Lernmethode von Wei Tsin Fu

  • Ersteller des Themas chrzaszczyk
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Ich kann aber sehr gut verstehen, dass viele Fragen auftauchen, die tatsächlich auch von den bisherigen "Fürsprechern" (markus, Hemiole und war es Clemens?) nicht beantwortet wurden. Ich würde mich freuen, wenn ich dazu beitragen kann.
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Ich könnte jetzt viel schreiben (bei vielem der vorherigen Beiträge war mir danach, ganze Romane zu verfassen :-)), aber möchte es lieber erst einmal bei dieser kurzen Vorstellung belassen und später - Euer Interesse vorausgesetzt - auf konkrete Fragen versuchen zu antworten.

Lieber Sebastian,

herzlich willkommen hier und herzlichen Dank für deine Bereitschaft, Fragen zu beantworten! Das ist sehr wohltuend!!!

Meine Fragen zitiere ich aus bereits gemachten Beiträgen. Letztendlich geht es mir darum, warum die Schüler oft so schlecht und unmusikalisch /klanglich schlecht spielen.

Denn das primäre Ziel ist bei der Schneemann-Methode, möglichst schnell Strukturen im Notentext erfassen zu können und die Kapazitäten des Gehirns optimal zu nutzen, wenn ich das richtig verstehe.

Mein primäres Ziel besteht hingegen darin, die Basis für ein grundlegendes Musikverständnis zu legen und zu lehren, wie die Klangvorstellung, die sich dabei ergibt, auf dem Klavier realisiert werden kann (=Technik). Musik ist also nicht Neben-, sondern absolute Hauptsache!!!

Ich zäume also das Pferd von der ganz anderen Seite auf! Mich wundert dann auch gar nicht, dass viele Schüler Wei Tsin Fu's eben so spielen, als hätten sie die Musik gar nicht verstanden. Dies wurde ihnen offensichtlich unzureichend beigebracht!!!
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Eine allerdings nicht verifizierte Theorie meinerseits ist, dass es für eine musikalische Ausbildung nicht gut ist, sofort in Akkorden zu denken. Denn geht man vom Singen aus, der natürlichsten Art des Menschen, Musik zu machen, so steht die Melodie an erster Stelle. In Akkorden kann man nicht singen und so ist die große Gefahr bei der Schneemann-Methode, die Akkordstrukturen an die erste Stelle setzt, mechanistisch in Griffbildern zu denken anstatt in Phrasen, Melodien, Intervallen. Die dann natürlich begleitet werden mit Hilfe von Quinten bzw. Akkorden. Ich habe den Verdacht, dass die horizontale Entwicklung von Klangschichten und Melodieverläufen kaum eine Rolle spielt, wenn man vorrangig in vertikalen Strukturen wie Akkorden denkt. Und gerade Akkorde sind musikalisch absolut komplex. Sie haben meist einen Ton als Bestandteil einer Melodie (oft der oberste, aber längst nicht immer), dann einen Basston als Fundament, dazwischen Klangschichten, die die Melodie färben. All dies muss dynamisch und klanglich entsprechend den Eigenschaften unseres Instruments austariert sein. Akkorde nur als Griffbilder zu sehen, kann da sehr kontraproduktiv sein. Nach meiner Meinung wird diese Theorie wird durch das Spiel vieler Schüler Wei Tsin Fu's bestätigt. Dass man mit der Schneemethode schnell bestimmte Strukturen im Notentext erfassen lernt und diese dann in Griffen umsetzt, bezweifle ich nicht. Aber die erfassten Strukturen entsprechen nicht den musikalischen Strukturen, sondern eher Griffmustern und führen zumindest zunächst einmal zu unmusikalischem Spiel.

Das, was von Clemens und Markus hier geschildert wurde, ist eine Methode, um schnell Notenlesen und aufgrund einer visuellen Verknüpfung die dazugehörigen Tasten drücken zu lernen.

Eine genuine Musikpädagogik hingegen geht vom Gehör und von musikalischen, nicht optischen Grundelementen (der Schneemann ist ein optisches Grundelement, das allein aufgrund der zufälligen Beschaffenheit des Notensystems existiert!) aus.
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Überdies ist es von einem musikalischen Standpunkt aus aus folgendem Grunde sehr ungünstig, gleich mit Akkorden einzusteigen:

Harmonisches Hören ist die komplexeste Anforderung, die es beim Musizieren gibt. Daher sind 1) die meisten Musikkulturen im Grunde a-harmonisch (in der europäischen gibt es Harmonik ja auch erst seit ein paar Jahrhunderten) und haben 2) die meisten Menschen auch keinen "Sinn" für Harmonik (d.h. sie können sie nicht in der eigentlich erforderlichen Weise differenziert wahrnehmen und genießen; wir müssen uns immer bewußt sein, daß jeder Mensch auf ganz individuelle Weise hört! Wo ich eine geile Akkordfolge höre und die Modulation feiere, hören die meisten nur ein Wischiwaschi. Gutes Beispiel sind auch chinesische Klassikspieler, die ja in ihrer Musikkultur keine Harmonik im engeren Sinne kennen und daher oft kein Gespür für die Bedeutung der Harmonien in den gespielten Stücken haben - das weiß ich aus höchstpersönlichen Bekanntschaften).

Harmonik muß nicht über Kügelchen auf dem Papier und entsprechende Tastendrücke eingeführt werden, sondern über 2stimmige Intervalle, die es zunächst zu internalisieren gilt, gewissermaßen als "Grundfarben, mit denen gemalt wird", und, damit zusammenhängend, über typische tonale Spannungs- und Auflösungsverhältnisse als horizontale Komponente. Daher ist zum Lernen der musikalisch zweckmäßigen Hörweise am Anfang die Zweistimmigkeit das Richtige, und bereits Bach hat dies völlig richtig erkannt und in seinen Lehrwerken so umgesetzt, also keine homophonen Akkord-Etüden, sondern beispielsweise die 2stimmigen Inventionen geschrieben.

Man muß von Anfang an so lernen, weil das, was am allerersten Anfang geschieht, sich am eindrücklichsten im Hirn festsetzt. Man kann also NICHT erst Schneemänner lernen und dann zum Zweistimmigen "zurückkehren", weil dann nämlich das Zweistimmige auf unzweckmäßige Weise vom Schüler wahrgenommen wird und somit der Weg zur richtigen Wahrnehmung sehr wahrscheinlich verbaut ist.

Leider ist der beste Weg nicht unbedingt der schnellste, und das wird sich auch im Zeitalter der Smartphones und Hirnforscher nicht ändern.

Wie stehst du denn dazu, dass man auch via Internet an der Akademie studieren kann?

Ich freue mich sehr, wenn du zu diesen Punkten Stellung nimmst! Eine Frage noch: bist du Schüler oder Lehrer, hast du also beruflich mit Klavierspielen und Klavierunterricht zu tun?

Liebe Grüße

chiarina
 
WENN ich nun aber dieses Lied mit der alten Methode erwirkt hätte, tja, dann... dann wäre es wohl für einen Anfänger erstaunlich und klar, kleine Fehler sind drin, aber sicher erfolgsverprechend.
Markus, ich glaube, Du machst den Felher, dass Du nur zwischen "Eurer"-Methode und der "alten" oder "klassischen" Methode unterscheidest und bei letzterem eben alles Andere, was ein Rolf, eine Chiarina, ein Hasenbein alle möglichen Professoren an Musikhochschulen und sonstige gute bis seehr gute Klavierlehrer, die es landauf landab sicherlich gibt so treiben, mit dem durchschnittlichen bis grottenschlechten Klavierunterricht, der leider auch weit verbreitet ist und den Du offensichtlich zu Anfang das zweifelhafte Vergnügen hattest, kennenlernen zu dürfen, in einen Topf wirfst.
Falls Du Dich auch außerhalb dieses Fadens ein bisschen umgesehen hast, dürften Dir etliche Fäden aufgefallen sein, bei denen ein Klavierschüler um Rat bei irgendwelchen Schwierigkeiten sucht, ein bisschen aus der Unterrichtspraxis erzählt und prompt den Rat erhält, schleunigst einen anderen Klavierlehrer zu suchen. Alleine daran solltest Du erkennen, dass diese Subsummierung der "klassischen" Methode grober Unfug ist.
Wenn Du zunägst zwei Jahre völlig erfolglosen Unterricht hattest und dann durch den Unterricht der Schneemannmethode "zumindest etwas" hinkriegst, ist es natürlich verständlich, dass Du davon begeistert bist. Dass Du aber nach allem was hier gesagt wurde, nicht in der Lage bist, zu erkennen, dass die Schneemannmethode eben nur im Vergleich zu Deinem vorherigen Unterricht besser ist und dass Du jegeliche Zweifel an dem, was Du aus Deiner begrenzten Erfahrung heraus für gut befunden hast nur als Angriff aufnimmst und versuchst Dich mit inhaltsloser Rhetorik zu wehren anstatt auch nur ansatzweise eine inhaltliche Diskussion zuzulassen, zeugt von einem erschreckenden Maß an Borniertheit vielleicht noch gepaart mit der völligen Unfähigkeit, Dich mit Fragen wie sie Chiarina vor etlicher Zeit hier gestellt hast überhaupt auseinanderzusetzen.
Ich fand es gut und begrüßenswert, dass Du Dich hier zu Wort gemeldet hast und Deine persönliche Sicht auf die Dinge dargelegt hast. Was Du aber in letzter Zeit hier abziehst ist unter aller Canone.

