtl. lasse ich da was nicht los
Ich hab's dir ja mal erklären wollen, Rolf... :-P

ich vermag mich nicht mit so einer Chimäre des (scheinbar) objektiven Musikmachens anzufreunden... ohne Individualität wirds bestenfalls gekonnt maschinell.

übrigens halte ich Aufführungen, die zu wenig aus einem Stück herausholen, für deutlich häufiger als solche, die irgendwas von außen hineinzwängen was nicht hineinpasst.

Ich sehe es genau so. Ein Claviolaner (der weiß, dass er gemeint ist ;)) betont gern, dass der Pianist beim Interpretieren eines Stücks nicht etwas Eigenes ausdrücken dürfe, sondern das vom Komponisten Gewollte erfassen und ausdrücken solle. Ich stimme zwar zu, dass das vom Komponisten Gewollte ausgedrückt werden sollte. Aber ich sehe keinen Unterschied zwischen dem "Eigenen" und dem "vom Komponisten Gewollten".

Der Komponist hat das Stück als fühlender Mensch komponiert und eine musikalisch-emotionale Aussage in Form von Noten zu konservieren versucht. Wenn ich nun beim Spielen dieses Stücks das wieder auszudrücken versuche, was der Komponist zuvor in die Noten "eingedrückt" hat, dann kann dies nur geschehen, indem ich selbst als fühlender Mensch den emotionalen Ausdruck in mir selbst wiederfinde und über das Instrument zu Gehör bringe.

Mein "Eigenes" ist somit kein Gegensatz zu dem vom Komponisten Gewollten, sondern es ist das Mittel, um dieses überhaupt erfassen zu können. Das heißt, ohne dass man sein Eigenes in das Stück hineinsteckt, kann das vom Komponisten Gewollte nicht aus dem Stück herauskommen und hörbar werden. Eigentlich ganz einfach.

---

Im Übrigen würde ich in bezug auf den Thread-Titel auch sagen, dass es primär vor allem um ein mentales Loslassen geht und nicht so sehr um ein körperliches. Natürlich muss der Körper entspannt sein, wenn er "losgelassen" spielen soll. Aber "entspannt" bedeutet eben nicht "schlaff" oder "passiv", sondern "im richtigen Maße bereit". Für dieses Bereitsein ist eine Grundspannung notwendig, die den Fingern, Händen und Armen die nötige Energie zur Ausführung der manuellen Anforderungen gibt.

Alles weitere ist eine mentale Sache. Wenn der Körper sich über die Grundspannung hinaus anspannt, dann liegt der Grund dafür im Kopf. Es kann, denke ich, durchaus hilfreich sein, sich die von Viola genannten "Instanzen" (die ich eher als Motivationen bezeichnen würde) und die damit zusammenhängen Fragen bewusst zu machen, um die eigene mentale Lockerheit zu fördern.

---

Noch eine persönliche Erfahrung zu Violas Gedanken, dass man mit dem Denken dem Spielen der "Biomaschine" hinterherkommen sollte:
Es passiert mir gelegentlich, dass ich beim Üben mit meiner Aufmerksamkeit so sehr in einer schnellen Passage versinke, dass sich trotz der hohen Geschwindigkeit meine subjektiv empfundene Geschwindigkeit verlangsamt. Es ist das Gefühl, als ob ich plötzlich jedem Finger einzeln zuschauen könnte, wie er sich bewegt und die Tasten niederdrückt. Das bringt auch ein Gefühl besserer manueller Kontrolle mit sich.

Durch diesen Vorgang empfinde ich das Stück als langsamer, obwohl es objektiv nicht langsamer wird. Wenn das geschieht, dann kommen mir schwierige Stellen auf einmal viel leichter zu spielen vor. Das Ganze könnte man durchaus mit Zen oder Meditation in Verbindung bringen. Es geschieht nämlich nur, wenn ich wirklich so übe, dass ich quasi über die geübte Passage "meditiere". (Leider lasse ich mich nur selten so auf's Üben ein... :()

Grüße von
Fips
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
um diese zu erreichen sagte Gulda: "Einfach laufen lassen".....

Wenn man die Läufe denn schon im passenden Tempo spielen kann, ist das fein.

Das habe ich oft beim Üben im Kopf. Wenn es mir denn nur immer so gut gelänge.....

