Bösendörfer vs. Bechstein – Kundendienst

  • Ersteller des Themas Marlene
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Sla, Du bist ja auch wirklich foliantengeschädigt, was die Sehkraft angeht. ;-) ;-)

Seht Ihr die dunkelbraune Leiste unterhalb der rechten Kante des Spieltisches auf Bild 4? ist sich Kante von Podestchen.
 
Rim, Ecken, Patente, Goldmedaillen, Strads, Medienkriege und anderes Uninteressante

Zum "Rim": man betrachte mal dieses Bild eines uralten Steinway-Flügels. Er steht z.Zt. noch unrestauriert in Hampshire, USA-Oststaaten. Es ist die Nr. 35025 vom Baujahr 1877.

Steinway%20Centennial%20D_016.jpg_thumb.jpg


Rechts am hinteren Ende der Diskantwand weg vom Pianisten gibt es einen scharfkantigen Übergang. Nach links schwenkt die "Hohlwand" weg zum hinteren Flügelende. Sie ist hier noch ein massives, unter Dampf gebogenes Brett. Dieses Gehäuse ist also noch ein sogenanntes "constructed case", ein aus Einzelteilen zusammengesetztes Flügelgehäuse mit Eckleisten an zwei Übergangsstellen, am Ende der Diskantwand, und nochmal eine am Ende der langen Basswand.

Interessant wird das Instrument in zweierlei Hinsicht: es wurde gebaut unmittelbar bevor Theo Steinweg die neuere, angeblich bessere, heutige Machart in die Serie umsetzte, das "Rim-Patent". 1878, ein Jahr nach diesem Flügel, kamen die ersten (kleinen) Flügel mit dem "contiguous rim", der umlaufenden, ohne scharfe Ecken auskommenden Gehäusewand. Die allerersten Modelle A-182 (ja, damals noch 6 cm weniger..) und B-211. Ab 1881 wurde dann das große Modell D ebenso mit Conti-Rim gebaut.

Der letzte Steinway-Flügel nach Altvätersitte war der sogenante "Parlor Grand Style II", den man als Vorläufer des C-Flügels noch bis 1886 konventionell baute: mit dampfgebogener Hohlwand und verleimten Eckleisten.

Genau die Flügel des oben gezeigten Types sind auch diejenigen (meines Wissens einzigen) Klaviere, in deren Bauzeit 1875-1884 es hälftig, 1875-81 nach "Muster alt" das gebaute Gehäuse gibt, und hälftig ab Baujahr 1881 bis 1884 den "contiguous rim"; die durchlaufende Flügelkontur.

Es handelt sich bei den 424 Instrumenten angeblich um die besten jemals in der Geschichte der Klaviere gebauten Flügel. Es sind auch, nebenbei, Steinways schwerste je hergestellte Serienbauten: die sogenannten "Centennial D". Mit ihnen sollte sich der Sinnspruch erfüllen, den der Vater dem Unternehmen mitgab: "To build the best pianos possible". Vater Steinweg hatte es jedoch nicht mehr erlebt: der Typ Centennial kam vier Jahre nach seinem Tode 1871 heraus. Mit diesem Typ gewann das Unternehmen auf der Weltausstellung in Philadelphia den Wettbewerb der Klavierbauer mit der Goldmedaille. Die "Centennial Exhibition", die Ausstellung zur Feier von einhundert Jahren Bestand US-Verfassung.

Das war der Beginn der sogenannten "piano war" (Klavierkriege) in den USA, in dem sich die wettbewerbenden Hersteller gegenseitig der Bestechung der Jury und anderer schmutziger Dinge etc. bezichtigten. Vor allem der New Yorker Konkurrent Weber war der Auffassung, dass seine Klaviere die besseren gewesen seien.. Die Streitereien zogen sich medienwirksam über Jahre hin.

Weil, es kann ja einfach nicht sein, dasss da einer einfach mal behaupte, das seien die besten Klaviere der Erde... ;-) Frechheit aber auch! ..