Naja, vielleicht bekommen wir ja jetzt von einem anderen Wei-Schüler brauchbare Antworten.

@Sebastian75: Herzlich willkommen im Forum, ich bin gespannt, wie's hier weitergeht.
 
Hallo zusammen,

edit: Ich antworte erstmal auf Rolfs Fragen, habe jetzt aber gesehen, dass Chiarina auch schon welche gestellt hat, die versuch ich dann später noch zu beantworten...
edit2: ich hoffe, ich bekomme das mit den Zitaten richtig hin...
-1- warum das unseriöse Getue mit Titeln, die der IBA-Gründer gar nicht hat?
Ganz ehrlich, das weiß ich nicht, und ich fühle mich auch nicht recht wohl damit. Ich finde sowohl die Webpage als auch die IBA-Geschichte recht strange. Wei Tsin-Fu ist meines Erachtens ein äußerst bemerkenswerter und findiger (ich benutze ungern die heutzutage inflationär gebrauchte Vokabel "genial") Lehrer und Pianist, dessen "Methodencocktail" mir persönlich (und ich denke auch vielen anderen) an vielen Stellen sehr geholfen hat (gerne dazu später mehr), aber das mit den Titeln verstehe ich einfach nicht. Soweit ich weiß, hat er keinen Professorentitel.
-2- warum das lächerliche Wiederholen dieser unsäglich dümmlichen Naturgesetze- und Hirnforschungslabereien?
(ok, das sind eigentlich Nebensächlichkeiten)
Auch das weiß ich nicht. Ich würde mal sagen: wir Studenten (ich war damals Anfang zwanzig) haben das "gutmütig geduldet", aber keiner von uns hat diese (ich wage zu sagen "recht asiatische") Hervorhebung von Superlativen als wirklich gut oder nötig befunden (vor allem wenn man beachtet, dass z. B. mit (allen voran) A. Jetter, T. Jagusch und vielen mehr ja wirklich sehr gute Studenten am Hessehaus waren). Das ganze "höher-schneller-besser"-Marketing-Ding hätte nicht sein müssen, vor allem WEIL seine Methoden wirklich (meine Sicht!) sehr beeindruckend und wirkungsvoll waren/sind. Fakt ist auch tatsächlich, dass viele seiner Studenten auch hinsichtlich ihrer schulischen Leistungen "Überflieger" waren. Hinsichtlich der Ursache-Wirkungs-Beziehung ("wurden die Leistungen besser, als die Studenten ins Hessehaus kamen?" oder "Haben sich im Hessehaus aus anderen Gründen eben einfach viele besonders begabte Schüler getroffen?") kann ich kein Urteil treffen. Ich denke ganz einfach, dass Wei Tsin-Fu für diejenigen Schüler, die ein tiefes Interesse am pianistischen und musikalischen Fortschritt hatten, unglaublich viele Ideen, Tipps, Denkweisen, Metaphern, Herangehensweisen parat hatte und damit große Begeisterung ausgelöst hat. Jedenfalls ging es mir so. Und die Begeisterung war (bei mir) keine Blase, sondern ich habe wirklich sehr große Fortschritte gemacht. Aber NICHT, weil ich etwa nur 30 Minuten am Tag geübt habe, sondern weil ich von einzelnen seiner Tipps und Ideen so fasziniert war, dass ich sie unbedingt ausprobieren wollte, und ja, die meisten haben funktioniert. (Hinweis: Mir liegt viel daran, nicht den Eindruck zu erwecken, hier "Werbetexte" zu verfassen oder - auch schon viel zitiert in diesem Thread - mich nur ansatzweise in die Nähe des gesamten Esoterik-Wunderheiler-Business zu begeben, das mir sehr zuwider ist. Daher bitte ich Euch, Fragen zu stellen, wenn Ihr zu bestimmten Punkten mehr wissen wollt.)
Aber ich komme vom Thema ab :-) "Hirnforschung" im streng akademischen Sinne wurde meines Wissens am Hessehaus nicht betrieben. Zumindest weiß ich nichts von irgendwelchen Veröffentlichungen, noch dass bspw. Prof. Birbaumer (der hier glaube ich früher schon erwähnt wurde) irgendwelche Vorträge gehalten hätte. Der "Vernetztes-Denken-Ansatz" ist - denke ich - eher ein leider etwas schaumschlägerisch dargestellter (und im Umfeld des ganzen IBA-Dings nach Bauernfängerei riechender) "Klammeransatz", der den vielen Ideen von Wei Tsin-Fu ein gemeinsames Dach bieten sollte. Dennoch: ganz absurd ist die Idee nicht, da er sich eben tatsächlich viel mit Anatomie, Mnemotechnik etc. auseinandergesetzt hat. Dabei eben hauptsächlich gemünzt auf die Frage "wie kann ich mich bzw. meine Schüler pianistisch verbessern?". Auch wurden "Naturgesetze" in der eigentlich physikalischen Form sicherlich keine entdeckt, auch das Higgs-Boson wurde nicht gefunden. Tieferliegende physiologische und psychologische (und uns Schülern zumeist unbewusste) Zusammenhänge wurden in der Tat "im pianistischen Kontext entdeckt" und oftmals sehr verblüffend vorgeführt.
-3- warum die Behauptungen, man würde bei den Hirn-Akademien schneller und besser lernen? das ist schlichtweg unwahr!
Tja, was soll ich da sagen...Es war bei mir vielleicht so wie Ihr in früheren Beiträgen vermutet habt. Vielleicht hatte ich davor eher schlechte Lehrer (ich muss vielleicht dazu sagen, ich hatte bis dato insgesamt 12 Jahre Klavierunterricht, davon einige Jahre Jazz-Piano-Unterricht). Ich hatte aber verschiedene Lehrer, und sie waren an den jeweiligen Musikschulen alle recht anerkannt. Mein Level war - ich würde mal sagen "Chopin-Etüden / Rachmaninoff-Prélude cis-moll" (Klassik) und recht fit in Jazz-Improvisation (habe mit 17 Jahren - noch vor Abi und weit vor Wei Tsin-Fu - die Aufnahmeprüfung an der Stuttgarter Musikhochschule für Jazz- und Popularmusik mit 21 Punkten von 24 in der praktischen Prüfung bestanden, mich dann aber für ein anderes Studium entschieden).
Was Wei Tsin-Fu konnte, und was kein anderer Lehrer davor und danach (bei mir) in dieser Form leistete: Er war sich auf sehr verblüffende Art und Weise meiner aktuellen Grenzen (ob gehörbezogener, physiologischer oder einfach "denkartbezogener") unglaublich schnell bewusst und - was für den Lernerfolg natürlich unabdingbar ist - konnte mir helfen, diese zu überwinden, indem er sie mir meist gar nicht erklärte, sondern häufig auf ruhige und sehr zielsichere Art vorschlug "probier mal so und so". Oftmals waren diese Vorschläge anfangs gar nicht in Zusammenhang zu bringen mit dem eigentlichen "Problem". Und doch: der Effekt, also das Überwinden der Schwierigkeit (die ich häufig - weil schon zu lange vorhanden - gar nicht mehr als "Schwierigkeit", sondern "Bei-mir-ist-das-halt-wohl-einfach-so-Tatsache" akzeptiert hatte) tat sein Übriges. Für mich war Wei Tsin-Fu geradzu ein Füllhorn solcher Tipps, Ideen und Ratschläge. Und jetzt kommt ein "Disclaimer": ich sage nicht, dass das nicht ein anderer (sehr guter) Lehrer auch gekonnt hatte, und ich denke nicht einmal, dass da eine besondere "Methode" dahintersteckte, vielmehr waren es viele kleine, aber wirkungsvolle und teils verblüffende Tipps. Aber der Unterschied in Lernerfolg und Lernbegeisterung zu all dem, was ich zuvor erfahren hatte, war enorm. Auch ich habe die ersten drei Rachmaninoff-Konzerte gespielt, besonders das dritte, an dem ich 1999 täglich drei Stunden geübt habe, so begeistert war ich. Ich habe die Konzerte nicht (nicht ansatzweise, alles andere wäre Blasphemie) zur Konzertreife gebracht, habe sie aber mit Klavierbegleitung im Hessehaus mehrmals aufgeführt, und ich konnte sie zumindest "durchspielen", etwas, was ich früher nie für möglich gehalten hatte. Manche Stellen in der Kadenz und im dritten Satz von Rach III fallen mir immer noch schwer, vor allem, da mir mein Berufsalltag nicht erlaubt, täglich zu üben. Aber ich "nähre" mich nach wie vor (seit nun fast 13 Jahren "Hessehausabstinenz" von den Ideen und Methoden von Wei Tsin-Fu). Und was mich nach wie vor antreibt: Treffe ich bei irgendeinem neuen Stück auf Schwierigkeiten, so fallen mir verschiedene Vorschläge und Methoden von Wei Tsin-Fu ein, die mir dann tatsächlich helfen, weiterzukommen. Ich sage aber nicht, dass das ein anderer Lehrer nicht auch hätte leisten können.
-4- nehmen wir den Mephistowalzer, er dauert rund 10min, ca. 5min davon befinden sich auf spieltechnisch sehr hohem Niveau - geworben wird, dass man nur 30min täglich üben müsse, um sowas zu lernen. wie soll der Spielapparat denn da trainiert werden??? ...gäbe es solche Wunder, hätten Sportler und Musiker aber viiiieeel Freizeit... :D
Ich denke, dass Wei Tsin-Fu sehr gut in der Lage ist, unnötiges zeitraubendes Fehlverhalten (das Präfix "Fehl-" ist natürlich relativ gemeint) beim Üben bei den Schülern individuell zu erkennen und durch Ratschläge den Übeerfolg deutlich zu verbessern. Trotzdem hat jeder seiner guten Schüler viel geübt, anders sicher und mit mehr Begeisterung, aber geübt. Dass man den Mephistowalzer mit 30 min pro Tag "hinbekommt", finde ich absurd. Allerdings - was jedoch nicht zwingend den Erfolg der "Methode" bestätigt, sondern vielleicht einfach die Begabung der Kandidaten - gab es zu meiner Zeit am Hessehaus durchaus Schüler, die unglaublich schnell lernten.
-5- warum begnügt man sich nicht mit der Wahrheit, nämlich dass die "Hirn-Akademien" ganz einfach nur private Musikschulen sind? Da braucht man doch keine wunderliche Wunderwerbung, denn Musikschulen gibt es nicht genügend, weshalb sich ja private solche halten können (allein in Tübingen, wo es ja mal das Hesse-Haus gab (jetzt ist man woanders) gibt es neben der Tübinger Musikschule zahlreiche weitere, nämlich private)
Tja, hier habe ich keine Antwort. Ich denke, er hatte die Vorstellung, seine Ideen an möglichst viele Schüler weiterzugeben. Dem kann ich persönlich erstmal nichts Schlechtes abgewinnen. Die Art und Weise der "Vermarktung" inkl. der reißerischen Aufmachung und Darstellung (inklusive ich denke nicht immer ganz der Wahrheit entsprechender Superlative) finde ich unangemessen und teilweise einfach peinlich. So verfehlt man die Wirkung.

