Allgemeiner Frust - was mache ich verkehrt?

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Ralph_hh

Ralph_hh

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10. Okt. 2019
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Hallo zusammen.

Ich bin nach 4 Jahren Klavierspiel zur Zeit an einem Punkt, wo ich das Gefühl habe, ich kann nichts und ich sollte das vielleicht einfach lassen. Wäre sehr schade drum, ich suche zur Zeit nach Gründen für meinen Frust und potentiell Abhilfe.

Wenn ich mir ein Stück erarbeite, kann ich auch komplexe Stücke irgendwann ganz passabel spielen, so dass jeder, dem ich vorspiele anerkennend Komplimente verteilt. zuletzt habe ich von Chopin diverse Mazurkas gespielt. Bin so maximal bei Henle SG4-5 gelandet. Mit der Tendenz, viel zu schwere Stücke zu spielen. Mein KL hat da leider gelinde gesagt keinen Plan, was da angemessen wäre und man selber neigt ja ohnehin oft dazu.

Was nervt mich? Ich kann nach 4 Jahren ein einziges Stück wirklich zuverlässig auswendig abrufen, den Walzer a-moll op. posth. von Chopin. Ein Stück, dass ich im ersten Jahr gelernt habe. Darüber hinaus kann ich genau das Stück, an dem ich gerade arbeite. Stücke, die ich abgeschlossen beiseite lege, verblassen binnen weniger Wochen, wenn ich die 4 Wochen später ansehe und versuche zu spielen, ist da nichts mehr.

Nun muss man ja nicht auswendig spielen, aber das geht dann auch nicht mehr vom Blatt nach Noten. Es ist, als hätte ich die Stücke nie gespielt. Ich habe sie klanglich im Gedächtnis, könnte sich nachsingen, aber spielen? Fehlanzeige. Ich habe mal versucht, mir eine Art Repertoire zu erhalten, aber das geht zum einen sehr auf die Überzeit am aktuellen Stück und nach einer Pause wie 3 Wochen Urlaub ist dann trotzdem das meiste verloren.

Dass meine neue Freundin, die sehr gut Klavier spielt, die Stücke in einer Qualität vom Blatt spielt, die ich nach wochenlangem übe erreiche, macht es nicht besser. Sie spielt auch Stücke nach Noten, die sie vor Jahren mal gespielt hat und wenn ich staune, wie gut sie die kann meint sie dann "Ja, hab ich ja vor x Jahren mal gespielt, das Stück..."

Der Vergleich vom Gedicht auswendig lernen in Deutsch vs. irgendeine unbekannte Sprache kommt hier öfter. Ich lerne die Stücke, ohne die Sprache zu verstehen. Der Vergleich hinkt ein wenig, mein Ohr ist ja durchaus in der Lage Musik zu hören und falsche Töne zu merken, was bei einem Gedicht auf ungarisch vermutlich nicht der Fall wäre. Aber ja, die Musik verstehen ist so ein Ding. Ich habe nicht Musik studiert, kann mit der Musiktheorie also nicht viel anfangen. Ich kenne die Tonarten, die Akkorde und ihre Umkehrungen, aber das hilft mir nicht dabei, irgendeinen Akkord auf dem Notenblatt schnell zu erkennen und ihn quasi blind zu spielen. Ich buchstabiere also Note für Note und das klappt naturgemäß nicht mehrstimmig im Tempo jenseits eines Largos.

Ich habe das Gefühl, bei den 4 Jahren Unterricht ganz am Anfang irgendetwas ganz wesentlichen verpasst zu haben, was dem KL wohl auch nicht weiter wichtig war.
Was tun?
 
Zuletzt bearbeitet:
Grundsätzlich ist dir das Klavierspielen generell möglich, wie sich ja an dem a-moll-Walzer zeigt.

Mir scheinen bei deinem Problem ein paar Dinge zusammenzukommen: Du schreibst selbst, dass die Stücke tendenziell viel zu schwer sind und dass dein Klavierlehrer nicht in der Lage ist, angemessene Stücke auszusuchen. Das ist schon eine sehr ungünstige Voraussetzung für Zufriedenheit.

