Ein Stück auswendig lernen

  • Ersteller des Themas playitagain
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Es gibt einen Trick um zu testen wie gut etwas auswendig sitzt. Denn weniger günstig ist wenn es nur motorisch gespeichert ist, manche sagen "Fingermemory" dazu.
Ob die Sache auswendig sitzt kann man mit der Start/Stop Methode testen: Man spielt bis zu einer Stelle im Stück und stoppt dann. Und dann spielt man wieder dort weiter. Ist es nur im motorischen Gedächtnis stolpert man dabei leicht.
So weit die Expertise von Fachmann Spielsmalwieder (Nomen est Omen in diesem Kontext...:-D:-D...)

Ein tumber dümmliche Pfuscher mit Nachnamen Katsaris hingegen erklärt in einem Interview, dass man sich auf antrainierte, automatisch ablaufende Bewegungsmuster verlassen muss und dass man diese möglichst früh erwerben soll, dass ohne diese nix geht ...

Welch' ein Dilemma...

Der Fachmann misstraut dem "Fingergedächtnis", der konzertierende Dummjan tut das Gegenteil.
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Wie kommt es zu solchem Unsinn? Durch Unkenntnis, wie immer.
Der absonderliche Begriff "Fingergedächtnis" wird von Laien gerne und oft mit falschen/irreführenden Inhalten aufgeladen und dann falsch verwendet. Die Finger haben kein Gedächtnis in dem Sinn, dass sie Gedichte aufsagen.
Die Reaktionszeit des bewussten Denkens und Steuerns ist lahmarschig: maximal 4 bis 6 bewusst kontrollierte Fingeraktivitäten/Töne pro Sekunde (bis zu 4 bei Laien, bei Trainierten bis zu 6, evtl 8) nu ja, 16tel bei Viertel=60MM ist lahm - selbst prima vista Sächelchen haben schnellere Tempi ...
Natürlich erwirbt man sich (nicht jeder...) Bewegungsgruppen, und diese laufen dann - wenn man sie drauf hat - von allein ab. Exakt das meint Katsaris. Z.B. das Finale der Mondscheinsonate besteht zu mindestens 80% aus Bewegungsmustern, die jeder Fortgeschrittene drauf haben sollte: das auswendig lernen reduziert sich da auf eine harmlose Folge einfacher Kadenzen (Profis spielen das im Tempo vom Blatt, lernen da nix auswendig, stoppen auch nicht grundlos zum testen)

So weit mal zum Nachdenken über "Fingergedächtnis blabla"...
 
Als ich anfing und feststellte, dass meine Finger sich relativ schnell selbstständig machten, habe ich das für ein Probelm gehalten. Weil hier so viele schrieben, dass das ein Problem sei.

Durch Selbstbeobachtung habe ich nun länger festgestellt, dass es kein Problem seien kann. Denn wenn ich nichts höre, dann könnne meine Finger alleine gar nichts. Hätte ich ein Fingergedächnis, dann könnten die das, hab ich aber nicht. Was mir aber inzwischen zumindest einmal passiert ist. Dass meine Finger eine Kinderlied gespielt haben, und ich keine Ahnung hatte, wie die das gemacht haben. Was da in meinem Kopf entsteht, ist eindeutig eine direkter Draht, von Klang zur Bewegung, und das finde ich eher gut als problematisch.
 
So weit mal zum Nachdenken über "Fingergedächtnis blabla"...

für mich als blutigen Anfänger: meine Finger haben definitiv kein 'Gedächtnis', eher machen diese Sch-- Finger das was ich gerade nicht will. Aber, eine Sequenz bis zum Erbrechen geübt, läßt sich dann doch irgendwie 'automatisch' abspielen. Und jetzt kommt's: wenn das dann nicht so funktioniert wie antrainiert, bin ich vollkommen draußen :cry2: und es geht nix mehr (----> black out) :cry2::cry2::cry2:
 
