Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?

Ist es nicht sowieso abartig, Kunst bewerten zu wollen?
In Fachkreisen kommt man manchmal nicht darum herum.
Erklärungen und vorgesetzte Deutungen nehmen dem Betrachter jegliche Möglichkeit der Auslegung und sogar Bildnamen sind höchst suggestiv.
Ein Bildname, so er denn vorhanden ist, gehört für mich zum "Gesamtkunstwerk Bild" mit dazu, den empfinde ich als legitimen Teil der künstlerischen Gesamtaussage.

Allerdings im Prinzip nichts, was noch darüber hinausgeht... (Erklärungen etc.).
 
Um überhaupt interpretieren zu können, benötigt der hoffnungsvolle Interpretationswillige in jedem Fall handwerkliche Fähigkeiten, die die Realisierung, das Verstehen, die Analyse und tiefere Durchdringung überhaupt erst möglich machen.
Ergänze: eine "Analyse" muss nicht unbedingt rational-verstandesmäßig erfolgen - das geht auch intuitiv.
Jemand, der das Werk gar nicht spielen kann, kann es erst recht nicht interpretieren.
Richtiger ist: man muss seine eigene Interpretation eines Werkes sauber spielen bzw. darbieten können. Es gibt auch Interpretationen von Weltklassepianisten, die gehen in den technischen Anforderungen weit über das hinaus, was der Komponist in der Partitur notiert hat (zum Beispiel in Sachen Geschwindigkeit).
Jemand, der keine Kenntnisse hat, um die Strukturen, Entwicklungen und musikalischen Elemente zu verstehen, kann das Werk nicht interpretieren.
Ergänze auch hier: intuitives Verstehen genügt.
Wenn ich nicht weiß, was Phrasierung bedeutet, kann ich nicht die vielen Möglichkeiten der Gestaltung erkennen, die eine Phrase bietet. Ich kann auch leider nicht die Möglichkeiten erkennen, die diese Phrase NICHT bietet. Wie soll ich da interpretieren können?
Wenn ich aufgrund profunder Erfahrung und Beschäftigung mit Musik ein Verständnis davon habe, wie man Musik allgemein und im Detail gut gestaltet, dann genügt das für's Musizieren.

Allerdings umfasst "Musik allgemein und im Detail gut gestalten" nun mal so einiges.
Der Erfolg großer Pianisten beruht nicht auf ihrer großen Virtuosität (die haben andere auch), sondern auf ihrer Interpretation und Durchdringung eines Werkes, die so zwingend ist, dass wir atemlos lauschen.
Atemlos lauschen, von Musik gefesselt sein, die berühmte Stecknadel fallen hören, das passiert weniger aufgrund einer "Durchdringung eines Werkes", sondern vielmehr, wenn etwas besonders beeindruckendes in Sachen Musikalität und Klang im Konzertsaal geboten wird (Horo sagte einmal „Es ist die Stille, die zählt, nicht der Applaus. Jeder kann Applaus haben. Aber die Stille, vor und während des Spiels, das ist das Größte." - ich hoffe, das Zitat ist authentisch)
Sie hören viel mehr, wissen viel mehr, verstehen viel mehr als andere, können das alles klanglich umsetzen und das spürt und hört das Publikum, auch wenn es keine Einzelheiten benennen kann.
Diesem würde ich nicht unbedingt widersprechen. Aber nicht nur Wissen, und Verstehen, spielen eine Rolle in der Musik - die Emotion ebenfalls. Musik berührt. Ich meine irgendwo gelesen zu haben, es gibt überhaupt keine Musik, die keine emotionale Reaktion beim Menschen hervorruft.

