Außenseitermethoden, gern superlativisch beworben, gibt es mittlerweile in vielen Bereichen, wo es ohne Fleiß, Erfahrung, gute Lehrer und Einfühlungsvermögen in die Materie EIGENTLICH keinen Fortschritt gibt. Es gibt einen nicht zu unterschätzenden Markt, der positiv auf angebliche Abkürzungen anspricht. Gern wird von den Jüngern auch alles diffamiert, was nicht den kostenpflichtigen Stempel des Gurus trägt.
Woran das wohl liegt? Es gibt offensichtlich bei vielen Menschen das essentielle Bedürfnis, Erfolg zu haben, ohne darauf allzu lange warten oder gar aktiv hinarbeiten zu wollen. Wenn dabei Anbieter geschickt der Gegenseite suggerieren, genau dieses abrufbereit auf Lager zu haben, wird gerne aus lauter Hunger nach Ruhm und Erfolg schnell zugegriffen. Dass da einem irgendwelche verdorbene Speisen untergejubelt werden, stellt man oft erst dann fest, wenn sich diese bereits im Mund desjenigen befinden, der vorher vor Gier gar nicht so genau hinschauen wollte. Die dubiosen Anbieter sind alle gar nicht so gerissen wie man denkt. In Wahrheit sind sie hundertmal gerissener, als man in den schlimmsten Alpträumen befürchten würde.
In der Klavierpädagogik kann es ähnliche Erfahrungswerte geben, wie sie Berufschorleiter kennen: Nachwuchs wird vielerorts gesucht. Bei nichtprofessionellen Chören hoffte man darauf, mit niederschwelligen Angeboten leichter Interessierte in die Chöre zu locken. Also machten Parolen die Runde wie "Jeder kann singen", "Vorkenntnisse sind nicht erforderlich", "Auch wir können keine Noten lesen" oder "Niemand muss vor anderen vorsingen". Eines kann man aber den Leuten nicht abnehmen: Die Bereitschaft und Disziplin, sich solche Fertigkeiten unter professioneller Anleitung anzueignen. Sobald diese Erkenntnis nicht mehr zu leugnen ist, kehren die Halbherzigen dem Ensemble sehr schnell wieder den Rücken. Es kursierte sogar schon die Behauptung, seit DSDS (Deutschland Sucht Den Superstar) kämen scharenweise die jungen Leute und wollten unbedingt singen. Irrtum: DSDS suggeriert in recht geschickter Weise, man könne auch ohne Begabung und Leistung ins Fernsehen kommen und ein Star werden. Und seit dem ESC 2010 mit Lenas Sieg glauben viele, man könne den Grand Prix auch dann gewinnen, wenn man weder singen noch tanzen kann. Die Realität ist eine andere: Die längstmögliche Entfernung zwischen zwei Punkten ist die Abkürzung, lautet eines von Murphys Gesetzen. Wenn wirklich künstlerische Substanz von hoher Qualität präsent ist, wird man platte Erfolgsbehauptungen, reißerische Rekordmeldungen und Exklusivitätsgehabe nicht finden und auch nicht vermissen. Aber davon war in diesem Faden ja nun wirklich zigmal die Rede.
Immer wieder diese Aussagen à la "ich habe bei dem früheren schulmäßigen Lehrer in vielen Jahren fast nichts gelernt, aber seit ich nach der XY-Methode lerne, mache ich die tollsten Fortschritte und praktiziere die schwierigsten Dinge". Was übersetzt heißt: "Ich bin faul und habe keinen Bock, langsam und solide zu arbeiten - und endlich habe ich jemanden gefunden, der mich darin bestätigt, dass es auch anders gehen muss. Es gibt aber eine Verschwörung, die diese geniale Methode böswillig vertuscht und ihre Urheber diskriminiert". Oder sinngemäß.
Sinngemäß findest Du die gleichen Muster in allen Psychosekten - allerdings ist auch eine bestimmte "Kundenklientel" vonnöten. Diese sollte nicht über Alternativen und Ausweichmöglichkeiten verfügen und möglichst in schweren existenziellen Krisensituationen rekrutiert werden, damit sie aufgrund des äußeren und inneren Drucks nicht zu genau hinschaut und so etwaige Ungereimtheiten aufspürt. Es wird nicht schwer sein, entsprechende Konstellationen aus bisher geschriebenen Beiträgen dieses Fadens herauszulesen. Es gibt nicht nur einige wenige Beispiele, sondern dutzende, wenn nicht hunderte. Wenn sich mangels Substanz der Erfolg nicht einstellt, wird der Guru zum Märtyrer, zum großen Unverstandenen erklärt - und schuld an allem sind immer nur die bösen anderen.
Die ewige Wiederkehr des Gleichen.
Kennen wir aus aktuellem Anlass - egal wie viele Wahlversprechen gebrochen werden, die meisten begeben sich doch das nächste Mal wieder treu und brav zum Wahllokal und machen ihr Kreuzchen, obwohl es hier gar keine Wahlpflicht gibt. Und Angela Merkel hat die Bundestagswahl souverän gewonnen, obwohl sie angeblich keiner gewählt hat, so wie die BILD-Zeitung ihre Millionenauflage dem Umstand verdankt, dass sie angeblich keiner liest.
Warum leere Versprechen immer wieder ankommen?
Die Dummen sterben nicht aus.
LG von Rheinkultur