für mich als blutigen Anfänger: meine Finger haben definitiv kein 'Gedächtnis', eher machen diese Sch-- Finger das was ich gerade nicht will. Aber, eine Sequenz bis zum Erbrechen geübt, läßt sich dann doch irgendwie 'automatisch' abspielen. Und jetzt kommt's: wenn das dann nicht so funktioniert wie antrainiert, bin ich vollkommen draußen :cry2: und es geht nix mehr (----> black out) :cry2::cry2::cry2:
willkommen im Club!
So gehts mir auch oft. Dann lasse ich nach ein paar Fehlversuchen etwas Zeit vergehen und spiele das gesamte Stück nochmal. Was ich nicht mache: Das Stück ohne erneuten Versuch (notfalls auch mit Noten) liegenlassen und das nächste Stück spielen. Das geht gar nicht. Lieber spiele ich nochmal ganz langsam nach Noten und wiederhole die Passage so lange, bis sie auch im Tempo wieder passt.
 
So weit die Expertise von Fachmann Spielsmalwieder (Nomen est Omen in diesem Kontext...:-D:-D...)
Immer schön sachlich bleiben.

Der absonderliche Begriff "Fingergedächtnis" wird von Laien gerne und oft mit falschen/irreführenden Inhalten aufgeladen und dann falsch verwendet. Die Finger haben kein Gedächtnis in dem Sinn, dass sie Gedichte aufsagen.
Ganz was neues, weiß aber jeder hier ;-)Stimme dir aber zu dass der Name nicht optimal ist.

Die Reaktionszeit des bewussten Denkens und Steuerns ist lahmarschig: maximal 4 bis 6 bewusst kontrollierte Fingeraktivitäten/Töne pro Sekunde (bis zu 4 bei Laien, bei Trainierten bis zu 6, evtl 8) nu ja, 16tel bei Viertel=60MM ist lahm - selbst prima vista Sächelchen haben schnellere Tempi ...
Natürlich erwirbt man sich (nicht jeder...) Bewegungsgruppen, und diese laufen dann - wenn man sie drauf hat - von allein ab. Exakt das meint Katsaris. Z.B. das Finale der Mondscheinsonate besteht zu mindestens 80% aus Bewegungsmustern, die jeder Fortgeschrittene drauf haben sollte: das auswendig lernen reduziert sich da auf eine harmlose Folge einfacher Kadenzen (Profis spielen das im Tempo vom Blatt, lernen da nix auswendig, stoppen auch nicht grundlos zum testen)
Auch nur halb vollständig denn dein zitiertes "Programm" wird nur bei sehr schnellen Bewegungen benötigt. Richtiger und vollständiger ist diese Information:
Auszüge aus dem Buch „Die Kunst des Musizierens“ von Renate Köppel:
Bei komplexeren Bewegungen wird ständig der Ablauf von Sensoren vor allem in Muskeln, Sehnen, Auge und Ohr zum Gehirn gemeldet und dort mit dem angestrebten Handlungsablauf verglichen. Bei Abweichungen werden entsprechende Korrekturen veranlasst. Für langsame Bewegungen ist das daher ein geschlossener Regelkreis: Closed loop System

Für sehr schnelle und kurze Bewegungen braucht es aber vorprogrammierte Steuersysteme: open-loop Systeme. Bewegungen die weniger als 100ms dauern.
Kurze, schnelle Bewegungen werden nicht ausreichend über Sinneswahrnehmungen gesteuert sondern durch ein Bewegungsprogramm.
Quelle: Richard A. Schmidt „Motor Control and Learning“
(Kommentar: dürfte da so die Bibel sein)

  1. Reizverarbeitungsprozess zu langsam, d.h. der Zeitbedarf für Sinneswahrnehmung und Reaktion ist zu lang, als dass eine ständige Kontrolle und Korrektur möglich wäre: Reaktionszeit Menschen für einfache Reaktionen liegt bei 120 bis 180 Millisekunden. Bei M.M.160 für Viertelnoten sind das 640 N/Min also >10N/Sekunde.
  2. Rasche Bewegungen können nicht mehr gehemmt werden, nachdem sie ausgelöst sind
  3. Reaktionszeit, also Zeit bis zum Bewegungsbeginn, erhöht sich bei komplexen Bewegungen. Hinweis für Programm für Bewegungen
 
@playitagain: ich habe nicht verstanden, worauf du hinaus willst?