Jetzt habe ich viel getippt. Gerne einfach mehr fragen :-)

Viele Grüße
 
Tja, hier habe ich keine Antwort. Ich denke, er hatte die Vorstellung, seine Ideen an möglichst viele Schüler weiterzugeben. Dem kann ich persönlich erstmal nichts Schlechtes abgewinnen. Die Art und Weise der "Vermarktung" inkl. der reißerischen Aufmachung und Darstellung (inklusive ich denke nicht immer ganz der Wahrheit entsprechender Superlative) finde ich unangemessen und teilweise einfach peinlich. So verfehlt man die Wirkung.

vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
beschreibt man das so wie du, dann ist da nicht sonderlich viel zu beanstanden - so in der Art vor Jahren schon: https://www.clavio.de/forum/klavier...lernmethode-von-wei-tsin-fu-5.html#post115705 sic!

allerdings ist anzumerken: der Unterricht in Klavierklassen, Meisterklassen, oder etwas unterhalb davon in realen Musikakademien, in Musikschulen oder bei guten Privatlehrern -- leistet genau dasselbe in Bezug auf die Begeisterungsfähigkeit und das Interesse der Schüler. Ich habe lediglich anzumerken, dass das musikalisch-pianistische Resultat der genannten Unterrichtsstellen verschieden ausfällt - und da ist das Resultat bei vielen eben doch deutlich besser als bei den Hirn-Akademien. Das ist faktisch so, da brauchen wir nicht dran rumschrauben.

aber viel interessanter ist an dem, was du beschreibst bzw. berichtest, dass da eben keine einzigartige oder sonstwie auffallende "Methode" zu erkennen ist - folglich bräuchte es auch keinerlei Getue als gäbe es da sowas ;) -- dass individuelle Probleme rasch erkannt werden, dass verbessert wird, dass individuell zugeschnittene Lösungen gezeigt werden, ist eigentlich typisch für jeden guten Unterricht und bedarf keiner eigenen Erwähnung. Und dass man bei wenig üben nicht viel lernt, war vorhersehbar um nicht zu sagen allbekannte Empirie :D

kurzum: nüscht neues unter der Sonne - aber man kann besser aufgehoben sein, weshalb die Handvoll wirklich guter IBA-Schüler woanders dann richtig Klavier studiert hat :):) --- und das ist nun auch nicht weiter verwunderlich, denn weder das Können noch die Qualifikation gestatten es Wei Tsin Fu, an dt. Musikhochschulen zu unterrichten.

ach ja: dass das Getue mit Hirnhälften-Methode(n) etc. unseriös und peinlich ist, daran lässt sich nichts ändern. Und wenn dennoch mit allerlei kruden Superlativen Schaumschlägerei betrieben wird, dann wird amüsante Kritik nicht ausbleiben.
 
Hallo Chiarina,

ich antworte auch hier gerne. Bitte entschuldige im Voraus, wenn Dinge unklar oder unvollständig sind. Dann einfach nochmal nachfragen. Ich muss die Mail in zwei Teile teilen, das sie zu lang war.

Kurz vorweg zu mir: Ich bin zwar insoweit fachfremd, als ich als ausgebildeter Naturwissenschaftler einen "nicht-pianistischem Hauptberuf" ausübe. Jedoch ist Musik und Klavierspielen meine große Liebe und Leidenschaft. Vor meiner "nicht-pianistischen Karriere" habe ich zwei Jahre lang als Pianist gearbeitet (hauptsächlich als Jazzpianist, war dabei in aller Welt unterwegs).

Denn das primäre Ziel ist bei der Schneemann-Methode, möglichst schnell Strukturen im Notentext erfassen zu können und die Kapazitäten des Gehirns optimal zu nutzen, wenn ich das richtig verstehe.

Mein primäres Ziel besteht hingegen darin, die Basis für ein grundlegendes Musikverständnis zu legen und zu lehren, wie die Klangvorstellung, die sich dabei ergibt, auf dem Klavier realisiert werden kann (=Technik). Musik ist also nicht Neben-, sondern absolute Hauptsache!!!

Ich zäume also das Pferd von der ganz anderen Seite auf! Mich wundert dann auch gar nicht, dass viele Schüler Wei Tsin Fu's eben so spielen, als hätten sie die Musik gar nicht verstanden. Dies wurde ihnen offensichtlich unzureichend beigebracht!!!
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Eine allerdings nicht verifizierte Theorie meinerseits ist, dass es für eine musikalische Ausbildung nicht gut ist, sofort in Akkorden zu denken. Denn geht man vom Singen aus, der natürlichsten Art des Menschen, Musik zu machen, so steht die Melodie an erster Stelle. In Akkorden kann man nicht singen und so ist die große Gefahr bei der Schneemann-Methode, die Akkordstrukturen an die erste Stelle setzt, mechanistisch in Griffbildern zu denken anstatt in Phrasen, Melodien, Intervallen. Die dann natürlich begleitet werden mit Hilfe von Quinten bzw. Akkorden. Ich habe den Verdacht, dass die horizontale Entwicklung von Klangschichten und Melodieverläufen kaum eine Rolle spielt, wenn man vorrangig in vertikalen Strukturen wie Akkorden denkt. Und gerade Akkorde sind musikalisch absolut komplex. Sie haben meist einen Ton als Bestandteil einer Melodie (oft der oberste, aber längst nicht immer), dann einen Basston als Fundament, dazwischen Klangschichten, die die Melodie färben. All dies muss dynamisch und klanglich entsprechend den Eigenschaften unseres Instruments austariert sein. Akkorde nur als Griffbilder zu sehen, kann da sehr kontraproduktiv sein. Nach meiner Meinung wird diese Theorie wird durch das Spiel vieler Schüler Wei Tsin Fu's bestätigt. Dass man mit der Schneemethode schnell bestimmte Strukturen im Notentext erfassen lernt und diese dann in Griffen umsetzt, bezweifle ich nicht. Aber die erfassten Strukturen entsprechen nicht den musikalischen Strukturen, sondern eher Griffmustern und führen zumindest zunächst einmal zu unmusikalischem Spiel.

Es mag den Anschein erwecken, dass Musik im Hessehaus oft Nebensache war vor dem Hintergrund der vielen technischen Ideen und Ratschläge, mnemotechnischen oder anatomischen "Spielchen", die (grade für einen Naturwissenschaftler wie mich) durchaus ihren Reiz an sich hatten. Die Musik war aber dennoch sehr wichtig. Jedoch - und da gebe ich Dir absolut Recht - hatte das musikalische Spiel als Ursprung und einzige Triebfeder nicht den allumfassenden Stellenwert, den Du ihm einräumst. Ich selbst will mir hier kein Urteil über richtig und falsch erlauben, aber ich denke, dass beim "Hessehausansatz" durchaus die Gefahr bestand, die Musik vor lauter technischen Faszinosa aus den Augen zu verlieren. Mithin gab es sicher Kandidaten (mich selbst oft auch mit eingeschlossen), die der Verführung, schnell ein "beeindruckendes" Werk wie Rach III zu erlernen, erlagen. Eine natürlichere, da allmählichere und damit der Entwicklung des musikalischen Empfindens/Hörvermögen eher gerecht werdende Vorgehensweise blieb da sicher bisweilen auf der Strecke. Der positive Aspekt war dabei indes, dass ich - gerade auch beim Improvisieren - dank plötzlich vorhandener technischer Möglichkeiten endlich Dinge (Linien, Melodien, Ideen) umsetzen konnte (und zwar eben gerade hinsichtlich ihrer Musikalität, Phrasierung und Empfindung), wie ich sie davor eben nicht hinbekommen habe.

