Klavierunterricht: Spezialisieren schon zu Beginn?

  • Ersteller des Themas cat.greeny
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Meine KL hat sich darauf eingelassen, die Musikstile zu mischen, wir haben einige Stücke aus der russischen Musikschule aber von Anfang an auch leichte Boogies, Rock und Blues-Stücke eingeübt. Ich wollte keinesfalls (wie als Kind gezwungermaßen) ständig langweilige Etueden und Tonleitern spielen müssen. Wenn ich jetzt mich überwiegend mit Boogies und Blues beschäftige, zum Einspielen werden auch die klassischen Stücke wiederholt.
 
Das ist genau die Arroganz, die ich meine, die dann auch zu Frustration und zum Abbruch führen. Einer Erwachsenen oder auch einem Teenager sollte man schon zutrauen zu wissen was sie will.
Ich bin ja auch erwachsene Anfängerin und wie gesagt sehr froh, auch mal mit der Nase auf was anderes gestoßen zu werden... das bereichert mich und gerade erwachsene oder ältere Schüler kriegen ja in der Regel dann auch den Mund auf, um mit dem/der KL ggf. Das Programm nachzujustieren.
 
Alex_S, die TE schrieb was von Ragtime. Ragtime ist kein Blues.
 
Das ist eine Definitionsfrage, Ragtime und Blues teilen sich aber jedenfalls sehr viele prägende Elemente, wie die Bluenote, Dur-Moll Verschränkungen, Synkopen usw.. Jedenfalls verbindet imo traditioneller Blues mehr mit Ragtime als ein Menuett oder Walzer. Schließlich gelten beide als wesentliche Grundlage des Jazz.

Aber letztlich ist es egal, ob Blues, Ragtime, Oberkrainer oder Walzer. Wenn ich einen Stil lernen will, sollte ich zum Fachmann gehen, nicht zu einem, der zwar das gleiche Instrument spielt, aber selbst zugibt vom dem gewünschten Stil keine Ahnung zu haben.
 
@Alex_S.
Du hast wahrscheinlich noch nie mit einem begeisterten Bluesgitarristen zusammen gewohnt (mir ging das nach 6 Monaten so auf den Sack, dass ich dankbar war, als er mit seiner Gitarre ausgezogen ist).

Meine Meinung nach gut 33 Jahren Beschäftigung mit Musik ... für Blues braucht man keinen Lehrer, wenn man die basics des Instrumentes beherrscht.
Die basics kann einem auch ein Klassiker beibringen, denn die unterscheiden sich kaum von denen, die man für Klassik braucht.

Noch was zu Akkorden: Terzen stapeln kann wirklich jeder und ohne Septimen und Nonen ist Jazz NUR langweilig (für meine Ohren jedenfalls).


@ Topic:
Spezieller Ragtime-Lehrer?
Wer Ragtime spielen will, ist bei einem "Allround"-Klassiker mMn bestens aufgehoben, denn der sollte einem alles (wirklich alles), was man für Ragtimes braucht, auch beibringen können ... er kann halt nur noch etwas mehr, was man für die meisten Ragtimes nicht zwingend benötigt, was aber auch nicht schadet.
Jemanden, der Ragtimes spielen können will, würde ich aber nicht unbedingt "Jesu meine Zuversicht" bis zum Erbrechen üben lassen.

Wenn mir ein KL sagt "Musikrichtung XY ist aber nicht meins" dann höre ich erstmal nur heraus, dass er sich damit bisher nicht beschäftigt hat, oder eben nur selten "XY" hört ... in keinem Fall würde ich davon ausgehen, dass er es einfach nicht kann. Gib dem Noten, und der spielt einiges eventuell sogar primavista. Gib ihm eine Aufnahme, und er wird auch das passende Feeling zuverlässig reproduzieren können.


Spezialisierung?
Eine Spezialisierung als Anfänger halte ich nicht für günstig ... die Gründe für meine Meinung wurden hier schon alle genannt. Ich fasse es mal in einen etwas philosophischen Satz: Eine getroffene Entscheidung bedeutet immer auch den Tod vieler Möglichkeiten.
Gerade ein Anfänger sollte sich aber mMn viele Möglichkeiten offen halten und ich denke auch, dass es bei Musik keine Zeitverschwendung gibt.

Spezialisieren sollte man sich erst, wenn man sicher weiß, dass man in eine bestimmte Richtung gehen will und seine Kapazitäten darauf konzentrieren möchte.