Im zitierten Text geht's um motorische Steuerung. Zum motorischen (prozeduralen) Lernen (z. B. zum Erwerb der extrem schnellen Bewegungsmuster) wird da gar nichts gesagt. Nichts von den Punkten 1-3 scheint mir direkt relevant fürs Spielen von auswendig Gelerntem. Für das Lernen von Bewegungen schon eher.

1. Ja, deswegen dauert es so lange, am Anfang, bis man die richtige Taste findet und drückt. Wenn man die Verbindung Note-Taste drauf hat, geht's automatisch und halt schnell. Wie beim 10-Finger-Tippsystem und anderen Beispielen.

2. Das kommt drauf an, was man unter "ausgelöst" versteht. Das laterale Bereitschaftspotential baut sich deutlich vor der Bewegung auf und kann durchaus gehemmt werden. Genau genommen kann keine Bewegung gehemmt werden, nachdem sie "ausgelöst" wurde, weil jeder hemmende Impuls nach dem erregenden Impuls am Muskel eintreffen würde.

3. Verstehe ich leider nicht. Was sind die komplexen Bewegungen, die du meinst? Mehrere involvierte Muskelgruppen? Die Reaktionszeit erhöht oder verringert sich auch durch viele andere Faktoren (Komplexität der Reizlage, Priming, konkurrierende Motorprogramme, ...). Eine erhöhte Reaktionszeit kann daher kein Hinweis für "ein Programm für Bewegungen sein". Alle Bewegungen sind "programmiert", also vom Nervensystem gesteuert, die meisten (bis auf einfache Reflexe) von einem komplexen Zusammenspiel von Großhirn, Basalganglien und Kleinhirn.

@rolf hat das doch richtig schön erklärt, hast du ihm zugestimmt oder widersprochen? Ich verstehe es leider nicht.
 
2. Das kommt drauf an, was man unter "ausgelöst" versteht. Das laterale Bereitschaftspotential baut sich deutlich vor der Bewegung auf und kann durchaus gehemmt werden. Genau genommen kann keine Bewegung gehemmt werden, nachdem sie "ausgelöst" wurde, weil jeder hemmende Impuls nach dem erregenden Impuls am Muskel eintreffen würde.
Beim langsamen Spiel kannst Du aber noch über eine Rückkopplung bestimmen, wie lange ein Ton erklingt, bei schnellen Läufen wohl eher nicht mehr. Deshalb diese Unterscheidung zwischen Closed loop und Open loop.
 
Reizverarbeitungsprozess zu langsam, d.h. der Zeitbedarf für Sinneswahrnehmung und Reaktion ist zu lang, als dass eine ständige Kontrolle und Korrektur möglich wäre: Reaktionszeit Menschen für einfache Reaktionen liegt bei 120 bis 180 Millisekunden. Bei M.M.160 für Viertelnoten sind das 640 N/Min also >10N/Sekunde.

Hier scheint mir noch ein gewisser Bedarf an Forschung zu bestehen. Bei wirklich sehr guten Blattspieler oder polyphonen Genies wie etwa Glenn Gould kann die Reizverarbeitung nicht so langsam sein, oder die Reizverarbeitung muss wesentlich komplexere Einheiten benutzen!
 
Hier scheint mir noch ein gewisser Bedarf an Forschung zu bestehen.

Abgesehen davon, dass Forschung nie schadet, ist die Grundlagenforschung dazu schon sehr weit, aber hier aus dem Kontext gerissen dargestellt.

Gemeint ist folgendes: ein Stimulus, der dass Auge, Ohr oder die Finger trifft und noch keine stark überlernte Reaktion auslöst (über Bahnen jenseits der Verarbeitung durch das Großhirn), muss nach Umschaltung über den Thalamus (hier wird geprüft, ob der Reiz relevant ist; Relevanz wird u.a. durch Prozesse im Großhirn (Aufmerksamkeit) bestimmt, deswegen muss sich ein Klavierschüler anfangs z. B. bewusst darauf konzentrieren, genau auf Nuancen in seinem Spiel zu hören) zunächst die primären, sekundären, ... Felder passieren, wird dann mit dem internen Koordinatensystem verglichen (woher kommt der Reiz) und mit den im Gedächtnis abgelegten Mustern (kennen wir den Reiz) und wird dann mit der gesamten Reizlage (andere Modalitäten wie sehen, Tasten,...) integriert bzw. assoziiert. Jetzt muss das Frontalhirn eine Bewegung planen und initiieren. Dieses Signal wird dann über die Basalganglien unter Beteiligung des Kleinhirns über die Pyramidenbahn an die Muskeln weitergeleitet.

