Loslassen - ein Geheimnis der Virtuosität?

@ Hasenbein: danke, deinem Inhalt stimme ich zu. Nur der Form nicht...so gaaaanz... ...;)

@ Sabine: Ich kenne ebenfalls keine Hochschule, an der man derart dämliche Behauptungen schürt oder gar lehrt, und falls es eine gibt, hat die sicher kein besonders hohes Ansehen, denn da würde ja keiner studieren wollen. Du kannst aber ja keine nennen, also ist deine Behauptung nicht wirklich stichhaltig.

@ Guendola: Ich muss meine "These" nochmal umformulieren: Für mich persönlich hat Virtuosität eindeutig und unumgänglich etwas mit Loslassen zu tun. Die Frage ist eher, wie man für die Allgemeinheit das definiert, was ich hier als "Loslassen" bezeichnet habe, also ob andere es möglicherweise anders benennen würden und außerdem ob andere dies ebenfalls so erfühlen und erspüren. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie es ohne funktionieren soll.

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Mir fällt gerade ein anderes Wort ein, was ich hervorragend finde in diesem Zusammenhang:
Gelöstheit!
Um Loszulassen, muss man vorher festhalten, und das ist ja tunlichst zu vermeiden. Natürlich kommt auch das Wort "Gelöstheit" von "Lösen" und man muss an etwas behaftet sein, um sich zu lösen. Trotzdem enthält das Wort "Loslassen" für mich noch mehr die Handlung der Änderung von einem "fassen" zum "lassen", impliziert also, dass es vorher schlechter war und jetzt besser wird.
Loslassen ist eher ein Vorgang, Gelöstheit empfinde ich mehr als Eigenschaft oder als Zustand.
Loslassen als Begriff passt in der Anwendung eher vor konkret schwierigen, schnellen Stellen, Gelöstheit sollte ein dauernder Zustand sein, der nie verlassen wird.
Beispiel für Gelöstheit:
http://www.youtube.com/watch?v=MjQRpiIlqeQ&playnext_from=TL&videos=VqN2uKwaC2A


Es bedeutet eine absolute Freiheit und Entscheidungsfreiheit in Geist und Bewegung, kombiniert mit Anstrengungslosigkeit, Einfachheit, Selbstverständlichkeit und stark fokussierter, doch nicht "verkrampfter" Aufmerksamkeit auf das Klavierspiel. Dass das nicht die Realität ist, ist mir klar. Das heißt aber ja nicht, dass man dies anstreben könnte.

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Mir ist in der Zwischenzeit außerdem ein weiterer Aspekt klar geworden, den ich für die Virtuosität essentieller Weise benötige, und das ist die noch stärkere Einbeziehung des Armes als Steuerungs- und Lenkungshebel, gleichzeitig des Handgelenks als flexibles aber stabiles Übertragungsorgan / - Gelenk, sowie die Finger als gleichzeitig passive und doch aktiv ausübende Verbindung zur Taste.
Das letzte mag komisch klingen, ist aber sonst schwer zu beschreiben.
Ich meine mit dieser Erklärung, dass ich die optimale Bewegung für meine Hand finde, mich über die Tasten zu bewegen, während ich sehr beweglich und flexibel in allen Gelenken und "Fortsätzen" bin. Ich wähle den kleinsten und bequemsten Weg (dazu gehört natürlich ein guter Fingersatz). Diese Bewegung kann man sich aktiv merken oder sie geschieht irgendwann automatisch.
Sie wird dann (auch) aus dem Arm gelenkt und gesteurt, und der Spielapparat weiter vorne bewegt sich dynamisch und sperrungslos mit. Das klingt eher nach Passivität. Aber natürlich kann da nichts ausschließlich passiv sein, sonst könnte man nicht Klavierspielen. Es ist sozusagen eher das Gehorchen der Finger, ohne zusätzliche, überflüssige Bewegung und Anspannung auszuüben.

Sehr schwer zu beschreiben, und ich finde auch gerade kein so prägnantes Wort wie "Gelöstheit" und "Loslassen" dafür, aber dies finde ich ebenfalls sehr wichtig, um Virtuos spielen zu können.
 
@Klavirus & Stilblüte:

Ein grober Klotz braucht nun mal einen groben Keil, oder? :cool: :D

Aber ich will mal nicht so sein, habe das inkriminierte schliiiimme Wort geändert. :D

LG,
Hasenbein
 
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Mir ist in der Zwischenzeit außerdem ein weiterer Aspekt klar geworden, den ich für die Virtuosität essentieller Weise benötige, und das ist die noch stärkere Einbeziehung des Armes als Steuerungs- und Lenkungshebel, gleichzeitig des Handgelenks als flexibles aber stabiles Übertragungsorgan / - Gelenk, sowie die Finger als gleichzeitig passive und doch aktiv ausübende Verbindung zur Taste. Das letzte mag komisch klingen, ist aber sonst schwer zu beschreiben.
Ich meine mit dieser Erklärung, dass ich die optimale Bewegung für meine Hand finde, mich über die Tasten zu bewegen, während ich sehr beweglich und flexibel in allen Gelenken und "Fortsätzen" bin. Ich wähle den kleinsten und bequemsten Weg (dazu gehört natürlich ein guter Fingersatz). Diese Bewegung kann man sich aktiv merken oder sie geschieht irgendwann automatisch.
Sie wird dann (auch) aus dem Arm gelenkt und gesteurt, und der Spielapparat weiter vorne bewegt sich dynamisch und sperrungslos mit. Das klingt eher nach Passivität. Aber natürlich kann da nichts ausschließlich passiv sein, sonst könnte man nicht Klavierspielen. Es ist sozusagen eher das Gehorchen der Finger, ohne zusätzliche, überflüssige Bewegung und Anspannung auszuüben.