Wir sollten uns im Grunde immer darum bemühen, viel und viel positive Emotion beim Zuhörer zu wecken. Aus diesem Grund gehen Leute in Konzerte, bzw. in dieser Erwartung klickt jemand einen Youtube-Link oder ähnliches.
P.S.: Was den von @Dreiklang immer wieder verwendeten Begriff Musikalität angeht, so kann das einerseits eine gewisse musikalische Begabung meinen. Diese Begabung aber muss ausgebildet werden. Begabte Menschen spielen z.B. die unterschiedliche Spannung von unterschiedlichen Intervallen oft intuitiv richtig. Es wird aber noch ein ganz anderer Schuh draus, wenn sie diese Spannung BEWUSST reflektieren, wahrnehmen und benennen können, indem sie Intervalle singen, hören, erkennen u.v.a.m. Dann verbindet sich Intuition mit Reflexion und der Ausdruck sowie das Verstehen und letztlich Deuten wird eine ganz andere Qualität haben.
Ich würde aus drei Gründen auf's Singen im Klavierunterricht verzichten: a) manche können's nicht b) manche wollen's nicht c) Gesangsunterricht haben sie nicht bestellt, sondern Klavierunterricht.

Sprich: ich würde als KL da wohl andere didaktische Lösungen suchen, die dann auch mit dem Klavier zu tun haben.
Umgekehrt sieht man daran, dass Begabung, um gut spielen zu können und in der Lage zu sein, tatsächlich "interpretieren" zu können, zweitrangig ist und so ziemlich jeder lernen kann, Intervalle zu hören etc. und seine musikalischen Fähigkeiten, also seine Musikalität auszubauen, so dass die Voraussetzungen für eine Interpretation geschaffen sind! Dazu gehören eine intensive Schulung des Gehörs (daher auch die von mick empfohlene Überprüfung durch Singen) im Verbund mit Kenntnissen in Harmonielehre, Formenlehre, Tonsatz etc. und natürlich die Fähigkeiten, das alles technisch und klanglich umzusetzen. Da sieht man auch schön, dass man Technik vom Klangwillen, von musikalischen Fähigkeiten nicht trennen kann.
Ein wenig stört mich das rein Wissenschaftliche. Ich z.B. habe nie eine Musikakademie von innen gesehen, trotzdem traue ich mir Interpretationen durchaus zu - wenn sich ein Stück von der technischen Seite her gut in den Griff kriegen läßt.

"Interpretation" allerdings als Begriff richtig verstanden - und nicht so, wie mir das ein Schlaumeier einmal vor zehn Jahren phantasievoll-kreativ verklickern wollte (also das strikt-werktreu-Beschäftigungs-BlaBla, siehe auch #82)

Nicht so geschmeckt hat mir, wie Du Brendel zitiert hast, der Beleidigungen über andere Pianisten austeilt. Von Beleidigungen bin ich generell kein großer Freund. Vielleicht nehme ich mir Brendel, und was er da gesagt hat, nochmal vor.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dreiklang

Dein intuitives Bewertungsskriterium lautet, abzüglich der vielen Worte: "Gefällt mir" vs. "Geht nich so an mich ran". :001:



Das ist legitim. Man sollte jedoch nicht das Label "Musikverständnis" drauf pappen.
 
Ergänze: eine "Analyse" muss nicht unbedingt rational-verstandesmäßig erfolgen - das geht auch intuitiv.

Am besten wird die Analyse gelingen, wenn man das Hirn abschaltet und sich ausschließlich vom Gefühl leiten lässt! :blöd:

Ihr werdet es jetzt nicht glauben - aber manchmal ist Clavio so langweilig, dass ich tatsächlich am Klavier sitze und übe.
 
@mick etc. Sagen wir mal so: wenn man eine (formal überzeugende) Sonate selbst komponieren will, sollte man sich vielleicht besser doch nicht darauf verlassen, was einem eine eher intuitive Beschäftigung mit dieser Musikform so mitteilt. Da empfiehlt sich besser eine andere Herangehensweise.

Aber im Moment ist mir mehr nach etwas Unterhaltung.

Brendel:
Es gibt Musiker, die behauptet haben, dass die Musik erst entsteht, wenn sie zum Klingen kommt. Aber ich bin da anderer Meinung. Die Musik existiert schon in der Partitur, sie schläft.

3K:
Bei Unklarheiten darüber, wie man den Begriff "Musik" am besten definiert (und/oder den Begriff "Partitur"), kann man ja mal darüber nachdenken...