Improvisation sollte man ganz unabhängig vom präferierten Musikstil praktizieren ... und da ein wenig Harmonielehre dabei hilft, sollte man sich auch damit etwas beschäftigen.
 
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Ich wollte keinesfalls (wie als Kind gezwungermaßen) ständig langweilige Etueden und Tonleitern spielen müssen.

Wenn das für dich langweilig ist, machst du was falsch :D Aber im Ernst, es gibt so viele Dinge, auf die man achten kann und die man verbessern kann. Egal ob Etüde, Tonleiter oder Literaturstück - jeder Ton braucht die ganze Aufmerksamkeit und das gespannteste Ohr. Auch bei Tonleitern und Etüden konzentrierst du dich auf perfekte Balance der Hände, dass sie genau zusammen sind, dass es gleichmäßig ist... man kann sich eigentlich unendlich dort hineinversenken.
 
Das Problem bei reinem Tonleiterspiel ist, dass die musikalische Motivation fehlt, d.h. der Schülergedanke „Wozu mache ich das?“ wird nicht aus dem Tonleiterspiel heraus beantwortet. Es entspricht einem Musikunterricht, in dem z.B. in Jahrgang 8 der Trugschluss als reine Theorie unterrichtet wird, weil man in Jahrgang 10 das Brahms-Requiem unterrichtet, in dem der Trugschluss erkannt werden soll.

Es gibt von Thomas Rübenacker das Buch „Hast du Töne, Amadeus“ (ein richtig gutes, aber leider vergriffenes Kinderbuch!). Dort kommt die Karikatur eines Klavierlehrers vor, dessen Unterricht die organisierte Langeweile darstellt. Sein Leitsatz lautet: „Wer die Tonleiter nicht ehrt, ist der Sonate nicht wert.“
 
Habe mich vielleicht falsch ausgedrückt, wenn musikalisch nötig, habe ich nichts gegen Tonleitern zu üben oder auch mal eine passende Etüde. Als Kind musste ich immer nur Tonleitern oder Etüden üben. Das hat mir jegliche Freude am Klavier genommen obwohl ich mein ganzes Leben lang vor allem Klaviermusik in allen Genres geliebt habe.
 
Irgendwie wirft dieser Thread für mich die Frage auf, ob ausschließliches Spielen von klassischen Stücken ebenfalls eine vorzeitige Spezialisierung ist. Da gibt es einen Haufen Klassik Lehrer, die weder nach rechts oder nach links schauen.

Edith: Meiner zählt auch dazu...
 
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Ich habe damals bei meiner Klavierlehrersuche einige KL angerufen, die aber meinten, sie würden nur klassische Musik unterrichten.
 

Irgendwie wirft dieser Thread für mich die Frage auf, ob ausschließliches Spielen von klassischen Stücken ebenfalls eine vorzeitige Spezialisierung ist. Da gibt es einen Haufen Klassik Lehrer, die weder nach rechts oder nach links schauen.

Ist das nicht deren Job? Bei einem Lehrer für klassische Gitarre würde ich auch nicht erwarten "Eruption" zu lernen.
 
Irgendwie wirft dieser Thread für mich die Frage auf, ob ausschließliches Spielen von klassischen Stücken ebenfalls eine vorzeitige Spezialisierung ist. Da gibt es einen Haufen Klassik Lehrer, die weder nach rechts oder nach links schauen.

Bei der sogenannten klassischen Musik reden wir immerhin über einen Zeitraum von 400 Jahren.
Blues und Boogie stammen hingegen aus einer anderen Musiktradition, das halte ich für wenig vergleichbar.


Das ist eine Definitionsfrage, Ragtime und Blues teilen sich aber jedenfalls sehr viele prägende Elemente, wie die Bluenote, Dur-Moll Verschränkungen, Synkopen usw.. Jedenfalls verbindet imo traditioneller Blues mehr mit Ragtime als ein Menuett oder Walzer. Schließlich gelten beide als wesentliche Grundlage des Jazz.

Grundlage des Jazz schon, aber sonst bin ich anderer Meinung. Der Ragtime spielt sich wie ein synkopierter Marsch und wenn man sich an den Rhythmus gewöhnt hat, ist der für den "Klassiker", der sich Märschen befasst hat, ein Selbstläufer. Beim Blues hingegen dürfte er selbst bei vollständigem theoretischen Verständnis erst mal kein Land sehen.
 
