Lieber Olli,
ich bin in einigem anderer Meinung. Zunächst mal wundere ich mich:
Allerdings ist auch haltloser Unsinn - in einigen Beiträgen von beispielsweise Tastenmiki, von dem ich ja zu Beginn erst dachte: Mensch, der kann ja denken!
heißt das, dass du zu Beginn, also mit seinem ersten Beitrag (=besagte Kritik) einen positiven Eindruck von Tastenmiki hattest? Dann verstehe ich deine Kritik hier wiederum nicht.
a ) Kritik ist notwendig und gut, sie greift aber nur dann im Sinne der Kritikers ( und ist auch nur dann im Sinne des Kritisierten hilfreich ), wenn sie auf Augenhöhe stattfindet, und beide Seiten ihre Kompetenz unter Beweis stellen.
Ja, aber beide Seiten müssen nicht DIR ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Hier im Forum ist der Beweis von Kompetenz ohnehin schwierig. Jeder kann sagen, was er will, wer er angeblich ist, Aufnahmen können getürkt sein und man müsste schon ein Video präsentieren, welches die Anonymität preisgibt - und wer weiß schon, ob die abgebildete Person wirklich der entsprechende User ist.
Daher sollte ein Forum die
Inhalte der Beiträge diskutieren.
b ) Es sollten Hintergrundinformationen über Ausübende UNBEDINGT den Kritikern bekannt sein, mein Stichwort "Pogorelich" ist da m.E. ganz maßgeblich.
Denn wenn z.B. eine junge Pianistin irgendwas spielt, aber 20 Minuten vorher hat jemand ihren Hund überfahren, wirkt sich das mit Sicherheit auf ihr Spiel aus - aber von diesen Vorgeschichten wüsste der Negativ-Kritiker nichts, sondern tutet in sein Horn wie eh und je.
Da bin ich leider ganz anderer Meinung. Es wird rezensiert, wie dieser Abend war und es ist völlig unprofessionell, jede mögliche Befindlichkeit, die aus privater Sicht sehr verständlich ist, als Entschuldigung zu nehmen. Volodos sagte mal, nur zwei Konzerte im Jahr wären wirklich perfekt - als Pianist muss man Enormes leisten, manchmal hat man gar keine Lust, die Stücke zu spielen, die gespielt werden sollen (Gulda sagte, dass er deshalb vorwiegend freie Programmwahl bevorzugte), manchmal ist man halb krank u.v.a.m.. Wirklich gute Pianisten schaffen es aber auch an schlechten Tagen, ihr Publikum zu begeistern, weil sie, auch wenn sie ihr eigenes Niveau unterschreiten, trotzdem noch super sind.
d ) Darum ist eine Lobby, die haltlose Negativkritiken einesteils NACHPRÜFT, andererseits dazu Stellung nimmt, und zwar in dem Maße, wie die Negativkritik inkompetent und vom Kritiker die Konzepte nicht gezeigt und vorgemacht werden können, vonnöten.
Die Lobby bist aber nicht du. Ich glaube, dass das Publikum wie auch die entsprechenden Fachkreise ein Gegengewicht bilden. Jeder weiß, dass Kritiken eine subjektive Meinungsäußerung darstellen, dass nicht jeder Kritisierte immer Höchstleistungen bringen kann, dass Kritiker nicht Recht haben müssen. Ich glaube, dass die Menschen Kritiken sehr wohl einordnen können - nicht umsonst scheren sie sich manchmal einen Deut um Kritiken, nicht umsonst wird über Kritiker gern gelästert. :p
f ) Selbst bei Kritiken NEGATIVER ART, die von KOMPETENTER Seite erfolgen, sollte von Fall zu Fall abgewogen werden, ob man bei den ermittelten Hintergründen ( "Anfang der Karriere", "Hohes Alter", "Katze verstorben" usw. ) nicht lieber positive Worte finden mag. Dies wäre dem Fortkommen ALLER Beteiligten dienlich, und sät keinen Wind, aus dem ein Sturm entstehen könnte.
Das ist ein Punkt, über den man absolut diskutieren kann. Und Tastenmiki hat hier doch auch seine Kritik ausdrücklich zur Diskussion gestellt und nicht absolutistisch gesagt "Leute, ich bin Musikredakteur, war neulich auf dem und dem Klavierabend und es war einfach schrecklich ....o.ä.." Man kann tatsächlich darüber diskutieren, inwieweit man Eindrücke gewichtet. Erlebt man die pianistische Kunst von Demus als so eindrücklich (wie z.B. Fips und Destenay oder auch der Kritiker der zweiten Rezension), dass Ungenauigkeiten, Textfehler o.ä. völlig hintenan stehen oder stören diese bei zwei (!) Stücken (Bach und Beethoven) so, dass man zwar noch die wunderbaren Momente wahrnimmt, aber der persönliche Hörgenuss bei diesen zwei Stücken ziemlich beeinträchtigt ist?
Ich finde es spannend, darüber zu diskutieren und - ich sagte es bereits - ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Pianist von solchem Kaliber wie Demus sich über irgendeinen Kritiker ausregt, der in einem Klavierforum postet. Lang Lang hat sich hier auch noch nicht beschwert, obwohl er durchaus Grund dazu hätte. :D
So leid es mir auch tut - und hier spreche ich auch Destenay an, den ich, wie er genau weiß, sehr (!) mag und schätze - so kann ich aus der ausdrücklich persönlichen Einschätzung Tastenmikis keine Beleidigung erkennen. Im Gegenteil erkenne ich Fachkenntnis. Auch das ist nur mein persönlicher Eindruck und wird mit Sicherheit von anderen anders gesehen werden.
Leider sind im Verlauf dieses Fadens dann von allen Seiten Beleidigungen gefallen, die die Situation nun nicht gerade entschärft haben. Und nun haben wir den Salat. :) Jeder regt sich zu Recht über manche Dinge auf und vergisst, was er selbst gesagt hat. Ich schlage vor, dass man es einfach so stehen lässt, wie es nun ist. Vielleicht gibt es auf privater Ebene noch Möglichkeiten zur Einigung.
Ich nehme trotzdem aus diesem Faden mit, dass ich es sehr bedaure, bei dem Klavierabend nicht dabei gewesen zu sein - nicht nur die 111 von Demus interessiert mich sehr!
Liebe Grüße an alle!
chiarina