Bericht 4. Händlertag (16. Juli 2021)
Gestern habe ich Piano Schweisser in Altdorf besucht, nachdem er mir hier mehrfach empfohlen wurde. Diesmal hatte ich mir vorgenommen möglichst ergebnisoffen zu sein und den Japanern eine vorurteilsfreie Chance zu geben. Ich hatte mich im Vorfeld dazu auch informiert über technische Details und war vor allem auf die Shigeru gespannt.
Auch hatte ich diesmal Begleitung dabei, nämlich meinen Bruder der Blechblasinstrumentenmachermeister ist und auch viel im Orchester spielt. "Klang" ist sein Spezialgebiet, auch wenn er selber nicht Klavier spielt, sondern Bläser ist.
Mit Hr. Schweisser war vorher besprochen was ich anspielen möchte, nämlich:
- Shigeru SK2 (neu)
- Yamaha S3X (neu)
- Bösendorfer 170VC (neu)
- Steinway O & A (gebrauchte)
Wir wurden sehr freundlich empfangen, er hat uns alle besprochenen Instrumente gezeigt und uns dann alleine gelassen. Später hat er uns dann beraten und Details erklärt.
3x Shigeru SK2 (neu)
Die 3 nagelneuen Shigeru SK2 waren mehr oder weniger alle gleich, wie ein Ei dem anderen. Sehr einheitliches Spielgefühl über alle Lagen. Die japanische Präzision sprang förmlich aus dem Instrument. Ich fand sie eher leichtgängig (vor allem beim Spiel weiter hinten in den Tasten), was mir sehr entgegenkommt. Sie werben ja auch damit, dass das Carbon im Spielwerk besonders reibungsarm sei. Allerdings war der Ton nichtssagend, alles sehr schön einheitlich, aber ohne Höhepunkte und ohne Tiefen. Tonlich waren sie eigentlich in der Mitte zwischen brillant und romantisch, aber es ist auch schnell ein riesiger Klangbrei entstanden. Gut, das liegt sicher auch an der Spielfähigkeit, weil Standardproblem "l.H. immer zu laut". Nun bin ich ja kein ausgebildeter Spieler, aber es ist mir nicht gelungen Stimmen - ohne für mich zu hohen Aufwand - herauszuholen. Mein Bruder hat die ersten drei "Anspielungen" überhaupt nichts gesagt, ich war schon verunsichert, was los ist... Wir beschlossen die Shigeru mal so stehen zu lassen und sind zu den Yamahas rübergegangen.
2x Yamaha S3X (neu)
Erwartungsgemäß waren die beiden S3X vom Klang her wesentlich brillanter eingestellt. Spielgefühl nicht ganz so leichtgängig wie die Shigeru, sehr einheitlich aber vergleichsweise langer Tastenweg und schwerer weiter hinten. Irgendwie nicht meins. Vor allem der Klang viel zu aufdringlich, fast aggressiv im Diskant. Irgendwie passt mein Spiel oder meine Klangvorstellung da einfach nicht dazu. Verarbeitung sicher super, aber der Klang halt nicht. Später meinte mein Bruder, er habe die Instrumente kaum ertragen können und sei froh gewesen als wir da rausgegangen sind.
Bösendorfer 170VC (neu)
Nun, von Yamaha zu Bösendorfer zu gehen ist natürlich heavy, weil man hier zwei extreme Enden der Klangskala hintereinander hört. Ich hatte noch nicht einmal den ersten Takt vom langsamen Teil des Chopin Impromptus gespielt, da brach es aus meinen Bruder heraus "endlich sind wir bei einem Flügel angekommen", "ein warmer runder Ton", "so muss das klingen". Dieses Instrument war mit Abstand dasjenige auf dem ich am leisesten spielen konnte ohne das Töne weggeblieben sind. Im Pianissimo war der Sound einfach unvergleichlich. Im Diskant war der Ton bei mittlerer Lautstärke rund und wurde mit mehr "Gas" dann so was von brillant (ohne aggressiv zu werden), dass ich erstmalig das Gefühl hatte auf einem Instrument die Klangfarbe ansatzweise steuern zu können. Leider war mir die Mittellage und auch der Bass zu dumpfig bei (meinem) normalem Spiel. Im pp extrem gut, aber im Normalbetrieb für mich schwer kontrollierbar ohne Brei zu produzieren. Vielleicht war auch der Pedalweg für mich zu lang, ich weiß es nicht. Das "Dumpfige" könne man zwar wegintonieren, aber da ich auch mit dem sehr langen Tastenweg so meine Not hatte und dieser neue 170VC auch immer noch über meinem inzwischen deutlich erhöhten Limit gewesen wäre (obwohl Hr. Schweisser einen echt brutalen Nachlass auf das Instrument gegeben hat) war es dann der Bösi am Ende irgendwie doch nicht, wenngleich das Instrument in bestimmten Bereichen outstanding war. Das ist eine Klasse für sich.