Sehr schwer zu beschreiben, und ich finde auch gerade kein so prägnantes Wort wie "Gelöstheit" und "Loslassen" dafür, aber dies finde ich ebenfalls sehr wichtig, um Virtuos spielen zu können.

bravo!!

Du hast mit Deinen Worten sehr schön und richtig beschrieben, worum es in der Grundlage (an der Basis) geht.

Das zu lesen hat mich sehr gefreut!!

ganz herzliche Grüße, Rolf
 
Zitat von Broadwood1830:
Da gibt es Leute, die behaupten, die Metronome der Herren Beethoven, Mozart, Chopin seien alle falsch gegangen, die Stücke müssten viel langsamer gespielt werden, da lehrt und lernt man, dass vor jedem Forte beschleunigt und vor jedem Piano abgebremst werden muss und lauter solchen Unsinn. Spielt mal einer anders, so spielt er falsch. Genau das ist aber falsch. die Komponisten im 19. Jahrhundert haben immer nur die Grundgerüste ihrer Stücke aufgeschrieben und es jedem Pianisten überlassen, diese Gerüste ganz nach Belieben zu füllen: mit Girlanden, mit Trillern


Zitat von rolf:
loslassen, sich verabschieden, könnte man auch auf Unsinn anwenden - das kann in der Tat beim Erreichen von Virtuosität hilfreich sein :D

Der oben zitierte Unfug wird in keiner Klavierklasse an Musikhochschulen gelehrt

@ Sabine: Ich kenne ebenfalls keine Hochschule, an der man derart dämliche Behauptungen schürt oder gar lehrt

und auch darüber freue ich mich sehr - zeigt es doch, dass meine Ausdrucksweise problemlos überboten werden kann :D

und nochmals, weils so schön ist, sei an das Metronom von Herrn Mozart erinnert :mrgreen: :mrgreen:

Gruß, Rolf
 
Ich hätte gerne mal eine Metronomzahl für Scarlatti und Bach bitte, liebe Sabine, kannst du damit auch dienen? *grins*

@ rolf:
Freut mich sehr zu hören, dass du meine Ausführung für richtig hälst. Ich halte sie für mich persönlich auch für richtig. Aber ich kann mir auch wirklich nicht vorstellen, wie man komplett anders Klavierspielen soll. Außerdem gelangte ich zu dieser Erkenntnis nicht zuletzt dadurch, dass ich fähigen Pianisten beim spielen zugesehen habe (sic!).
Wenn ich so etwas wie das Beschriebene "entdecke", fallen mir immer wieder Dinge auf:

1. Ich habe das schon tausendfach gelesen und teilweise auch verstanden und sogar angewendet.

2. Auf einmal fällt es mir aber wie Schuppen von den Augen und ich habe den Eindruck, erst jetzt richtig zu begreifen, was eigentlich mit einer These gemeint ist, warum sie tatsächlich so gut funktioniert, wozu sie da ist; es fühlt sich so an, als hätte ich vorher nur einen kleinen (ebenfalls schon funktionierenden) Teil verstanden und jetzt bedeutend mehr, umfassender, zusammenhängender, überbrückend zu anderen Themen usw.

3. Erfahrungen muss man selbst machen. Niemand kann eine Erfahrung in mein Gehirn pflanzen, und selbst bei genauester und detailreichster Erklärung ist dieses Beschreiben etwas völlig anderes und etwas völlig Entferntes von dem, was eine erlebte, gefühlte Erfahrung ausmacht. Es ist eine Kunst, die Leute an Erfahrungen heranzuführen, und gleichzeitig ist das sehr individuell und schwierig.

4. Ich halte meine neue Erkenntnis immer zunächst für das neue Wundermittel des Klavierspielens, und stelle kurz darauf fest, dass es nur ein weiterer Grundbaustein der allgemeinen Klavierspielfertigkeit ist, der sich schnell verselbstständligt (Neologismus aus "selbstverständlich") und verselbstständigt.
Keine Ahnung, wieviele Bausteine mir noch fehlen, aber es müssen einige sein.
Und danach könnte man dann mal mit der eigentlichen Arbeit anfangen :mrgreen:
 
Hallo Stilblüte,

toll geschrieben!!!

Gelöstheit ist auch für mich ein ganz wichtiger Begriff, weil man nur dadurch Einfluss auf die vielfältigen und verschiedensten Klangmöglichkeiten herstellen kann.

Ich empfinde diesen Zustand oft so, dass mein Wille (Denken und Hören) von meinem Kopf ohne irgendeine Blockade durch den Körper in die Arme, Finger und Fingerkuppen fließt und in deren Kontakt mit der Taste weiter in den Flügel und von da in den Raum strömt.

Viele Grüße

chiarina
 

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