Aber wie gesagt, ich kann verstehen, dass Du den Eindruck bei den Aufnahmen gewinnst, die Schüler hätten zum Teil die Musik nicht verstanden. Man hatte häufig das Gefühl, dass man da plötzlich ein Instrumentarium an technischen Fähigkeiten zur Verfügung hatte, das man noch nicht so recht zu nutzen wusste.

Zur Schneemann-Methode (die ja hauptsächlich auf Anfänger zielt), kann ich leider nicht viel sagen, die Bücher entstanden nach meiner Zeit. Brett Youens war einfach einer vielen Schüler von Wei Tsin-Fu, den die Flut an Ideen so begeistert hat, dass er beschlossen hat, eine Klavierschule - später dann in Zusammenarbeit mit Wei Tsin-Fu - daraus zu machen. Ich denke, schon allein aufgrund der Tatsache, dass dort vieles auf Anfänger und Kinder gemünzt ist, konnte sie verständlicherweise vieles von dem, was Wei seinen erwachsenen und fortgeschrittenen Schülern beigebracht hat, gar nicht wiedergeben. Wei war damals ein Mensch, der ungefähr zehnmal soviel in einer Zeiteinheit leisten konnte (und wollte) wie ein "normaler" Mensch. So stellte es sich mir zumindest sehr häufig dar. Ihn hat auch tatsächlich vieles dessen, was er so an guten Ideen "fabrizierte", gar nicht so sehr interessiert, als dass er es hätte aufschreiben wollen. Es war für ihn vielleicht einfach auch zu "normal". Ich habe häufig mit dem Gedanken gespielt, "Mensch, da solltest du doch jetzt einfach ein Buch drüber schreiben, weil er selbst das wohl nicht tun wird".

Zum Thema "horizontales musikalisches Denken": Ich stimme Dir zu, dass ein Akkord nicht als simples Griffbild gesehen werden darf, sondern hinsichtlich seines "horizontalen Kontextes" betrachtet werden muss, aus dem sich letztlich erst so etwas wie eine "klangliche Hierarchie" ableitet. Aber ich denke, dass das Vorgehen der "Schneemann-Methode" hier noch weit früher ansetzt, mit dem Ziel, den Schüler eben erst einmal in die Lage zu versetzen, Akkorde überhaupt greifen und spielen zu können. Das "Begreifen" folgt dann vielleicht erst später. Das ist sicher ein Manko der "Methode".
 
Das, was von Clemens und Markus hier geschildert wurde, ist eine Methode, um schnell Notenlesen und aufgrund einer visuellen Verknüpfung die dazugehörigen Tasten drücken zu lernen.
Sehe ich auch so.

Eine genuine Musikpädagogik hingegen geht vom Gehör und von musikalischen, nicht optischen Grundelementen (der Schneemann ist ein optisches Grundelement, das allein aufgrund der zufälligen Beschaffenheit des Notensystems existiert!) aus.
Auch hier würde ich mich anschließen.

Überdies ist es von einem musikalischen Standpunkt aus aus folgendem Grunde sehr ungünstig, gleich mit Akkorden einzusteigen:

Harmonisches Hören ist die komplexeste Anforderung, die es beim Musizieren gibt. Daher sind 1) die meisten Musikkulturen im Grunde a-harmonisch (in der europäischen gibt es Harmonik ja auch erst seit ein paar Jahrhunderten) und haben 2) die meisten Menschen auch keinen "Sinn" für Harmonik (d.h. sie können sie nicht in der eigentlich erforderlichen Weise differenziert wahrnehmen und genießen; wir müssen uns immer bewußt sein, daß jeder Mensch auf ganz individuelle Weise hört! Wo ich eine geile Akkordfolge höre und die Modulation feiere, hören die meisten nur ein Wischiwaschi. Gutes Beispiel sind auch chinesische Klassikspieler, die ja in ihrer Musikkultur keine Harmonik im engeren Sinne kennen und daher oft kein Gespür für die Bedeutung der Harmonien in den gespielten Stücken haben - das weiß ich aus höchstpersönlichen Bekanntschaften).

Harmonik muß nicht über Kügelchen auf dem Papier und entsprechende Tastendrücke eingeführt werden, sondern über 2stimmige Intervalle, die es zunächst zu internalisieren gilt, gewissermaßen als "Grundfarben, mit denen gemalt wird", und, damit zusammenhängend, über typische tonale Spannungs- und Auflösungsverhältnisse als horizontale Komponente. Daher ist zum Lernen der musikalisch zweckmäßigen Hörweise am Anfang die Zweistimmigkeit das Richtige, und bereits Bach hat dies völlig richtig erkannt und in seinen Lehrwerken so umgesetzt, also keine homophonen Akkord-Etüden, sondern beispielsweise die 2stimmigen Inventionen geschrieben.

Man muß von Anfang an so lernen, weil das, was am allerersten Anfang geschieht, sich am eindrücklichsten im Hirn festsetzt. Man kann also NICHT erst Schneemänner lernen und dann zum Zweistimmigen "zurückkehren", weil dann nämlich das Zweistimmige auf unzweckmäßige Weise vom Schüler wahrgenommen wird und somit der Weg zur richtigen Wahrnehmung sehr wahrscheinlich verbaut ist.

Leider ist der beste Weg nicht unbedingt der schnellste, und das wird sich auch im Zeitalter der Smartphones und Hirnforscher nicht ändern.
Auch hier schließe ich mich aus eigener Erfahrung an, da ich dabei an eines meiner Erlebnisse aus dem Themenfeld Jazzpiano erinnert werde, vor allem beim Umgang und Spielen von Voicings. Hier kann man ja nach gewissen Regeln aus Akkordsymbolen Voicings ableiten. Diese Regeln vernachlässigen aber oft Stimmführung und - noch viel wichtiger - ein echtes "Empfinden" der Intervallzusammenhänge und den harmonischen Stellenwert der einzelnen Akkordtöne. Erst das konsequente Üben und "Voraushören" von Terz-Septim-Voicings (entspricht den obigen zweistimmigen Intervallen) hat mir geholfen, wirklich das "harmonische Skelett" herauszuschälen, das man dann wieder mit Zusatztönen seiner Wahl Fleisch werden lässt.

Generell möchte ich noch einmal anmerken, dass ich denke, dass die Schneemann-Bücher die Ideen Wei Tsin-Fus nur unzureichend wiedergeben. Und klar: generell spürt man auch in den Schneemann-Büchern (ich kenne sie nicht gut, höre das aber heraus) die etwas "asiatische" Idee des "Schneller-Erfolg-mit-wenig-Aufwand" (irgendwer hat hier in einem früheren Beitrag das gut dargestellt: in Asien ist es wichtig, irgendeine Sache besonders gut zu können, notfalls "trainiert" man sie sich halt etwas lieblos an). Das "Tiefe-Empfinden-und-Verinnerlichen-mit-Geduld-und-Zeit" bleibt da sicher etwas auf der Strecke.

Wie stehst du denn dazu, dass man auch via Internet an der Akademie studieren kann?
Weiß nicht so recht, kling etwas nach Massenabfertigung. Andererseits hatten wir damals neben dem Einzelunterricht auch Unterricht in der Gruppe, und ich kann mir vorstellen, dass Wei sehr wohl in der Lage ist, bestimmte seiner Ideen auch über Headset und Webcam so darzustellen, dass sie bei den Schülern ankommen. Mit Abstand am meisten habe ich allerdings bei ihm im Einzelunterricht gelernt.