Die Situation, dass es schwierig ist, in der knapp bemessenen Zeit ein Repertoire zu pflegen, erleben ja viele erwachsene Späteinsteiger. Dies wird jedoch komplett unmöglich, wenn die Übestücke zu schwer sind.

Hinzu kommt, dass du dich in der aktuellen Situation mit deiner neuen Freundin vergleichst, die … wie lange schon Klavier spielt? … wieviel Zeit zum Üben hat(te)?

Es sind mehrere Faktoren, die zusammenkommen, aber der wohl wichtigste ist dein Klavierlehrer. Wie wäre es, wenn du mal bei jemandem anders Probestunden nimmst?
 
Diese Phasen des Frustes sind normal. Die kommen immer mal wieder. Manchmal hilft ein bisschen Jammern. Ich hatte aber auch schon Zeiten, in denen ich wochenlang so gut wie nicht gespielt habe. Dann hat es mich aber wieder ans Klavier gezogen, mit viel Spaß und jeder Menge Motivation. Und so eine kleine Pause schadet überhaupt nicht.

Darüber hinaus hat @Demian ja schon einiges angemerkt.
 
Hinzu kommt, dass du dich in der aktuellen Situation mit deiner neuen Freundin vergleichst, die … wie lange schon Klavier spielt? … wieviel Zeit zum Üben hat(te)?

Es sind mehrere Faktoren, die zusammenkommen, aber der wohl wichtigste ist dein Klavierlehrer. Wie wäre es, wenn du mal bei jemandem anders Probestunden nimmst?
Meine Freundin hatte als Jugendliche 10 Jahre Unterricht, hat da in der Richtung am College was angefangen, dann aber im Studium was anders gemacht. Die ist mir unendlich weit voraus, das zu können, was sie kann ist nicht mein Ziel, aber es zeigt mir unfreiwillig immer wieder deutlich, was ich nicht kann, gefühlt wie gesagt kann ich gar nichts.
Mein Unterricht ist gekündigt, geht noch bei Ende Januar. Ich wollte längst was neues suchen, bin aber derzeit absolut Null motiviert...
Ok, nach 4 Jahren bei Henle 4/5 zu sein finde ich beachtlich. Ist natürlich die Frage, wie du es spielst.
Zum Blattspiel: das ist etwas, was man selbstständig üben muss. Wie oft spielst du unbekannte Stücke direkt vom Blatt?
Die Mazurkas von Chopin a-moll op. 68.2 oder die in g-moll 24.1 waren durchaus gut, vorspielreif. Nicht perfekt aber ok. Wenn ich fleißig übe, komme ich weit...
Unbekanntes vom Blatt spiele ich quasi nie, es sei denn ich fange was neues an. Prima Vista Spiel scheint mir, wenn ich hier so mitlese, eine ganz eigene Disziplin zu sein, die viel Arbeit erfordert. Ich will nicht unbedingt Prima Vista spielen können, ich wäre schon zufrieden, wenn ich etwas vom Blatt spielen könnte, was ich vor einem halben Jahr oder wenigstens vor drei Monaten mal gespielt habe. Woran scheitert das? Übt sich sowas auch mit Prima Vista spielen? Oder ist das eine Gedächtnisleistung, an der mein Gehirn scheitert?
Diese Phasen des Frustes sind normal. Die kommen immer mal wieder. Manchmal hilft ein bisschen Jammern. Ich hatte aber auch schon Zeiten, in denen ich wochenlang so gut wie nicht gespielt habe. Dann hat es mich aber wieder ans Klavier gezogen, mit viel Spaß und jeder Menge Motivation. Und so eine kleine Pause schadet überhaupt nicht.
Ich spiele inzwischen seit 2 Monaten gar nicht, davor mit abnehmender Tendenz. Bis zum Frühjahr habe ich jeden Tag eine Stunde gespielt und immer mit viel Freude daran.

Ein entscheidender Faktor ist sicher auch, dass ich mit einer neuen Freundin plötzlich viel weniger Zeit habe und der Fortschritt am letzten Stück zuletzt quasi nicht mehr erkennbar war.
 