Brendel:
Der Interpret hat das Privileg, sie aufzuwecken oder vielmehr: sie wachzuküssen.


3K:
Au ja genau, das machen wir. Aber bitte nicht sie unsanft wachrütteln, oder mit einem kalten Eimer Wasser überschütten; und wenn sie noch im Halbschlaf dahindämmert, oder unwillig bäh-bäh macht, dann wäre das auch nicht so gut.

Brendel:
Ich wittere in Ihnen eine gewisse Vorliebe für exzentrische Tastenlöwen. Was ist schlimmer: Werkgerechtigkeit oder Selbstgerechtigkeit? Lassen wir Gerechtigkeit beiseite. Von den Werken sollten..."

3K:
Wenn ich Sie an dieser Stelle kurz unterbrechen darf: wen meinen Sie damit? Horowitz? Ich meine irgendwo gelesen zu haben, Sie hören sich diesen Pianisten sowieso gar nicht erst an.
Wie dem auch sei - ich wäre damit vorsichtig, Virtuosität am Instrument grundsätzlich zu verdammen; für manche Werke der Klaviermusik ist sie bekanntlich förderlich. Und eine besondere "Virtuosität im Kleinen", Sie wissen schon, was ich meine, meisterhafte Klangfarben, kann Klaviermusik ebenfalls schöner und reizvoller machen, in den Ohren der Zuhörer.
Des weiteren finde ich es etwas gewagt, Virtuosen, die im Konzertsaal ihre eigenen musikalischen Ideen zeigen möchten, pauschal charakterliche Schwächen zu unterstellen.
Ein Vorschlag meinerseits: lassen wir die Geschichte entscheiden. An wen werden sich die Menschen auf der ganzen Welt in einigen Jahrzehnten wohl noch erinnern, wen werden sie wohl mit Klavierspiel schlechthin in Verbindung bringen, wird das Ihr Name, oder der von Horowitz sein?

Da sich unsere Sendezeit langsam dem Ende zuneigt, bedanke ich mich für Ihre Zeit, und wünsche Ihnen noch alles Gute.

Brendel:
Auf Wiedersehen, Herr... wie war noch gleich Ihr Name?

... ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Bildname, so er denn vorhanden ist, gehört für mich zum "Gesamtkunstwerk Bild" mit dazu, den empfinde ich als legitimen Teil der künstlerischen Gesamtaussage.
Obwohl... manchmal lasse ich ein Bild schon auch gern auf mich wirken, ohne dass dessen Name irgendwie wichtig wäre... bei Dali z.B.... vielleicht muss ich da nochmal darüber nachdenken... auf jeden Fall kann ein Name dann ganz interessant sein, wenn man gar nicht mehr erkennen kann, was der Künstler dargestellt hat, oder darstellen wollte.

Bin also doch schon teils auf Deiner Wellenlänge, @Klavirus.
 
Ergänze: eine "Analyse" muss nicht unbedingt rational-verstandesmäßig erfolgen - das geht auch intuitiv.

Hmmm .... vieleicht solltest Du mal das Wort "Analyse" analysieren.

Wir sollten uns im Grunde immer darum bemühen, viel und viel positive Emotion beim Zuhörer zu wecken.

Bestimmt. Das heitere "Ein Überlebende aus Warschau berichtet", ein munterer und leichter "Wozzek", ein farbenvolles, heimeliges "Hiroshima" und eine "Lulu", die Rieu nicht hätte mit leichterer Hand inszenieren können, das ist es, was wir alle wollen!

Ich würde aus drei Gründen auf's Singen im Klavierunterricht verzichten: a) manche können's nicht b) manche wollen's nicht c) Gesangsunterricht haben sie nicht bestellt, sondern Klavierunterricht.

Und natürlich
d) es kann gewaltig helfen, führt aber aus der Komfortzone hinaus. Die wollen wir keineswegs verlassen, wo kämen wir dahin!?

Grüße
häretiker
 

Ergänze: eine "Analyse" muss nicht unbedingt rational-verstandesmäßig erfolgen - das geht auch intuitiv.

