Erst mechanisch üben, später interpretieren?

Um auf das Thema zurückzukommen - wenn es erlaubt ist...:D

Mir geht es wie Bachopin, d.h. im allgemeinen gleich von Beginn an versuchen, musikalisch und nicht mechanisch zu üben.

Es gibt bei mir aber Ausnahmen:

Z.B. habe ich gerade für Orgel mit der Bachschen Passacaglia angefangen, eines der ganz großen Orgelstücke von Bach.
Bevor ich da ans interpretieren denken kann, muss ich leider einige technischen Basics klären. So steht da bzgl. Manualpart erstmal die Aufgabe, wie die Innenstimmen auf beide Hände verteilt werden - eine Aufgabe, vor der ich auch bei vielen Fugen aus dem WTK stehe.
Um dies hinzubekommen, muß ich erstmal -zig Stunden (bei diesem Stück) den Manualpart durchspielen, mir in den Noten markieren, wie die Innenstimmen aufgeteilt werden zwischen rechter und linker Hand (sofern die Aufteilung nicht überall den Notensystemen entspricht, was bei Bach(-fugen) so gut wie immer vorkommt), wieder durchspielen, ändern, durchspielen, in mich reinhorchen, ob es bequem ist, ob es der SPÄTEREN Interpretation dienlich sein wird (bzgl. Artikulation - Fingersatz usw!).
Erst danach kann ich mich ran machen, den Notentext zu verinnerlichen, bei schwierigen Pedalpartien mit komplexen Manualpart (wie es bei dem Beispiel Passacaglia leider an einer Stelle vorkommt, in der folgenden Fuge öfter) den Manualpart getrennt solange zu üben, bis ich ihn ohne zu denken spielen kann. Damit ich nämlich meine Konzentration dann auf den Pedalpart richten kann. Damit letztlich Musik und Interpretation entstehen kann, nach der oben angegebenen Vorarbeit.

Also, bei mir zumindest, ist es genauso wie bei Bachopin - it depends, und zwar hängt es vor allem von der Komplexität des Notentextes ab, ob und wieviel Vorarbeit nötig ist - rein mechanische Vorarbeit, wenn man so will, zumindest kann von Interpretation an dieser Stufe noch keine Rede sein.
 
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erstmal die dreckige Wäsche waschen ...

Mir ist noch ein Spruch von Franz Liszt eingefallen, den er vor Klavierschülern gegenüber äußerte (weiß nicht, welchem Schüler oder Schülern gegenüber, noch in welchem Buch ich das las).

Liszt sage sinngemäß, die Schüler mögen bzgl. Klaviervorbereitung "ihre dreckige Wäsche erstmal zu Hause waschen".

Könnte es sein, dass er damit vielleicht die technischen Basisdinge, und auch das Einverleiben der richtigen Noten & Rhythmus, also eine gewisse - durchaus mechanisch zu nennende - Basisarbeit meinte?

Nur mal so in den Raum geworfen ...
 
Mindenblues, du sagst ja selbst, daß du die Aufteilung der Stimmen auf die Hände nicht nur aus rein manuellen Erwägungen heraus festlegst. Wenn das keine Interpretation von Anfang an ist, weiß ich nicht, wovon hier geredet wird ;)
 
Mindenblues, du sagst ja selbst, daß du die Aufteilung der Stimmen auf die Hände nicht nur aus rein manuellen Erwägungen heraus festlegst. Wenn das keine Interpretation von Anfang an ist, weiß ich nicht, wovon hier geredet wird ;)

Also, Interpretation ist schon ein ganz schön großes Wort, wenn man bei einem neuen Stück an dem Stadium ist, die richtigen Noten und den Rhythmus zu erfassen, Händeverteilung von Innenstimmen festzulegen, oder andere grundsätzliche Dinge, meinst du nicht auch? ;)

