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Unter anderem liegt das daran, dass ich manches andere kenne.
Ach, das wirds dann wohl sein: daß ich nämlich manches andre nicht kenne.
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Unter anderem liegt das daran, dass ich manches andere kenne.
Aber im Großen und Ganzen kann einem Beethoven mit der Konflikthaftigkeit seiner Durchführungen,
ihrer Dramatik schwer auf den Senkel gehen, weil alles so überraschungslos, so vorhersehbar ist.
Ach, das wirds dann wohl sein: daß ich nämlich manches andre nicht kenne.
wenn das falsch sein sollte (woran ich Zweifel hege), dann korrigiere mich bitte - noch erkenne nichts im bisherigen Gesprächsverlauf, was mir die Schubertstelle über die Arietta, über die aufs äußerste reduzierte quasi-Coda vor dem Fugato der Lisztsonate oder über Bartoks Abend auf dem Land stellen würde (um drei gänzlich verschiedene Klavierstücke zu nennen, die tatsächlich [ bei Liszt an der genannten Stelle] reine Substanz bringen, ganz ohne jede Konzession an Konventionen - und letztere finden sich nun mal überdeutlich in der demonstrierten Schubertstelle; ich kann mir nun nicht vorstellen, dass Konzessionen an Konventionen (z.B. wiederholte Floskeln) besonders feinsinnig in Richtung reiner Substanz sein können)Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es ebenfalls nichts bringt, wenn man eine so schlichte Stelle (trotz davor und danach) zu sehr ins Übergeniale stilisiert: denn was fängt man dann mit einer auf das äußerste reduzierten Vierschichtigkeit an, die geradezu maßlos expressiver als diese Schubertstelle ist? Und solche Sachen gibt es: 1821/22 die Arietta von Beethoven.
Gutwillig attestiere ich der Schubertstelle gerne schönen Klang, auch dem Davor und Danach - aber ich bin nicht fähig, die auffallenden Anteile des Floskel- und Formelhaften sowie des konventionellen Tonfalls zu übersehen. Unter anderem liegt das daran, dass ich manches andere kenne. Kurzum: ich bin nicht dafür zu gewinnen, diese Schubertstelle als bedeutender darzustellen, als sie ist.
Mit etwas gutem Willen, notfalls auch ohne diesen, kann man den Unterschied zu op.111 feststellen.
"Ich stimme völlig zu, wenn 'reine Substanz'
die Chiffre für das Weglassen von allem Unnötigen meint." (Rolf)
Das Weglassen von allem Unnötigen bezieht sich nicht nur auf den Tonsatz,
sondern auch auf die Form bzw. auf den Umgang mit Formteilen. Analytisch läßt sich dergleichen
getrennt betrachten - im Ernstfall, also dem jeweiligen Werk, bildet es eine Einheit.
oh weh - bist Du wegen einer schnell dahingetippten parlando Formulierung, die Du herausgreifst, eingeschnappt?
pardon, aber diese Stelle reisst mich nicht vom Hocker, sie ist doch recht konventionell:
- Oberstimme (oktaviert) spielt eine T-D Floskel
- Tenor als cantus firmus wechselt in liegenden Noten zw. VII und VIII (auch recht formelhalft)
- Alt spielt die einzige melodische Geste (also keine Formel), bringt bVI als Färbung ins Spiel
- Bass repetiert orgelpunktartig auf I
und insgesamt wirken alle vier zusammen ziemlich formelhaft: Sopran, Alt und Baß bringen nur den T-D Wechsel, Tenor erzählt wenigstens ein ganz klein bissle was.
Es macht für mich aus verschiedenen Gründen keinen Sinn, Schuberts
Sonaten mit denen Beethovens zu vergleichen. Alleine über dieses Für
und Wider könnt ich nen ganzen Band Essays schreiben.
Das mag ich momentan aber nicht tun.
Ich wollte lediglich eine der vielen besondren Stellen zeigen, und
die für sich stehen lassen.
Ich kanns nun nicht ändern, wenn Dir nicht sofort - auf den ersten
Blick - die Schönheit daran, auch in Bezug auf die gesamte Sonate,
unmittelbar einleuchtet.
An anderer Stelle hast du von Madrigalismen u.a. geschrieben, die dich an der heutigen Neuen Musik stören.
Gibt es auch ... positive Entwicklungen?
Glaubst du, dass sich heutige Komponisten vielleicht sogar in einer Identitätskrise befinden in ihrem Bestreben,
einerseits Entwicklungen weiter voran zu treiben oder im Gegenteil dagegen anzugehen,
andererseits auch in ihrer Suche nach einer Musik, die auch das Publikum anspricht?
und stur bin ich sowieso: was hat so eine Schubertstelle an "reiner Substanz" und gar "Zukunftsweisendem" (in Richtung Liszt, Mahler usw.), was op.109 oder op.111 nicht haben????
wer hat Schubert manche geschwätzige Sonate, eine Wandererfantasie, eine mißglückte Oper untergejubelt? (um nur ein paar Beispiele zu nennen)
Sag doch bitte: Welche der Schubertschen Sonaten gehören
zu den "geschwätzigen"?
die frühen Klaviersonaten, die Violinsonaten, die ersten paar Sinfonien - durchaus parlierende und formal nicht eben auffallende Werke; ok, man könnte sagen: sind ja nur die frühen Sachen, später wird´s anders - und das stimmt auch zum Teil, aber eben nur zum Teil.