Lieber Dreiklang,

das ist keine Ergänzung, vielmehr hatte ich zum Thema Intuition - Ratio bereits geschrieben:

Begabte Menschen spielen z.B. die unterschiedliche Spannung von unterschiedlichen Intervallen oft intuitiv richtig. Es wird aber noch ein ganz anderer Schuh draus, wenn sie diese Spannung BEWUSST reflektieren, wahrnehmen und benennen können, indem sie Intervalle singen, hören, erkennen u.v.a.m. Dann verbindet sich Intuition mit Reflexion und der Ausdruck sowie das Verstehen und letztlich Deuten wird eine ganz andere Qualität haben.

Dazu eine Geschichte in eigener Sache: ich habe aus meiner Sicht intuitiv vieles richtig gemacht in meiner Jugend. Die Beschäftigung mit Generalbass, Formenlehre, Harmonielehre etc. haben jedoch mein Gehör und mein Verständnis von Musik enorm geschult. Dadurch wurde mein Denken, Hören und Fühlen sehr viel klarer und ich habe nun viel mehr Möglichkeiten, als ich früher hatte. Heute weiß ich, WARUM ich so oder so spiele. Ich kann mich entscheiden und ich kann begründen, warum ich was wie spiele und bleibe nicht der Intuition allein überlassen. Denn die lag, man höre und staune, auch durchaus falsch. :003:

Ich habe in der Zeit mal Brendel mit Schubert gehört. Ich war vollkommen begeistert und fasziniert. Mein Problem aber war, dass ich nicht sagen konnte, WARUM mir das so gefallen hat und was Brendel denn gemacht hat, dass es mich so berührt hat. Du redest ja oft von "schöner Musik". Ich bin neugierig und will wissen, warum es denn anders klingt als bei anderen, was das besondere ist. Mir reicht es nicht, zu sagen, das hat mir besonders gut gefallen, das hat mich in besonderer Weise berührt. Ich will was lernen und von den Besten lernen! Was machen sie, was ich nicht kann! Und erst später mit zunehmender Hörschulung, Erfahrung und deutlich mehr Wissen wurde mir klar, dass bei Brendel die Klangbalance, die Plastizität und Gestaltung der einzelnen Stimmen so wunderbar und besonders war.

Zum Thema Intuition außerdem aus dieser Quelle:

"Maßgeblichen Einfluss auf das Verständnis von Intuition hatte der kanadisch-amerikanische Psychiater Eric Berne, der die Transaktionsanalyse entwickelte. Seine Definition lautet folgendermaßen:

Eine Intuition ist Wissen, das auf Erfahrung beruht und durch direkten Kontakt mit dem Wahrgenommenen erworben wird, ohne daß der intuitiv Wahrnehmende sich oder anderen genau erklären kann, wie er zu der Schlussfolgerung gekommen ist.

Wenn Intuition allerdings auf Erfahrung beruht, ist festzustellen, dass nicht jeder Mensch dieselben Erfahrungen macht. Der Erfahrungshorizont eines Menschen ist geprägt von seiner Sozialisation und damit Teil der Kultur. Wer also intuitiv handelt, urteilt immer auch vor dem Hintergrund seiner persönlichen Entwicklung in dieser Kultur.

Intuition ist damit nicht automatisch gut oder schlecht, sie kann ebenso gut qualifiziert wie unqualifiziert sein, sich zwischen falsch oder richtig, engstirnig oder weitsichtig bewegen. Ebenso haben Tabus Auswirkungen auf Intuition, indem eine Situation einfach anders interpretiert beziehungsweise bestimmte Aspekte ausgeblendet werden."

