András Schiff

Andere Dilemmas ( Dilemmata?, Dilemmen?, Dilemmi?, Dilemminis? ) sind denkbar. Schwindel, Kreislaufkollaps, kneifende Kontaktlinsen, übersteuernde Hörgeräte, fetzige Verdauungsprobleme, [...]

An meinem Sitzplatz hat die Klimaanlage Zugluft hervorgerufen und teilweise war die Luft recht kühl. Daher habe ich mir den Reißverschluss meiner Jacke zugezogen um nicht selber von Hustenreiz geplagt zu werden. Durch den Luftzug waberten diverse Gerüche vorbei: Duftwässerchen und die olfaktorischen Folgen lebhafter Flatulenzen. Nun ja, da kann mal kein Taschentuch oder die Armbeuge zum Abmildern vorhalten :D.

Aber ich hatte ein anderes Problem (das leider – trotz Magnesiumeinnahme – schon seit Monaten besteht): Einen Krampf im Fuß. Der hat mich nach dem Konzert während der Ovationen gezwungen aufzustehen. Da stand ich nun in der ersten Reihe vor 1.399 sitzenden Besuchern Herrn Schiff gegenüber und habe überlegt ob es mir jetzt peinlich sein muss als einzige zu stehen. Der Krampf ist aber zum Glück wieder vergangen aber ich habe mich unbehaglich gefühlt und war heilfroh, dass dieser mich nicht während des Konzerts heimgesucht hat.

Und nun eine gute und eine schlechte Nachricht, die gute zuerst: Es gab zwei dezente Nieser und nur wenige gedämpfte Huster. Aber dieses letzte Konzert mit op. 109 bis op. 111 ohne Pause hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Wer weiß, vielleicht ist Herr Schiff mit daran beteiligt, dass es so gekommen ist, denn als er op. 109 beendet hat kam es mir vor als wolle er keinen Applaus hören der seine Konzentration stört. Er hat die Hände aufs Karnies gelegt und sich (was er bei den anderen Konzerten auch hin und wieder gemacht hat) nur zum Flügel hin verbeugt um für op. 110 sofort wieder - ohne sich dem Publikum zuzuwenden - Platz zu nehmen.

Und nun die schlechte Nachricht: Der letzte Ton von op. 111 war verklungen und András Schiff hielt – die Hände auf den Tasten ruhend – inne und es herrschte Stille. Aber leider schienen einige - nach op. 109 um ihren Applaus gebrachten - Besucher jetzt ihr Recht auf Beifallsbekundungen geltend machen zu wollen. Denn obwohl seine Hände noch immer auf den Tasten gelegen haben schwoll Applaus an der aber schnell wieder verebbt ist weil er weiter regungslos am Flügel saß. Er hat dadurch, dass er die Hände nicht von der Klaviatur genommen hat, deutlich gemacht, dass er noch keinen Applaus hören wollte was die vorgenannten aber nicht kapiert haben. Seine Reaktion: Fassungslosigkeit. Meine Sitznachbarin hat sich dann über „was für ein Sensibelchen“ beklagt und ich habe sie gefragt ob es nicht gerade diese Sensibilität ist, die ihn so wundervoll spielen lässt. Wenn man bedenkt wie viel Jahrzehnte Herr Schiff bereits konzertiert und sich noch immer nicht an solche Störungen gewöhnt hat ist das in der Tat interessant. Vielleicht sollten die Besucher in diesem Zusammenhang nicht nur die Aufforderung hören, nach Ende des Konzertes nicht zu vergessen ihre Handys wieder einzuschalten sondern auch diese:

„Solange der Dirigent Ihnen den Rücken zukehrt oder der Pianist nicht aufgestanden ist bitten wir darum von Ovationen abzusehen!“

Herr Schiff hat kopfschüttelnd die Bühne verlassen und mir schien es als würde er auf eine Zugabe verzichten wollen. Er ließ sich im Gegensatz zu den anderen Konzerten mehr Zeit mit der Rückkehr auf die Bühne. Und dann: Wenige Pfiffe aus den hinteren Reihen und wieder fassungsloses Kopfschütteln bei Herrn Schiff. Er hat dann zwei magere Zugaben gegeben. Mir kam es so vor als wolle er sich für die "Kunstbanausen" nicht mehr verausgaben.