Ich glaube, das ist falsch. Wenn man das im Kopf hat - bzw. daran denkt, ist das schon kein laufen lassen mehr. Gemeint ist wohl eher, daß man sich sagt "ich spiele jetzt diesen Lauf" und dann tut man es. Wenn es nicht klappt (das steht im Zitat natürlich nicht), schaut man, wo es hakt und versucht es wieder. Meistens ist es das Tempo...

Ähnliches gilt für das Loslassen. Man nimmt es sich vor und tut es dann. Solange man denkt "ich lasse los", hat man garantiert noch nicht losgelassen. Aber das Loslassen ist etwas schwerer als einen Lauf zu spielen.

In dem kleinen Büchlein "Zen in der Kunst des Bogenschießens" wird viel über das Loslassen geschrieben, wenn auch nicht wörtlich, bzw. dann, wenn es wörtlich da steht, ist es auch wörtlich gemeint, nämlich das Loslassen der Bogensehne beim Schuß. Richtig erklärt, wie es geht, steht da allerdings auch nicht. Aber es wird klar, daß man es im Laufe der Zeit lernt, wenn man es wirklich will - also nicht einfach als Affirmation "ich will es lernen", sondern als Tatsache, so, wie man zum Beispiel essen will, wenn man hungrig ist.
 
....
Noch eine persönliche Erfahrung zu Violas Gedanken, dass man mit dem Denken dem Spielen der "Biomaschine" hinterherkommen sollte:
Es passiert mir gelegentlich, dass ich beim Üben mit meiner Aufmerksamkeit so sehr in einer schnellen Passage versinke, dass sich trotz der hohen Geschwindigkeit meine subjektiv empfundene Geschwindigkeit verlangsamt. Es ist das Gefühl, als ob ich plötzlich jedem Finger einzeln zuschauen könnte, wie er sich bewegt und die Tasten niederdrückt. Das bringt auch ein Gefühl besserer manueller Kontrolle mit sich.

Durch diesen Vorgang empfinde ich das Stück als langsamer, obwohl es objektiv nicht langsamer wird. Wenn das geschieht, dann kommen mir schwierige Stellen auf einmal viel leichter zu spielen vor. Das Ganze könnte man durchaus mit Zen oder Meditation in Verbindung bringen. Es geschieht nämlich nur, wenn ich wirklich so übe, dass ich quasi über die geübte Passage "meditiere". (Leider lasse ich mich nur selten so auf's Üben ein... :()

Grüße von
Fips


Da sprichst Du einen interessanten Punkt an, der auch wieder etwas mit dem Loslassen des Egos (oder besser der Kontrolle durch den Willen eines Verstandes) zu tun hat. Man umgeht das Großhirn bzw das Denken mit der Großhirnrinde und steuert mit den "schnelleren" Arealen des Gehirns, der Region des Mandelkerns. Da kommt man eigentlich bewusst nicht hin, doch Musiker können das steuern, sie können sogar die Alpha und Beta-Wellen des Gehirns steuern und mit denen im Publikum synchronisieren. Im Prinzip könnte das jeder, denn jeder kennt diese Steuerung in Stresssituationen, da läuft unter dem Einfluss von Adrenalin so eine Art intelligenter Autopilot ab und steuert ohne Willen - meistens rettet man sich so eher als wenn man mit dem Verstand abwägen würde...

;)

Das Zeitempfinden verädert sich drastisch, Sekunden werden zu Minuten.

Nun ja, so viel für heute.
 
Stilblüte,

aus meiner Sicht ist das ein wichtiges, zentrales Thema!
Nicht nur beim Klavier spielen, sondern nahezu bei jeder Tätigkeit, die man gut machen will.

Ich habe vor einiger Zeit in der Geo einen interessanten Artikel über "Kreativität" gelesen, den ich sehr bemerkenswert fand, und der meiner Ansicht nach den gleichen Mechanismus beschreibt:

Was ist eigentlich Kreativität?
Hat auf jeden Fall etwas damit zu tun, dass der Geist etwas neues erschafft, aber wie macht er das? Es funktioniert nicht sich hinzusetzen und zu denken: jetzt bin ich mal kreativ.
Neue Ideen entstehen fast immer unbewusst. Aber wie kann ich bewusst das Unbewusste nutzen wollen?

Die Untersuchungen haben einen Mechanismus aufgezeigt, der mir sehr logisch erschien:

Der Geist befasst sich eine Zeit lang bewusst (und damit auch angestrengt oder verkrampft) mit einer bestimmten Materie. Nach dieser Phase sacken diese Überlegungen und deren Ergebnisse langsam ins Unbewusste, wo sie sich mit anderen gemachten Erfahrungen vernetzen. Ein Prozess startet, bei dem man sich unbewusst wesentlich länger mit dem Thema befasst als nur während der aktiven Überlegung.