Viele Grüße

Sebastian
 
Auch ich habe die ersten drei Rachmaninoff-Konzerte gespielt, besonders das dritte, an dem ich 1999 täglich drei Stunden geübt habe, so begeistert war ich. Ich habe die Konzerte nicht (nicht ansatzweise, alles andere wäre Blasphemie) zur Konzertreife gebracht, habe sie aber mit Klavierbegleitung im Hessehaus mehrmals aufgeführt, und ich konnte sie zumindest "durchspielen", etwas, was ich früher nie für möglich gehalten hatte. Manche Stellen in der Kadenz und im dritten Satz von Rach III fallen mir immer noch schwer, vor allem, da mir mein Berufsalltag nicht erlaubt, täglich zu üben. Aber ich "nähre" mich nach wie vor (seit nun fast 13 Jahren "Hessehausabstinenz" von den Ideen und Methoden von Wei Tsin-Fu). Und was mich nach wie vor antreibt: Treffe ich bei irgendeinem neuen Stück auf Schwierigkeiten, so fallen mir verschiedene Vorschläge und Methoden von Wei Tsin-Fu ein, die mir dann tatsächlich helfen, weiterzukommen. Ich sage aber nicht, dass das ein anderer Lehrer nicht auch hätte leisten können.
vielen herzlichen Dank für diesen ehrlichen Bericht inklusive Selbsteinschätzung!!

ich will mich dafür revanchieren:
ich entsinne mich an Werbepost aus der Zeit, als es das Hessehaus noch gab, da flatterten allerlei ungelenke Flyer u.a. auch zu mir: Listen mit Hessehaus-Schülern und deren sagenhaftes Repertoire (alle Rachmaninov-Konzerte, alle Tschaikowskikonzerte, beide Ravel-Konzerte, die Lisztkonzerte, Gershwin, auch ein paar Prokovev- und Saint-Saenskonzerte, dazu die dicken Brocken der Sololiteratur) zusammen mit deren sagenhaften schulischen Leistungen - na kurzum: sehr dick aufgetragen. Ein paar solcher Schüler und Ex-Schüler sind auch mir mal sozusagen über den Weg gelaufen: bei Nachfragen gaben sie kleinlaut zu, diese Sachen nur angespielt zu haben... (du bist da mit durchspielen können ein ganzes Stück weiter :) ) Und ich habe mir auch ein paar Darbietungen im Hessehaus angehört: die schwierigen Sachen waren zu langsam, an den heiklen Stellen nahezu alle heillos überfordert (und letzteres gilt auch für die zentrale Lehrkraft), sonderlich musikalisch war da nur wenig --- es macht keinen Sinn, egal wie sehr man motiviert, die engagierten Schüler mit sie überfordernden Sachen zu füttern, und das aus drei Gründen: a) beherrscht die Lehrkraft sowas nicht richtig, wird sie auch nicht allzuviel sinnvolles lehren können b) Ergebnisse, die über ein so lala durchspielen hinauskommen, bleiben überwiegend aus c) aufgrund der manuellen Überforderung bleibt ein ansprechend musikalisches spielen ärgerlicherweise aus...

na ja, gräm dich wegen der Kadenz(en) im d-Moll Konzert nicht: die sind sehr schwierig, und um sie ansprechend darbieten zu können, benötigt man etliche gut gefestigte manuelle UND musikalische Grundlagen - mit anderen Worten: ohne richtig gut gekonnt mindestens ein paar Lisztetüden im Tornister, sollte man von so einem Brocken die Finger lassen.

...man könnte den Verdacht haben, dass das spektakuläre Schülerrepertoire dem aufzubauenden Renommee als Virtuosenschmiede dienen soll - aber wenn dort meistens nicht auf durchschnittlichem Konzert- oder Hochschulniveau gespielt wird, dann ist die Schmiede wohl nur in der Lage, Weichmetalle bissel zu biegen ;):D und produziert keine Damaszenerklingen.
 
Lieber Rolf,

edit: ich sehe gerade, du hast schon wieder geantwortet :-) daher sorry für eventuelles Überschneiden oder Nicht-Eingehen auf Deinen aktuellesten Post...

Ich fand den Unterricht bei Wei Tsin-Fu außergewöhnlich gut (für mich persönlich). Und ich habe viel Kontakt zu Studenten und Dozenten (gut: meist Jazzpiano, aber auch Klassik) von "regulären" Musikhochschulen. Ich gewinne dabei häufig den Eindruck, dass einige davon viele der Ideen, die ich ihnen so erzähle (wenn es mal dazu kommt), interessant und "probierenswert" finden.
Ich gehe aber von der Prämisse aus, dass es auch an den regulären Hochschulen völlig verschiedene Typen von Dozenten, Denkweisen, Philosophien und Herangehensweisen gibt. Fakt ist, dass Wei Tsin-Fu sehr kreativ und findig ist, und ich denke, dass Können und Qualifikation ihm wohl schon gestatten würden, an einer deutschen Musikhochschule zu unterrichten. Das ist aber meine persönliche Meinung.
Ich weiß, dass er pianistisch in der Öffentlichkeit nicht immer perfekt gespielt hat. Aber: er hat so gut wie nie geübt. Das war irgendwie nicht interessant genug für ihn, so kam es mir jedenfalls mal vor. (Dieser Satz muss seltsam wirken, gebe ich zu, aber diesen Eindruck hatte ich tatsächlich.) Er hatte mehr Interesse daran, sein Wissen oder seine "Erkenntnisse" weiterzugeben. Er hat dabei fast täglich von früh morgens bis oft spät abends unterrichtet, oftmals übrigens sogar umsonst, es war ihm - so hatte ich den Eindruck - mehr daran gelegen, den Schüler weiterzubringen, als dabei irgendwie reich zu werden.)

Ein sehr guter Freund von mir, der inzwischen in Trossingen Klavier studiert, hat sowohl bei Wei Tsin-Fu als auch bei verschiedensten anderen "regulären" Professoren Unterricht gehabt. Jeder hat ihm neue Facetten, neue Denkweisen, neue Aspekte der ein- und derselben Thematik aufgezeigt (klar, das ist selbstredend). Aber Wei Tsin-Fu muss sich hinter den anderen "Kollegen" sicherlich nicht verstecken (hier auch wieder bitte beachten, dass es sich um die subjektive Meinung meines Freundes handelt).

Ich denke, Wei Tsin-Fu ist ein faszinierender Mensch, der jeden Klavierspieler und -lehrer sicherlich auf die ein oder andere Art inspirieren kann. Ich gebe zu, die Website und die sonstigen Werbeaktivitäten können für Außenstehende oder beim ersten Kontakt recht lächerlich wirken. Was schade ist, weil er sich so selbst schadet. Ich habe mich darüber immer schon gewundert.

Und auch die aktuellen Neuigkeiten über ihn sind natürlich schockierend und zeigen einmal mehr, dass ein Mensch viele Facetten hat, und eben bei weitem nicht nur positive.

Viele Grüße

Sebastian
 
vielen herzlichen Dank für diesen ehrlichen Bericht inklusive Selbsteinschätzung!!

ich will mich dafür revanchieren:
ich entsinne mich an Werbepost aus der Zeit, als es das Hessehaus noch gab, da flatterten allerlei ungelenke Flyer u.a. auch zu mir: Listen mit Hessehaus-Schülern und deren sagenhaftes Repertoire (alle Rachmaninov-Konzerte, alle Tschaikowskikonzerte, beide Ravel-Konzerte, die Lisztkonzerte, Gershwin, auch ein paar Prokovev- und Saint-Saenskonzerte, dazu die dicken Brocken der Sololiteratur) zusammen mit deren sagenhaften schulischen Leistungen - na kurzum: sehr dick aufgetragen. Ein paar solcher Schüler und Ex-Schüler sind auch mir mal sozusagen über den Weg gelaufen: bei Nachfragen gaben sie kleinlaut zu, diese Sachen nur angespielt zu haben... (du bist da mit durchspielen können ein ganzes Stück weiter :) ) Und ich habe mir auch ein paar Darbietungen im Hessehaus angehört: die schwierigen Sachen waren zu langsam, an den heiklen Stellen nahezu alle heillos überfordert (und letzteres gilt auch für die zentrale Lehrkraft), sonderlich musikalisch war da nur wenig --- es macht keinen Sinn, egal wie sehr man motiviert, die engagierten Schüler mit sie überfordernden Sachen zu füttern, und das aus drei Gründen: a) beherrscht die Lehrkraft sowas nicht richtig, wird sie auch nicht allzuviel sinnvolles lehren können b) Ergebnisse, die über ein so lala durchspielen hinauskommen, bleiben überwiegend aus c) aufgrund der manuellen Überforderung bleibt ein ansprechend musikalisches spielen ärgerlicherweise aus...

na ja, gräm dich wegen der Kadenz(en) im d-Moll Konzert nicht: die sind sehr schwierig, und um sie ansprechend darbieten zu können, benötigt man etliche gut gefestigte manuelle UND musikalische Grundlagen - mit anderen Worten: ohne richtig gut gekonnt mindestens ein paar Lisztetüden im Tornister, sollte man von so einem Brocken die Finger lassen.

...man könnte den Verdacht haben, dass das spektakuläre Schülerrepertoire dem aufzubauenden Renommee als Virtuosenschmiede dienen soll - aber wenn dort meistens nicht auf durchschnittlichem Konzert- oder Hochschulniveau gespielt wird, dann ist die Schmiede wohl nur in der Lage, Weichmetalle bissel zu biegen ;):D und produziert keine Damaszenerklingen.

Lieber Rolf,

du hast bei vielen Punkten Recht. Wobei man nicht außer Acht lassen darf, dass ich hier ein paar Namen nennen könnte (A. Jetter und T. Jagusch sind ja schon gefallen), die sehr wohl z.B. Rachmaninoff III zur Konzertreife gebracht haben (und das im Alter von 17 Jahren oder so). Ich selbst gehöre (leider) nicht zur Riege dieser besten Studenten, aber ich habe damals A. Jetter jede Woche vorspielen hören und mir wurde geradezu schlecht vor Ehrfurcht (gut, ich war von jugendlicher Übertreibungslust geprägt ;-), war damals aber wirklich so. Falsche Töne gab es keinen einzigen, und von "technikbesessener" Unmusikalität keine Spur. Diese Leute gab es (aber ich möchte auch hier nicht ausschließen, dass es sie bei anderen Klavierlehrern nicht auch hätte geben können).
Dass ich mich an Rach III gewagt habe, ist sicher meinem Persönlichkeitstyp geschuldet, dem Wei Tsin-Fu hier sicher sehr "entgegenkam".