In Österreich, in Hainburg an der Grenze zu Tschechien, wird gerade einer der letzten Centennial D verkauft, Baujahr 1884. Der Klaviermachermeister nennt ihn "Stradivary (sic) of the pianos". Mit Y.

Sei es, wie dem auch sei. Sie klingen wundervoll.

Das Wort "rim" ist allerdings doppeldeutig. Es heißt zum einen allgemein "Gehäuse", egal, wie das gebaut wurde. Im engeren Sinne ist der Rim bei Flügeln seither das in einem Stück aus verleimten Furnier-Schichten erstellte, durchlaufende Außenprofil des Flügels, verspannt für einen Tag zum Abbinden der Leimschichten auf dem Rim-Biegeblock.

Heute machen das fast alle Klaveirhersteller so, nur Bösendorfer stellt noch einzelne Instrumente in "constructed rim" her, zB den riesigen Imperial-Flügel mit 2,90m.

Hier das das Bild der dementsprechenden Patent-Anmeldung für die Biege-Vorrichtung.

Ein Mann in New York City, Marc Wienert, nennt vier von diesen Flügeln sein Eigen. Mindenstens einer hat den "conti rim". Eine Tabelle dieser Instrumente steht jetzt bei 44 Stück, die mit Standort und meist mit Seriennummer bekannt sind. Einer ist der Flügel von Richard Wagner in der Villa Wahnfried in Bayreuth. Franz Liszt hatte auch einen, aber der ist abhanden gekommen. Möglicherweise stecken die Teile des allerersten je gebauten Centennial D (Nr. 33.610 vom Dezember 1875) in den ausgebombten Trümmern und Fundamenten der ersten deutschen Fabrik in Hamburg in der Schanzenstraße - wohin er 1876 ausgeliefert worden war. Seither ist sein Verbleib unbekannt.

Es dürfte interessant sein, mal zwei dieser Centennial D im Vergleich direkt nebeneinander zu hören, einen "constructed" und einen "contiguous". Irgendwann wird die Villa Wahnfried wohl fertig renoviert sein. Wagners Flügel ist auch ein "älterer" Bautyp - mit Seriennummer in den 34.900 vom Baujahr 1876. Im Hotel "Riverside Inn" bei Los Angeles steht einer, und einer ist an der Uni Palo Alto, der zweitälteste aller gebauten und ältest noch bekannte Flügel dieser Serie, frisch saniert mit neuem Resonanzboden aus New York.. Na ob das noch gut klingt..?.. . So viele Centennials laufen auch leider nicht frei herum. Die Käuflichen haben meist stolze Preise von 35.000 bis herauf zu 200.000 USD. Naja, wenn sie angeblich die "Stradivaris des Klavierbaus" seien..

In New York stehen momentan zwei zum Verkauf, einer in Texas, einer in Santiago de Chile, einer in Hainburg/Österreich.

Mitunter kommt man ins Nachdenken, dass uU mehr dieser Instrumente zum Verkauf stehen, als gespielt werden..?..
 
Hallo Marlene,

Glückwunsch zum Neuzugang. So ein Flügel ist schon was schönes. Irgendwann bekomme ich hoffentlich auch mal einen. Aber sag mal - geht die Inneneinrichtung nicht langsam zu Lasten der Gemütlichkeit? Dein Wohnzimmer sieht inzwischen schon so ein bisschen aus wie der Ausstellungsraum eines Musikgeschäftes. Nimms mir nicht übel - aber ist das noch ein "Wohnzimmer"? Kommt von wohnen... ;-) Stapelst du deine Besucher auf den Klavierbänken und liest du auf dem Flügeldeckel? Wobei... DAS könnte ich mir recht witzig vorstellen :-)
 
Super, hervorragend interessant! Bitte mehr solcher Beiträge!
 
Und die Aufschrift auf dem Kran war ja wirklich das i-Tüpfelchen.

Ja, genau. Diese Aufschrift steht auf allen Spezialfahrzeugen der Firma Colonia und ich finde sie auch sehr passend. Jedes Mal wenn ich eines ihrer Fahrzeuge sehe, muss ich schmunzeln.

