Kaltstart Performance beim Vorspiel

Das automatische Spiel ("Blase") muss nicht Schlechtes sein. Zumindestens gibt es verschiedene professionelle Ansichten. Die einen sagen: ja, ist richtig so; die anderen: nein, man muss hellwach und präsent gestalten.
Ich denke, da muss man differenzieren.

1) Wenn man sich NACHHER nicht so genau erinnern kann, heißt das nicht, dass man im Moment selber nicht trotzdem ganz bei der Sache war.

2) Automatisches Spiel - welcher Teil ist automatisch? alles? Oder doch nur zB die Arpeggiogriffe, und die Melodie und andere Details werden präzise und bewusst gestaltet?
 
Ich habe von meiner KL noch einen coolen Übetipp für einen besseren "Kaltstart" beim Vorspiel bekommen: die Anfänge üben. Nur die ersten vier Takte. Aber das jede Stunde einmal. Aktuelle Tätigkeit unterbrechen, ans Klavier gehen, sich vor dem imaginären Publikum verbeugen, hinsetzen, durchatmen, losspielen. Nach vier Takten aufstehen und weitermachen, was man fürs Klavierspielen unterbrochen hat. Habe ich heute ca. 6-8 mal gemacht und habe jetzt eine tolle Losspielroutine. Ich denke, wenn man dann erst am drin ist, läuft es ja meistens gut weiter.
 
Vielleicht mal nur drei oder fünf Takte. Auch hier ein klitzeklein wenig variieren. Wenn es schon jede Stunde ist. Nicht, dass nach genau 16 Vierteln gedacht wird: "So, und jetzt geht es los."

:teufel:
 
Vielleicht mal nur drei oder fünf Takte. Auch hier ein klitzeklein wenig variieren. Wenn es schon jede Stunde ist. Nicht, dass nach genau 16 Vierteln gedacht wird: "So, und jetzt geht es los
Ja, stimmt. Meistens spiele ich auch mehr, wenns schon grad so flutscht...;-)
Z.B. auch nochmal den Schluss. Den soll ich auch besonders üben, weil die letzten 4 Takte sind das, was sich die Zuhörer auf jeden Fall merken, so meine KL...
Ich glaub, ab morgen nehm ich auch ein paar Einstiegstellen mittendrin dazu.
 
So habe ich das auch gemacht. Das bringt auf jeden Fall Sicherheit. Meist habe ich aber dann doch gleich ganz durchgespielt, weil die Schwierigkeiten ja eher weiter hinten lagen... Hauptproblem "Ermüdung" der Hände.
 
Bei unserem Schülervorspiel (meinem ersten mit dieser KL) gab es eine wirklich PERFEKT organisierte Einspielrunde. Jeder Schüler hatte einen Termin mit einem 15 minütigen Zeitfenster erhalten, um das Instrument kennenzulernen. Ich war recht am Anfang dran und froh, dass ich die anderen schon beim Einspielen hören durfte. Da hat das Publikum echt was versäumt, denn wir haben ALLE beim Einspielen wesentlich besser gespielt als im Vorspiel... :015:
 
Ein Schülervorspiel ist kein Solorecital. Bei so kurzen Stücken kann ich gar nicht mein ganzes Pulver verschießen! ;-)

Ich denke, da geht es eher um eine lockere Einspielsituation vs. DAS Konzert, die eine Chance, bei der man deswegen nervöser ist.
 
Gerade bei kurzen Stücken ist das so. Bei längeren kannste ja beim Einspielen gar nicht alles versauen.

Das kommt daher, dass die Schüler das Einspielen schon als Vorspiel empfinden und deswegen der Lampenfiebereffekt, der zu hoher Konzentration führt, schon anspringt. Sie müssten es gelehrt bekommen, dass man vor dem Konzert anders übt und beim Einspiel ganz andere Dinge macht. Es ist kein Geheimnis, dass es nicht möglich ist, zweimal nacheinander ein Stück/ Konzert in gleicher Qualität aufzuführen. Das gilt nicht oder nur bedingt für erfahrene Profis natürlich, die ihre Tricks haben (zweites Vorspiel reduziertes Tempo etc.).
 
Da hat das Publikum echt was versäumt, denn wir haben ALLE beim Einspielen wesentlich besser gespielt als im Vorspiel..
... es gibt den Aberglauben, dem ich auch anhänge, dass man am Tag des Vorspiels nur eine wirklich gute Variante hat. Wenn diese bereits beim Einspielen, oder zu Hause beim Üben genutzt wurde, wird es schwierig!
Deshalb an Konzerttagen und besonders beim Einspielen etwas zurückgenommen üben und spielen.