@Ralph_hh
Willkommen im Club, bzw man könnte einen eröffnen. Bis auf das Thema Klavierlehrer sieht es hier sehr, sehr ähnlich aus. Nur, daß ich nichtmal den Chopinwalzer auswendig kann, auswendig geht bei mir GAR nicht, und weder die neuen noch die alten Stücke kann ich singen (ich kann überhaupt nicht singen). Und ich habe mich in meinen 4 1/2 Jahren an dem ein oder anderen Henle 4 Stück abgearbeitet, das war das höchste der Gefühle. 5 ist außer Reichweite.
Dazu kommt, daß ich sehr, sehr langsam vorankomme....bin aber wohl auch ein paar Jährchen älter.
Setzt sich @Debösi an den Flügel, dann freut sich das Instrument und atmet hörbar auf, vorsichtig ausgedrückt. Schöne Klaviermusik hören zu dürfen ist toll, keine Frage, aber der Vergleich fällt natürlich für mich wenig ermunternd aus.
Sich zu vergleichen ist leider absolut kontraproduktiv, jeder hat ganz andere Voraussetzungen! Keinen falschen Ehrgeiz entwickeln...

Dieser Winter scheint nicht nur für mich ein Frustwinter bzgl Klavierspielen zu sein.
Am Klavierlehrer liegt es bei mir garantiert nicht!

Nun bin ich Wiedereinsteigerin mit zwar schlechtem Hintergrund, aber er existiert und ich kann zumindest auf dem Gebiet echte Fortschritte vermelden. Die im Langzeitgedächtnis verankerten Stücke klingen um Klassen besser als früher. (Nach Noten, versteht sich. ;-))

Dir fehlt genau dieses Erfolgserlebnis. Aber Du könntest stattdessen extrem einfache und vor allem einfach zu lesende (!!!) Stücke hernehmen und die dann für Dich nebenbei spielen. Hör genau hin, genieße den Klang, Deine Musik. Wenn Du es kannst (ich habe größte Mühe mich von Noten zu lösen) spiel einfach frei vor Dich hin. Aber achte dabei immer auf einen schönen Klang/ Anschlag.
Vielleicht suchst Du Dir auch mal für die Klavierstunden mit Deinem KL zwischendurch was Leichteres raus? Man kann an allem was lernen!
Wichtig ist für solche Frustphasen, die wirklich JEDER hat, daß irgendwann ein Konzept entsteht, wie man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Andere können da nur ansatzweise Tips geben, was genau Dir hilft, mußt Du leider selber herausfinden.
 
Hallo zusammen.

Ich bin nach 4 Jahren Klavierspiel zur Zeit an einem Punkt, wo ich das Gefühl habe, ich kann nichts und ich sollte das vielleicht einfach lassen. Wäre sehr schade drum, ich suche zur Zeit nach Gründen für meinen Frust und potentiell Abhilfe.
Hallo Ralph, wir haben so ungefähr zur gleichen Zeit mit dem Klavierspiel begonnen (seinerzeit haben wir auch darüber diskutiert), beide im relativ hohen Alter angefangen und ich möchte Dich eigentlich nur motivieren den täglich vermeintlichen Frust abzubauen und einfach für Dich zu resümieren, was Du in 4 Jahren positiv erreicht hast. Ich für meinen Teil hatte zu Beginn einen KL, der zwar ein virtuoser Klavierspieler der gehobenen Klasse ist aber pädagogisch nicht gerade der Hepp, habe bei ihm mit viel Frust aber auch schönen musikalischen Erlebnissen die Heumann'sche Klavierschule durch gepaukt. Mittlerweile bin ich KL-mäßig bestens anders versorgt und es macht mir jeden Tag mehr Laune und Spaß, meine Stücke zu lernen und mit meiner KL zu diskutieren, was man alles tun könnte, das Stück besser zu erarbeiten, daß der musikalische Sinn so rüber kommt, wie ich ihn im Kopf dazu habe. Deinen genannten Frust -ich bin nicht viel weiter gekommen- hab ich fast jeden Tag beim Üben und Hören auf mein Spiel! Aber meine gute Fee in der KL-Stunde sagt mir dann -zu meiner Verwunderung- 'Hallo, das hast Du aber gut gemeistert, ein Riesen Fortschritt zum letzten Vorspiel'!