Das vorgenannte hat beim Verlassen der Beethovenhalle wieder zu lebhaften Diskussionen geführt. Und zum vorgenannten schalen Beigeschmack.
 
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Ich habe immer mal wieder gelesen, daß die kurze Stille nach Beendigung eines Stückes, Sonate, Zyklus nur in Deutschland (Europa??) für Klassikkonzerte üblich ist. In anderen Ländern soll der Applaus sofort, teilweise in den letzten Ton hinein einsetzen. Ein internationaler Solist sollte das also kennen. Aber ich finde die kurze Stille und das achten auf Signale (Aufrichten und Zuwendung zum Publikum) auch angenehm. Aber auch mir ist es als Jugendlicher mal passiert, daß ich aus purer Begeisterung nach dem ersten Satz eines Klavierkonzertes anfing zu klatschen. Ich hatte total ausgeblendet, daß es ja weitergeht, und es war mir unendlich peinlich.
Übrigens habe ich wohl kaum ein Konzert erlebt, wo zwischen den Sätzen nicht abgehustet wird, es sei denn, der Pianist gibt Signale, daß er sofort weiter spielen will. Das Husten ist wohl tatsächlich bei vielen ein Bedürfnis.

Gruß
Manfred
 
Huhuu Mar ;)

Also ganz ehrlich gesagt: Hätte er unter den Bedingungen, wie sie etwa Gottschalk auf vielen Konzerten vorfand, spielen müssen - ich glaube, er wäre verloren gewesen :D

Was mich außerdem ein wenig störte, wäre, wenn Schiff versuchen würde, dem Publikum aus erzieherischen Gründen seinen Willen aufzuzwingen ( da ihm evtl. Dinge aus vorherigen Konzerten missfallen haben ). Zur Erklärung: Also so agieren würde, ( ggü. dem jetzigen Publikum, das vielleicht ein ganz anderes ist ), dass man schon Furcht haben müsste, zum falschen Zeitpunkt zu klatschen ( was nat. durch Gebaren wie überlanges Aushalten von Schluss-Tönen, minutenlanges Zögern bis zum Aufstehen ( man spricht auch von "Kunstpause" einlegen ) forciert würde, und man RATEN müsste, wie denn nun das im Sinne Schiffs optimale ZUSCHAUERVERHALTEN für jede einzelne Person zu gestalten wäre.

Der Gedanke, dass "Fehlverhalten" des Publikums quasi "herausgefordert" wird, nur damit der Pianist dann etwas "beleidigt" tun kann, liegt, so meine ich, nicht gar zu fern.

Das Problem wäre, dass auch die sich ganz lieb und brav benehmenden Zuhörer sich plötzlich unsicher werden, ob sie sich "genehm" verhalten.

Würde man sowas merken, dass der Pianist solche "erzieherischen Mittelchen" anzuwenden versucht - und zwar gegenüber dem GESAMTEN Publikum - , wäre der Schritt, mit Absicht sich etwas "konträr" zu verhalten, für einige sicher nicht weit entfernt, und somit würde Schiff das Gegenteil von dem erreichen, was er möchte.

Pianisten sollten sich m.E. nicht mit nebensächlichen Dingen beschäftigen, wie Husten, Zeitpunkte des Klatschens, Aufstehen, Herumwandern, zu spät kommende Zuhörer usw.

Das lenkt nur ab. :D

Horowitz hatte sich dafür glaub ich auch nicht interessiert. Ans Klavier, Job erledigen - fertig. Außerdem: Bei Horowitz wars - Berichten zufolge - bei seinem "Golden Jubilee"-Konzert, als er das erste Mal wieder auf die Bühne ging, zunächst so leise, dass man eine Stecknadel fallen hätte hören können. ( Erst danach brandete wohl explosionsartig Jubel auf ).

Aber ein Schiff ist halt kein Horowitz - und eine Schaluppe ist kein Luxusliner :D

LG, Olli !
 
