Huhu allerseits!
Ich bin sehr überrascht und finde es absolut interessant, dass hier kaum jemand das Bedürfnis hat nach einer "Qualitätssicherung" oder wenigstens nach "Mindeststandards" für den Beruf des Klavierlehrers, wenn ich das mal so sagen darf.
Ich möchte noch einmal klar stellen, dass es mir um Transparenz geht! Ich hätte gern, dass jemand, der von Klavierlehrern und Klavierunterricht nichts versteht, weiß, was im Topf "Klavierlehrer" drin ist, wenn er einen engagiert. Ich wünsche mir, dass sich ohne musikalisch und pädagogisch fundierte Ausbildung, ob nun mit Diplom oder ohne, niemand Klavierlehrer nennen darf.
Meine allererste Bemerkung, dass nur Klavierlehrer mit Diplom unterrichten sollten, war etwas flapsig daher gesagt und ist jetzt hoffentlich richtig gestellt!
Wenn ich das richtig verstehe, gibt es folgende Argumente:
1. Auch abseits von Diplomen gibt es qualifizierte Arbeit.
... Heißt: der Kandidat ist für vergleichbare Aufgaben und Funktionen geeignet und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den gestellten Anforderungen gerecht werden. Ein vor drei Jahrzehnten abgelegtes Examen besitzt ganz sicher eine geringere Aussagekraft als die aktuell ausgeübten Tätigkeiten.
Das sehe ich absolut genauso! Allerdings bist du nur deshalb zu diesen Leistungen imstande, weil deine musikalische Ausbildung sehr umfassend, anspruchsvoll und fundiert gewesen ist. Auch Sechstasten spricht von einem sehr guten Unterricht. Entsprechend hervorragende Fähigkeiten kommen also nicht von allein. Eine fundierte Ausbildung ist absolut notwendig!
Und mich stört eben sehr, dass Klavierlehrer keine Ausbildung haben müssen. Sie müssen noch nicht einmal halbwegs Klavier spielen können. Das große Problem ist aus meiner Sicht, dass das im pädagogischen Bereich aber niemand merkt.
Ich habe eine Freundin, die hervorragend zeichnet - auch für alle großen Kinderbuchverlage -, aber kein Diplom hat und auch nie Kunst studiert hat. Sie hat sich selbst weiter entwickelt und zeichnet einfach hervorragend. Hier sieht man sofort, ob sie etwas kann und ob ihre Zeichnungen gefallen.
@Joh hier aus dem Forum hat nicht an einer Musikhochschule studiert. Er hat sich aber mit Leidenschaft, großem Engagement, viel Arbeit und (nach längerer Suche) sehr gutem Unterricht als Pianist etabliert. Es ist nun egal, ob er studiert hat oder nicht - sein Spiel zählt und es gefällt. Auch bei einem Pianisten sieht/hört man sofort, ob er etwas kann und sein Spiel gefällt.
Bei Handwerkern, gekauften Produkten u.a., bei denen der Laie nicht einschätzen kann, ob "drin" ist, was "drauf" steht, gibt es Garantien, Gewährleistungen etc..
Im pädagogischen Bereich ist das alles ungleich schwieriger. Garantien gibt es nicht. Die unterschiedlichen Begabungen, Voraussetzungen, Motivationen etc. lassen den einen Schüler bei gleichem Unterricht nach drei Monaten Unterricht schon viel weiter sein als den anderen. Lehren funktioniert nicht nach dem Modell "das schieb ich rein - das kommt raus". Insofern ist es schwierig zu beurteilen, welchen Anteil der Unterricht am Ergebnis hat.
Zudem hören Eltern (ich rede hier vom Unterricht von Kindern) und die Kinder meist nicht, ob ein Klavierspiel schlecht klingt. Ich erinnere mich an einen Bericht hier im Forum von
@dilettant, der schrieb, wie begeistert das Publikum von einem Schülervorspiel war, bei dem er größtenteils entsetzt von der schlechten Qualität war. So etwas gibt es ganz oft und Eltern wird oft erst im Vergleich klar, dass es noch ganz andere Klangwelten auf dem Klavier gibt und Klavierunterricht ganz anders ablaufen kann.
Im Klavierunterricht sollte man doch Musik in all seiner Schönheit erfahren lernen und zunehmend Fähigkeiten erlangen, das auch auf dem Klavier umsetzen zu können. Es kann doch nicht sein, dass Gehämmere auf dem Klavier das Resultat langjährigen Klavierunterrichts ist
(das ist der Grund, warum ich mich hier so engagiere!).
Wenn Eltern ihrem Kind Klavierunterricht ermöglichen, wollen sie damit ihrem Kind etwas Gutes tun. Sie denken "o.k., das ist ein netter Klavierlehrer, das Kind geht gern hin und es scheint Fortschritte zu machen - also alles in Butter." Sie vertrauen dem KL, dass er gute Arbeit macht. Sie vertrauen auch darauf, dass er entsprechend qualifiziert ist, diese gute Arbeit zu machen. Ich habe sehr viel Erfahrung und bisher waren alle Eltern vollkommen bestürzt von der Tatsache, dass ein Klavierlehrer keine Ausbildung haben muss. Niemand hat sich informiert, weil die Eltern gar nicht auf die Idee gekommen sind, man müsse sich informieren.
Ich finde das ungerecht und nicht richtig. Wenn schon, dann sollte ein KL ohne Ausbildung seine Karten offen legen, was aber selten geschieht. Wenn Tante Gerda sagt, dass sie Tante Gerda ist ohne jede qualifizierte Ausbildung, entscheiden die Eltern, was sie machen wollen mit all den dazugehörigen Konsequenzen.
