Klassik und freies Klavierspielen - Geht das überhaupt?

Im Alter noch Klavierspielen zu lernen ist auf jeden Fall erreichbar, aber es muss effizient gestaltet werden, damit es sinnvoll und realistisch ist.
Du bist ja bereits an tollen Stücken wie Saties Gymnopédies und Bachs Invention 1 dran. Damit bist Du doch nach 1,5 Jahren gut dabei.

Im Alter spielt Zeit aber eine Rolle, und es muss möglich sein, einen Weg zu finden, mit dem man Klavierspielen in Monaten lernen kann, nicht Jahren. Natürlich nicht "Klavierspielen" im Sinne von alles beherrschen, sondern "Klavierspielen" im Sinne von: Es macht mir Spaß, mich auf dem Klavier zu bewegen und die Töne, die ich ihm entlocke, kann man anhören.
Es sollte allerdings von Beginn an Spaß machen. Ich würde nicht erwarten, wenn es jetzt noch keinen Spaß macht zu spielen, dass der nach Monaten effizienten Übens dann plötzlich kommt. Beim Klavier lernen in Monaten zu denken, ist zu ungeduldig denke ich.
 
Als Beispiel: Das mit dem Bass ist mir damals schon beim Präludium aufgefallen, und da habe ich schon mal angefangen, die Akkorde zu bestimmen, um das besser lernen zu können. Dabei habe ich gemerkt, dass ich da eben ein großes Defizit habe. Ich kann dieses Stück spielen – also alle Töne treffen und im Takt bleiben –, aber ich weiß oftmals nicht, was für ein Akkord das ist, sodass ich schnell da hinspringen könnte. Das ärgert mich jetzt so, dass ich das lernen will. Denn ich glaube, das wäre bei jedem Stück, wenn man es lernt, eine große Hilfe.
 

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aber ich weiß oftmals nicht, was für ein Akkord das ist, sodass ich schnell da hinspringen könnte
Um mich hier mal ganz blöd zu outen. Ich kann den Akkord benennen, aber einfach wissen tu ich das auch nicht. Genau genommen weis ich nichts darüber. Ich könnte dir auch nicht sofort auf den ersten Blick sagen ob das Tonika oder Dominante oder dominant Parallele in irgendeiner Umkehrung ist oder in welche Tonart moduliert wurde oder oder oder. Ich würd auch gern mehr „erkennen“ aber ich hab das nie gelernt und vor allem eines nicht „jahrelange Praxis so zu analysieren“. Was bleibt mir dann? Wenn ich wissen will was „passiert“ spiele ich langsam und höre hin. „Entsteht Spannung? Durch welchen Ton. Wie löst sie sich auf? Strebt es irgendwo hin? Was klingt da noch? Ist es relevant? Folgt es einem Muster? Gehört das zu irgendwas dazu? Wenn mir dann sowas auffällt versuche ich es „erkennbar“ zu gestalten. Den Notentext muss ich mir genau angucken was mit was zusammenklingen soll und was nicht. Benennen könnte ich nichts davon.
Jetzt gibts sicher einige die meinen „um Gottes Willen! Wie kannst du nur xyz spielen und das alles nicht wissen! Das geht so nicht!“ oder man spielt einfach, versucht hinzuhören und reinzuspüren und dann „nachzuholen“ was man vielleicht an theoretischen Kenntnissen noch brauchen kann. In allem steht eines für mich an erster Stelle „die Freude am tun“ und dann fügt sich der Rest ohne Druck von ganz allein. Ich möchte auch mehr über „des Pudels Kern“ wissen. Mich stört langsam dass ich sowenig weiß. Aber ich bin mir sicher, selbst wenn ich es lerne, werde ich noch lange lange lange nicht in der Praxis davon profitieren. Es zu wissen, reicht nämlich leider nicht.
 
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Auf YT gibt es den Kanal Capella academy.
Dort wird der Generalbass und dessen Anwendung fürs Klavier leicht verständlich erklärt.



Ob's was taugt?
Mir als Generalbassunbelecktem Klimperer kommt es recht brauchbar rüber, aber was weiß ich schon...?:konfus:
 
Hmm, aber wenn der Weg das Ziel ist, dann ist ankommen doch sch...
... schlecht ... :konfus:
 
Hmm, aber wenn der Weg das Ziel ist, dann ist ankommen doch sch...
... schlecht ... :konfus:
Nein.
Das Problem mit uns Menschen ist nur, dass wir niemals ankommen.
Die Freude über ein erreichtes Ziel währt jeweils nur kurz.
Dann muss schon wieder etwas Neues her, das uns die angestrebte Befriedigung bringen soll.
Wenn du also keine Freude am Weg aufbringen kannst, ist die ganze Sache ziemlich sinnlos, weil sie nie enden wird.

