Barratt
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Aber schon bei mir zu Hause fange ich zu "Murksen" an, wenn Gäste bewußt anfangen zuzuhören. Zuerst wird der Anschlag und der Klang schlechter und dann häufen sich auch grobe Fehler. Was kann man gegen den Effekt tun? Interessanterweise wurde das im Laufe der Zeit schlimmer.
"Lampenfieber" ist ein systemischer Instinkt, ein Derivat der Todesangst, und evolutionär bedingt. Sitzt also ganz tief in uns drin. Vernünftige Überlegungen (im Sinne von "Was kann denn schlimmstenfalls passieren? Ich blamiere mich. Na und?") bringen in aller Regel leider überhaupt nichts. Die Biochemie bietet die Möglichkeiten: flight, fight, freeze.
Flucht scheidet aus (es sei denn, man wählt die Variante "Erkrankung" oder gar Selbstverletzung = flight).
Es hilft nur Expertise, womit man das Lampenfieber (wie @rolf es beschreibt) produktiv sublimieren kann (fight), mitunter auch Abstumpfung ("Routine" = die Erfahrung, dass die Situation nicht so gefährlich ist, wie sie sich darstellt). Bei Dir wurde es im Laufe der Zeit schlimmer, weil die Pianistik vermutlich wichtiger geworden ist für Dich. Je mehr man sich mit einer "Sache" identifiziert und je deutlicher man sich gleichzeitig der Grenzen der eigenen Expertise bewusst ist (je mehr man kann, desto unbarmherziger weiß man um das, was man noch nicht kann oder was andere besser können oderoder), desto weniger kann man Lampenfieber produktiv umwandeln in konzentrierte Höchstleistung (fight) und desto eher besteht die Gefahr grober Schnitzer oder gar eines Blackouts (freeze).
Lampenfieber birgt umso realere Gefahr tatsächlichen Versagens (Freeze-Effekt), je geringer das Methodenarsenal ist, um die Situation zu meistern oder gegebenenfalls "retten" zu können (Fight-Effekt). Je größer die Expertise, desto größer die Chance, dass Lampenfieber mehr beflügelt (fight) als lähmt (freeze).
Es gibt aber gewiss nicht wenige Menschen, die TROTZ reifer Expertise unter Blockaden leiden. Sie können tolle Klavierlehrer sein oder privatim die Sterne vom HImmel spielen, aber auf der Bühne wird man ihnen nicht begegnen.