Sehr schwierig ist es, wenn man am Konzerttag eine (halb)öffentliche Generalprobe hat oder ein Programm zwei mal spielt. Dann sollte man sein Zeug wirklich können und den Aberglauben so austricksen!
 
Dasselbe in grün. Aberglauben ist das nicht, sondern passiert auch Profis, die dann aber wie gesagt Tricks kennen.
Ich las von einem der "Großen", dass er zur Vorbeugung dieses Phänomens, wenn er an aufeinanderfolgenden Tagen Konzerte hatte, nach jedem Konzert das volle Programm noch einmal in Zeitlupe spielte. Das Langsamspielen ist auch zur Pflege der Stücke keine Geheimwissenschaft.
 

Da hat das Publikum echt was versäumt, denn wir haben ALLE beim Einspielen wesentlich besser gespielt als im Vorspiel...
Man könnte ja beim Einspielen auch was anderes spielen. Ich denke es kommt ja dann nicht darauf an sein Stück abzuliefern, sondern das Instrument kennenzulernen.

Das ist mir zwar psychologisch äußerst schwer gefallen, weil man die vermeintlich "letzte Chance" nicht ungenutzt lassen will. Bei mir hat das aber funktioniert, die einzige voll durchgespielte Version am Vorspieltag war die im Vorspiel. Ich gebe aber zu, ich wäre tagsüber mehrfach fast "schwach" geworden nach dem Motto "ach, spielst's mal schnell durch...".

Ich glaube sogar, ich hätte - wäre denn Einspielen möglich gewesen - auch nur den Bach gespielt aber nicht das Prelude.
 
@Alter Tastendrücker: ja genau, den „Aberglauben“ bzw. Effekt gibt es, aber auch den Effekt, dass man bei sehr intensiver Vorbereitung erst nach dem Auftritt oder finalem take bei Video Audio, also wenn alles eigentlich vorbei ist am nächsten Tag - plötzlich alles Phänomenal ohne Mühe da ist, die besten Momente. Meist ist keiner oder wenige da, als Zeuge wie gut es war.

Ich kenne auch die Story eines der ganz Großen, der zum Spaß privat spielte und dann jemand es heimlich aufgenommen hat, um einen Verriß zu verbreiten. Echt übel sowas.
 
Man könnte ja beim Einspielen auch was anderes spielen. Ich denke es kommt ja dann nicht darauf an sein Stück abzuliefern, sondern das Instrument kennenzulernen.
Ich kann mich an ein Pollini-Konzert in Stuttgart erinnern: Beethoven, Diabelli-Variationen. Und womit hat Pollini sich eine halbe Stunde lang (!) eingespielt? Mit den ersten beiden Óktaven aus op. 111. Danach mußte der Klavierstimmer nochmal ran. Zum Glück waren keine Saiten gerissen oder Hammerstiele zu Bruch gegangen ...
 
ad "letzte Chance": Das Vorspiel ist keine Prüfung, sondern die angenehme Gelegenheit, die Zuhörer mit gu(gespiel)ter Musik zu erfreuen.

Geprüft wurde man schon beim Klavierlehrer. Wenn er sagt, das Stück ist zum Vorspielen OK, dann ist das auch OK. Soviel Gehorsam dem Meister gegenüber muss schon sein...
 
ad "letzte Chance": Das Vorspiel ist keine Prüfung, sondern die angenehme Gelegenheit, die Zuhörer mit gu(gespiel)ter Musik zu erfreuen.
Deswegen schreibe ich auch nicht "Prüfung" sondern "Chance", im Sinn von Gelegenheit. Ob angenehm oder nicht darf jeder für sich selbst entscheiden, aber es ist jedenfalls die EINZIGE Chance, vor diesem Publikum etwas zu präsentieren.

Geprüft wurde man schon beim Klavierlehrer. Wenn er sagt, das Stück ist zum Vorspielen OK, dann ist das auch OK. Soviel Gehorsam dem Meister gegenüber muss schon sein...
Und wenn es noch nicht bereit ist, was dann? Sagt der Lehrer dann das Vorspiel ab?
 
Schiffbruch ist für mich, wenn man komplett draußen ist. Also entweder ist ein Neueinstieg nötig oder Abbruch, zB weil man nicht mehr weiterweiß.
 

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