Wenn ich einen Stil lernen will, sollte ich zum Fachmann gehen, nicht zu einem, der zwar das gleiche Instrument spielt, aber selbst zugibt vom dem gewünschten Stil keine Ahnung zu haben.
Lieber Alex_S,

@cat.greeny präferiert als Stil zwar Ragtimes, ist aber noch absolute Anfängerin und möchte in erster Linie Klavierspielen lernen.

Die klassische Musik als Überbegriff enthält in sich schon sehr viele Stilepochen, Stile und musikalische wie technische Anforderungen. Barock, Klassik, Romantik, Impressionismus, Moderne ... sind sehr, sehr vielfältig und bilden die Basis der Klaviermusik. Ob Rachmaninoff oder Bach, ob Ligeti oder Mozart, ob Chopin oder Beethoven - es gibt dort so unendlich viel zu hören und zu erleben, dass du nicht diese ganze Welt dem Stil des Ragtimes entgegensetzen kannst.

Eventuell wäre ein guter Jazzlehrer die Alternative. Im Jazz gibt es auch sehr viele verschiedene Stile und bei einem guten Jazzlehrer wäre @cat.greeny sicherlich auch gut aufgestellt. @hasenbein(Jazzlehrer) z.B. erarbeitet auch klassische Stücke und ist breit aufgestellt.

Gute Jazzlehrer scheinen aber eine seltene Spezies zu sein, zumindest ist das meine Erfahrung. Und die Frage ist auch, ob @cat.greeny Jazz generell überhaupt gefällt.

Also ist die aus meiner Sicht beste Alternative, einen klassischen Lehrer zu finden, der auch Improvisation in den Unterricht einfließen lässt und in andere Stilarten hineinschnuppert. Ich kenne keine klassischen Klavierlehrer, der nicht auch Ragtime, Pop- und Filmmusik mit ihren Schülern erarbeiten. Ragtimes wurden auch von Gershwin, Debussy, Strawinsky u.a. komponiert - sie gehören durchaus auch zum klassischen Repertoire. Auch die technischen Voraussetzungen wie Sprünge links, weitgriffige Akkorde rechts, virtuose Geläufigkeit lernt man neben einer sehr differenzierten Anschlagskultur im klassischen Klavierunterricht.

Ich würde niemanden unterrichten, der Blues und Jazz ernsthaft lernen möchte. Trotzdem sind solche Elemente auch in meinem Unterricht zu finden - ich habe aber nicht die Kompetenz, da mehr als "Hineinschnuppern" zu bieten.

Insofern schließe ich mich der Mehrheit an, die einen klassischen Klavierlehrer (je nachdem/bei Interesse auch einen Jazz-Klavierlehrer) bevorzugt, der offen ist für andere Stilrichtungen. Es kann auch sein, dass sich beim Kennenlernen, Erleben und Spielen so vielfältiger und unterschiedlicher Musik noch ganz andere Welten auftun! :)

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich habe damals bei meiner Klavierlehrersuche einige KL angerufen, die aber meinten, sie würden nur klassische Musik unterrichten.
Die guten Jazzer, die unterrichten könnten, haben halt alle Gigs (Ausnahme Corona), die haben keine Zeit zu unterrichten. Da haben es klassische Musiker schwerer, die will abseits der ganz großen keiner hören, die müssen dann eben unterrichten.
 
Die guten Jazzer, die unterrichten könnten, haben halt alle Gigs (Ausnahme Corona), die haben keine Zeit zu unterrichten. Da haben es klassische Musiker schwerer, die will abseits der ganz großen keiner hören, die müssen dann eben unterrichten.
Was natürlich Unsinn ist. Klassische Musik ist beliebter denn je (siehe z.B. den Andrang bei klassischen Konzerten in der Hamburger Elbphilharmonie). Jazz dagegen fristet ein Nischendasein. Echter Jazz ist eben Kunstmusik, während Tschaikowskys Klavierkonzert b-moll in gewisser Hinsicht als Popmusik betrachtet werden kann.
 
Sorry habe ich vergessen, in der Elbphilharmonie treten ja die ganzen Nonames auf, Du hast recht ;)

In der Elbphilharmonie treten tatsächlich auch Nonames auf, und selbst diese Konzerte sind voll. Allerdings sind das auch die, bei denen nach der Pause die Halle halb leer ist, weil die Leute einfach nur "Elbphilharmonie" gelesen haben, als sie die Busreise mit Konzertbesuch gebucht haben.
 

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