Was ich sonst noch erzählen kann:
1. Die beste Vorbeugung gegen Lampenfieber ist eine 100%ige Vorbereitung. Oder hätte jemand Lampenfieber, wenn er sich ans Klavier setzen und nur eine einzige Taste drücken müsste? Vermutlich nicht mehr, als er problemlos ertragen kann. Wenn man die Stücke so gut übt, dass man keine Angst vor Fehlern hat, wird auch die Angst vor dem Aufführen kleiner. Wie man die so übt, steht auf einem anderen Blatt :D
2. So oft aufregende Situationen schaffen wie möglich. Das heißt: Lehrern, Freunden, Partnern, Omas, Haustieren vorspielen, sich selbst Aufnehmen. Man kann sich sogar Aufregung kreieren, indem man sich selbst sagt: So, jetzt gebe ich mir eine einzige Chance, mache eine Minute Pause und spiele dann das Stück und es muss klappen. Oder man spielt im Geiste ein bevorstehendes Vorspiel genau durch - stellt sich Raum und Situation genau vor und tut so, als ob.
Und natürlich echte Vorspiele wahrnehmen.
Der Vorteil dieser Routine ist zweierlei: Erstens wird die Aufregung immer kleiner, je öfter man in ähnlichen Rahmen auftritt (und sie wird dann wieder größer, wenn der Rahmen offizieller oder wichtiger wird). Umgekehrt wie bei Drogensüchtigen: Die brauchen immer mehr, um einen Kick zu bekommen. Und je öfter wir den Auftritts-Kick bekommen, desto weniger sind wir aufgeregt.
Zweiter Vorteil: Es geht nicht nur ausschließlich ums Verlieren des Lampenfiebers!! Sondern auch darum, es kennen zu lernen und sich selbst kennen zu lernen, Erfahrung damit zu sammeln, wie man selbst reagiert und was einem gut tut. Nach dem Motto "Ah ich weiß schon, gleich fangen die Hände wieder an zu zittern, naja, ist halt so..."
Wenn so etwas unvorhergesehen eintritt, macht es einen noch nervöser.
Manche Menschen wollen bis kurz vor den Auftritt abgelenkt und unterhalten werden, manche wollen üben, manche wollen nur still irgendwo allein sitzen und sich konzentrieren. Das muss man erstmal herausfinden.
3. Auf die Situation vorbereiten: Wenn möglich, sollte man sich die Örtlichkeit vorher ansehen. Es hat nichts mit Esoterik zu tun, wenn man sich als Musiker auf einen Raum "einstellen" muss. Wie groß, wie ist die Akustik, die Farben, die Formen und Materialien, der Geruch, die Platzierung des Publikums, die Größe und Art der Bühne, der Zugang zur Bühne, die Position des Instruments, natürlich das Instrument selbst usw. usw. usw. usw. - je mehr Unbekannte zu Bekannten werden, desto geringer die Angst!
Beispiel von mir selbst: Ich war im letzten halben Jahr dutzende Male im Marinskij-Theater in St. Petersburg, welches ein weltweit gutes Renomee hat. Anfangs war ich (als Zuhörer!) vor Konzerten selbst etwas nervös. Jetzt ist mir der Ablauf und das Gebäude, und z.B. auch das Publikum dort so bekannt, dass ich bei einem Auftritt dort vermutlich weniger nervös wäre, als ich es mit dem Hintergrund der wichtigen Bühne eigentlich sein müsste. [Vermutlich werde ich diese Erfahrung nicht machen :D ]
4. Aus 3. geht hervor: Selber in Konzerte gehen und mit der Atmosphäre vertraut werden.
5. Sich bewusst machen: Der Großteil des normalen Publikums hört nur 10% von dem, was man selbst hört. Sie wissen nicht, welche Stellen schwierig sind, kennen evtl. nicht mal das Stück und nehmen eher einen Gesamtklang und Gesamteindruck war. Auch das kann man bei 4. lernen. Finder man 90% der gehörten Konzerte schlecht? Nein? Waren wirklich nur die 10% der Musiker mit sich unzufrieden, die man selbst auch nicht so gut fand?
6. Professionalität beginnt, sobald man auf die Bühne tritt und endet dann, wenn man sie verlassen hat. Das, was dazwischen passiert, ist oft gar nicht so wichtig für den Eindruck des Publikums (leider und zum Glück). Oft merke ich schon vor dem ersten gespielten Ton, was das für ein Musiker ist, ob ich mich entspannt zurücklehnen und genießen kann oder ob ich mitfiebere, dass nichts passiert.
Wie man sich professionell präsentiert, ist auch wieder eine andere Sache. Kurz zusammengefasst: Angemessene Kleidung, nicht schleichen, nicht rennen, stolze Haltung, richtige Verbeugung, Konzentration und Vorbereitung vor dem Losspielen. Nach dem Spielen: Spannung nicht abreißen lassen, dann die Anerkennung durch das Publikum annehmen können, gescheit verbeugen, nicht gleich wegrennen, kein Gesicht machen, als wär jemand gestorben.
Soviel fällt mir gerade ein ;) Kann man sicher noch ergänzen.