Meinst Du D 537, 568, 575, 664?
Oder eher noch frühere?
müssen wir uns bei dem riesigen Werkkatalog Schuberts jedes einzelne anschauen?
Ich möchte lediglich wissen, ob Du die genannten Sonaten zu den
frühen, "geschwätzigen" rechnest.
ich hoffte, ich hätte es hier https://www.clavio.de/forum/164930-post264.html halbwegs deutlich formuliert - -
.... welche [zählst] Du zu den frühen Sonaten.
Sags doch einfach - was ist denn daran so schwierig?
die letzten drei (c-Moll, A-Dur, B-Dur, D 958–960) sind keine frühen, die anderen sind wohl davor entstanden
Das meinte ich mit manchem geschwätzigen Konversationston.
Schon klar. Man sollte sich aber nicht täuschen:
D 537 - Takte 27ff.
Vier Schichten, vier Gestalten - die dann ganz kurzfristig
in eine F-Dur-Brechung münden (und ihr Ziel auf jeweils
spezifische Weise erreichen), bevors dann weitergeht - und wie....
Eine Versenkung ins Detail ist bei Schubert allemal lohnenswert.
gruß
stephan
mir ging es um was andres:
Um Deine Behauptung nämlich, Schuberts Sonaten seinen geschwätzig.
Und ebenso geht es den ersten Schubertschen Sonaten: sie sind noch nicht auf der Höhe des Streichquintetts.
Aber sie sind nun mal nicht allein auf der Welt, und das relativiert sie nun doch ein wenig...
Folglich kann ich die von Dir offenbar mit Ehrfurcht und Bewunderung gezeigte vierschichtige Stelle nicht als großes Wunder betrachten.
Mir leuchtet nun überhaupt nicht ein, warum ich irgendwelche Sonaten aus dem Kontext ihrer Zeit und Umstände lösen und gänzlich isoliert betrachten sollte.
(der den Eindruck nicht los wird, dass Du wohl doch etwas eingeschnappt bist)
Ich träume von einer "Terza Pratica", wie andernorts schon einmal gesagt, in der die Errungenschaften
der abendländischen Kunstmusik aufgehoben sind - in Hegels Doppelkinn.
............
Tatsächlich glaube ich, daß sich die meisten heutigen Komponisten in einer Identitätskrise befinden,
weil sie sich selbst und ihre Musik als marginal erleben. Es ist ein bitteres Gefühl,
von niemandem gebraucht zu werden. Aber dieses Gefühl ist kein Privileg der Komponisten.
Eine klitzekleine Frage habe ich trotz schlechten Gewissens noch -
was meinst du mit "Terza Practica"? Ich habe die Stelle nicht gefunden,
aber vielleicht habe ich wieder schlecht gelesen?
Liebe Chiarina,
schlechtes Gewissen ist völlig unangebracht. Von der "Terza Pratica" habe ich nicht hier,
sondern in einem anderen Thread gesprochen - ich weiß gar nicht mehr, wo das war.
Der Begriff "Seconda Pratica" kam um 1600 in Italien auf und bezeichnete eine neue Kompositionspraxis,
den Bezug einer oder je nach Besetzung mehrerer (Instrumental)-Stimmen auf den Generalbaß.
Damit begann das dezidiert homophone Komponieren auf funktionstonaler Grundlage -
in bewußter Abgrenzung von der Vokalpolyphonie der Frankoflamen des 15.Jahrhunderts (--> Prima Pratica).
Herzliche Grüße,
Gomez
seit ich gemerkt habe, dass man deine farbigen Antworten anklicken kann, eröffnen sich mir ganz neue Welten :D . Ich werd noch ganz gebildet (so in ein paar Jahrzehnten oder so) :D !
Genausowenig sind Beethovens Klaviersonaten "auf der Höhe" seiner
letzten Streichquartette - ganz im Gegenteil könnte man jene als
Entwicklungsschritt in Richtung dieser ansehen, und das dann vielleicht
intressant finden, und es kann auch durchaus intressant sein, sie
unterm Blickwinkel der Reflexion aufs barocke Erbe zu betrachten.
Wo man hinguggt: Relativierungen, Relativierungen, Relativierungen....
(J. Strauss jun., Fledermaus)Glücklich ist,
wer vergisst
was doch nicht zu ändern ist
jetzt hoff ich mal, dass Du Humor hast :)
ich verstehe Deinen Grimm nicht
in der Tat, man könnte - und man irrte dann :) c´est la vie, sowas kommt vor.
Als unnötig läßt Schubert das formal Korrekte, aber nicht vom Ausdruck Erfüllte hinter sich.
Die Modernität dieser Verfahrensweise ist erst im 20.Jahrhundert durch Komponisten
wie Anton Webern sichtbar geworden.
der eklektische dumme Beethoven, von kleineren Geistern ganz zu schweigen, hat da nur fade und bestenfalls kniehoch abgekupfert
Zitat von Gomez de Riquet:Als unnötig läßt Schubert das formal Korrekte, aber nicht vom Ausdruck Erfüllte hinter sich.
Die Modernität dieser Verfahrensweise ist erst im 20.Jahrhundert durch Komponisten
wie Anton Webern sichtbar geworden