Interessante Parallele zum Muskeltraining: hier funktioniert's genau so. Die eigentliche Übungseinheit verkleinert und schwächt den Muskel genau genommen. Aber sie versetzt den Muskel in die Situation, dass er sich an die veränderte Belastung anpasst und im Untergrund alle Hebel in Bewegung setzt zu wachsen (dazu übrigens auch ein interessanter Artikel in der aktuellen Geo!).

So, durch wiederholte bewusste Beschäftigung mit einem Thema füttert man das Unbewusste so weit mit Informationen an, dass dieses selbständig damit arbeiten kann und manchmal Ergebnisse hervorbringt, die wirklich kreativ sind. Dies passiert aber immer in den Phasen, wo ich aktiv gar nicht darüber nachdenke, sondern völlig entspannt mit einem Drink auf der Liege ausruhe.

Dieser Mechanismus macht für mich klar: das eine kann ohne das andere nicht funktionieren.
Der erste Schritt ist auch beim Klavier spielen immer verspanntes und verkrampftes Einüben von neuen Dingen (übertrieben ausgedrückt). Etwas ins sog. Handgedächtnis einzuprägen heisst nichts anderes als es an das Unbewusste zu übergeben. Unser Kleinhirn kann vieles besser als das Grosshirn. Insbesondere können um Größenordnungen mehr Informationen verarbeitet werden. Darum funktioniert es nicht jeden Ton einzeln zu denken (Großhirn), sondern man denkt nur musikalischen Sinn und ruft diese Wahnsinnsmenge an Fingerbewegung aus dem Hinterstübchen ab. Je nach Flughöhe des Großhirns empfindet der Zuhörer das als virtuos (im Sinne von musikalisch) oder eben nicht.

Warum funktioniert es nicht zu sagen: also gut, dann muss ich mich ja nur auf eine große Flughöhe des Bewusstseins begeben?
Weil die Informationen nur so gut abgerufen werden können, wie sie mal eingespeichert wurden.

Jetzt spreche ich mal ein wenig über mich selbst:
ich begebe ich meistens auf eine relativ optimistische Flughöhe, die nicht meinem Leistungsstand entspricht. Aus dem letzten Treffen in Wien habe ich für mich mal wieder abgeleitet, dass ich viel zu wenig dieser harten Arbeit getan habe, die nichts mit Loslassen zu tun hat, sondern einfach mit Sitzfleisch.

Stilblüte, ich kann mich erinnern, dass du abends am Klavier gesagt hattest: "Wenn ich die Stücke eine Zeit lang immer nur spiele, werden sie immer schlechter". Genau das ist es; Die Informationen im Kleinhirn sind nicht ewig so exakt verfügbar. Es ist immer wieder harte Kleinarbeit nötig; ein ständiger Wechsel aus harter Trainingsarbeit und Ruhephasen. Deswegen ist auch das Langsam spielen so wichtig: man reduziert mal für einen Moment wieder die Flughöhe und versucht auf niederer Ebene mehr bewusst zu kontrollieren. Oft kommt dann ein Aha- Effekt: Ach, so war das, stimmt...

Wenn aber diese ganze Basisarbeit stimmt, dann ist oftmals eine weitere Verbesserung über dieses Loslassen möglich (nur dann!). Insofern stimme ich Haydnspass zu, es gibt keine Pille, die die harte Arbeit ersetzt (so wars vermutlich gemeint). Und deswegen stimme ich auch Stilblüte zu, das Loslassen oder die Flughöhe ist eine immens wichtige Fähigkeit - neben der Basisarbeit - um nochmal musikalische Quantensprünge zu machen (so wars vermutlich gemeint).

Und überhaupt: wo ist Wu Wei?
Das hier ist DEIN Thema!


Der Hartmut
 
Hartmut beschreibt das ziemlich gut.