Sodele, und nun wünsche ich allen hier im Forum erstmal ein schönes WE, muss mich fürs Erste vom Acker machen!

Viele Grüße

Sebastian
 
Ich weiß, dass er pianistisch in der Öffentlichkeit nicht immer perfekt gespielt hat. Aber: er hat so gut wie nie geübt. Das war irgendwie nicht interessant genug für ihn, so kam es mir jedenfalls mal vor. (Dieser Satz muss seltsam wirken, gebe ich zu, aber diesen Eindruck hatte ich tatsächlich.)
nein nein, das wirkt nicht seltsam - das hört man oft, dass einer dies und das sehr wohl könne, wenn er üben würde... ja aber wenn er nicht übt, dann hört man nur, dass er nicht geübt hat ;);)
du kennst doch bestimmt das alte Bonmot: einen Tag nicht üben, hört man selber; zwei Tage nicht üben, hören die Kollegen; drei Tage nicht üben, das hören alle :) -- und da ist was wahres dran.

und nochmal zur Qualifikation (und den Titeln, die nicht echt sind (was auch ein etwas peinliches Kapitel darstellt)) ...es hat Gründe, dass einer, der seit bald vierzig Jahren unterrichtet und auch gelegentlich selber auftritt, keine Klavierprofessur innehat - und das kann man unschwer hören.

mir leuchtet dieses citius-altius-fortius mit den schwierigsten Klavierkonzerten nicht ein - aber mir leuchtet ein, dass man sie lernen kann (nach einigen nicht wenigen Voraussetzungen) und mir ist auch bekannt, wo man sie dann tatsächlich spielen lernt (erraten: und dafür dann einen echten Studiumsabschluß hat, wenn´s denn geklappt hat) :)
 
@Sebastian75
"ich dachte, ich klinke mich hier einfach mal ein. Geht ja wild her hier"


Herzlich willkommen bei uns! Gleichzeitig ist ein wenig Entwarnung angesagt: Die meisten Diskussionsteilnehmer in diesem Forum sind friedliebende und umgängliche Naturen, die sich auf sachlicher und konstruktiver Grundlage in der Welt der schwarzen und weißen Tasten bewegen und die gerne dazu lernen wollen. Die zuletzt spürbaren Spannungen und der ungewöhnlich scharfe Tonfall sind auf das argumentative Umfeld eines aus Übersee agierenden Enddreißigers zurück zu führen, dessen Werbepraxis für gehirnhälftenverschaltetes Klavierfernstudium per Internet bei den wirklich professionell tätigen Pianistenkollegen im Forum auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Verbale Tritte vor das Schienbein der (vermeintlichen oder auch tatsächlichen) Gegner sind sicherlich kein gutes Mittel, Zweifel und Einwände durch Substanz zu entkräften.

"edit: Ich antworte erstmal auf Rolfs Fragen, habe jetzt aber gesehen, dass Chiarina auch schon welche gestellt hat, die versuch ich dann später noch zu beantworten..."

Die Antworten waren gerade dann besonders gut gelungen und überzeugend, wo Grenzen erkannt und Widersprüche bei der Vermittlung der Wei-Tsin-Fu-Methode beim Namen genannt werden. Auch hier kommt Ehrlichkeit und der Gebrauch der dem Menschen eingegebenen Vernunft eigentlich am besten an.

Die erste Frage von rolf bezog sich auf die tatsächliche fachliche Qualifikation von Wei Tsin Fu unter Verzicht auf fragwürdige akademische Grade und Titel, soweit sie hierzulande ohnehin nicht von Relevanz wären. Ein zutreffendes Bild von Person und Wirkungsbereich dieses Menschen würde wohl erkennen lassen, dass es sowohl deutlich schlechtere als auch deutlich bessere Vertreter seines Faches geben dürfte. Vor dem Hintergrund irgendeiner Vision ("ein Eremit, der nun zu seiner Aufgabe ja sagt") sieht sich dieser auf Gebiete getrieben, wo die dort gestellten Aufgaben für ihn einfach zu groß und nicht zu bewältigen sind. Das vorprogrammierte Scheitern kann dann finanzieller Natur (überdimensionierte Bauprojekte) oder auch charakterlich-moralischer Natur (Vorwurf des wiederholten sexuellen Mißbrauchs) sein. Es ist einfach nicht gut, mehr sein, mehr darstellen, mehr scheinen zu wollen als man ist.

"Generell möchte ich noch einmal anmerken, dass ich denke, dass die Schneemann-Bücher die Ideen Wei Tsin-Fus nur unzureichend wiedergeben. Und klar: generell spürt man auch in den Schneemann-Büchern (ich kenne sie nicht gut, höre das aber heraus) die etwas "asiatische" Idee des "Schneller-Erfolg-mit-wenig-Aufwand" (irgendwer hat hier in einem früheren Beitrag das gut dargestellt: in Asien ist es wichtig, irgendeine Sache besonders gut zu können, notfalls "trainiert" man sie sich halt etwas lieblos an). Das "Tiefe-Empfinden-und-Verinnerlichen-mit-Geduld-und-Zeit" bleibt da sicher etwas auf der Strecke."

Auch das ist wohltuend ehrlich: Der überdurchschnittlich erfolgreiche Pianist hebt sich qualitativ vom durchschnittlichen Kandidaten durch Reifungsprozesse auf künstlerisch-gestalterischer Ebene ab, die in der Tat Geduld und Zeit benötigen. Vielleicht ergeben sich hilfreiche Impulse aus der Wei-Tsin-Fu-Methode, wenn diese Geduld und Zeit nicht zur Verfügung steht. Ich erlebe persönlich in meiner Praxis als Berufschorleiter mit langjähriger pianistischer Praxis immer wieder ein nicht ganz angenehmes Szenario. Kurz vor großen Konzerten sind Begleitungsaufgaben mit Solisten und Gastchören vielfältiger Art zu erledigen: Opernchöre, Operettenmedleys, Solovorträge, auch Aufgaben aus den Bereichen Jazz und Popularmusik sind mit wenig bis gar keiner Vorbereitungszeit pianistisch zu bewältigen - das aber in souveräner Manier und bühnenreifer Qualität. Da könnte eine Methode mit extrem schneller Erkennung und manueller Umsetzung oftmals nicht einfacher Textvorgaben unter äußerster Anspannung und Zeitdruck außerordentlich hilfreich sein. Wie agiert und reagiert man unter solchen Rahmenbedingungen?

Auf jeden Fall herzlichen Dank für die endlich sehr sachlichen und vernünftigen Ausführungen!
 

Kurz vor großen Konzerten sind Begleitungsaufgaben mit Solisten und Gastchören vielfältiger Art zu erledigen: Opernchöre, Operettenmedleys, Solovorträge, auch Aufgaben aus den Bereichen Jazz und Popularmusik sind mit wenig bis gar keiner Vorbereitungszeit pianistisch zu bewältigen - das aber in souveräner Manier und bühnenreifer Qualität. Da könnte eine Methode mit extrem schneller Erkennung und manueller Umsetzung oftmals nicht einfacher Textvorgaben unter äußerster Anspannung und Zeitdruck außerordentlich hilfreich sein. Wie agiert und reagiert man unter solchen Rahmenbedingungen?
...das zählt zu den gemeinsten Aufgaben!...
wer in Liedklassen begleitet bzw. wer Liedbegleitung / Kammermusik studiert, wird auch mit solchen Problemen konfrontiert - viel spielen (Klavierauszüge aller Art) hilft, hierbei erst lesen und danach losspielen (das Wunder, wie Liszt vom Blatt zu spielen, ist seltenst) und natürlich vorab über die entsprechenden technischen und klanglichen Mittel verfügen - - je mehr man spielt und auch hört, umso mehr ist man in verschiedenen Stilen zuhause und dann kann man auch beim prima vista spielen nötigenfalls sinnvoll ad hoc reduzieren (das lästige ist ja, dabei - korrepetieren etc - sofort auf rhythmische Schwankungen oder Zeilensprünge der Soliten reagieren zu können d.h. Fehler diskret aufzufangen)

ferner eine Übung für die Übersicht:
ein bislang noch nicht selbst gespieltes, möglichst auch ungekanntes Stück ohne Tasten konzentriert lesen, z.B. nur 16 Takte (oder ähnliches), dann ohne Noten gleich spielen, danach mit Noten vergleichen - das kann auf die Dauer quasi die eigene Übersicht verbessern
 
...sofort auf rhythmische Schwankungen oder Zeilensprünge der Soliten reagieren zu können d.h. Fehler diskret aufzufangen)

Nur am Rande, da der name Jopi hier erst fiel: Ich habe mal erlebt, wie ein jahrzehntelang erfahrener Korrepetitor und Kapellmeister, ein musikalisches Urgestein , der aus dem Bereich Oper, Operette und Musical nahezu alles aus dem Stand , gerne auch ohne Noten, begleiten konnte, den Jopi am Klavier begleiten "durfte", der -hinsichtlich Rhythmus und Tonhöhen- zu dieser Zeit in deutlich ( noch!) schlechterer "gesanglicher" Verfassung war als in seinen letzten Jahren. Da ist er aber tüchtig ins Schwitzen gekommen. Die Begleitung war sozusagen "frei improvisiert".....:D:D
 
Aber wie gesagt, ich kann verstehen, dass Du den Eindruck bei den Aufnahmen gewinnst, die Schüler hätten zum Teil die Musik nicht verstanden. Man hatte häufig das Gefühl, dass man da plötzlich ein Instrumentarium an technischen Fähigkeiten zur Verfügung hatte, das man noch nicht so recht zu nutzen wusste.
das verstehe ich nicht: wenn es nicht ausbalanciert und sinnvoll klingt, dann ist da auch noch lange nicht das entsprechende Instrumentarium an technischen Fähigkeiten vorhanden (Technik bedeutet ja nicht einzig, halbwegs rechtzeitig das meiste zu treffen!!)
 