Und das hat eben nur was mit den ersten Schritten bei Anfängern zu tun.

Später werden Motorprogramme für in der Vergangenheit erfolgreiche Bewegungen woanders gespeichert und über Reize (Klänge, Berührungen, Notenbild, ...) ausgelöst. Da muss nichts mehr langsam und umständlich über x Schaltstellen umgeschaltet werden, deswegen sind die Bewegungen schneller.

Dazu kommt, wie @mick hier irgendwo schrieb, dass erfahrene Spieler eine Klangvorstellung haben, also voraushören. Dadurch können vorausschauend Bewegungen (langsamer Prozess) geplant und modifiziert werden, die eigentlich erst später benötigt werden.

Man darf Forschungsergebnisse nur nicht aus dem Kontext reißen.
 
playitagain: ich habe nicht verstanden, worauf du hinaus willst?
Offensichtlich eine Antwort auf Rolfs Beitrag. Musst halt auch vorherige Beiträge ansehen.

2. Das kommt drauf an, was man unter "ausgelöst" versteht. Das laterale Bereitschaftspotential baut sich deutlich vor der Bewegung auf und kann durchaus gehemmt werden. Genau genommen kann keine Bewegung gehemmt werden, nachdem sie "ausgelöst" wurde, weil jeder hemmende Impuls nach dem erregenden Impuls am Muskel eintreffen würde.
Hier hat dir ja @Melegrian auch schon geantwortet.
Sehr wohl kann zum Besipiel ein Streicher bei langsamen Bewegungen die Tonqualität noch verbessern. Auch nachdem er begonnen hat, sprich ausgelöset hat.

3. Verstehe ich leider nicht. Was sind die komplexen Bewegungen, die du meinst?
Zum Bsp.eine Chromatische Tonleiter in sehr schneller Geschwindigkeit. Das wird ein Programm/Sequenz umgesetzt. Je länger eine solche Sequenz oder Sequenzen desto länger benötigt es um das entsprechende Programm "Vorzubereiten" vor der Abarbeitung. (Zeit bis zum Bewegungsbeginn)

@rolf hat das doch richtig schön erklärt, hast du ihm zugestimmt oder widersprochen? Ich verstehe es leider nicht.
@rolf hat ja in Post #161 auf meinen Input mit dem Start/Stop reagiert.
Konkret Am Walzer von Chopin sagen wir M.M 80 für Viertel:
D.h. in der Basslinie habe ich 240 N/Min das sind 4N/Sekunde. Das ist unterhalb des zitierten 100ms Limits , also eine langsame Bewegung. Ich kann nach dem Anschlagen der ersten viertel Note , sofort z.Bsp. die Laustärke , Tonhöhe für den nächsten Anschlag "In Ruhe vorbereiten" habe also kein Bewegungsprogramm/Bewegungssequenz von mehreren Noten hintereinander sondern ein Einzelprogramm. Kann bei jeder Note eingreifen.
Und wenn ich nun start/stoppe (siehe mein Post #156) unterbreche ich ein Einzelprogramm und keine Programmsequenz die ich, wie oben erklärt, als eine Einheit ausführen müßte weil sie so schnell geht.
Das sind grundlegende Unterschiede und hat mit der Sache sehr viel zu tun.
 
Die Klangvorstellung ist sehr wichtig, jedoch die muss man in die Motorik umsetzen. Dies ist nur durch Üben möglich … sonst kriegt man die Verbindungen zwischen Gehirn und dem Bewegungsapparat nicht hin. Beispiel, ich bringe mein Sprachakzent der ersten Sprache nicht mehr weg, da ich die korrekte Aussprache nie richtig geübt habe. Ich weiss zwar wie es richtig sein soll aber um die Umsetzung (Vorstellung und Übertragung in den Stimmapparat) mich nicht gekümmert hat. Sogar Kinder müssen durch die Eltern ständig korrigiert werden, damit sie ihre Babysprache endlich verlassen. Oder W.Horowitz … ein Genius was seine Klangvorstellung und die Umsetzung am Klavier betrifft. Wenn er dagegen englisch spricht, ist sein russischer Akzent nicht zu überhören. Warum ist es bei ihm so, weil er die amerikanische Aussprache nie geübt hat bzw. war sie ihm u.U. pieps egal.
 

du hast da was gründlich missverstanden @playitagain
Dein Rat, irgendwo zu stoppen (um zu testen, ob man was auswendig beherrscht), ist genau dann kontraproduktiv, wenn partout innerhalb einer automatisch gewordenen Bewegungsgruppe gestoppt wird.
 
