Du?
Sag doch bitte: Welche der Schubertschen Sonaten gehören
zu den "geschwätzigen"?
nö, ich hab ihm nichts untergejubelt - wie auch? :)
die frühen Klaviersonaten, die Violinsonaten, die ersten paar Sinfonien - durchaus parlierende und formal nicht eben auffallende Werke; ok, man könnte sagen: sind ja nur die frühen Sachen, später wird´s anders - und das stimmt auch zum Teil, aber eben nur zum Teil.
aber z.B. eines seiner beliebten großen Klavierwerke, die Wandererfantasie: die hat durchaus "Rhetorik", große deklamatorische Gestik usw. - eine Reduktion des kompositorischen Materials ist hier nicht zu erkennen, auch nicht der Ansatz in so eine Richtung (wie auch bei einem großformatigen, durchaus auch auf Wirkung angelegten virtuosen Werk?).
ob man einen musikalischen Satz, der Schlichtheit erreicht und zugleich expressiv ist - nehmen wir den Leiermann, der ist genial - aus dem ersten Drittel des 19. Jh. allerdings als Vorboten, als Antizipation von kompositorischen Konzpten nach der Krise der spätromantischen Harmonik betrachten
müssen, da habe ich Zweifel: es kann durchaus sein, dass man mit diesem viel späteren Blick den Motivationshorizont der frühen Romantik überfordert. Wenn man aber solche Vorwegnahmen finden will, dann kann man bei Beethoven (Arietta op.111, Thema der Var. op.109), bei Chopin (manches lakonisch kurze expressive Prelude), bei Schumann (Warum? Kinderszenen), bei Liszt (späte Klavierstücke) ebenso fündig werden - allerdings ist die Klangsprache dieser Komponisten doch recht unterschiedlich, wobei reduzierte Miniaturen ohne Einsatz großer Mittel nicht eben das Gros von deren Kompositionen ausmachen. Damit stellt sich die Frage, ob eine vereinzelt findbare Materialreduktion überhaupt eine zielorientierte Intention war, oder ob das nicht vielmehr ganz schlicht Kontrastwirkungen innerhalb der epochetypischen Klangsprache sind.
Und damit kann ich meine Zweifel daran formulieren, dass Schubert der erste Komponist der Neuen Musik sei:
- geht es nur um konzentrierte Materialreduktion, so ist er weder der erste noch der einzige
- und besagte "reine Substanz" findet sich bei den genannten nur vereinzelt, kann also kaum als das Ziel eines Lebenswerks bezeichnet werden
Vielmehr bewundere ich, dass gerade der "späte" Schubert - es macht Mühe, bei einer so kurzen Lebensspanne von früh und spät zu sprechen - eine immense Konzentration und damit Qualität in seinen großformatigen Werken erreicht: letztes Quartett, Streichquintett. Und das, ohne dabei die klanglichen und gestischen Erwartungen seiner Zeit etwa zu verlassen, d.h. Rhetorik, Füllmasse etc. sind sehr wohl vorhanden - aber wie in Beethovens letzten Quartetten und Sonaten eben in jedem Takt mit maximaler Expression. Kurzum: er hat Musik gemacht - er hat keine intellektuelle Konstruktion, die eher zum meditieren als zum hören einläd, geschrieben. Von der nachromantischen Moderne ist er formal und harmonisch weit entfernt - meiner Ansicht nach weiter, als der experimentierfreudigere Beethoven.
herzliche Grüße,
Rolf