Ich habe meine Diplomarbeit über den kreativen Prozess beim Klavierspielen geschrieben und kann das nur bestätigen. Der kreative Prozess wird in mehrere Phasen eingeteilt:
(ist jetzt nicht umfassend)
- Problemstellung
//:
- Recherche
- Hypothesenbildung
- Überprüfung - neue Hypothesenbildung (zB neuer Fingersatz)
:// (diese Phasen können mehrmals hintereinander ablaufen)
es klappt immer noch nicht, das Problem wurde nicht behoben
- Depression
man meint, man wird nie das Problem lösen, aber IRGENDWAS sagt einem: doch es gibt da was, man "riecht", dass es geht, man hat eine AHNUNG! Aber man verzagt, wird sich seine Kümmerlichkeit bewusst, hadert, ist verzweifelt usw.
- Aufgabe (Loslassen)
man gibt tatsächlich auf. Die Fördergelder für das Projekt laufen aus, man hat 10 Jahre am Atommodell geforscht (ich müsste recherchieren, wer das genauer war) und keine ausreichende vorweisbaren Reslutate vorliegen. Man kündigt die Labors und entlässt die Mitarbeiter.
Man geht Bier trinken, legt sich in die Badewanne und geht anschließend ins Bett. Die drei wichtigen "B"s. Denn hier passiert, was Hartmut beschreibt: die
- Illumination (Erleuchtung)
"plötzlich" kommt einem das Ergebnis zugeflogen, in der völligen Entspannung. Natürlich nicht, wenn man nicht vorher geackert hat wie ein Schwein, sich in Selbstzweifeln ergangen ist und schon mit sich und denm Leben abschließen wollte (also dem Leben als Wissenschaftler oder Künstlerin).


Für mich war das damals eine befreiende Erkenntnis, dass man eben andauernd diesem Kreativen Prozess ausgeliefert ist und somit die Depressionen und Verstimmungen nicht unbedingt Teil der eigenen Persönlichkeit sind sondern einfach die Folgen einer Tätigkeit. Ein Schornsteinfeger wird eben bei der Arbeit schwarz... KünstlerInnen werden "unausgeglichen".
;)
Als ich dies wusste konnte ich leichter mit diesen Schwankungen umgehen und sie "loslassen".

Zu dem "musikalischen Fluss", dem man sich einfach hingibt und dem man (intuitiv) folgt, würde ich gerne noch etwas hinzufügen:
Folgt man da eher "der Musik" oder folgt die Musik eigentlich der inneren schöpferischen Kraft?! Auf jeden Fall erfährt man eine Situation der Verbundenheit. Meiner Meinung nach geben Komponisten nur Vorlagen ab, die einem Interpreten Material an die Hand geben um Musik zu erschaffen. Der Wille des Komponisten endet auf dem Notenpapier. Dieses Rohmaterial wird vom Interpreten aufgegriffen und lebendig gemacht, zu Musik geformt (wenn es gut läuft). Ich meine, man sollte sich von der Vorstellung befreien, dem Komponisten "dienen" zu müssen. Was der Komponist „eigentlich wollte“ kann man sowieso nicht feststellen. Auch eine Form des LOSLASSENS, um ganz zu sich selbst zu kommen.

Alles Liebe

Viola
 
Ich hab's dir ja mal erklären wollen, Rolf... :-P

(...)

Es passiert mir gelegentlich, dass ich beim Üben mit meiner Aufmerksamkeit so sehr in einer schnellen Passage versinke, dass sich trotz der hohen Geschwindigkeit meine subjektiv empfundene Geschwindigkeit verlangsamt. Es ist das Gefühl, als ob ich plötzlich jedem Finger einzeln zuschauen könnte, wie er sich bewegt und die Tasten niederdrückt. Das bringt auch ein Gefühl besserer manueller Kontrolle mit sich.

Durch diesen Vorgang empfinde ich das Stück als langsamer, obwohl es objektiv nicht langsamer wird. Wenn das geschieht, dann kommen mir schwierige Stellen auf einmal viel leichter zu spielen vor. Das Ganze könnte man durchaus mit Zen oder Meditation in Verbindung bringen. Es geschieht nämlich nur, wenn ich wirklich so übe, dass ich quasi über die geübte Passage "meditiere". (Leider lasse ich mich nur selten so auf's Üben ein... :()

Grüße von
Fips

hallo Fips7,

ja, Du hast mir das ausfühlich erklärt und bei Gelegenheit, werde ich es anwenden (in Pausen oder im Zug tippen - da muss es halt ohne pc-tipp-technische Spitzfindigkeiten schnell gehen) ---- übrigens Danke für Deine Erklärungen

Deine Beobachtung zur Wahrnehmung während des Spielens: das geht mir genauso!!!

liebe Grüße, Rolf
 
Wenn aber diese ganze Basisarbeit stimmt, dann ist oftmals eine weitere Verbesserung über dieses Loslassen möglich (nur dann!). Insofern stimme ich Haydnspass zu, es gibt keine Pille, die die harte Arbeit ersetzt (so wars vermutlich gemeint).