Also, Kopf hoch, allen Frust vergessen und mit viel Elan und Hoffnung weiter machen, wenn's auch ab und an frustig weh tut, mach einfach mit gesunder Einstellung und Begeisterung zur Musik weiter!
 
Sich zu vergleichen ist leider absolut kontraproduktiv,
… und sinnlos ! Auf der unendlichen Skala des Könnens ( von welcher Kunst auch immer, hier eben des Klavierspielens) gibt es für jeden, aber auch wirklich für jeden immer jemanden, der um Größenordnungen besser spielt, besser interpretiert, besser auffasst, „beweglicher“ ist…
Vor kurzem hörte ich hier eine sehr schöne Aufnahme von Mozarts Fantasie KV 475 des 11-jährigen @Earwig. Es war frappierend für mich, denn ich schlage mich gerade buchstäblich mit diesem Stück herum - mit bisher mäßigem Ergebnis.
Aber: Was will ich machen, als Augen zu und durch und meinen Weg finden. Vom Jammern lerne ich es ja nicht, eher schon vom Studium der erforderlichen Bewegungselemente ( unter der verständnisvollen Anleitung meiner Klavierlehrerin)…
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin nach 4 Jahren Klavierspiel zur Zeit an einem Punkt, wo ich das Gefühl habe, ich kann nichts und ich sollte das vielleicht einfach lassen.
An dem Punkt war ich auch schon gelegentlich ... und bin da nach mittlerweile 6 Jahren mal wieder. Seitdem schwanke ich eigentlich immer mal wieder zwischen "Aufhören" und "Flügel kaufen". Es gibt ein paar sehr einfache Stücke, die kriege ich nach ein wenig Wiedereingewöhnung relativ zügig (also in ein paar Tagen) wieder hin. Ansonsten kann ich auch nur das (leidlich), was ich gerade übe.

Ich kann Dir - außer den üblichen Durchhalte-Parolen - also leider keine praktischen Tipps geben, wie Du aus Deinem Loch rauskommst. Aber vielleicht hilft es Dir ja auch schon ein wenig, dass Du nicht der Erste, nicht der Einzige und sicher nicht der Letzte bist, der sich in dieser Situation befindet.

BTW: Mit KK IVb Nr. 11 habe ich gerade im Selbststudium nach Weihnachten angefangen und bin weit davon entfernt, es spielen zu können.
 
Mein Unterricht ist gekündigt, geht noch bei Ende Januar. Ich wollte längst was neues suchen, bin aber derzeit absolut Null motiviert...

Ich spiele inzwischen seit 2 Monaten gar nicht, davor mit abnehmender Tendenz. Bis zum Frühjahr habe ich jeden Tag eine Stunde gespielt und immer mit viel Freude daran.

Ein entscheidender Faktor ist sicher auch, dass ich mit einer neuen Freundin plötzlich viel weniger Zeit habe

Im Grunde hast dir ja beantwortet, dass du momentan keine Lust und wenig Zeit zum Spielen hast und deshalb (vorübergehend) aufhörst. Das ist auch ok, setz dich nicht unter Druck. Wenn man es nicht liebt zu spielen, sollte man es lassen. Entweder wirst du (wie sehr viele vor und nach dir) aufhören oder der Spaß kommt nach einem Monat, einem Jahr oder zehn wieder und du fängst wieder an.

Im Gegensatz zu den Profis haben wir das Privileg, dass davon nicht unser Lebensunterhalt abhängt. Es ist ein Hobby.
 
Ich bin auch eine ganz schlechte Auswendiglernerin und mir geht es mit alten Stücken ganz wie dir. Wenn ich mich allerdings hinsetze und ein altes Stück auffrische, merke ich deutlich, dass ich mich vielmehr auf musikalische Aspekte konzentrieren kann und wesentlich weniger mit den Noten beschäftigt bin als beim ersten Mal. Deswegen spiele ich so gern "leichte" Stücke, die andere vielleicht nach ein paar Monaten schon spielen. Aber ich kann da die Musik und das Spiel einfach viel mehr genießen. Wie wäre es, wenn du dir mal wieder ein paar Stücke aus deinem ersten Jahr rauskramst und wieder auffrischst?