Deswegen üben sich beispielsweise diverse spirituelle Strömungen in Verzicht.
Verzicht schadet übrigens auch nicht, wenn man nicht spirituell veranlagt ist.
 

Hmm, aber wenn der Weg das Ziel ist, dann ist ankommen doch sch...
... schlecht ... :konfus:
Dem würde ich voll und ganz zustimmen. :-) Wenn der Weg das Ziel ist, nimmt man sich die Freude am Ankommen. Normalerweise freut man sich, wenn man sein Ziel erreicht, nach einem langen Tag auf der Autobahn endlich ins Bett sinken und schlafen kann, vielleicht jemanden wiedersieht, den man lange nicht gesehen hat oder an einer Veranstaltung teilnimmt, auf die man sich gefreut hat, aber beim Klavierspielen lernen wird einem das versagt. Weil es immer nur ein Schritt auf einem Weg ist, der nie endet.

Das ist psychologisch betrachtet ungünstig, denn jeder Mensch braucht eine Belohnung, sonst macht er nicht weiter (außer sein Leben ist bedroht und er kämpft dagegen an, zu verdursten oder zu verhungern. Dann ist die Belohnung das Überleben oder die Hoffnung darauf. Das ist aber in diesem Fall nicht gegeben ;-)).

Deshalb werfen auch so viele das Handtuch, glaube ich. Vor allem, wenn man entweder autodidaktisch lernt und keinen richtigen Plan hat, oder auch, wenn man eine/n schlechte/n Lehrer/in hat, wo man nicht weiterkommt. Oder das Gefühl hat, nicht weiterzukommen. Manchmal kommt man ja weiter und merkt es selbst gar nicht so, weil die Fortschritte klein sind.

Da kommen die kleinen Zwischenziele ins Spiel. Wenn man nur ein ganz großes Ziel hat, wird es vielleicht schwierig werden (je nachdem, was für ein Mensch man ist), denn es dauert lange, das zu erreichen, und da kann man dann metaphorisch gesprochen auf dem Weg dahin verhungern. Aber ein kleines Ziel, das ich heute, diese Woche oder diesen Monat erreichen kann, kann mich am Laufen halten. Denn dann bekomme ich meine Belohnung (im Kopf, im Belohnungszentrum im Gehirn), sobald ich dieses kleine Ziel erreicht habe, auch wenn das große Ziel noch in weiter Ferne ist.

Aus diesem Grund würde ich sagen, nicht der Weg ist das Ziel, sondern das nächste kleine Zwischenziel, der nächste Meilenstein auf dem Weg, ist das Ziel, das ich erreichen will und für das ich mir dann auf die Schulter klopfen kann. So hangelt man sich von kleiner Belohnung zu kleiner Belohnung und wird nie müde, das große Ziel zu verfolgen. Selbst wenn man es tatsächlich nie erreicht. Man hat aber immer das Gefühl, man hätte zumindest ETWAS erreicht.

Deshalb habe ich mir jetzt kleine Meilensteine gesetzt. Ich habe einen Plan für die nächsten drei Monate gemacht, alle Tonleitern ordentlich spielen zu lernen. Jede Woche eine neue Tonleiter, in 12 Wochen also alle 12 Tonleitern durch. Dafür habe ich mir ein kleines Buch mit allen Tonleitern, Akkorden und Kadenzen gekauft (https://www.alfredmusic.de/instrumente/the-basic-book-of-scales-chords-arpeggios-cadences.html), damit ich das ganz gezielt angehen kann. Wenn ich die dort angegebene "Große Form" erreicht habe, ist das auf jeden Fall ein großer Schritt.

Gleichzeitig die 1. Invention von Bach für den nächsten Monat. Wenn ich länger als 3 oder 4 Wochen brauche, um die zu lernen, ist sie noch zu schwer für mich. Glaube ich aber nicht. Ich habe jetzt damit angefangen, und die ersten 5 Takte sind bis zur nächsten Klavierstunde fällig. Danach dann im nächsten Monat die nächste Invention und im darauffolgenden Monat die nächste. Denn die gefallen mir wirklich gut. Da bleibe ich motiviert. Kein Stück und kein Komponist kann mich bis jetzt so motivieren wie Bach. Er hat einfach etwas, das die anderen nicht haben. :-)

So habe ich nun einen Plan für die nächsten 3 Monate, alle Tonleitern, Akkorde, Kadenzen und dazu 3 Inventionen. Das ist überschaubar und klar, und sobald ich das erreicht habe, habe ich den ersten etwas größeren Meilenstein passiert. Dann kommt der nächste Meilenstein, den ich auf dem Weg sehen kann. Welcher das ist, weiß ich jetzt noch nicht. Das werde ich dann mit meiner Klavierlehrerin zusammen festlegen.