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In der Renaissance gab es den Begriff der „Musica riservata“ (am ehesten übersetzt als Musik „für Eingeweihte“), im 18. Jahrhundert unterschied man sehr wohl zwischen Musik „für Kenner“ und solcher „für Liebhaber“. Dies zielte nicht sosehr auf aufführungspraktische Schwierigkeiten ab, sondern auf den generellen Umgang mit der betreffenden Musik.

Es gibt „Feuerwerksmusik“, die mit ihrer Virtuosität blenden und in Erstaunen setzen will. Dort ist der Applaus (von mir aus auch mitten im Schlußakkord) angebracht. Und es gibt Musik, die in die Stille führt und verstummt. Man vergleiche die Schluß von Liszt „Ungarische Rhapsodien“ mit dem Schluß seiner h-moll-Sonate – oder im Falle Beethoven das Finale der cis-moll-Sonate (vulgo „Mondschein“) mit dem Ende der Arietta aus op. 111. Der Applaus, der dort angebracht ist, ist hier fehl am Platz, weil sie das Atmosphärische - und damit das Künstlerische zerstört. Es gibt nun mal Kunst, die ist elitär – und das ist gut so!

Dem Künstler, der sich bemüht, eine Atmospäre der Verzauberung zu erzeugen, vorzuhalten, er sei ein „Sensibelchen“, ist Indiz einer zunehmenden Kommerzialisierung und Vulgarisierung der Kunst – nach dem Motto „ich habe gezahlt, also darf ich mit der Kunst machen, was ich will, und mich benehmen, wie ich will.“ Der Künstler hat selbstverständlich Spitzenleistung zu erbringen, aber ich als Publikum darf mit verwaschenem T-Shirt und ausgetretenen Turnschuhen erscheinen. Man nennt das auch Respektlosigkeit.

Es ist der offensichtlich nicht aufzulösende Zwiespalt unseres Kulturbetriebs: Er ist so kostspielig, daß er letztlich auf die breite Masse angewiesen ist. Aber indem ich die Massen in die Konzertsäle strömen lasse, hebe ich nicht unbedingt das Niveau des Publikums.
 
Lieber Manfred,

ein international auftretender Solist mit so langer Erfahrung kennt vermutlich alle Sonnen- und Schattenseiten des Konzertierens. Aber ich finde es spricht für András Schiff, dass er sich noch immer nicht an die Schattenseiten gewöhnt hat. Es zeigt doch, dass er durch und durch mit der Musik und in ihr lebt und wie wichtig ihm seine Berufung und Kunst ist.

Mir wäre es überhaupt nicht möglich gewesen sofort zu applaudieren weil Herr Schiff mich mit seinem virtuosen Können so sehr in den Bann gezogen hat dass ich in der Musik völlig abgetaucht bin und mich zum Ende jeder Sonate zuerst einmal sammeln musste. Er hat die Ruhe mit sanfter Geste eingefordert, ruhig und fast unbeweglich. Wie ich schon eingangs geschrieben habe: Herr Schiff "spricht" mit wenigen Gesten mehr als andere mit großen Worten. Leider haben einige ihn nicht verstanden. Schade, dass ihm, mir und zahlreichen die darauf gehofft haben diese Stille nicht gegönnt wurde. Ohne diesen Applaus in die Stille hinein, ohne den Pfiff der eher ins weiß-blaue Bierzelt passt, wäre es ein perfekter Ausklang und Abschluss wunderbarer Konzerte geworden.


Lieber Olli,

Du bist ja eigentlich ein ganz lieber aber Deinen vergleichenden verbalen Ausflug in die maritimen Fahrzeugkategorien finde ich beleidigend und ehrabschneidend. Ich war richtig erschrocken dies zu lesen. Eine Schaluppe wird auch als Beiboot bezeichnet und somit ist der Vergleich doppelt unpassend.