Ich kann dann das Spielen total genießen, mehr als bei den dicken Brocken der aktuellen Stücke, mit denen ich noch kämpfe. Und man muss vielleicht zwischendurch auch mal den hohen Clavio-Anspruch abschütteln, der sich durch dieses Forum zieht und der manchmal anspornt, manchmal aber auch frustrierend sein kann. Nicht vergessen, hier geben viele Profis den Ton vor.

Und ansonsten: Solche Sinn-Krisen sind doch total normal. Kenn ich auch vom Studium, Sport, Beruf, anderen Hobbies... Kein Grund, sich da reinfallen zu lassen. Einfach drüber wegspielen, die gehen wieder vorbei! Alle in irgendwas erfolgreichen Menschen haben es einfach besser geschafft, sich auch durch solche Schaffenskrisen zu kämpfen. Vielleicht weil sie erkannt haben, dass vor dem Sprung zum nächsten Level ein langes Plateau, manchmal auch ein Rückschritt kommt.

Beim Fremdsprachenlernen ist diese Plateauphase - glaube ich mal gelesen zu haben - sogar so erforscht worden. Beim Sport haben mir Trainer auch schon dasselbe Phänomen bescheinigt. Wenn's gar nicht mehr vorwärts zu gehen scheint, ist man sogar oft kurz vor einem Durchbruch. Hab ich schon ein paar mal erlebt, als ich bei was Schwierigem im Sport schon hinwerfen wollte, weil ich dachte, das wird nie mehr was.

Also nicht kneifen und ran an die Tasten! Und wenn deine Freundin auch spielt: wie wärs mit leichten vierhändigen Stücken? Ist bestimmt super, um eine gemeinsame Harmonie zu entwickeln. Ist doch super, wenn sie besser ist, dann macht sie den schwierigen Teil. Und spielst du nicht auch Querflöte? Da könnt ihr doch noch mehr Musik zusammen machen! Einfach aus Spass an der Freud, nicht um supergut zu sein.
 

Hallo @Ralph_hh ,
Ohne in @hasenbein ‘s küchenpsychologische Fußstapfen treten zu wollen: Könnte es sein, das Dein momentanes Problem mit dem Klavierspielen und -üben etwas mit Deiner Freundin zu tun hat? Daß es sich verdammt schei..e anfühlt, wenn da jemand, der einem emotional nahesteht, zeigt, wo der Hammer hängt? Daß es Menschen gibt, die das, woran einem liegt, besser können, ist ja schon schlimm genug. Aber wenn es die im emotionalen Umkreis gibt, kommt man heil aus der Geschichte nur raus, wenn man deren Können einfach VORBEHALTLOS BEWUNDERT. - Oder hast Du das Gefühl, Deine Freundin kostet ihre „Überlegenheit“ aus? „Geschlechterkampf“ auf kulturell legitimer Ebene? Mein banaler (!) Vorschlag: Ihr beide solltet mal darüber reden …
 
Ralph, Deine Probleme liegen nicht daran, dass die Stücke zu schwierig sind.

Sondern die Art und Weise, WIE Du übst, WIE Du also Stücke "einspeicherst", ist grundsätzlich verkehrt.

Hier ist in der Tat offenbar etwas grundsätzlich schiefgelaufen, und man kann sicherlich einen Gutteil davon dem schlechten Klavierunterricht anlasten (aber nicht alles).

Deine "Mustererkennung" ist völlig unterentwickelt. Du speicherst offenbar alles als Einzelereignisse ab anstatt als "Chunks" (also Akkorde, Linien usw., die man wiederum als musikalische "Legobausteine" gut kennt und wiedererkennt) und durchschaust/speicherst auch nicht richtig den formalen Ablauf des Stückes ("jetzt kommt Chunk X, dann Chunk X mit folgender Abwandlung" usw.).