...das zählt zu den gemeinsten Aufgaben!...
wer in Liedklassen begleitet bzw. wer Liedbegleitung / Kammermusik studiert, wird auch mit solchen Problemen konfrontiert - viel spielen (Klavierauszüge aller Art) hilft, hierbei erst lesen und danach losspielen (das Wunder, wie Liszt vom Blatt zu spielen, ist seltenst) und natürlich vorab über die entsprechenden technischen und klanglichen Mittel verfügen - - je mehr man spielt und auch hört, umso mehr ist man in verschiedenen Stilen zuhause und dann kann man auch beim prima vista spielen nötigenfalls sinnvoll ad hoc reduzieren (das lästige ist ja, dabei - korrepetieren etc - sofort auf rhythmische Schwankungen oder Zeilensprünge der Solisten reagieren zu können d.h. Fehler diskret aufzufangen)

ferner eine Übung für die Übersicht:
ein bislang noch nicht selbst gespieltes, möglichst auch ungekanntes Stück ohne Tasten konzentriert lesen, z.B. nur 16 Takte (oder ähnliches), dann ohne Noten gleich spielen, danach mit Noten vergleichen - das kann auf die Dauer quasi die eigene Übersicht verbessern

Danke, alles absolut zutreffend. Bei einem der in der Vita von Wei Tsin Fu aufgeführten Lehrmeister habe ich jahrelang die pianistische Basis meiner heutigen Tätigkeit mit auf den Weg bekommen. Da bekam man im Alter von 15 oder 16 Jahren schon mal einen Abschnitt aus "Gaspard de la nuit" oder dem 2. Rachmaninow-Konzert mit der Aufgabe vorgelegt, diesen selbständig binnen einer Viertelstunde prima vista zu erarbeiten. Heute kann ich dazu sagen: Was dann auf den Weg gebracht werden musste, war ein Stresstest vom Feinsten - aber eine wahre Schule für das Leben. Das von mir vorab angedeutete Szenario kann ich weiter präzisieren: Ein von mir geleiteter Männerchor hat aus seinen Glanzzeiten die Verbindung zu einem namhaften Gesangssolisten aufrecht erhalten, der zum Jubiläumsjahr als prominenter Gast für teures Geld engagiert wird. Dieser dürfte namentlich den meisten Diskussionsteilnehmern bestens bekannt sein nach seinen Erfolgen bei den Bayreuther Festspielen, an der Mailänder Scala, an der Metropolitan Opera New York u.s.w. als Spezialist für große Wagner-Partien - den Namen nenne ich der Diskretion halber aber nicht. Er schaut zu einer Verständigungsprobe vorbei und möchte dann kurzfristig doch andere Stücke beim Konzert singen - als Begleiter hat man schließlich Opernpartien aus Wagner-Klavierauszügen, Loewe-Balladen und Schubert-Lieder praktisch vom Blatt zu spielen (inkl. Transpositionswünsche), ohne sich vor vollem Haus blamieren zu dürfen und zu wollen. Allzu oft möchte man einen solchen Alptraum nicht durchleben müssen.

Um diesen irgendwie unbeschadet überstehen zu können, muss man in der Tat alle pianistischen Ressourcen bündeln und im von rolf dargelegten Sinne abrufen. Eine Methode zur ganzheitlichen Erfassung keineswegs einfacher Strukturen unter gnadenlos hartem Leistungsdruck ist in derartigen Situationen höchst willkommen - denn irgendwann gilt wohl nur noch Murphys Gesetz: Glaube nicht an Wunder - verlass dich auf sie...!

Wenn dann eine Methode im Geiste beworben wird, Unmögliches möglich zu machen (Stichwort: "Rekorde"), möchte man nach dem nächst erreichbaren Strohhalm unwillkürlich greifen. Nur: Vermag die Wei-Tsin-Fu-Methode die ganzheitliche Erfassung komplexer Strukturen zu optimieren, wenn sie auf lange Sicht im Vergleich zu anderen Methoden und Arbeitstechniken nicht mehr überzeugt als jene Ansätze, die es lange vor Wei Tsin Fu bereits gegeben hat? Kennern der Materie ist bekannt, dass z.B. die Kontarsky-Brüder hervorragend vom Blatt spielen konnten. Sebastian75 traue ich eine ehrliche und plausible Aussage zu einer derartigen Problematik zu - über einen hilfreichen Kommentar würde ich mich sehr freuen.
 
Da haben wir doch mal eine sehr konkrete und obendrein nicht nur hinterfragende, sondern auch direkt nutzbringende Fragestellung:

Welche Methoden wendete Wei an, um so gut vom Blatt zu spielen bzw. unbekannte / schwierige Stücke schnell einigermaßen spielen zu können? Und zwar sowohl praktisch bei sich selbst als auch in der Lehre (sprich - wie hat er das vermittelt? Können und Vermitteln sind zwei Paar Stiefel).

Wenn man seine Lehre nämlich derart verkaufen würde - nicht dass er Wunderkinder zaubern kann, sondern dass er gutes und zuverlässiges Prima Vista- und Partiturspiel vermittelt und die Lese- und Umsetzungsfähigkeit spührbar verbessert, wäre das durchaus eine interessante Sache. Die man ja z.B. zusätzlich zum normalen Klavierunterricht einsetzen könnte ab einem geeigneten Alter bzw. Leistungsstand.
Mir persönlich ist viel daran gelegen, das bei mir zu verbessern, ich spiele einfach immer wieder vom Blatt und ein paar grundsätzliche Dinge, die man da braucht, sind mir schon bekannt, dennoch kann ich kein Schubert-Lied oder Oper vom Blatt begleiten.

Vielen Dank an Sebastian auch von mir für die erfrischend ehrliche Betrachtungsweise!

LG Stilblüte
 
Da haben wir doch mal eine sehr konkrete und obendrein nicht nur hinterfragende, sondern auch direkt nutzbringende Fragestellung:

Welche Methoden wendete Wei an, um so gut vom Blatt zu spielen bzw. unbekannte / schwierige Stücke schnell einigermaßen spielen zu können? Und zwar sowohl praktisch bei sich selbst als auch in der Lehre (sprich - wie hat er das vermittelt? Können und Vermitteln sind zwei Paar Stiefel).

Wenn man seine Lehre nämlich derart verkaufen würde - nicht dass er Wunderkinder zaubern kann, sondern dass er gutes und zuverlässiges Prima Vista- und Partiturspiel vermittelt und die Lese- und Umsetzungsfähigkeit spürbar verbessert, wäre das durchaus eine interessante Sache. Die man ja z.B. zusätzlich zum normalen Klavierunterricht einsetzen könnte ab einem geeigneten Alter bzw. Leistungsstand.
Mir persönlich ist viel daran gelegen, das bei mir zu verbessern, ich spiele einfach immer wieder vom Blatt und ein paar grundsätzliche Dinge, die man da braucht, sind mir schon bekannt, dennoch kann ich kein Schubert-Lied oder Oper vom Blatt begleiten.

Vielen Dank an Sebastian auch von mir für die erfrischend ehrliche Betrachtungsweise!

LG Stilblüte

Aus der auf den Punkt gebrachten Frage lässt sich die folgende Versuchsanordnung ermitteln: Die Kandidatin oder der Kandidat sitzt vor dem Klavier, auf dem Pult liegt der Notentext eines Schubert-Liedes, das aus den großen Zyklen "Winterreise", "Schöne Müllerin", "Schwanengesang" stammen kann oder auch nicht. Selbst ein Absolvent einer Hochschulklasse für Liedbegleitung/Liedgestaltung hat das gesamte verfügbare Repertoire vermutlich nicht auf Abruf perfekt verfügbar, sondern kann auf eine mehr oder minder profunde Erfahrung beim Studium vergleichbarer Literatur zurückgreifen. Das hat auch umgehend zu geschehen, denn der zu begleitende Solist steht neben dem Flügel und etwaige "Lesezeit" (in die Noten schauen ohne zu spielen, wie rolf richtigerweise bemerkt hat) muss sich auf wenige Sekunden beschränken. Welche Prioritäten sind beim geistigen Verständnis und der Übertragung der Abläufe auf das Instrument zu setzen, um zur richtigen Zeit in der richtigen Weise den richtigen Ton zu spielen? Ich habe es erlebt, dass als zusätzliche Komplikation dieser Vorgang öffentlich (vor Publikum) ablaufen kann - Nervosität und extreme Anspannung gibt's gratis dazu?