Ich lehne mich jetzt vermutlich weit aus dem Fenster und wage zu behaupten:

Herr Schiff ist ein absolut authentischer Mensch der Musik (Klaviermusik, „Capella Andrea Barca“) über alles liebt. Er würde niemals jemanden zu etwas zwingen. Er hat auch nicht vor minutenlang innezuhalten um eine „Kunstpause“ zu machen. Es wären vermutlich nur 15 oder 20 Sekunden gewesen. Aber in der heutigen schnelllebigen Zeit muten manchen 20 Sekunden leider an wie zwei Minuten.

Herr Schiff braucht dieses Innehalten, es sind keine Spielchen die er mit dem Publikum treibt. Vor der „Appassionata“ hat er die Hände ebenfalls aufs Karnies gelegt, die Augen geschlossen und innegehalten. Vor op. 111 hat er sich auch einige Sekunden mit geschlossenen Augen gesammelt. Das ist keine gesteuerte Geste, es ist der Respekt vor großer Musik und einem großen Komponisten. Und er braucht die Ruhe für seine Konzentration um den Werken und seinem Anspruch an sich selbst gerecht werden zu können.

Und wenn die Besucher auch bezahlt haben so sollten Sie berücksichtigen, dass ein Solist, hier Herr Schiff, unglaubliche mentalen und physischen Herausforderungen zu bestehen hat. Während der Konzerte hatte ich die Augen meist geschlossen aber beim „Boogie Woogie“ habe ich ihn beobachtet und dieser ruhige und besonnene Mann hat am Flügel agiert wie ein Wirbelwind was mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Es war einfach unglaublich.

Pianisten sollten sich m.E. nicht mit nebensächlichen Dingen beschäftigen, wie Husten, Zeitpunkte des Klatschens, Aufstehen, Herumwandern, zu spät kommende Zuhörer usw.
Das lenkt nur ab.

Danke, Olli. Wie Recht Du hast. Es lenkt ab! Es stört den Kunstgenuss, die Konzentration des Solisten und die der meisten Besucher. Nebenbei: Wer zu spät kommt findet keinen Einlass um das Konzert nicht zu stören.
 
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Oh Mann, was eine Wissenschaft... :roll:
 
Mich stört massives Husten auch sehr, weil ja die Aufmerksamkeit als Hörer eben über die Ohren erfolgt. Trotzdem stört mich auch die Reaktion Schiffs: ich hätte keine Lust, schon im Vorfeld Angst haben zu müssen wegen Huster mir völlig unbekannter Personen. Ich hätte auch keine Lust, Angst haben zu müssen, dass der Klavierabend, für den ich bezahlt habe, abgebrochen werden könnte. Man sieht ja an den Beschreibungen Marlenes und Moniques, dass sie die ganze Zeit solche Ängste hatten. Das verdirbt doch den ganzen Klavierabend. Was für ein Stress!

Ich kann sehr verstehen, dass massive Hustenattacken die Konzentration des Interpreten stören. Ich bin aber der Meinung, dass die Musik - und um die geht es ja letztendlich - diese Störungen "abkann". Lässt der Interpret sich nicht aus der Ruhe bringen, wird der musikalische Ablauf auch durch heftiges Husten nicht ernsthaft gestört werden. Eine Reaktion des Interpreten wie hier stört auch, tatsächlich kann sie den ganzen Abend oder zumindest den Hör-, vermutlich auch den Spielgenuß verderben. Will man sich wirklich von lächerlichen Hustenattacken so stören lassen?

Aus meiner Sicht könnte Schiff kurz unterbrechen, aufstehen, freundlich sagen "Würde Sie bitte das Husten in dem Umfang lassen, es stört mich sehr und sicher auch den Großteil des Publikums" und der Applaus wäre ihm sicher. Ich würde sogar, würde mich das so stören, vor dem Spielen eine kleine Ansprache ans Publikum richten mit der Bitte um möglichst viel Ruhe.

Es fällt halt nicht jedem leicht, eigene Stille auszuhalten und zu lauschen. Da entlädt sich innere Anspannung in der Husterei. Ich möchte auf keinen Fall, dass hier der Eindruck entsteht, nur niveauvolles Publikum sei bei klassischen Konzerten erwünscht und ein Konzert sei ein steifes Event voller Etikette. Auch wenn es etwas ganz Großartiges ist, gemeinsam einer musikalischen Entwicklung zu lauschen und Musik zu erleben, wo (massive) Geräuschkulissen stören, möchte ich ein Konzert als lebendig verstanden wissen.