Ein Unterricht, der, ganz wie es bereits im 18. und beginnenden 19.Jahrhundert üblich war und in der Jazz-Pop-Pädagogik wieder aufgelebt ist, sich mit den Legobausteinen beschäftigt und auch Improvisieren/Komponieren als zentrale Elemente mit einbezieht, wäre angesagt.

Nach meiner Erfahrung wollen das aber viele Späteinsteiger nicht. Die wollen einfach irgendwelche Stücke spielen können und auf dieses Ziel scheinbar (!) möglichst direkt zusteuern. Da wird es dann auch für einen guten KL schwierig.
 
Hui, eine Menge Antworten. Danke schon mal an dieser Stelle für all den Input. Ich versuche mal auf ein paar Dinge zu antworten, wer sich in den Antworten nicht wiederfindet, sei sich trotzdem sicher, ich habe alles gelesen und denke viel drüber nach!

Also zunächst mal zu meiner Freundin. Sie bewundert vorbehaltlos mein Klavierspiel und vormals meine Geduld, schwere Stücke wochenlang zu üben und Musik daraus zu machen. Sie ist sicher nicht allein der Grund, warum ich nicht spiele. Ebenso kann ich ihr freudig zuhören, sie spielt toll, kann auch gut improvisieren und es macht Spaß, das zu hören. Was mich frustet ist dann der Moment, wenn sie lange gespielt hat, x Stücke aus diversen Büchern durchgespielt hat und ich setzt mich dann hin und.... da geht nichts. Ich muss eins dieser Stücke, was sie aus dem Ärmel schüttelt eine Woche lang üben, bevor man das Stück als solches erkennt. Naja, je nach Schwierigkeit... Das hat gar nicht so viel mit vergleichen zu tun.

Bislang war ich immer ziemlich gut darin, Motivationstiefs bestenfalls zu ignorieren und einfach weiter zu machen. Momentan scheitere ich daran.

Ich glaube, der Tipp, mal alte, einfache Stücke rauszusuchen und sich an den schnelleren Erfolgserlebnissen wieder neu zu finden, ist sehr gut.

Langfristig will ich das Problem lösen, dass ich alte Stücke nicht spielen kann, weil ich die Noten nicht wieder so schnell lesen kann und bind spielen mit Blick auf die Noten auch nicht (das wird ja schon ganz langsam besser). Ich weiß nur nicht so recht wie. Ich hab ein bisschen Angst davor, zwei Jahre lang Prima Vista spielen zu üben und mir dann anhören zu müssen, dass das auch nicht der richtige Weg wäre... Ich hab Angst vor der Antwort alá "Wenn Du das willst, hättest Du mit 5 anfangen müssen und jeden Tag 4 Stunden üben, die berühmten 10.000 Stunden zusammen kriegen"... Das ist unerreichbar. Ich hatte nie das Ziel Profi zu werden, aber stehe momentan vor der Erkenntnis, dass das, was ich da mache kein Ergebnis bringt, was mich glücklich macht. Momentan muss man sagen, denn bisher war das immer gut.
 
Hallo @Ralph_hh,
diesen Eindruck, den du beschreibst, kann ich gut nachvollziehen. In meiner ersten Klavierlernphase vor über 15 Jahren spielte ich Stück für Stück und hatte irgendwie das Gefühl, dass ich "nichts kann", außer das Stück, was gerade (fast) eingeübt war. Also ich konnte meine Entwicklung nicht nachvollziehen.

Heute bin ich da anders unterwegs und vielleicht ist dies ja auch ein Ansatz für dich, anders an das Klavierspiel heranzugehen:
Ich hatte vor kurzen den Gedanken, dass ich für das letzte Jahr so eine Rückschau machen müßte, wie ich im letzten Jahr im Klavierspiel vorangekommen bin. Dabei kam jedoch nicht in den Sinn, welches Stück mit welcher Henne ich gespielt habe, sondern ich habe überlegt, bei welchen Klavierspielfähigkeiten ich besser geworden bin (unabhängig von Stück). Da wären z. B. Handhaltung und Anschlag bei Alberti-Bässen, Melodietöne bei Akkordgriffen betonen, Handhaltung bei Oktaven und Entwicklung eines lockeren Oktavspiels, Melodie/Stimmen herausarbeiten. Diese Themen haben sich aus den aktuellen Stücken ergeben, die meine "Schwächen" offenbart haben.
Daraus ist ein sehr bewußtes Lernen und Klavierspielen geworden und ich habe das Gefühl, dass ich besser geworden bin (hat mir auch meine KL bestätigt).