Intuition speist sich aus Wissen und für eine Interpretation, die diesen Namen verdient, sind sowohl Intuition wie auch Ratio unbedingt nötig. Der Meinung sind auch alle großen Interpreten. Pogorelich, für seine extravaganten Interpretationen berühmt, sagt:

„Meine Chopin-Interpretation ist nicht nur extravagant, sie ist das Ergebnis eines wohlüberlegten Konzepts, das auf dem Notentext und den Quellen beruht.“

Brendel sagt im Interview:

Sie haben hierzulande nicht nur Konzerte gegeben, sondern auch Masterklassen geleitet. Kann man einem jungen Klavierspieler raten, wie er spielen soll, wie er ein guter Pianist wird?

„Wie man spielen soll? Das kommt zunächst sehr darauf an, wie der Betreffende oder die Betreffende bereits spielt, und dann kann man einhaken. Ein Rat, den ich allen jungen Pianisten gebe, ist, Komposition zu studieren und eine Zeit lang zu komponieren. Auch wenn sie nicht Komponisten bleiben, ist es eine ganz wichtige Erfahrung, auch für den Interpreten, zu wissen, wie man ein Stück vom ersten bis zum letzten Ton führt. Es ist auch wichtig zu wissen, wie man ein Stück niederschreibt und was diese Niederschrift bedeutet. Dadurch erhält man dann eine andere Perspektive, wenn man sich an die großen älteren Komponisten hält.“

Ist es also wichtig, intellektuell an das Werk heranzugehen und sich nicht nur auf die Intuition zu verlassen?

„Beides ist wichtig, eine Kombination aus beidem. Ich würde sagen, es beginnt mit dem Gefühl und endet mit dem Gefühl. Der Verstand aber, der Intellekt, ist dazu da, das Gefühl zu filtern, er ermöglicht das Kunstwerk erst. Also der Intellekt verwandelt das Chaos in Ordnung. Es sollte aber immer etwas Chaos durch die Ordnung schimmern, wie Novalis gesagt hat.“

Wenn es dich interessiert, über Glenn Gould: https://hiram7.wordpress.com/2007/08/11/glenn-gould-–-die-biografie/, daraus:

"Es ist eine Arbeitsweise, die Kontrolle, Genauigkeit, Überprüfung und Korrektur zulässt und damit dem Künstler Gould entgegenkommt, der immer betont, dass ein Musikstück nicht während des Spielens seine endgültige Form finde, sondern unabhängig von jeder Aufführung bereits als Idee existiere, als fertiges Stück in der Vorstellung vorhanden sei."

Auch Gould, der übrigens auch komponiert hat, hat sich intensiv mit den musikalischen Strukturen in den Stücken, die er spielte, beschäftigt. Niemals ist bei ihm etwas beliebig, niemals speisen sich seine Interpretationen nur aus seiner Intuition. Im Gegenteil!

Es gibt viel, viel mehr Beispiele, im Grunde alle.

Das hier

Ergänze auch hier: intuitives Verstehen genügt.

ist nur dann richtig, wenn du es auf dich beziehst. Intuitives Verstehen genügt DIR und das ist auch völlig in Ordnung so.

Pianisten und denen, die es werden wollen, genügt es nicht. Auch Schüler motiviert es sehr, ihre Wahrnehmung zu schärfen, ein Stück zu verstehen und immer neue Aha-Effekte zu erleben.

Diesem würde ich nicht unbedingt widersprechen. Aber nicht nur Wissen, und Verstehen, spielen eine Rolle in der Musik - die Emotion ebenfalls. Musik berührt. Ich meine irgendwo gelesen zu haben, es gibt überhaupt keine Musik, die keine emotionale Reaktion beim Menschen hervorruft.

Selbstverständlich! Ich hatte das Wort "spüren" verwendet und meinte damit auch die emotionale Seite.

Fortsetzung folgt - Beitrag leider zu lang :008::004:
 
Fortsetzung

Wir sollten uns im Grunde immer darum bemühen, viel und viel positive Emotion beim Zuhörer zu wecken. Aus diesem Grund gehen Leute in Konzerte, bzw. in dieser Erwartung klickt jemand einen Youtube-Link oder ähnliches.