Im besten Fall deckt sich in diesem Stadium bei mir der im Hinterkopf schlummernde Gedanke einer späteren Interpretation mit der ziemlich mechanisch ablaufenden Arbeit der Händeverteilung, der Notierung dessen in den Noten, und des damit zusammenhängenden Fingersatzes. Wie gesagt, im besten Fall, oft muß ich nämlich im späteren Stadium Änderungen vornehmen (wenn das Stück so in den Fingern liegt, dass man anfängt, es Musik nennen zu können), aber dann merke, dass ich was an meinem Grundgerüst - an Basisdingen - was ändern muß. Dann passiert sogar in diesem fortgeschrittenen Stadium, dass ich bestimmte Stellen Fingersatz- oder Händerverteilungsmäßig (auch Fußsatz bei Orgel) "umprogrammieren" muß, was noch viel länger dauert als "neuprogrammieren".:rolleyes:

Also, dieses Embryonalstadium bereits als "Interpretation" zu bezeichnen, ist schon seeeeehr hochgestochen, ehrlich.

Aber sicherlich gibt es hier Koryphäen, die prima vista konzertant spielen können. Zu denen gehöre ich leider nicht, ich muß sehr viel dafür tun, die beschriebene Basisarbeit ableisten z.B.

Wie kann man wohl den Liszt-Spruch von der "dreckigen Wäsche erstmal zu Hause im stillen Kämmerlein waschen", verstehen? Bestimmt nicht den letzten Feinschliff der persönlichen Interpretation, sondern wohl erstmal gewisse unabdingbare Basisdinge erledigen. Das zu tun, finde ich überhaupt nicht ehrenrührig noch muß man sich dafür schämen. Schämen sollte man sich eher, wenn man von Interpretation spricht, sich bei geposteten Aufnahmen aber rausstellt, das da gravierende technische Mängel da sind, haufenweise falsche Noten "interpretiert" oder erkennbare rhythmische Schwächen da sind, die man nicht als Rubato "verkaufen" kann usw...
 
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Also, Interpretation ist schon ein ganz schön großes Wort,

Und ein Fremdwort ist es noch dazu ;)

Vermutlich kommt es daher, daß viele sofort in eine ehrfürchtige Andachtshaltung fallen, wenn der Begriff nur genannt wird. :cool:

Dabei ist Interpretation ein ganz neutraler Begriff dafür, daß man einen Ton, eine Phrase, ein Stück auf verscheidene Weise spielen kann und sich daher für eine dieser Spielweisen entscheiden muß. Vielleicht sollten wir in Zukunft statt Interpretation Ausführung sagen - das ist sachlicher und sachdienlicher.
 
Vielleicht sollten wir in Zukunft statt Interpretation Ausführung sagen - das ist sachlicher und sachdienlicher.

hallo,
das ist eine gute Idee!
ich denke bei "Interpretation" immer an Dinge, die ziemlich weit weg von gelungener Ausführung sind, etwa ob ein Nocturne eine nostalgische, eine düstere oder eine melancholische Stimmung erhält usw.
Gruß, Rolf
 
Dabei ist Interpretation ein ganz neutraler Begriff dafür, daß man einen Ton, eine Phrase, ein Stück auf verscheidene Weise spielen kann und sich daher für eine dieser Spielweisen entscheiden muß. Vielleicht sollten wir in Zukunft statt Interpretation Ausführung sagen - das ist sachlicher und sachdienlicher.

Ausführung - finde ich auch ein sachdienlicheres Wort.
Mag sein, dass für manche das Wort "Interpretation" ein Fremdwort ist. Dazu zähle ich mich nicht. ;)
Ich sehe auch nicht, dass man bei dem Wort in Ehrfurcht erstarren sollte. Man sollte nur eben auch nicht so tun, beim ersten Notenaufschlagen die reinste, flüssigste und fehlerfreie Interpretation hinlegen zu können. :cool:

Um jedoch ein Stück oder auch nur einen Abschnitt oder Phrase auf verschiedene Arten spielen zu können, muß man sich (gehe von mir aus) erstmal den Notentext aneignen, auf gut deutsch erstmal wenigstens die richtigen Noten zu spielen. Oder noch deutscher - erstmal die "dreckige Wäsche waschen".