Ich wünsche dir, dass du die Freude und Neugier beim Klavierspielen wiederentdeckst.
 
Ein Unterricht, der, ganz wie es bereits im 18. und beginnenden 19.Jahrhundert üblich war und in der Jazz-Pop-Pädagogik wieder aufgelebt ist, sich mit den Legobausteinen beschäftigt und auch Improvisieren/Komponieren als zentrale Elemente mit einbezieht, wäre angesagt.

Nach meiner Erfahrung wollen das aber viele Späteinsteiger nicht. Die wollen einfach irgendwelche Stücke spielen können und auf dieses Ziel scheinbar (!) möglichst direkt zusteuern. Da wird es dann auch für einen guten KL schwierig.
Danke Dir!

Ja, das mit den Bausteinen und der Mustererkennung trifft ins Schwarze.

Ich bin ja grundsätzlich zu allem bereit, was mich weiter bringt. Bei meinem KL bin ich da mitunter an Grenzen gestoßen, ich hatte den Eindruck, dass er manches davon nicht gerne unterrichtet.

Improvisieren haben wir mal eine Weile probiert, da hat er sich dann primär an einem Boogie und Blues Buch entlang gehangelt. Das habe ich so gar nicht umsetzen können, dieses am Ende freie Spiel ohne Noten. Boogie ist auch nicht meins, Blues dagegen mag ich eigentlich sehr. Meine Freundin improvisiert gut, kann mir aber nicht so richtig nahebringen, wie das geht.

Komponieren habe ich nie probiert. Mit der Erkenntnis des Mangels in der Mustererkennung habe ich im Unterricht ab und an mal die Frage gestellt, was da in den Stücken harmonietechnisch passiert, um das mal von der Verständnisseite aus anzugehen. Aber da kam nicht viel zurück. Einer der Gründe, den KL zu wechseln.

Ist es vor den Hintergrund aus Deiner Sicht überhaupt sinnvoll, das u.a. auch mit viel Prima Vista üben anzugehen?
 
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Immerhin kannst du genug, dass eine Henle-Stufe für dich vorgesehen ist.

Wenn ich mich mit dir vergleiche, bleibt mir aus dem Fenster zu springen, das Klavier aus demselben zu befördern, in Anerkennung meines Unvermögens die Tasten mit Farbstreifen zu bekleben oder schwarze Balken in die Pianoroll eines Softwaresequencers zu malen. Oder hier rumzukokettieren, denn eigentlich habe ich doch etwas mehr drauf.

Mein Tipp: Klavierraum mieten, regelmäßig hingehen zum ungestörten Üben. Wenn die Holde fragt, sagst du "in den Puff". Dann Klavierraum abbestellen.

Freundin, ts, immer dieser neumodische Kram.

Spaß beiseite: Ich bin froh, dass es auch anderen so geht. Laut nem Cartoon in der aktuellen TITANIC sagt man darauf zu sagen: "Genieße es."
 
Ralph, klar, man kann es mit anderem Unterricht usw. probieren.

Mir scheint nur, Dich interessiert das "Durchschauen" gar nicht. Du siehst lediglich irgendwie ein, dass es Dir helfen würde, und denkst "naaa gut, ehe es so beschissen weitergeht wie jetzt, komme ich doch wohl nicht drumherum, mir diese anderen Sachen mal reinzuziehen".

Es ist sehr fraglich, ob das dann überhaupt nennenswert was bringt. Und Interesse kann man leider nicht "machen".
 
@Ralph_hh: Du hast ja eh bei Deinem KL gekündigt. Du hast jetzt also ein wenig Zeit, Dir in Ruhe Gedanken zu machen, wie (und ob überhaupt) es weiter geht.