Der Unterschied zu den oben genannten Beispielen Illustratorin und Pianist ist also, dass man dort die Qualität der Arbeit sofort sehen bzw. hören kann, während in pädagogischen Berufen eine Überprüfung der Arbeit und Qualifikation des Lehrers schwierig ist. Deshalb hätte ich eben gern eine irgendwie geartete "Qualitätssicherung".
2. Mundpropaganda und Empfehlungen ersetzen die Qualitätssicherung.
Je "globalisierter" die Welt, desto höhere Bedeutung bekommen wieder Mundpropaganda und Empfehlungen.
Ich bin auch kein Freund der sog. Mundpropaganda als Zeichen für Qualität, obwohl ich selbst meine Schüler immer über Mundpropaganda bekommen habe. Mundpropaganda ist nur ein Zeichen dafür, dass der KL anderen gefällt und da einen guten Eindruck hinterlassen hat. Vorrangig sind da Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Kulanz, Freundlichkeit, Preis, gute Beziehung mit dem Schüler. Das ist ja auch nicht wenig! Reicht aber nicht aus meiner Sicht.
3. Es gibt immer verschiedene Niveaus und Qualitätsunterschiede von Klavierlehrern und Klavierunterricht.
Es wird auf jedem Gebiet immer erste, zweite, dritte Klasse geben, ob mit oder ohne Abschluss.
Mein Problem ist nicht die erste, zweite oder dritte Klasse, sondern die zehnte oder zwanzigste.
Leid tun könnte es einem höchstens um begabte Kinder geiziger und / oder uninformierter Eltern.
Ich sehe das ganz unabhängig von der Begabung. Ich wünsche mir, dass jeder einen Unterricht erhält, der eine solide Basis legt. Der über die Schulung des Gehörs musikalische und technische Grundlagen vermittelt. Der Musik lebendig werden lässt. Gehämmere ist keine Musik. Wie hasenbein schrieb, ist gerade der Anfangsunterricht von unschätzbarer Bedeutung!
Auf dieser Basis kann der Schüler dann aufbauen, wie er es für richtig hält und braucht. Wichtig ist, dass er sich entscheiden kann! Entscheiden kann, ob er sich Pop-/Rockmusik zuwendet. Ob er Musik studieren möchte, ob er aufhört und vielleicht im Erwachsenenalter wieder anfängt. Eine solide Grundlage kann ihm keiner nehmen.
Bei schlechtem Unterricht, den man selbst oft nicht mal bemerkt, hat man diese Entscheidungsfreiheit nicht. Man erwirbt ahnungslos schlechte Gewohnheiten, die man kaum wieder loswird.
4. Qualitätssicherung nur bei Subventionen
Ich halte das weder für realisierbar noch für wünschenswert, denn so eine Regulierung würde sich auch auf andere Hobbybereiche erstrecken. Mit sehr vernünftigen Argumenten müsste man nämlich zuerst im Sport ansetzen, weil Sport grundsätzlich Verletzungsgefahr birgt.
...
Meines Erachtens sollte wirklich nur dort der Cut gemacht werden, wo öffentliches Geld hineinfließt.
Jetzt muss ich aber nachfragen: soweit ich weiß, bekommen Vereine doch absolut finanzielle Unterstützung und Subventionen der öffentlichen Hand?! Ganz besonders Sport- und Fußballvereine! Nach deiner These dürften doch gerade dann dort keine Trainer ohne Lizenz vorhanden sein und es müsste eine "strikte Qualitätssicherung stattfinden. Oder verstehe ich da was falsch?
Du sprichst außerdem den Fakt an, dass Klavierspielen in den meisten Fällen als Hobby ausgeübt wird. Das ist richtig und natürlich könnte man dann der Meinung sein, dass es beim Hobby nicht so drauf ankommt und die Qualität der Lehrer nicht so wichtig ist. Man könnte sogar so weit gehen, die grundsätzliche Ausbildung von Klavierpädagogen an Musikhochschulen in Zweifel zu ziehen - warum sollen die überhaupt so qualifiziert sein und eine schwierige Aufnahmeprüfung bestehen müssen?
Das sind Fragen, die die Gesellschaft betreffen und diskutieren, welche Werte, welche Bildung und Kultur wir wollen. Bei Erwachsenen ist das auch anders als bei Kindern. Ein Erwachsener weiß, was er will, hat einen Beruf und sieht das Klavierspielen als Hobby, dem er einen sehr individuellen Spielraum gibt. Bei Kindern weiß man noch nicht, in welche Richtung sie sich entwickeln werden und wollen. Da sollte die Grundlage so sein, dass alles möglich ist (s.o.).
An fast allen Musikschulen werden übrigens Erwachsene unterrichtet. Sie müssen nur mehr bezahlen, werden also nicht subventioniert (nehme ich an).
Ich hoffe, dass ich meine Einstellung nun transparenter machen konnte.
Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass
Ärzte/ die Bundesärztekammer und andere immer mehr auf Qualitätsicherung setzen. Ich bin klar für Transparenz, auch in vielen anderen Bereichen. Wer Durchblick hat, blickt durch!
Und noch ein schönes Zitat als Wort zum Sonntag:
Wer Einblick hat, kann verstehen. Wer Durchblick hat, kann entscheiden. Wer Weitblick hat, weiß die Dinge zu lenken.
© Peter Amendt
(*1944), Franziskaner
Liebe Grüße!
chiarina