Man könnte ja eher auf die "Stärken" achten (dass so viele gekommen sind, dass viele nicht husten ....). Wer sein Publikum wertschätzt - und das hat es größtenteils verdient - ist besser dran.

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Ich hatte bisher einmal in meinem Leben einen Hustenanfall in einem Konzert. Ich wollte nicht rausgehen, sondern habe ihn halt bis auf einen kleinen Huster unterdrückt. Geht alles, wenn auch die Tränen die Backen runter liefen. :p
 
Ich möchte auf keinen Fall, dass hier der Eindruck entsteht, nur niveauvolles Publikum sei bei klassischen Konzerten erwünscht und ein Konzert sei ein steifes Event voller Etikette.

Es geht nicht um Etikette. Das wäre meiner Ansicht nach eher das Thema Schlabberlook im Konzertsaal.

Im Straßenverkehr erleben wir es immer wieder. Egoisten am Steuer die nur darauf spekulieren schneller am Ziel zu sein als der andere. Reißverschluss – bis zum Hindernis fahren und einfädeln? Nein, Unverschämtheit, der drängelt sich vor, den lasse ich jetzt nicht rein. Oder in der Straßenbahn. Es kommt fast jedes Mal zu irgendwelchen Vorkommnissen. Da wird laut mit dem Handy telefoniert oder sich gröhlend unterhalten, da sitzen zwei Jugendliche nebeneinander welche die anderen Fahrgäste mit Hardstyle beschallen, Hunde die zwar an der Leine geführt werden aber einem das Bein vollsabbern, Fahrgäste mit dem Fahrrad die einen damit anrempeln obwohl Platz genug ist in der Bahn, Jugendliche die sich Cola-XXL-Flaschen zuwerfen und es an der Zielgenauigkeit mangeln lassen was klebrige Hinterlassenschaften auf meiner Kleidung hinterlassen hat als die Flasche an einer Haltestange zerplatzt ist. Eine Beschwerde meinerseits wurde mit:“ Boh, ey, Alte, f*** mich nicht ab“ und Drohgebärden beantwortet.

Es geht um Rücksichtnahme und Respekt vor dem Mitmenschen. Aber dies zu finden wir immer schwieriger.
 

Oh Doch!
Es geht um Rücksichtnahme und Respekt vor dem Mitmenschen.
Dazu gehört aber auch, die zu respektieren und zu berücksichtigen, die bereits zum letzten Ton klatschen, ab und zu mal husten...., und nicht als Kunstbanausen abzutun und es gehört vor Allem Toleranz dazu und nicht, dass man seine eigenen Ansprüche auf alle anderen überträgt. Das ist nämlich auch eine Art von Egoismus. ;)
 
Es gibt „Feuerwerksmusik“, die mit ihrer Virtuosität blenden und in Erstaunen setzen will. Dort ist der Applaus (von mir aus auch mitten im Schlußakkord) angebracht. Und es gibt Musik, die in die Stille führt und verstummt. Man vergleiche die Schluß von Liszt „Ungarische Rhapsodien“ mit dem Schluß seiner h-moll-Sonate – oder im Falle Beethoven das Finale der cis-moll-Sonate (vulgo „Mondschein“) mit dem Ende der Arietta aus op. 111. Der Applaus, der dort angebracht ist, ist hier fehl am Platz, weil sie das Atmosphärische - und damit das Künstlerische zerstört.

Das ist für mich der entscheidende Punkt beim Lesen dieses Themas, die Nebenkriegsschauplätze bzgl. Husterei oder einer vermeintlichen Hypersensibilität eines András Schiff mal beiseite gelassen. Ich war leider nicht anwesend aber man kann wohl davon ausgehen, dass seine Interpretation meisterhaft war. Und da stelle ich mir die Frage, wie man nach dem letzten Takt von op. 111 -einem der ergreifendsten und faszinierendsten Werke der Klavierliteratur und Musikgeschichte- nicht in sich gefangen ist und erst einmal wieder zu sich kommen muss. Zumindest mir geht es so beim Anhören dieser Sonate. Aber vielleicht bin ich ja auch eine Mimose und ein Sensibelchen:-).