Auch nachdem er begonnen hat, sprich ausgelöset hat.

Da wir über die neurobiologischen Prozesse reden, müssen wir streng unterscheiden. Ausgelöst wurde die erste Bewegung bereits und auch durchgeführt, sonst entstünde ja kein akustischer Reiz, auf den reagiert werden kann. Es werden lediglich neue Bewegungen danach ausgelöst, wobei gewisse Parameter (Kraft, Dauer, ...) der nachfolgenden Bewegungen modifiziert sind. Diese Modifikation geht vorausdenkend auch bei sehr schnellen Bewegungen, nur kann sie eben erst später als Reaktion auf z. B. Gehörtes einsetzen. Deswegen üben Musiker ggf. diese Passagen zunächst langsam (technisch schwierige, Dynamik, ...), damit das dann auch schnell automatisch mit den richtigen Parametern kommt. Die werden dann zusammen mit dem Motorprogramm abgespeichert.

. Je länger eine solche Sequenz oder Sequenzen desto länger benötigt es um das entsprechende Programm "Vorzubereiten" vor der Abarbeitung. (Zeit bis zum Bewegungsbeginn)

Nein. Wenn die komplette Bewegung "abgespeichert" ist, läuft die ab, wenn der entsprechende Reiz sie auslöst. Es dauert länger, sie zu initiieren, wenn das Frontalhirn noch am der Bewegungsplanung beteiligt ist. Das ist bestimmt nicht mehr der Fall, wenn jemand wie Rolf oder Mick eine Tonleiter spielen.

Musst halt auch vorherige Beiträge ansehen.

Habe ich ja, mehrfach. Hab's trotzdem nicht verstanden.
Ich kann nach dem Anschlagen der ersten viertel Note , sofort z.Bsp. die Laustärke , Tonhöhe für den nächsten Anschlag "In Ruhe vorbereiten" habe also kein Bewegungsprogramm/Bewegungssequenz von mehreren Noten hintereinander sondern ein Einzelprogramm

Das kannst du doch gar nicht wissen ohne EEG oder MRT oder Ableitung. Wenn es ein automatisiertes Motorprogramm ist, mag die Zeit theoretisch reichen, muss aber nicht gemacht werden und wird auch nicht gemacht. Dann wird auf das automatisierte zurückgegriffen, ggf modifiziert nach einzelnen Parametern (Kraft, Geschwindigkeit, ...). Solange das Frontalhirn mit beteiligt ist, wird man das daran merken, dass man bestimmte Bewegungsmuster nicht schneller ausführen kann.

unterbreche ich ein Einzelprogramm und keine Programmsequenz die ich, wie oben erklärt, als eine Einheit ausführen müßte weil sie so schnell geht.

Was ist denn ein Einzelprogramm? Das ergibt überhaupt keinen Sinn, neurobiologisch betrachtet. Es stimmt einfach nicht, das darf man so nicht ableiten aus dem, was du zitiert hast.

du hast da was gründlich missverstanden @playitagain
Dein Rat, irgendwo zu stoppen (um zu testen, ob man was auswendig beherrscht), ist genau dann kontraproduktiv, wenn partout innerhalb einer automatisch gewordenen Bewegungsgruppe gestoppt wird

Genau so sieht die Neurobiologie das auch.