Steinways Model O/A gebraucht
Vom Bösi kommend natürlich alle wieder deutlich heller im Klang. Sehr kurzer Pedalweg, gefühlt nur wenige Millimeter und zwar alle Modelle. Pedale haben fast alle geknarzt oder gewummert. Ich weiß, kann man leicht einstellen/beheben. Spielgefühl leichtgängig, irgendwie hatten diese S&S hier überraschenderweise alle einen spürbar kürzeren Tastenweg. Nach Aussage von Hr. Schweisser sind alle "Hamburger" und neuere Baujahre, da er die alten von 1920-1950 grundsätzlich nicht mehr ankaufe, w.g. zuvielen Problemen bei den Kunden. Diese Gebrauchten haben einfach viel besser "resoniert", ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll, aber ich hatte das Gefühl man merkt, dass die Instrument sehr gut eingespielt sind. Das Gesamtsystem wirkt irgendwie resonanzmäßig besser zusammen. Ob das an der Bauart der Marke liegt oder am Gebrauchtstatus wäre interessant zu wissen.
Model O, Bj. ca 1995
Im Bass schön, nicht ganz so voll wie der Bösi, was aber nicht schlecht ist. An der Einheitlichkeit der Intonation müsste man m.E. etwas tun, aber Hr. Schweisser sagt auch, dass er im Laden die Gebrauchten gar nicht intoniert, weil er nicht weiß wer am Ende kauft und was der Kunde haben will. Das mache also keinen Sinn. Sinnvoller sei es beim Kunden ordentlich zu intonieren... klingt für mich sinnvoll.
2x Model A, Baujahre habe ich nicht notiert
Zwei von den drei "A" waren m.E. total abgespielt. Das hat sogar mein Bruder sofort festgestellt, ich weiß nicht wie, denn er hat ja gar nicht gespielt. Offenbar war aber hörbar, dass die ihre besten Zeiten hinter sich haben und nicht mehr so fit sind. Für mich war das Spielgefühl irgendwie "laschi" und klanglich war auch nix los.
Model A, Bj. 1985, Ser. 489588
Der dritte A hingegen war der Hit. Es passiert mir ja eher selten, aber der hat mir nach wenigen Takten fast die Tränen in die Augen getrieben und ich bin als Ingenieur ganz sicher nicht der romantischte Typ. Es haben zwar Töne herausgeknallt, im Bass gab es Töne mir hörbar klickenden Mechanikgeräuschen, das Pedal hat beim Lösen Base-Drum-artige Geräusche verursacht und trotzdem war es wunderbar. Es gelang mir im Rahmen meiner Möglichkeiten hier am besten Melodien herauszuheben. Nach unten ins pp sind Töne dann irgendwann weggeblieben (anders als beim Bösi, wo einfach immer alles kam, selbst im ppp). Über den Überholungszustand des Instruments weiß ich leider nix (habe aber leider gestern auch nicht nachgefragt, werde ich nachholen). Ich vermute mal eher, dass nichts gemacht wurde und ich frage mich ob der Preis von 46T passt. Das Instrument war klanglich genau meins, aber hatte mechanisch selbst für mich spürbare Probleme. Er liegt sicher voll im Range dessen was man am Markt so sieht, aber mir fehlt die Einschätzung ob mein Klavierbauer mir nicht nochmal 10k Überholung vorschlagen wird, um das Instrument so richtig gut zu hinzubekommen.
Fazit
Ich bin meinem Instrument sehr viel näher gekommen. Die Japaner sind sind nun endgültig raus. Ich habe die Japaner ja auch bei anderen Händlern angespielt und es war immer der gleiche Eindruck. Ich bin inzwischen sicher das sind sehr solide Instrumente, aber halt nicht meins.
Optimal wäre eine Synthese aus den Dynamikmöglichkeiten des Bösendorfer, dessen strahlend rundem Diskant, der Mittel- und Basslage des Model A, seinem Spielgefühl und mit technisch einwandfreier Mechanik.
Ich werde mich bei S&S nun mehr auf Model A (statt auf O) konzentrieren. Der Unterschied von 8cm macht im Klang Welten aus und bei 1,88m ist bei mir halt definitiv Schluss mit Transportieren, s. Diskussion weiter oben.
Ich kann den Händler uneingeschränkt empfehlen, sehr nett, berät gut, lässt Freiraum zum Spielen, sehr gute Preise, alles super.
Wie geht's weiter ?
Eine Marke fehlt mir aber noch: Bechstein möchte ich unbedingt noch kennenlernen, da ich auf guten Aufnahmen das Gefühl bekommen habe, dass die neueren klanglich genau meine Rille sein könnten. Ich habe aber das Problem, dass neu (preislich) nicht in Frage kommt und bei den bisherigen Händlern kein einziger herumstand. Habt ihr diesbzgl. Tips wer da auf Gebrauchte spezialisiert ist ?
Soweit mein länglicher Bericht für heute.