Also, Hasenbein,
zum Prozedere: Wenn dieses Gespräch überhaupt einen Sinn haben und
(um mit Fritz Teufel zu reden) der Wahrheitsfindung dienen soll, dann bestehe
ich auf Achtung der Diskursregeln. Du nimmst nur selektiv am Gespräch teil
und pflegst Erwiderungen und Rückfragen nach Lust und Laune zu übergehen.
Das ist schlechter Stil, den Du in jedem anderen Kontext kritisieren würdest.
Ferner: Du sprichst von einer Dir unvertrauten Materie. Nicht Dein Mangel
an Sachkenntnis ist das Problem, sondern die Tatsache, daß Du ohne diese Sachkenntnis
wertest, urteilst und glaubst, Gesprächspartner zur Rechenschaft ziehen zu können.
Das ist banausisch und anmaßend – ein Umstand, den Du in jedem anderen Kontext
ebenfalls zu recht monieren würdest.
Wenn ich versuche, diese Defizite mit dem Mantel „christlicher Nächstenliebe“
zu bedecken, so ist es immer noch unmöglich, Dir ohne terminologische Klärung
der Grundbegriffe zu antworten. Du hantierst nämlich mit theologischen Begriffen
(Glaube, Taufe, Erlösung) ohne zu wissen, wovon Du sprichst – und ohne Begriffsklärung
damit zu arbeiten, ist so unsinnig wie der Versuch, einem mit Musik und Musiktheorie
Unvertrauten rein verbal die II-V-I-Verbindung plausibel zu machen.
Ich will trotzdem versuchen, auf Deine Fragen einzugehen.
Sonst wäre es ja auch, gemäß der Kirchenlogik, nicht erforderlich, Christ zu werden,
da ich ja auf jeden Fall erlöst würde, egal ob ich an Christus glaube oder nicht.
Du wirst lachen – so ist es tatsächlich, und zwar gemäß der Allversöhnungslehre,
die Bestandteil der Paulinischen Theologie ist (Kenner der Materie werden mir bitte
nachsehen, wenn ich hier und im Weiteren sehr verkürzt referiere).
Zitat von Markus 16:
Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden;
wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
Das Problem mit Deinem Markuszitat: Du zitierst nicht Markus, sondern einen
Auferstehungsbericht, der aus Elementen des Lukas- (und Johannes-)Evangeliums
kompiliert worden ist, um dem Markusevangelium den vertrauten Abschluß zu geben
(das Markusevangelium begnügte sich mit dem Hinweis auf das leere Grab). Jedes der
synoptischen Evangelien verfolgt eigene theologische Fragen. Aber man kann sagen,
daß den Synoptikern die Allversöhnungslehre fremd ist, und stößt damit auf einen
Grundwesenszug biblischer Denk- und Sprechweise: Es werden Spannungen ausformuliert,
die sich dogmatisch nicht plattbügeln lassen. In der Theologie des Johannesevangeliums
wird die Sache noch einmal verkompliziert oder – je nach Sichtweise – vereinfacht:
Dort gibt es kein Welt-, sondern nur das Partikulargericht, und das findet
weder am Ende der Zeiten, noch am Todestag des Einzelnen statt, sondern im Moment
der Begegnung mit dem Messias, in der individuellen Entscheidung für den Heils-
oder Unheilszustand. Diese theologischen Gegensätze zwischen Paulus, den Synoptikern
und Johannes lassen sich nicht harmonisieren.
Dazu hat sich Friedrich dankenswerterweise schon geäußert. Ergänzend wäre
hinzuzufügen, daß
ὑπὲρ πολλῶν in der biblischen Sprache einfach „für die Menge“
bedeutet: etwas, das in großer Masse auftritt, eine nicht mehr zählbare Menge.
Nun kann man einwenden, daß das alles Erbsenzählerei ist – aber was sag ich;
Du formulierst es viel schöner:
Das ist doch gerade der Trick der etablierten Religion, um weiter bestehen zu können:
Steht etwas in der heiligen Schrift, was heutigem Verständnis von Ethik oder Vernunft
zuwiderläuft, kommen "Exegeten", die den angeblichen Sinn so herumdrehen,
daß die Menschen es wieder akzeptieren können.
[...]
Und diese Erklärung pflegt im Laufe der Jahrhunderte teilweise sehr unterschiedlich
auszufallen, je nach Zeitgeist und Interessen der Kirche...
Du hast insofern recht, als sich in der Auslegungsgeschichte immer etwas vom Zeitgeist
widerspiegelt, und einem Teil der heute eher verweltlichten Kirchen sind zentrale
Glaubensaussagen peinlich, weshalb sie so gequält herumdrucksen.
Du hast insofern unrecht, als diese Texte sperrig sind, voller Spannungen, so komplex
wie die darin abgehandelte Thematik. Die geistige Anstrengung, sie zu verstehen,
korreliert mit dem Inhalt – etwas, das Dir doch wenigstens von der Idee des ,hermetischen
Kunstwerks' her vertraut sein müßte. Religiöse Texte sprechen durch Bilder, und diese Bilder
erscheinen in einem für heutige Maßstäbe oft rätselhaften erzählerischen Zusammenhang.
Insofern braucht man – anders als Du sagst – wirklich „ein genaues Studium der Bibelquellen,
um die Grundaussagen der Kirche[n] verstehen oder auch kritisieren“ zu können.
Nun ist aber Deine ganze Herangehensweise falsch, sei es in polemischer Absicht,
sei es aus Unwissenheit: Du beginnst mit dem Eschaton, zäumst das Pferd also
von hinten auf, und das ist nicht nur beim Pferd die allerfalscheste Seite.
HG, Gomez
.