@ Marlene: M.W. nennt man die vertikale Außenhaut des Flügels "Rim" (e.: Rand). Insofern hast Du mich schon richtig verstanden. Der Knick ist einfach "something special" und harmonisiert m.E. die Form, speziell bei großen Flügeln. Umgekehrt wird das von der Konkurrenz wieder als "Schwachstelle" angekreidet, weil dort ja das Rimlaminat unterbrochen wird, was rein statisch gesehen, zutreffen mag.

Ach herrje, immer diese Denglischen Ausdrücke. Darauf bin ich nicht gekommen.

K.u.K. hat auch diese „harte“ Rim-Kante, mir gefällt es auch. Und mir gefällt, dass vorne unten keine Kante kommt wie bei den Steinways, sondern der Übergang beim Bösendorfer weich verläuft. Das ist ein schöner Kontrast zu den Kanten.

In Anbetracht der Werksbesichtigung und dem dort gesehenen sehe ich diese Kante nicht als Schwachstelle an.

@Wiedereinaussteiger
Spannend, was Du so alles weißt. Danke für den ausführlichen Bericht.

Aber sag mal - geht die Inneneinrichtung nicht langsam zu Lasten der Gemütlichkeit?

Nein.

Dein Wohnzimmer sieht inzwischen schon so ein bisschen aus wie der Ausstellungsraum eines Musikgeschäftes.

Na, so etwas, das hat mein „Begleiter“ beim vierhändigen Spielen gestern auch gesagt. Nur dass er noch das Wort „Edel“ davor gesetzt hat. ;)

Aber ist das noch ein "Wohnzimmer"? Kommt von wohnen. Stapelst du deine Besucher auf den Klavierbänken und liest du auf dem Flügeldeckel?

Es ist ein Wohnzimmer, nach wie vor. Nur macht sich so ein Flügel besser als eine Ledergarnitur mit wuchtigem Tisch. Die Besucher werden auf den Stühle am Esstisch versammelt. Und falls mal mehr kommen sind ja noch die Klavierbänke da. ;)

Lesen auf dem Flügeldeckel? Nichts, aber auch gar nichts außer Noten gehört auf meine Flügel! ;)
Und wenn ich lese: Schau mal was auf dem dritten Foto links neben dem Bösendorfer steht...
 
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Liebe Marlene,

ja, was soll ich sagen.... DAS IST JA DER HAMMER!!!!!!!!!!!!!!!!!

Auch von mir herzliche Glückwünsche zu deinen beiden schwarz-glänzenden neuen Bewohnern.

Du spielst also vierhändig, hey, das stelle ich mir interessant vor. Jetzt weiß ich ja, wo ich Renato unterbringen muss.... ;)

lg,
René
 
Liebe René,

danke auch für Deine Anteilnahme.

Nein, es ist nicht Renato dessen pianistische Fähigkeiten mich derzeit beim vierhändigen Spielen beglücken. Renato kann nicht mehr Klavier spielen, denn er hatte mit seiner Hand nicht so viel Glück wie Du. Deine Handverletzung wird wieder heilen!!!

LG,
Marlene
 

Soeben habe ich von Herrn Willmes (Bechstein) eine Kopie eines ihrer Archivbücher erhalten aus dem - die Frage nach dem Baujahr "Seiner Majestät" kam ja auf - hervorgeht, dass er am 15. Mai 1904 das Werk verlassen hat.

Es freut mich, dass man sich bei Bechstein - entgegen der Vermutung von René - doch Gedanken über meine Berichterstattung macht. Nichts für Ungut, René... ;)
 
Gratuliere zum neuen Flügel, Marlene!