Quellen (beispielsweise):
Trepel: Neuroanatomie
Goldstein: Wahrnehmungspsychologie
Kandel: Einführung in die Neurowissenschaften
Birbaumer: Biologische Psychologie
 
Das kannst du doch gar nicht wissen ohne EEG oder MRT oder Ableitung.
Doch das kann ich wissen ,aus eigener Spielpraxis.
Bsp.: Kann von Takt 1 die erste ZZ spielen und spontan auf Takt 3 ZZ2 weiter spielen. Brauche ich kein EEG dafür. Weil es eben noch relativ langsam geht. Geht eben bei schnellen Bewegungsgruppen nicht. Probiere es selbst aus, kann jeder testen. Brauchst nur das ganz langsam machen und der Beweis ist schnell erbracht. Alles eine Frage des Tempos, wie geschrieben.
Es dauert länger, sie zu initiieren, wenn das Frontalhirn noch am der Bewegungsplanung beteiligt ist. Das ist bestimmt nicht mehr der Fall, wenn jemand wie Rolf oder Mick eine Tonleiter spielen.
Letzterer Satz ist gemäß
Richard A. Schmidt „Motor Control and Learning
eben nicht so. Es ist eben nicht so dass pro Person, unterschiedliche lange und komplexe Bewegungssequenzen, gleich lange initiiert werden.

Dein Rat, irgendwo zu stoppen (um zu testen, ob man was auswendig beherrscht), ist genau dann kontraproduktiv, wenn partout innerhalb einer automatisch gewordenen Bewegungsgruppe gestoppt wird.
Warum soll das kontraproduktiv sein? Und für was kontraproduktiv?
Jemand könnte dann ja wieder am Anfang der Bewegungsgruppe nach dem Stopp weiterspielen.
Und wenn das ganze Stück super schnell ist, dann darf man deiner Meinung nach nie stoppen, weil kontraproduktiv? :-D
 
Doch das kann ich wissen ,aus eigener Spielpraxis.
Bsp.: Kann von Takt 1 die erste ZZ spielen und spontan auf Takt 3 ZZ2 weiter spielen. Brauche ich kein EEG dafür.
...grandios! Unbedingt weiter perfektionieren: wenn man Takt 7 Zählzeit 2,5 direkt "auf" Takt 34 Tählzeit 2,25 wechseln kann, dann hat man einen messbaren Fortschritt erreicht!
:021::021::021::021::021:

Diese Zählzeit-hopping-Methode publizieren, das Werk wird dich reich machen!
 
Und wenn das ganze Stück super schnell ist, dann darf man deiner Meinung nach nie stoppen, weil kontraproduktiv?
Auch ein durchgehend schnelles Stück (wie beispielsweise die 1. Chopin-Etüde) besteht aus sehr vielen einzelnen Bewegungsgruppen. Das läuft nicht in einer einzigen automatisierten Bewegung ab, sondern in vielen aufeinander folgenden automatisierten Gruppen.

Selbst eine schnelle Tonleiter über mehrere Oktaven besteht aus etlichen automatisierten Gruppen. Alles andere wäre auch ziemlich doof, weil man dann so einen Skalenlauf jedesmal neu üben müsste, wenn er mit anderen Anfangs- oder Endtönen vorkommt.
 

Stimmt, dann brauchst du kein EEG/MRT. Das wird erst spannend, wenn man's kann. Dann kann man das selbst kaum noch zuverlässig unterscheiden.

Probiere es selbst aus, kann jeder testen. Brauchst nur das ganz langsam machen und der Beweis ist schnell erbracht

Das beweist leider nichts. Wie gesagt, das gilt nur für Bewegungen, die man nicht wirklich "kann", z. B. auch ohne Aufmerksamkeit unter Ablenkung.

Es ist eben nicht so dass pro Person, unterschiedliche lange und komplexe Bewegungssequenzen, gleich lange initiiert werden.

Das entscheidende Kriterium, ob du diese Aussage anwenden darfst, ist, ob es sich um automatisierte bzw. überlernte Bewegungsmuster handelt oder um bewusst bzw. von Frontalhirn gesteuerte. Die Aussage ist nur korrekt für letztere.

Ansonsten:

besteht aus sehr vielen einzelnen Bewegungsgruppen. Das läuft nicht in einer einzigen automatisierten Bewegung ab, sondern in vielen aufeinander folgenden automatisierten Gruppen.