Wenn ich Marlene richtig verstanden habe hat Schiff alle Sonaten an den jeweiligen Abenden ohne Pause gespielt. Ich wage mal die These, dass viele Zuhörer (ich würde mich da nicht ausschließen) nicht nur aber besonders bei den letzten 3 Sonaten in ihrer Aufnahmefähigkeit überfordert sind. Ein solches Programm ohne Pause zu spielen, da kann man nur Respekt zollen aber ob es sinnvoll ist, da habe ich meine Zweifel.
 
Ich wage mal die These, dass viele Zuhörer (ich würde mich da nicht ausschließen) nicht nur aber besonders bei den letzten 3 Sonaten in ihrer Aufnahmefähigkeit überfordert sind. Ein solches Programm ohne Pause zu spielen, da kann man nur Respekt zollen aber ob es sinnvoll ist, da habe ich meine Zweifel.

...* wo sind wir mit unserer Kultur hingekommen, wenn wir nicht einmal mehr in der Lage sind, uns knapp anderthalb Stunden in die Musik zu "versenken" - es geht ja nicht mal um das "konzentriert Zuhören" oder analytisches Nachvollziehen. Einfach nur das Geschehen auf sich wirken lassen, ohne gleich beim kleinsten Augenblick der Stille loszuschnattern. Sich zu sammeln braucht Zeit. Das gilt für die Musik wie für jede Art von Meditation. Und Unterbrechungen, Trink- und sonstige Pausen reißen einen aus der Versenkung wieder heraus, den Interpreten ebenso wie den Zuhörer.

Muß denn alles auf "easy listening" herauslaufen, oder darf der Künstler vom Publikum noch mehr verlangen als Mammon?

Im übrigen: Es ist ja nicht mal die Mehrheit der Konzertbesucher, die lärmt, hustet und das Handy klingeln läßt. Es sind immer nur einige wenige, die die Mehrheit tyrannisieren/terrorisieren. Wenn die Mehrheit es sich gefallen läßt ...
 
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koelnklavier, warum muss man da Gott anrufen:-). Es geht nicht darum, dass man Gelegenheit dazu bekommt z.B. Smalltalk zu betreiben, Getränke oder Schnittchen zu sich zu nehmen:-). Das hat überhaupt nichts mit easy listening zu tun wenn man dem Publikum die Möglichkeit gibt, zwischen den einzelnen Sonaten zu applaudieren, zu husten oder was auch immer. Und ja, ich möchte in einem Konzert konzentriert zuhören und nicht nur das Geschehen auf mich wirken lassen. Ein quasi meditatives fallen lassen in Musik kann ich auch zu Hause mittels Stereoanlage, dafür besuche ich kein Konzert. Der Künstler darf mehr als schnöden Mammon vom Publikum verlangen, nämlich Respekt und Aufmerksamkeit. Das ist aber in meinen Augen keine Einbahnstraße.
 
Dazu gehört aber auch, die zu respektieren und zu berücksichtigen, die bereits zum letzten Ton klatschen, ab und zu mal husten...., und nicht als Kunstbanausen abzutun und es gehört vor Allem Toleranz dazu und nicht, dass man seine eigenen Ansprüche auf alle anderen überträgt. Das ist nämlich auch eine Art von Egoismus.

Wie gut sich diese Aussage doch umdrehen und auf die Störenfriede anwenden lässt!

Denn:

Und plötzlich hielt Herr Schiff inne, sprach die Störenfriede mit: „Diese Musik geht nicht mit Husten!“ an und verließ die Bühne. Applaus erklang als Zustimmung und Warnung an die Huster.

Leider vergaß ich hinzuzufügen, dass es die Überzahl der Besucher war die Herrn Schiff durch Applaus Zustimmung signalisiert hat. Das war dann anscheinend eine Beethovenhalle voller intoleranter Egoisten.