Viel Spaß beim Klavierspielen. (-:

LG
Michael
 
Hallo Marlene,

hab mir nochmal deine Fotos angeschaut weil ich mir nicht vorstellen kann wie drei Flügel in eine Wohnung passen sollen. Da liegt – wie Pirata geschrieben hat – der Verdacht nahe, daß da kein Platz mehr zum wohnen ist. Man sieht ja noch Platz neben dem Bösi aber wie sollte denn dort noch ein D 280 hinpassen? Stehen die dann nicht zu nah beieinander, ich meine nicht nur, daß man sich dann da vorbeidrücken müßte (Kratzergefahr!!!), sondern auch in Bezug auf den Klang. Bringt da nicht ein Flügel den anderen in Schwingungen – also die Saiten – wenn die sich so auf die Pelle rücken?

Gruß
René
 
Danke, Michael!

René, wenn die Nähe der Flügel ein Problem wäre, dann würden sie beim Klavierhändler oder bei Bösendorfer im Auswahlzentrum (siehe Foto, meiner steht rechts im Hintergrund des Mahagoniflügels) nicht nebeneinander stehen. Keiner könnte doch den Klang richtig beurteilen, wenn die Flügel sich gegenseitig störten.

Platz wäre vorhanden – siehe Foto... ;) Und das ohne sich vorbeidrücken zu müssen. Nur wäre dort der Fernseher überflüssig...

Du meinst ich hätte keinen Platz mehr zum Wohnen?! Ich will Klavier spielen!!! :D:D

Wgh.jpgAuswahlzentrum.jpg
 
1.) allerherzlichste Gratulation,sieht traumhaft aus. Vielleicht könnte ein Innenarchitekt das Wohn=Musikzimmer mal noch etwas durcharbeiten,damit die Stücke noch besser zur geltung kommen.
Da beneiden dich jetzt viele Berufsmusiker.

2.) @ Wiedereinaussteiger,danke für deinen Beitrag zum Rim des Centennial,tolle Info!
 
Danke, kreisleriana. Die Fotos geben es nicht so wieder wie es in Natura ist - der verzerrende Weitwinkeleffekt... Wenn man die Flügel "live" vor sich hat, ist es ganz was anderes. Vorhin kam jemand zu Besuch und als er auf den "Hintern" des Bösendorfers geblickt hat, der zuerst sichtbar wird, wenn man die "Flügelwohnung" betritt, war er platt vor Erstaunen. Dann ist er um den Kamin herumgegangen um sich den Flügel von der anderen Seite anzusehen. Und als er so um den Kamin herumgehen wollte blickt er auf K.u.K. und hat - ja was wohl.... nur noch den Kopf geschüttelt. Und gesagt: "Marlene, Du bist verrückt!". Recht hat er, bin ich, aber keine Gefahr für meine Umwelt. ;) Aber er war begeistert. Das bin ich auch. Und ich spiele sie auch bisher nicht täglich im Wechsel, wie ich anfangs dachte, sondern bisher täglich alle beide im Wechsel - so wie mir gerade zumute ist. Und seltsam ist, dass ich K.u.K. nicht mehr widerspenstig finde. Ich komme mit seinen Tasten viel besser zurecht und es ist keine Umstellung von dem einen zum anderen. Es klappt auf Anhieb - "kein Fremdeln". Das wundert mich.

Mann, ich bin im 7. Flügelhimmel!
 
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Jetzt reicht's aber langsam! ;-)

Viel Spaß damit.

Wieso "reicht"?

Nur mal zwei Beispiele: Marc Wienert in New York hat mehr als 250 Flügel unter seinen Fittichen.

Und Andreas und Heikedine Beurmann (die Macher der "Drei Fragezeichen"; die seit 1956 Tasteninstrumente aller Art sammeln) haben mehr als 300 Instrumente .. ;-), verteilt im Hamburger Museum und auf ihrem Holsteinischen Landgut.

Es geht auch kleiner: in der Villa Köcher bei Halberstadt und in Bielefeld hat ein Bekannter auch bereits so 12 Stück beisammen. Aber zwei Klaviere, na, das ist nahezu noch nichts, ist das, oder..?..

(Ich wollte, ich hätte meine Madame mal soweit, Zweitflügel zu dulden..)

<traeumt nachts vom weißen mangeot steinway style II bj 1867 aus nancy in schleiflack mit goldbordueren>
 

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