Ich hatte meine erste Krise nach zwei Jahren. Da habe ich gemerkt, dass es ähnlich war, wie von Dir beschrieben: Ich lernte Stücke. Eins nach dem anderen. Sonst gefühlt nix. Ich habe daraufhin den KL gewechselt und dem neuen in der ersten Stunde gesagt: "Ich will nicht Stücke lernen, ich will Klavier spielen lernen." Ok, manchmal frage ich mich schon, ob das der richtige Weg war, wenn ich sehe, was hier teilweise von Leuten, die wesentlich kürzer Klavier spielen als ich, an Stücken gespielt wird.

Trotzdem denke ich, meine Entscheidung war richtig. Denn ich weiß mittlerweile viel viel mehr über Musik, verstehe Stücke besser, erkenne zunehmend größere Muster, kann ganz einfache Begleitungen selbst gestalten, kann mir einfache Stücke mit unterschiedlichen Übestrategien selbst erarbeiten und und und. Schützt mich das vor Frust? Nein. Kann ich dadurch mehr Stücke spielen? Eher im Gegenteil. Habe ich dadurch mehr Spaß beim üben? Auf jeden Fall. Spiele ich dadurch die wenigen, einfachen Stücke, die ich spiele, besser? Davon bin ich überzeugt.
 
Ralph, klar, man kann es mit anderem Unterricht usw. probieren.

Mir scheint nur, Dich interessiert das "Durchschauen" gar nicht. Du siehst lediglich irgendwie ein, dass es Dir helfen würde, und denkst "naaa gut, ehe es so beschissen weitergeht wie jetzt, komme ich doch wohl nicht drumherum, mir diese anderen Sachen mal reinzuziehen".

Es ist sehr fraglich, ob das dann überhaupt nennenswert was bringt. Und Interesse kann man leider nicht "machen".
Das Ding ist, ich weiß gar nicht, was "diese anderen Sachen" sind, die ich mir ansehen sollte. Als ich vor zwei Jahren in Erkenntnis dieses Defizits der Mustererkennung hier mal gepostet habe und daraufhin ein bisschen in die Harmonielehre eingestiegen bin, habe ich versucht, das aktuelle Stück it meinem KL mal auseinanderzunehmen. Die Reaktion war so ein bisschen wie "Harmonielehre.. ja.. kann man machen... hmmm." Hat er dann aber nicht so wirklich. Er hat Musik studiert, aber Theorie vermitteln ist nicht so seins. Ich habe dann im Selbststudium einiges gelesen, ABC Musiklehre vom Ziegenrücker vornehmlich. Aber ich bin noch nicht da angekommen, dass ich gemerkt hätte, dass mir das weitehilft..

Das Interesse ist durchaus da, das muss ich mir nicht künstlich machen. Allerdings geht das dann auch nicht so weit, dass ich sage hey, dann studier' ich halt noch eben nebenbei Musik. Und teils bekommt man hier im Forum den Eindruck, dass das offenbar dann doch so die Mindestvoraussetzung wäre.

Ich habe hier gerade den Chopin 64.2 Walzer h-moll vor mir, den ich mal gespielt habe. Ich Erkenne da vom Notenbild auf Anhieb nichts. Erst, wenn ich die Akkorde auf dem Klavier greife merke ich ah, Umkehrung des h-moll akkordes. fis-h-d... Mit dem Dominant Septakkord in Takt 8 oder dem Subdominant e-moll Akkord in T7 verhält es sich ähnlich. Fis-ais-e ist dann der D7 mit einer Lücke? ok... Und gis-h-d? - keine Ahnung. Ich hab u.a. im Ziegenrücker viel über Akkorde gelesen und bin da eher mit der Erkenntnis raus, es gibt so viele Arten, Akkorde zusammenzubasteln, dass eigentlich quasi jede Kombination aus Noten denkbar wäre, was ein schnelles Erkennen von Mustern ziemlich verkompliziert. Am Ende hab ich das Stück dann sooft gespielt, dass das eher ins motorische Gedächtnis wandert, was Monate später natürlich komplett weg ist.
 

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