Peter (und alle anderen),
ich hatte eigentlich vor, dieses Experiement in einem etwas kleineren Kreis zu planen und durchzuführen, das dies meist effizienter ist. Im öffentlichen Bereich verzettelt sich so etwas oft und die Meinungen und Ideen sind nicht unter einen Hut zu kriegen.
Aber vielleicht hat es auch was für sich, da nicht zielführende Aktivitäten natürlich schneller „entlarvt“ werden.
Ich versuche es also hiermit mal öffentlich. Unter anderem folgende Überlegungen habe ich bislang angestellt (sorry für die Langatmigkeit, aber niemand hat behauptet, dass es einfach werden wird…):
Allgemein stelle ich mir die Stuktur der Vorgehensweise in etwa so vor:
- Klärung der Fragestellung, Abgrenzung
- Literaturrecherche
- Klärung der physikalischen Begrifflichkeiten, des Klavier- und Mechanikaufbaus
- Aufstellen von Hypothesen
- Versuchsaufbau
- Versuchsdurchführung, Meßwerte, etc.
- Auswertung, Schlussfolgerungen, Bewertungen
- Ausblick, weiterführende Fragestellungen
Zu 1) Ich habe die Frage vorgeschlagen: „Können auf einem Klavier durch Differenzierung des Anschlags bei gleicher Lautstärke unterschiedliche Klangfarben erzeugt werden?“. Ich werde sie beibehalten, solange niemand eine zielführendere Idee hat. Eine echte Abgrenzung haben wir noch nicht gemacht, das wäre z.B.: wir beschränken uns zunächst auf einen einzelnen Ton um möglichst viele andere Einflüsse zu eliminieren. Wir beurteilen also explizit nicht Agogik, etc.
Zu 2) Das wäre prima, wenn sich hier möglichst viele Leute beteiligen. Gibt es bereits Brauchbares zu lesen über dieses Thema? Nutzlos sind hier Aufsätze, die unbewiesene Behauptungen aufstellen, das können wir selbst.
Zu 3) Das gehört auf jeden Fall mit hinein. Wir werden unter anderem auch über Geräusche reden, die von der Mechanik erzeugt werden, da muss man den Aufbau genauestens kennen, sonst bleibt es Halbwissen
Zu 4) Ich liste hier mal alle Thesen auf, die mir so eingefallen sind. Zu jeder These ist ein entsprechender Versuch durchzuführen. Vielleicht können mehrere zusammengefasst werden, aber 1 Versuch wird nicht reichen um alle Thesen zu prüfen:
These 1:
unter
Einsatz des Armgewichts wird der Ton grundtöniger, beim reinen
Fingerspiel wird der Ton dünner und obertonreicher. (das wäre die „Kratzert- These“)
These 2:
Das
Klopfgeräusch des Fingers ist integraler Bestandteil des Klangs am Klavier. Wenn der Finger bereits mit hoher Geschwindigkeit auf der Taste auftrifft, ist das Klopfgeräusch groß. Liegt der Finger zu Beginn der Tastenbeschleunigung bereits auf der Taste, dann gibt es kein Klopfgeräusch (nur das der Taste auf dem Tastenboden). Um den Ton auf die gleiche Lautstärke zu bringen, muss man natürlich dementsprechend schneller beschleunigen, da der Beschleunigungsweg kleiner ist.
These 3:
Das
Klopfgeräusch der Taste am Tastenboden ist integraler Bestandteil des Klangs am Klavier. Wenn die Tasten den Boden mit hoher Geschwindigkeit erreicht, dann wird dieses Geräusch ausgelöst. Berührt die Taste den Boden überhaupt nicht, dann fällt dieses Geräusch ganz weg.
These 4:
Gibt es
ansonsten Stellen in der Mechanik, an der „ungewollte“ Geräusche auftreten, die man besser oder schlechter vermeiden kann?
These 5:
Eine Taste, die schneller beschleunigt wird,
verbiegt den Hammerstiel mehr, als eine Taste, die langsam beschleunigt wird. Nach der Auslösung schwingt dann der Hammer mit Stiel in seiner Eigenfrequenz und erzeugt bei Resonanz in höherer Amplitude eine andere Klangfarbe als bei Resonanz in kleinerer Amplitude.
These 6:
Die Klangfarbe des Tons variiert, wenn die
Saite bereits in Bewegung ist, wenn sie vom Hammer getroffen wird.
These 7:
Die Art und Weise, wie der
Dämpfer von der Saite abgehoben wird, hat Einfluß auf den Klangcharakter. Dies hat wieder mit der Tastenbeschleunigung zu tun, bzw. mit der Geschwindigkeit der Mechanik in dem Moment, wo der Dämpfer angehoben wird. Beim schnellen Abheben wird die Saite mehr in Bewegung versetzt.
These 8:
Eine
bestimmte (mir bislang unbekannte)
Anschlagstechnik führt dazu, dass der Hammer die Saite irgendwie anders erreicht als bei einer anderen Technik. Sowohl Technik als auch die physikalischen Größen, die dann variieren, wären dann zu beschreiben.
Zu 5) Ich denke, man muss zweigleisig fahren: einmal sollte der Anschlag maschinell erzeugt werden, so lassen sich Parameter besser einstellen und konstant halten. Parallel dazu sollte der Anschlag aber auch durch einen menschlichen Spieler erzeugt werden (vorzugsweise wie weiter oben beschrieben), vielleicht passiert da etwas, was wir in unseren Thesen nicht berücksichtigt haben.
Zu 6) Die Durchführung ist ein komplexes Thema. Meine erste Überlegung, dass man die Lautstärke am besten durch eine (A)- bewertete dB- Skala konstant hält, ist keinesfalls ausreichend. Wir werden nicht darum herum kommen uns etwas mit Psychoakustik auseinander zu setzen. Am Ende des Tages ist das Ergebnis von Musik immer Emotion, und die entsteht leider (oder zum Glück, je nachdem) nicht nur aus Größen, die einfach zu messen sind. Deswegen ist auch die Frage nicht unberechtigt: was ist eigentlich gleiche Lautstärke? Wir müssen es irgendwie messbar machen, dazu kommen:
- Schalldruckpegel: [dB]
- Lautstärkepegel: [phon]
- Lautheit [sone]
In Frage. Aber es geht leider nicht um die objektiv messbare Lautstärke, sondern um die „erlebte“ Lautstärke, deswegen sind auch Größen wie:
- Tonheit [1mel(=0,01Bark)]
- Tonschärfe [Acum] (rein subjektiv „meßbar“)
- Tonrauhigkeit [Asper]
- Schwankungsstärke [vacil]
- Tonhaltigkeit
- Impulshaltigkeit
- Schwebung
zu berücksichtigen. Zumindest müssen wir uns genau überlegen, ob sie es sind, manche davon wahrscheinlich nicht.
Neben den objektiven Meßwerten würde ich auch immer einen echten Hörtest machen (allerdings natürlich blind), da möglicherweise nicht gewährleistet ist, dass alle relevanten Größen auch gemessen werden (können).
Über 7) und 8) zu sprechen ist es vielleicht noch etwas früh.
Wer jetzt immer noch mitliest: Glückwunsch! Du bist mit deiner Geduld genau der Richtige um dich an diesem Versuch zu beteiligen
Der Hartmut