Das ist bei dir möglicherweise so und ist auch völlig in Ordnung. Ich bin absolut nicht dieser Meinung. Ich glaube, dass die Berührung viel größer ist, wenn Menschen nicht nur "positive" Emotionen, sondern auch Emotionen des alltäglichen Lebens empfinden, wenn sie Musik hören. Klassische Musik ist sehr vielschichtig und eine Stelle kann gleichzeitig traurig, hoffnungsvoll, verzweifelt und zärtlich klingen. Ganz abgesehen davon, dass es deine Bewertung ist, was überhaupt positive Emotionen sind. Traurigkeit ist nicht unbedingt negativ - wenn man sie zulässt und einfach betrachtet, kommt man zu sich selbst, denn man IST ja traurig. Und so kann man im Schmerz Trost finden, auch wenn's weh tut.

Ich würde aus drei Gründen auf's Singen im Klavierunterricht verzichten: a) manche können's nicht b) manche wollen's nicht c) Gesangsunterricht haben sie nicht bestellt, sondern Klavierunterricht.

Sprich: ich würde als KL da wohl andere didaktische Lösungen suchen, die dann auch mit dem Klavier zu tun haben.

Ich habe nicht vom Klavierunterricht gesprochen! Es ist super, wenn jemand im Klavierunterricht singt oder summt, aber es geht auch anders. Ich habe Verständnis dafür, wenn das jemand nicht machen möchte!

Nicht so geschmeckt hat mir, wie Du Brendel zitiert hast, der Beleidigungen über andere Pianisten austeilt. Von Beleidigungen bin ich generell kein großer Freund. Vielleicht nehme ich mir Brendel, und was er da gesagt hat, nochmal vor.

Das verstehe ich nicht! Wo hat Brendel, dem sowas gar nicht liegt, jemanden beleidigt? Er hat andere Musiker nur auf diese Weise erwähnt:

"Es gibt Musiker, die behauptet haben, dass die Musik erst entsteht, wenn sie zum Klingen kommt. Aber ich bin da anderer Meinung." (Brendel)
und
"Ich wittere in Ihnen eine gewisse Vorliebe für exzentrische Tastenlöwen. Was ist schlimmer: Werkgerechtigkeit oder Selbstgerechtigkeit? (Brendel)

Das Letztere sagt er zum Interviewer Martin Meyer. Was soll da beleidigend sein? Was meinst du damit?

Weißt du, wir haben uns über das Thema Interpretation, Intuition, Ratio ... immer wieder und auch schon vor vielen Jahren im Forum ausgetauscht. Alle Argumente, die alle Musiker in diesem Forum anführten und auch von anderen berühmten Musikern zitierten, haben deine Meinung nicht geändert. Das macht auch nichts, denn du hast das Recht auf deine eigene Meinung. Mich stören aber sehr deine Verallgemeinerungen, es wäre objektiv und grundsätzlich so.

Aber auch daran kann ich nichts ändern. Wenn du der Sache wirklich auf den Grund gehen willst, lies das, was Komponisten und ausübende Musiker über ihre Arbeitsweise und ihren Zugang zu Musik schreiben.

Liebe Grüße

chiarina
 
Bestimmt. Das heitere "Ein Überlebende aus Warschau berichtet", ein munterer und leichter "Wozzek", ein farbenvolles, heimeliges "Hiroshima" und eine "Lulu", die Rieu nicht hätte mit leichterer Hand inszenieren können, das ist es, was wir alle wollen!
Mit "positiven Emotionen" meinte ich eigentlich eher das Erfüllen der Erwartungen, mit denen man in ein Konzert, eine Aufführung geht, sich Musik anhört, usw.

@chiarina ich finde das bisschen seltsam, dass das nicht klar wurde...
 
Zuletzt bearbeitet:
@chiarina ich finde das bisschen seltsam, dass das nicht klar wurde...
Aber ich denke das zeigt vielleicht mehr als alles andere, wie theoretisch die ganze Diskussion eigentlich schon geworden ist...

