András Schiff

„Nanu?“, werden sich gestern Abend viele Besucher der Beethoven-Halle gefragt haben, „die Goldberg-Variationen beginnen doch mit der Aria!“.

Nachdem Sir András Schiff am Steinway (Fabbrini) Platz genommen hat erklang zur Verwunderung der Zuhörer eine Folge von Tönen. Denn Herr Schiff hat sich für diesen Abend nicht nur vorgenommen, BWV 988 zu spielen, er wollte das Werk auch erläutern. Denn kaum hat er das Spielen der Harmonietöne der Basslinie beendet, richtete er das Wort an sein Publikum. Wie wichtig ihm dieses Werk ist war unverkennbar. Er ließ uns z.B. wissen, warum er die Wiederholung spielt: Nicht, weil er dogmatisch sei, sondern weil Bach es so will. Wir haben erfahren, dass BWV 988 eigentlich auf dem falschen Instrument gespielt wird, aber man schon in der ersten Reihe ein Cembalo nicht mehr hören könne.

Was dann folgte hat wohl niemand erwartet. Herr Schiff hat jede Variation kurz angespielt und interessante (z.B. über die Kanons und deren Intervalle) und teilweise humorvolle Hintergrundinformationen vermittelt. Dabei ging es auch um die gekreuzten Hände, für die Scarlatti berühmt ist. Dieser sei dann aber der spanischen Küche derart zugetan gewesen, dass es ihm infolge des Leibesumfanges nicht mehr möglich gewesem sei, mit gekreuzten Händen zu spielen.

Herr Schiff hat seine Zuhörer mehrmals zum Lachen gebracht und man hätte ihm wohl gerne noch stundenlang zugehört.

Er erklärte, dass er nach der zehnten Variation eine kleine Pause machen würde. Aber man möge doch bitte nicht hinaus laufen um eine Zigarette zu rauchen. Das Leben sei so voller Geräusche, da wolle er diese wohltuende Stille zusammen mit seinen Zuhörern genießen. Als dann Variation 10 verklang war es mucksmäuschenstill im Konzertsaal.

Nach seiner Einführung hat sich Herr Schiff kurz gesammelt und jedem war klar welche Bedeutung dieses Werk für ihn hat. Und dann hat er sie gespielt, die Goldberg-Variationen. Er hat uns auf eine Reise mitgenommen, auf einer (Gold)Berg-Wanderung an die Hand genommen und zum Gipfel geführt.

Mir fehlen eigentlich die Worte zu sagen was während dieser etwas mehr als einer Stunde passiert ist. War es Magie? War es ein Trancezustand in den die Zuschauer gefallen sind? Es war aboslut still, nur der Flügel war bis zum feinsten Piano zu hören. Die Basslinie ist mir so klar noch nie aufgefallen. Nur eine Frau kämpfte immer wieder mit ihrem Hustenreiz. Aber davon habe ich eigentlich nicht viel bemerkt, geschweige denn, dass ich mich gestört gefühlt habe. Zu sehr war ich in diese wundervolle Musik versunken.

Ich kann es leider nicht so treffend beschreiben, wie Rondo es gemacht hat. Aber nachdem der letzte Ton verklang war jedem klar, was ihm hier widerfahren ist. Bisher habe ich es noch nicht erlebt, dass das Publikum sich derart schnell zu stehenden Ovationen erhoben hat. Ein Sturm der Begeisterung hatte alle erfasst und der Applaus schien nicht enden zu wollen. Und als mancher noch überlegt hat, ob man nach Bach’s Genie und Schiff’s pianistischer Meisterleistung noch eine Zugabe geben sollte, schritt Herr Schiff zum Flügel und spielte op. 109.

edit: Tippfehler
 
Zuletzt bearbeitet:
Seinen Auftritt mit den Goldberg-Variationen bei den Londoner Proms voriges Jahr kann man noch eine Woche lang hier nachhören:

http://oe1.orf.at/programm/423801

Liebe Grüße
Gernot
 
Ich werd ihn in 2 Wochen das erste Mal hören und sehen, er spielt Mendelssohn und Mozart. Freu mich schon sehr!
 
Vergangenen Freitag war das Konzert von Andras Schiff in Salzburg, er hat auf diesen historischen Flügeln gespielt:

fluegel.jpg

Der rechte ist ein Graf-Flügel, der linke ein Walter-Flügel. Es war mein erstes Konzert dieser Art, und beim nächsten Mal muss ich jedenfalls weiter vorne sitzen. Die Flügel sind einfach zu leise für den großen Saal des Mozarteums, da stört schon ein Sesselknacksen. Nach der Hälfte gabs dann leider auch ein paar Hustenattacken und sogar eine laut zufallende Tür, die das Publikum zusammenfahren ließ.
Dennoch fand ich gerade Mendelssohn am Graf-Flügel wunderbar. Ich hab den weichen Klang noch im Ohr, und der passt einfach wunderschön zu den Liedern ohne Worte, zur Fantasie und den Variationen, die er spielte. Schiff spielt unglaublich fein. Jetzt wünsche ich mir, ihn mal auf einem normalen Konzertflügel zu hören.
Mozart am kleinen Walter-Flügel (der ist gerade mal 1m breit, 85kg leicht, und man beachte die Farben der Tasten) war nicht so meins, der Klang zu dünn und filigran. Dennoch interessant, wie schnell sich das Ohr an jedes Instrument gewöhnt.
Leider gab er jeweils nur 1 Zugabe.
 

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