Ein hinreichend schweres Musikstück prima vista sofort musikalisch zu interpretieren, oder auszuführen, ist mir leider verwehrt, da muß ich erstmal Basisaktivitäten einleiten, durchaus mechanisch zu nennende Dinge, wie Händeverteilung bei Fugen usw. zu notieren und so weiter, wie schon beschrieben. D.h., ich muß mich an die Ausführung erstmal rantasten, bevor es ans Hochglanzpolieren gehen kann.

Geht wohl nur mir so?
 
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Hallo,
am Anfang war ich ausschließlich damit beschäftigt, die nächste Note zu
finden, sodaß an interpretieren nicht zu denken war. Im Laufe der Zeit
ändert sich das.
Obwohl - bei schweren Stücken ist es eigentlich immer noch so.

Note folgt Note und irgendwann wird es zusammenhängende Melodie und
dann habe ich auch irgendwann im meinem Gehirn Kapazitäten frei, mich
mit der Interpretation zu beschäftigen.

Kann oder soll ich das wirklich ändern :confused:?

LG
Meckie
 
Note folgt Note und irgendwann wird es zusammenhängende Melodie und
dann habe ich auch irgendwann im meinem Gehirn Kapazitäten frei, mich
mit der Interpretation zu beschäftigen.

Kann oder soll ich das wirklich ändern :confused:?

Ich würde empfehlen, das zu ändern.

Neue Stücke "Note für Note" zu spielen, zerrt ja extrem an den Nerven - an den eigenen ebenso wie an den Nerven der (unfreiwilligen) Zuhörer.

Deshalb meine Empfehlung des Langsamübens. Man spielt auch im langsamen Tempo nicht einzelne Noten, sondern Melodien und Akkordfortschreitungen. Das kann sich auch sehr schön anhören, wenn man sehr, sehr langsam spielt. Das rein mechanische Noten-Einpauken ist für die Ohren eine Zumutung, die man sich und anderen ersparen sollte.
 
Hallo Meckie,

Du suchst doch bestimmt nicht Note für Note zusammen, bis Du am Ende des Stückes angelangt bist, oder? :)

Also ich übe einige Takte, suche natürlich erst mal die Noten. Dann spiele ich die Takte noch mal, die Artikulation, also laut und leise kommt ins Spiel, die Phrasierung wird beachtet, die Melodie gespielt.

So setze ich das Stück Takt für Takt zusammen. Quasi sofort mit der melodischen Gestaltung. Dass die natürlich später noch verfeinert wird ist ja klar.

lg Nora
 
Hallo Meckie,

Du suchst doch bestimmt nicht Note für Note zusammen, bis Du am Ende des Stückes angelangt bist, oder? :)

Also ich übe einige Takte, suche natürlich erst mal die Noten. Dann spiele ich die Takte noch mal, die Artikulation, also laut und leise kommt ins Spiel, die Phrasierung wird beachtet, die Melodie gespielt.

So setze ich das Stück Takt für Takt zusammen. Quasi sofort mit der melodischen Gestaltung. Dass die natürlich später noch verfeinert wird ist ja klar.

lg Nora

Hallo Nora,
ja genauso mache ich das auch.
Ich spiele natürlich mein "Noten-Such-Spiel" nicht bis zum Ende des Stücks, sondern eigentlich so, wie Du es beschrieben hat - danke :p.
Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt.

Nur was ist dann hier in diesem Thread mit "mechanischem Üben" gemeint. Zuerst ist es doch immer nur mechanisch (bis die Phrasierung, etc. ins Spiel kommt) Oder ?

@Haydnspaß
die Menschen in meiner Umgebung haben das überaus große Glück, dass mein Klavier eine Silent-Funktion hat und ich Ihnen die Stücke erst zumute, wenn sie einigermaßen flüssig klingen :D Uff

LG
Meckie
 

Hallo Meckie,

also ich habe es so verstanden:

Einige üben "mechanisch", d.h. sie beschäftigten sich erst einmal ausschließlich mit dem Suchen, Treffen, Spielen der reinen Noten. Solange, bis sie das Stück spielen können. Manche, bis sie es auswendig können.

Erst dann wird gezielt die Melodie umgesetzt, erst dann werden die Anweisungen des Stückes beachtet, also die Artikulation, die Phrasierung etc. Erst dann wird der "Ausdruck" in das Stück gebracht.