Was ist in dieser Situation am wichtigsten? Bekannte Strukturen in der Klavierstimme entdecken und miteinander verknüpfen (Skalen, Akkordbrechungen, Kadenzmuster etc.)? Die Solistenstimme lesen und in Beziehung setzen mit der Begleitpartie? Schließlich steht das gesungene Wort im Mittelpunkt! Einen Spannungsbogen (Dynamik!) erkennen und gestalten? Den Notentext von vorne nach hinten oder von hinten nach vorne überfliegen? Den vertonten Liedtext begreifen?

Voraus sei gesagt: Alle diese Vorgänge ad hoc umfassend gleichzeitig ausführen ist im Prinzip unmöglich - aber eine möglichst effektiv angelegte Kombination bleibt das Ziel, sei es mit der Wei-Tsin-Fu-Methode oder mit welcher Vorgehensweise auch immer. In jedem Fall sind Versuch und Resultat praktisch identisch - und das Ergebnis MUSS gelingen und überzeugen, damit der Auftritt nicht zur absoluten Katastrophe wird. Was also tun?

LG von Rheinkultur
 

Es ist ganz einfach! Übung ist das Zauberwort! :p

Ich kann eigentlich nicht sonderlich gut vom Blatt spielen. Im Laufe meiner jahrelangen Korrepetitorentätigkeit an der Hochschule (Streicherklassen etc.) hat sich mein Blattspiel allerdings sehr verbessert - jetzt ist es wieder schlechter geworden, weil ich es einfach nicht mehr so oft mache.

Ich musste immer schon schnell irgendetwas "drauf haben" - in meiner Jugend wurde ich immer da eingesetzt, wo Mangel war, also musste ich mit zwei Jahren Cellounterricht schon munter als einzige Cellistin in Konzerten spielen (in einem Miniorchester :p ). Tenor-, Sopran- Altblockflöte waren auch gefragt und oft habe ich erst am Tag des Konzerts die Noten bekommen. Als neue Pauken angeschafft wurden und ich die einzige war, die einen Trommelwirbel spielen konnte, wurde ich an denen eingesetzt, meistens spielte ich im Konzert vom Blatt. :D Meine Brüder waren Streicher und so habe ich schon immer viel begleitet. Deshalb ist es mir nie schwer gefallen, sofort mit einem Kammermusikpartner "zusammen" zu sein. Eine Probe - fertig. Ad hoc irgendwas zu begleiten, war auch nie ein Problem. Noten bekam ich oft erst sehr kurzfristig, was dann aber auch den Nachteil hatte, dass ich die Kunst des Weglassens in immer höhere Sphären trieb. *lach* Einmal sagte mir ein Prof., dass es sehr interessant gewesen sei, Brahms mit zwei Fingern gespielt zu hören. *hüstel, kicher* Na ja, die Noten hatte ich erst zwei Tage zuvor bekommen und so eine Brahms-Sonate ist kein Pappenstiel.

Heute hat diese Fähigkeit mit Sicherheit gelitten, weil ich es nicht mehr so oft mache. Wenn ich heute etwas spiele, dann übe ich das auch. :floet:

Also, Übung macht den Meister. Wie immer.

Ein Stück transponieren kann ich z.B. nicht ad hoc, weil ich das nie gebraucht habe. Auch Partiturspiel etc. kann ich nicht. Aber auch das ist Übungssache, da bin ich mir sicher.

Sänger sind ja übrigens ein lustiges Völkchen. Die Arbeit mit ihnen ging von "jede Note einzeln vorspielen", damit die überhaupt die Melodie aus den Noten erkennen konnten..... bis zu einem privaten Konzert, bei dem der Sänger (die Noten hatte ich zwei Tage vorher bekommen, Probe eine Stunde vor Konzert)) ausgesprochen frei interpretierte *lach* , Wiederholungen einbaute, die er frei und nach gusto gestaltete ("ich weiß noch nicht, wann ich da einsetze und ob ich wiederhole, das mache ich immer frei nach Laune....").

Insgesamt ein echt lustiger Job.

Liebe Grüße

chiarina
 
- als Begleiter hat man schließlich Opernpartien aus Wagner-Klavierauszügen, Loewe-Balladen und Schubert-Lieder praktisch vom Blatt zu spielen (inkl. Transpositionswünsche), ohne sich vor vollem Haus blamieren zu dürfen und zu wollen. Allzu oft möchte man einen solchen Alptraum nicht durchleben müssen.
das ist bei den harmonisch und manuell überschaubaren Loewe-Balladen machbar, bei den Schubertliedern wird es heikler, ist aber - musikalische Erfahrung vorausgesetzt - immer noch möglich ---- aber in Teufels Küche gerät man, wenn man prima vista die Klavierauszüge der Wagneropern von Klindworth*) spielen soll: diese sind streckenweise manuell so schwierig, dass sich von Bülow beklagt hatte man könne sie nicht im Originaltempo spielen (in der Tat sind die teilweise so gemein wie die Brassin-Transkriptionen). Hier müsste man Glück haben und die Klavierauszüge von Mottl oder von Bülow vorliegen haben, oder den Tannhäuser-Klavierauszug von Wagner selber. Und um das Glück nicht übermäßig zu strapazieren, sollte man die großen Wagner-, Verdi-, Pucciniopern vom hören sehr gut kennen: das erleichtert das mehr oder weniger vom Blatt spielen und macht an wüsten stellen das reduzieren einfacher.
...allerdings muss man auch sagen, dass Korrepetitoren das Gesangsrepertoire einigermaßen im Ohr haben - kurzum: kennt man allein vom hören das Original, dann findet man sich im Klavierauszug rasch zurecht.
Freilich bleibt der Stress, das im Gehör vorhandene aus dem Klavier rauszuholen UND dabei auf die Eigenarten des Sängers zu reagieren.


*) also eine Tenorpartie aus Klindworths Götterdämmerungs-Klavierauszug ist schon heavy... Horowitz übte gerne, indem er aus der Götterdämmerung mehr oder weniger vom Blatt spielte (bis er sie auswendig konnte)
 
Voraus sei gesagt: Alle diese Vorgänge ad hoc umfassend gleichzeitig ausführen ist im Prinzip unmöglich - aber eine möglichst effektiv angelegte Kombination bleibt das Ziel,
ob sich da verifizierbare quasi naturwissenschaftliche Versuchsreihen als sinnvoll etablieren können, da habe ich Zweifel...

je größer und tiefer die musikalische Erfahrung, umso besser oder leichter gelingt das prima vista Spiel - und zu dieser Erfahrung gehört eben auch Hörerfahrung, und zwar gerade hier eine spezielle/spezifische das Klavier betreffende: sinnvoll ist, allein aus dem hören sofort irgendwelche harmonische Verbindungen auf dem Klavier spielen zu können - das setzt ein gekonntes harmonisches hören voraus (hierbei ist erstmal egal, ob man einen halbton zu hoch oder zu tief ansetzt - transponieren gehört a priori dazu)
aus dieser Hör- und Spielerfahrung (je mehr und je besser man spielt, umso schneller lernt man und umso geschickter läuft´s beim Blattspiel) muss eine zweite Fähigkeit entwickelt werden: beim Notenlesen und innerlich hören die Tastenlage und Grifffolgen zu spüren, im übertragenen Sinne "die Tasten innerlich zu sehen" -- und dazu ein verdammt gutes musikalisches Gedächtnis, denn richtig schwierige Takte wird man nicht total blind spielen

also hilft zum erwerben guter vom Blatt Fähigkeiten abgesehen vom schon aufgezählten, dass man Klaviersachen/Begleitungen usw. ohne Klavier zu spielen lernt - und sollte man klein anfangen, ehe man an technisch schwierigeres gerät.

ABER bei aller Bewunderung für scheinbar titanische vom Blatt Leistungen: die musikalische Erfahrung, das Hörgedächtnis derjenigen, die in Meisterklassen allerlei "vom Blatt" demonstrieren ist nicht zu unterschätzen, denn nur selten kommt es vor, dass da dem Kursleiter total unbekanntes vorliegt (ein noch nie gehörtes Ornstein Klavierstück wird niemand perfekt im Tempo vom Blatt spielen!) - - und dann ist es durchaus so, dass Könner auch sehr schwierige kleine Abschnitte infolge der Überschaubarkeit und infolge der musikal./techn. Erfahrung gleich können, allerdings gilt das nicht für z.B. ein komplettes Klavierkonzert ;)

an eine spezielle Methodik im Sinne von "Tricks", die das hier geforderte ad hoc konzertreif spielen betrifft, glaube ich aus erdschweren empirischen Gründen nicht :D
 

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