Was will man auch gross dagegen sagen, wenn jemand (in dem Fall: ich) die Meinung äußert, auch ohne Kenntnis von formeller Analyse und vielem von @chiarina genannten sei es möglich, beispielsweise aus einer Sonate eine interessante, fesselnde, gute etc. Musik zu machen (techn. Voraussetzungen gegeben)?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich Sie an dieser Stelle kurz unterbrechen darf: wen meinen Sie damit? Horowitz? Ich meine irgendwo gelesen zu haben, Sie hören sich diesen Pianisten sowieso gar nicht erst an.

Ich habe Brendel 1982 in London beim Horowitz Konzert gesehen und er schien überhaupt nicht genervt zu sein. Wen er wohl tatsächlich überhaupt nicht mochte war Glenn Gould.
 
Was will man auch gross dagegen sagen, wenn jemand (in dem Fall: ich) die Meinung äußert, auch ohne Kenntnis von formeller Analyse und vielem von @chiarina genannten sei es möglich, beispielsweise aus einer Sonate eine interessante, fesselnde, gute etc. Musik zu machen (techn. Voraussetzungen gegeben)?

Selbstverständlich darf jeder sein eigenes Geklimper für "interessante, fesselnde, gute etc. Musik" halten. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass es wirklich "interessante, fesselnde, gute etc. Musik" ist.

Darüber zu urteilen, ist - auch wenn du es nicht glauben magst - keine rein subjektive Angelegenheit. Objektive Kriterien gibt es zuhauf - und die sind keineswegs auf das Zählen falscher Noten limitiert. Ich befürchte allerdings, dass man mit diesen Kriterien nichts anfangen kann, wenn man sich jeder intellektuellen Auseinandersetzung mit Musik verweigert.
 
Aber ich denke das zeigt vielleicht mehr als alles andere, wie theoretisch die ganze Diskussion eigentlich schon geworden ist...

Ich finde die Diskussion nicht theoretisch.

Was will man auch gross dagegen sagen, wenn jemand (in dem Fall: ich) die Meinung äußert, auch ohne Kenntnis von formeller Analyse und vielem von @chiarina genannten sei es möglich, beispielsweise aus einer Sonate eine interessante, fesselnde, gute etc. Musik zu machen (techn. Voraussetzungen gegeben)?

Punkt 1: möchtest Du denn, dass jemand etwas dagegen sagt? (Ich habe jetzt nicht den ganzen Thread von Anfang an verfolgt, aber es ist nicht so, dass alle der gleichen Meinung sind.) Oder möchtest Du vielmehr für irgendetwas gefeiert werden?
Punkt 2: Man könnte sowohl groß als auch klein dagegen argumentieren. Habe ich jetzt aber keine Lust drauf.
 
Mit "positiven Emotionen" meinte ich eigentlich eher das Erfüllen der Erwartungen, mit denen man in ein Konzert, eine Aufführung geht, sich Musik anhört, usw.

Darf ich daraus schließen, dass Überraschungen dann "negative Emotionen" sind? Oder, andersherum, wenn nur meine Erwatungshaltungen befriedigt werden, ist das nicht ein bisschen langweilig? Ok, überspitzt, das gebe ich zu. :-)

Ich persönlich meine, dass sich "gute Musik" im Spannungfeld zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Gewohntem und Überrsachenden, zwischen Yin und Yang, bewegt. Nebenproblem: Man muss die Ordnung kennen, um das nicht Unwissenheit mit Chaos zu verwechseln. Es gibt diverse Musik, die ich persönlich shätze, aber für andere kein Genuss ist, weil sie die Ordnung nicht erkennen und nur Chaos empfinden. Das ist für mich das Problem bei TEY: da fehlt der Gegenpol.

Alles gar nicht so einfach ...

Grüße
Häretiker
 
Darf ich daraus schließen, dass Überraschungen dann "negative Emotionen" sind? Oder, andersherum, wenn nur meine Erwatungshaltungen befriedigt werden, ist das nicht ein bisschen langweilig? Ok, überspitzt, das gebe ich zu. :-)
Du hast schon Recht: wenn die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen werden, dann ist das eine besonders feine Sache. Und Überraschungen sind auch etwas feines... zumindest, solange man positiv (und nicht negativ) überrascht wird.
 

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