Naja, es gibt denke ich noch einen entscheidenden Faktor, bzw. sehr entscheidende weitere Faktoren: Intelligenz, Eigenständigkeit, Kreativität und Vielseitigkeit.
Klar ist: Wenn man Mitte 20 ist, ein instrumentales Hauptfach studieren will, nur am Standardrepetoire interessiert ist und sich einzig und allein mit dem Klavierspiel beschäftigen will, dann hat man einerseits geringe Chancen auf einen Studienplatz und andererseits auch geringe Chancen, mit der Musik seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Weil: Besser Klavierspielen können nunmal sehr viele.
Anders sieht es meines Erachtens aus, wenn man musikalisch (und auch außermusikalisch) breit interessiert ist, man eigene Projekte und Ideen verwirklicht, Interesse daran hat nach Nischen zu suchen (und diese auch zu finden) und auch bereit (und dazu geeignet) ist, anderen musikalische Tätigkeiten als dem Klavierspiel auf möglichst hohem Niveau nachzugehen und auch bereit ist sich innerhalb der Musik umzuorientieren.
In der letzten Kategorie kenne ich einige Instrumentalstudenten, die nun zum Teil Musiktheorie studieren (und eine Hochschullehrerlaufbahn anstreben), an der Schule sind, mittlerweile Orchester und Chöre leiten (und ihr Instrument gar nicht mehr spielen), Kompositionsaufträge erbringen, unterrichten, ... . Allesamt haben sie gemeinsam, dass sie von der Musik gut leben können und auch Spaß daran haben. Auch kenne ich ein paar Pianisten, die ihre Nische in der neuen Musik gefunden haben und durch ihre hohe Experimentierfreunde immer wieder musikalische Projekte ans Land ziehen (CD-Projekte und Ersteinspielungen von Komponisten, ...) und sich damit zusätzlich zum Unterrichten ein wirklich sehr interessantes Künstlerportfolio aufbauen. Der Extremfall ist ein (verhältnismäßig bekannter) Musiker, den ich nun nicht namentlich nenne, der eigentlich Geige studiert hat, aber mittlerweile als Professor für Klavierkammermusik an einer Hochschule als Pianist lehrt.
Die Frage die man sich stellen sollte ist also auch: Bin ich am Klavierspiel oder an der Musik im Allgemeinen interessiert? Habe ich Spaß daran vieles (Generalbass, Korrepitition, Ensembleleitung, Musiktheorie, Gehörbildung, Musikpädagogik, Konzertmanagment, Musikgeschichte, Komponieren ...) auszuprobieren und so gut wie möglich zu lernen/kennenzulernen?
Wenn die Antwort auf diese Frage "Nein" lautet und man kein Genie ist, ist das Musikstudium wohl keine gute Idee. Aber wenn die Antwort auf diese Frage "Ja" lautet, ist ein Klavierstudium ja vielleicht der richtige Ausgangspunkt für einen interessanten Lebensweg in der Musik.