Lieber Christian,

die ersten beiden Konzertabende hatten eine Pause, die beiden letzten waren ohne Pause. Als ich erfahren habe, dass sie ohne Pause ablaufen würden habe ich mich um meinen Rücken gesorgt, denn länger dauerndes stilles Sitzen tut diesem nicht gut. Außerdem habe ich an Abend Nr. 3 über Magenbeschwerden und rasende Kopfschmerzen an der Grenze zur Migräne gelitten. Schmerzmittel unterhalb der Opiatgrenze sind bei mir leider wirkungslos und die vorgenannten nehme ich nicht. Also musste ich es ertragen und ich habe bis zur letzten Sekunde mit der Entscheidung abgewartet ob ich nach Bonn fahren soll oder nicht. Zum Glück habe ich es gemacht und jetzt kann ich die unterschiedliche Wirkung dieser Konzerte mit oder ohne Pause beurteilen.

Mahlers (als Beispiel) Symphonien dauern ja auch um die 90 Minuten und werden "am Stück" gespielt. Die ersten beiden Konzerte in Bonn wurden durch die Pause zerrissen, man lief draußen im Gewimmel umher, hat nach bekannten Gesichtern Ausschau gehalten, die ausgelegten CDs angeschaut und ist mal für kleine Mädchen (oder Jungs) gegangen – was man eben alles so macht in der Pause. Aber am dritten Abend waren Magen und Kopf gegen mich. Die ersten Töne erklangen, ich habe die Augen geschlossen, der Kopf hat gehämmert, der Magen rebelliert. Aber ich Unruhegeistlein, die sich wegen der Rückenprobleme immer mal wieder bewegen und anders setzen muss, habe still im Sitz verharrt und bin eingetaucht in die Musik. Es war wie das Eintauchen in ein warmes tropisches Meer in dem man vollständig umgeben ist von Wasser und Leben. In Bonn war ich umgeben, bin eingetaucht, in wundervolle Klänge. Und dann hat sich der Magen allmählich beruhigt, das Hämmern im Kopf wurde mit jeder Berührung der Hämmer an den Saiten weniger und weniger. Ich konnte es kaum fassen aber mir wurde erneut bewusst wie heilsam Musik – selbst Musik die im forte nicht zuträglich für Kopfschmerzen ist – sein kann.

Am vierten Abend war ich sogar froh, dass nach op. 109 kein Applaus aufgebrandet ist und die Zuhörer Herrn Schiffs Signal und innere Zwiesprache mit dem Flügel verstanden haben.

Beethovens Sonaten sind nun mal sehr anspruchsvolle Musik – für die Zuhörer und den Interpreten. Daher habe ich im Vorfeld überlegt ob vier Konzerte nicht zu viel des Guten sind und man sich dabei und danach möglicherweise „überfrachtet“ fühlen würde. Das Gegenteil war der Fall – es war wie eine Befreiung. Für mich auch deshalb weil ich Beethoven jetzt besser verstehe.

Ich bin sehr glücklich alle Konzerte erlebt zu haben und Beethoven ist mir noch näher gekommen.

Christian, wenn Du es erlebt hättest, dann wären Deine Empfindungen sicherlich ebenso.

Liebe Grüße
Marlene
 
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In der Kölner Philarmonie ist, an den Verkaufständen der Programme, ständig ein Körbchen mit Hustenstillern. Und da gibt es auch Leute, die dann hemmungslos sich die Fäuste vollmachen, weil ja die Bonbon sooooooo "teuer" sind, und man da ja mal was kostenlos bekommt.

Schluss damit sich die Fäuse zu füllen, denn neben den Schalen mit Bonbons stehen neuerdings Schilder mit der Bitte sich nur zwei Kamellen zu nehmen. Ob’s hilft...

[...] man da ja mal was kostenlos bekommt.

Das habe ich vor einigen Tagen auch erlebt beim ersten Konzert meines Piano-Abos. Daniil Trifonov war angekündigt, aber er konnte verletzungsbedingt nicht kommen. Das Konzert wurde auf April 2014 verschoben. Für ihn hat dann Denis Kozhukhin gespielt und der junge Mann hat mich sehr beeindruckt (besonders mit Schuberts Impromptu op. 90 D899 und Hindemiths 3. Klaviersonate).