Ich lerne ein Stück nicht erst auswendig bevor ich diese Dinge umsetze, sondern dies läuft bei mir quasi parallel ab.

lg Nora
 
vielleicht wäre hilfreich, die etwas pointierte Fragestellung dieses Fadens zu entschärfen, indem man die Frage freundlicher stellt:
ist es hilfreich, um das Ziel einer schönen Interpretation zu erreichen, anfangs viel sinnvoll manuell zu üben? -- und da würde ich uneingeschränkt mit ja, sogar sehr antworten!

...und die Betonung liegt auf "sinnvoll"!

ich dachte, das Schreckgespenst des "rein mechanischen, geistlosen und gänzlich musikfreien Herumstocherns" sei inzwischen ausgestorben... ;)

Gruß, Rolf
 
Einige üben "mechanisch", d.h. sie beschäftigten sich erst einmal ausschließlich mit dem Suchen, Treffen, Spielen der reinen Noten. Solange, bis sie das Stück spielen können. Manche, bis sie es auswendig können.

Ja - wenn das so ist, bin ich natürlich für nicht "mechanisch" üben. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass das Spaß machen könnte.

Gruß
Meckie
 
Definitiv nicht! ;) Ich habe vor kurzem erst die E-Dur Fuge aus dem 2.Band des WTK angefangen und muss dort ebenso vorgehen. Besonders die Fingersatzsuche gestaltet sich in polyphoner Musik ja oft schwierig, weil man darauf achten muss, dass an den einen Stellen Fingerlegato möglich ist, an anderen ist diese Notwendigkeit vlt nicht gegeben etc

Das hat ja nicht mehr nur mit Noten lesen zu tun, sondern mit Zusammenhänge erkennen, sehr vorausschauend lesen, sämtliche erforderlichen Spieltechniken bereits intus haben. Wenn das alles erfüllt ist, kann man auch vom Blatt gleich im richtigen Tempo musikalisch spielen.

Für mich heißt das:

Manchmal ist das wirklich mechanische Zurechtfingern nötig, manchmal kann man gleich bei dem von Haydnspaß erwähntem sehr langsamen üben starten und anderes geht vlt sogar vom Blatt :)

lg marcus
 
jetzt mal einfach so unabhängig von der vorherigen Diskussion ind en raum gestellt:D

kann kein Klavierton bauchig gespielt werden so wie ein gesangton hauchig gesungen werden kann? Und was soll damit genau gemeint sein? das sagte mein Lehrer, deswegen frage ich mal nach.

lg Clara
 
uuuu jetzt bin ich auch schon Keyboardspieler^^
 
kann kein Klavierton bauchig gespielt werden so wie ein gesangton hauchig gesungen werden kann? Und was soll damit genau gemeint sein? das sagte mein Lehrer, deswegen frage ich mal nach.

Ich habe keine Ahnung, was unter "bauchig" zu verstehen ist, schon garnicht im Zusammenhang mit "hauchig". Aber das ist vermutlich egal, dein Lehrer wollte dich vielleicht nur dazu animieren, über die Klangmöglichkeiten am Klavier nachzudenken.

Unter "hauchig" würde ich "flüsternd" verstehen, und das ist fast ohne Tonhöhe - am Klavier tatsächlich nicht machbar, weil es einfach zuwenig hörbare Nebengeräusche gibt. Dabei fällt mir ein, daß ich mir manchmal schon ein Dämpferpedal gewünscht hätte, das dafür sorgt, daß die Dämpfer die Saiten nur ein bischen freigeben, wodurch man einen interessanten perkussiven Ton bekommt - gibt es manuell, wenn man die Saiten mit der Hand abdämpfen kann (lange Arme, freie Hand) und man kann die Saiten natürlich entsprechend präparieren, hat dann aber keine Alternative. Das Ergebnis wäre jedenfalls eine Art Stakkato, aber viel weicher als traditionell gespielt.
 
hatte mich verschrieben :D meinte aber tatsächlich "hauchig"

Trotzdem, daraus werde ich nicht schlauer:confused:
ich denke ich frag mal lieber nach...
 

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