Ich darf nochmal meinen allerersten Beitrag in diesem Thread zitieren:

Ich möchte mal eine Alternativ-Formulierung dagegenstellen ; )


So lange man unzufrieden mit seinem Spiel ist, ist Verbesserung möglich.

Unzufriedenheit ist der Motor des Fortschritts!


Zum Thema "Geheimnis der Virtuosität?":

Ich glaube nicht an die geheimen Tricks zur Erlangung der Virtuosität 8)

Es ist so ähnlich wie bei der Intelligenz. Da gibt es auch keinen "Trick", wie man von einem auf den anderen Tag intelligent wird.
Es ist eine Anhäufung von Wissen, Strategien, Erfahrung, Vertrautsein mit bestimmten Gegebenheiten etc...

Intelligenz / Virtuosität fällt einem nicht zu, man muß sie sich erarbeiten.

Hartmut, der letzte Satz ist es wohl, auf den du dich bezieht.

Das "erarbeiten" klingt nach Anstrengung und Mühsal, aber im Grunde kann das durchaus locker und unangestrengt vor sich gehen. Man muß sich nicht quälen. Trotzdem braucht es einfach seine Zeit. Das nötige Wissen und die Erfahrung erlangt man oft garnicht durch das aktuell zu lernende Stück, sondern hat es bereits vorher durch das Spielen anderer Stücke erworben. Wenn ich schon 29 Haydn-Sonaten gelernt habe, gehe ich an die 30igste anders heran, als wenn die 30igste meine erste Haydn-Sonate ist.



...weiter im Zitat...


Zum Thema "Loslassen":

Loslassen kann ein guter Tip sein bei einem Schüler, der zu Verkrampfung und Überkontrolle neigt.
Bei einem Schüler, der zu Schludrigkeit neigt, wird es kaum etwas helfen - und durch Schludrigkeit wird man auch nicht zum VIrtuosen. Es gilt also vor allem zu Erkennen, was das Problem des Schülers ist, und ihm dann Auswege aufzuzeigen. Den Trick, der für jeden paßt, und der dann automatisch zur perfekten Technik führt, gibt es nicht.

Ich rede hier nicht der Verkrampfung das Wort! Die angesprochene Schludrigkeit ist nicht das Ergebnis von zu wenig Verkrampfung, sondern von zu unkonzentriertem Spiel.

Daß es daneben auch ein überkonzentriertes Spiel, eine "geistige Verkrampfung" gibt - möchte ich nur ergänzend erwähnen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich rede hier nicht der Verkrampfung das Wort! Die angesprochene Schludrigkeit ist nicht das Ergebnis von zu wenig Verkrampfung, sondern von zu unkonzentriertem Spiel.

lieber Haydnspaß,

ich habe mir, um zu verstehen, was Du zitatreich mitteilst, den ganzen Faden durchgelesen - - - was veranlaßt Dich zu solchen Äußerungen?

Niemand hier hat Dir dergleichen unterstellt, sodass ich diese sonderbare Pose nicht so recht nachvollziehen kann...

Ebensowenig kann ich nachvollziehen, warum die Virtuosität mal eine falsche Herangehensweise, mal als Ergebnis was wunderbares, mal sogar makaber und was sonst noch alles sein soll.

Mir kommt es so vor (aaO Beigeschmack des Polemisierens von mir geheißen), als zielst Du argumentativ oftmals darauf ab, durch widersprüchliche und manchmal apodiktische Bemerkungen irgendwelche Reaktionen zu provozieren, um Dir dann (sogar aus Deinen eigenen Beiträgen... siehe oben) irgendetwas herauszupicken, was Du dann mit der Wucht des geschliffenen Wortes effektvoll bekämpfst...

Bitte verstehe mich nicht falsch: das ist oft sogar sehr amüsant und unterhaltsam - aber interessante Fragen, die zu diskutieren lohnt, werden mit dieser Methode eher wenig beantwortet. Das empfinde ich übrigens als sehr schade, weil Du ansonsten manches Hilfreiche und Überlegenswerte sehr wohl mitzuteilen vermagst!

ich finde dieses Thema hier inklusive seiner Abzweigungen sehr interessant und verfolge auch gerne die verschiedenen Mäander des Verlaufs, zumal sich einige bedenkenswerte Beiträge angesammelt haben. schön wäre, diese weiter zu diskutieren und weitere Aspekte zum Thema zu sammeln.

Gruß, Rolf
 

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