Ganz und gar nicht beeindruckt war ich von den Besuchern. Denn für dieses Konzert (Eintritt mit der Abokarte) gab es freie Platzwahl (vermutlich, um die Zuhörer räumlich „zu bündeln“) und dadurch habe ich eine Premiere erlebt: Vor der ersten Fanfare saßen etwa 95 % der Besucher bereits auf einem exponierten Platz. Vor der Tür zu Block E drängelten sich zuvor die meisten Besucher, denn die Chorempore war nicht zugänglich und in Block E befinden sich die besten Plätze mit Sicht auf die Klaviatur. Als die Tür zu diesem Block geöffnet wurde gab es Gedränge und Geschiebe mit den Armen deren Muskeln kräftig kontrahiert wurden um die umgebenden Besucher bestmöglich und mit Nachdruck beiseite schieben zu können. Ich fühlte mich ein wenig an „Ich-bin-doch-nicht-blöd-Elektronikmarkt öffnet um 6:00 h für 20 % auf alles mit Stecker). Einen Sitzplatz habe ich wohlbehalten erreicht und während der Pause habe ich mich in dessen Nähe aufgehalten um nicht ein zweites Mal geknufft und geschoben zu werden.

Es gab auch wieder den einen oder anderen lauten und ungedämpften Huster aber bis auf das vorgenannte war es ein schönes Konzert und von dem jungen Herrn Kozhukhin werden wir sicherlich noch einiges hören.


Hier noch etwas zum letzten Konzert von András Schiff in Bonn:

Beethovenhalle in Bonn:*András Schiff beendete seinen Klaviersonatenzyklus | GA-Bonn
 
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Ich verstehe den Rummel, der um A. Schiff hier im Faden teilweise betrieben wurde, eigentlich nicht ganz. Schiff ist kein pianistischer Gott oder Halbgott, und von irgendwelchen magischen Fähigkeiten ist in seiner Musik ebenfalls nichts zu spüren.

Solide Handwerkskunst, die ohne irgendwelche Besonderheiten oder Höhepunkte daherkommt - so würde ich sein Spiel vielleicht klassifizieren.

Und ich kenne seine Diskografie. Bei Bach verfehlt er den Maßstab, den Glenn Gould vorgibt. Bei Beethoven scheitert er an der Meßlatte, die Claudio Arrau vorgelegt hat.

Weder sein Mozart, noch Schubert, Smetana, Mendelssohn, Scarlatti usw. konnte mich irgendwie begeistern oder aufhorchen lassen.

Und in einem Standard-Live-Konzert spielt er nicht anders, als in seinen Aufnahmen.

Wer möchte, kann auch einmal gewisse Sonaten, die Lang Lang interpretiert hat, mit den entsprechenden Arbeiten von Schiff vergleichen...

Und der Name Horowitz braucht in diesem Zusammenhang gar nicht erst fallen. Von diesem Genie ist Schiff weit entfernt.

Das ist zumindest meine Meinung dazu.

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Was Peter über Publikum und Künstler gesagt und geschrieben hatte, finde ich absolut richtig und lehrreich. Man könnte dem noch hinzufügen, daß Herr Schiff durch solche Konzerte ja seinen Lebensstandard, seine Altersvorsorge etc. sichert - dann würde ich sagen, er solle so gut wie möglich spielen, zu große Empfindlichkeiten außen vor lassen, und sein Publikum eben so nehmen, wie es ist.

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Ein Live-Konzert ist immer ein Risiko - für den Künstler, wie auch für das Publikum. Was kommt, und dort passieren wird, kann man nie wirklich im voraus wissen. Selbst der Kauf einer Live-DVD/CD ist ein gewisses Risiko, was die Konzerthusterei angeht. Auch wenn die moderne Technik da offenbar das eine oder andere für den ungestörten Musikgenuß tun kann.

Viele Grüße
Chris

[::EDIT::] in manchen Punkten bin ich heute anderer Meinung, siehe: https://www.clavio.de/klavierforum/threads/andras-schiff.17570/page-9#post-345156
 
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