Ich fand immer, dass "Der Weg ist das Ziel" ein sehr zweischneidiger Spruch ist. Er kann motivierend sein, aber er kann auch sehr demotivierend sein, wenn man das Ziel nicht sehen kann oder gerade ein Tief hat und den Weg nicht besonders spannend oder inspirierend findet. Wenn man sich aber ein kleines Zwischenziel setzt, das man schon am Horizont sehen kann, bewegt man sich leichter darauf zu. Wie bei einer Bergwanderung, wo man zwar den Gipfel erreichen will, aber sich zuerst einmal das Ziel setzt, die nächste Hütte zu erreichen oder was immer auf dem Weg liegt. Hätte man immer nur den Gipfel vor Augen, könnte man leicht den Mut verlieren, aber die nächste Hütte oder die nächste Lichtung oder der nächste Aufstieg, das ist erreichbar. Und zum Schluss kommt man dann auf dem Gipfel an.

Auch beim Klavierspielen kommt man irgendwann auf seinem eigenen persönlichen Gipfel an. Bei dem, was man mit seiner Zeit und seinen Fähigkeiten erreichen kann. Und wo man den Ausblick genießen kann. Auch wenn es vielleicht noch einen höheren Gipfel gibt, den man nicht erreichen kann, der nur für Profis reserviert ist, die von ihrem 3. Lebensjahr an jeden Tag 12 Stunden geübt haben. Aber das ist nichts, was man anstreben oder erreichen muss, wenn man erst später im Leben mit dem Klavierspielen anfängt. Deshalb muss man sich darüber keine Gedanken machen.

Also nicht "Der Weg ist das Ziel", sondern "Der nächste sichtbare oder in relativ kurzer Zeit erreichbare Meilenstein ist das (Zwischen)Ziel". Damit kommt man bestimmt auf die Dauer Stück für Stück weiter. :-D
 
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Ja, genau, eine Fata Morgana ist sehr demotivierend. Sobald man erkennt, dass es eine Fata Morgana ist. Solange man glaubt, da ist wirklich Wasser, kriecht man weiter durch die Wüste. Und verdurstet.

Das sollte beim Klavierlernen nicht das Ziel sein. Deshalb muss man sich immer ein bisschen echtes Wasser zwischendrin zuführen. Eine Fata Morgana bringt einen leider nirgendwo hin, aber eine kleine Oase nach der anderen kann helfen. :-D
 
Der Weg ist das Ziel" ein sehr zweischneidiger Spruch ist. Er kann motivierend sein, aber er kann auch sehr demotivierend sein, wenn man das Ziel nicht sehen kann oder gerade ein Tief hat und den Weg nicht besonders spannend oder inspirierend findet.
Dann liegt der Fehler im „weg nicht inspirierend finden“ bereits begründet. „Es ist doch wunderschön sich damit befassen zu dürfen“ richtig. „Es macht Spaß kniffelige Schwierigkeiten bewältigen zu wollen“ richtig.
Wie bei einer Bergwanderung, wo man zwar den Gipfel erreichen will, aber sich zuerst einmal das Ziel setzt, die nächste Hütte zu erreichen oder was immer auf dem Weg liegt. Hätte man immer nur den Gipfel vor Augen, könnte man leicht den Mut verlieren, aber die nächste Hütte oder die nächste Lichtung oder der nächste Aufstieg, das ist erreichbar. Und zum Schluss kommt man dann auf dem Gipfel an.
Das klingt bissl wie bei Heidi 😁. Meine (persönliche) Meinung ist eine andere. Erstens kannst du nie wissen ob du den „Gipfel“ erreichst, weil du nicht weist wie der für dich aussieht (und genau das ist schon mal das erste Schöne an der Sache). Zweitens wird ein Instrument so Komplex, dass man sich schwer tut überhaupt „Zwischen-Hütten“ zu erkennen. Und ich meine dass das der Grund ist, warum viele das Handtuch werfen, weil sie „keine Hütten mehr sehen“. Statt sich an der Natur, dem Gehen, dem Atmen, dem Leben zu erfreuen und irgendwann vielleicht (wenn eine da ist) ein Bier auf einer Hütte genießen.
 
Also nicht "Der Weg ist das Ziel", sondern "Der nächste sichtbare oder in relativ kurzer Zeit erreichbare Meilenstein ist das (Zwischen)Ziel". Damit kommt man bestimmt auf die Dauer Stück für Stück weiter. :-D
Genau das ist doch gemeint. Der Weg ist das Ziel - jeder Schritt ist ein Zwischenziel. Man soll sich über die einzelnen Schritte freuen.
 

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