So ist es.
 
ein Stück zu lernen und dann fehlerfrei auswendig zu spielen ist eine höchst komplexe Angelegenheit. Bereits beim lernen ergeben sich immens viele Interaktionen, die den gesamten Körper und dessen Funktionsregelkreise einbeziehen. Dies geht so weit, dass z.B. eine Aktivierung der Rezeptoren für die Dehnung des Magens die Lernkurve flacher werden lässt, was bereits lange bekannt ist: "plenus venter non studet libenter" (ein voller Bauch studiert nicht gern).
@Robert M. hat ja auch schon etliche schöne Beispiele der Neurobiologie und -physiologie erwähnt.

Die Interaktionen zwischen Efferenzen und Afferenzen inklusive deren Verarbeitung (z.B. Hemmung, Modulation, Erregung....) ist derart sensibel geregelt, dass z.B. eine kleine Störung der Ausschüttungsgeschwindigkeit von Transmittern im (Goll)Burdach-Weg des Hinterstrangs des Rückenmarks bereits relevante Auswirkungen auf die Druck- und Berührungssensibilität der Finger hat und dies wiederum eine negative Auswirkung auf das Erlernen von Bewegungsmustern.

Aber unser Gehirn hat sich da etwas einfallen lassen: Im Kleinhirn wird eine Art Sammlung von Bewegungsmusterschablonen erstellt und abgelegt, die der Koordination und feinstmotorischen Abstimmung von Bewegungen dienen und deshalb nicht mehr neu erlernt werden müssen. Dabei ist jedoch eine sehr hohe Konzentration und ein sehr hohes Leistungsniveau nötig, um darauf zugreifen zu können. Jede Bewegung wird in einzelne Schritte unterteilt und für jeden Schritt existiert eine Schablone. @mick hat dies vollkommen richtig beschrieben. Leistungssportler können bis zu einem bestimmten Maß noch während der Ausführung (z.B. der Tennisspieler beim Aufschlag, wenn er merkt, dass er den Ball nicht hoch genug geworfen hat) eine minimale Bewegungskorrektur durchführen, das funktioniert aber nicht mal bei Leistungssportlern beliebig. Sonst würde ja jeder Profi-Tennisspieler bei jedem Aufschlag ein As schlagen können und es würde kein Pianist mehr auch nur den winzigsten Fehler machen.

Als Maß für den Grad der erlernten Automatisierung von Bewegungsmustern kann man das Dual-Task-Prinzip verwenden. Es wird eine Primary-Task vorgegeben (z.B. das Spielen eines Stückes) und dann wird eine Interferenz = Secondary-Task (z.B. das gleichzeitige Vorlesen aus einem Buch oder das Lösen einer Rechenaufgabe) dazu geschaltet. Aus dem Verhältnis der beiden Tasks zueinander kann man dann als Ergebnis den Grad der kognitiven Ressourcen ableiten. Bei geübten Spielern bleiben deutlich mehr Ressourcen für die Secondary Task als bei Anfängern.
 
Das ist hier ja eine sehr gelehrte Diskussion geworden. Ich finde das gut und beeindruckend. Allerdings fällt es mir ein wenig schwer, die Nutzanwendung für die Praxis zu ziehen.

Hab den Faden nur nebenher verfolgt und sehe den Wald vielleicht vor lauter Bäumen nicht.

Vielleicht sind das die praktisch relevanten Punkte:

1. Das vielgeschmähte "Fingergedächtnis" ist in Wirklichkeit im Sinne einer Automatisierung schneller Bewegungsmuster eine wesentliche Grundlage des Klavierspiels. Es ist also unsinnig, das "Fingergedächtnis" zu kritisieren.

2. Relevant an der Kritik des "Fingergedächtnisses" ist nur der Aspekt, dass es beim Auswendiglernen nicht ausreicht, sich einzig und allein auf Automatisierung zu verlassen. Es sollte also noch etwas hinzukommen, um ein Stück gut und verlässlich auswendig zu lernen.

3. Was da noch hinzukommen muss, darauf scheint es unterschiedliche Antworten zu geben. Offenbar können manche Spieler stärker auf ihr visuelles Gedächtnis (Notation) zurückgreifen, andere auf Klanggedächtnis, andere wiederum auf höhere kognitive Fähigkeiten (Harmonielehre etc.).

Stimmt das so ungefähr als Zusammenfassung dieses Fadens?
 

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