Zeitgenössische Musik, die man sich anhören kann

Schuberts Werk und Beethovens Beitrag

Für Viennapianoplayer


"Ich stimme völlig zu, wenn 'reine Substanz'
die Chiffre für das Weglassen von allem Unnötigen meint." (Rolf)


Das Weglassen von allem Unnötigen bezieht sich nicht nur auf den Tonsatz,
sondern auch auf die Form bzw. auf den Umgang mit Formteilen. Analytisch läßt sich dergleichen
getrennt betrachten - im Ernstfall, also dem jeweiligen Werk, bildet es eine Einheit.

Die musikalische Konvention trennt zwischen Formteilen unterschiedlichen Ranges.
Erstrangig ist die Themenpräsentation in Exposition und Reprise. Zweitrangig sind
die Überleitungen und Schlußgruppen. Die Vorstellung vom bruchlosen Formverlauf
verlangt Überleitungen und nimmt billigend in Kauf, daß es dort musikalisch
weniger gehaltvoll zugeht. Beethoven ist derjenige, der diesen musikalischen Leerstellen zu Leibe rückt,
indem er sie mit thematischer Arbeit anreichert, Miniatur-Durchführungen aus ihnen macht.
Er wertet sie dadurch auf, aber sie bleiben im Formplan zweitrangig. Sie stehen nicht für sich selbst,
sondern sind Füllwerk - Inbegriff musikalischer Rhetorik.

Bei Schubert äußert sich eine ausgeprägte Aversion gegenüber solchem Füllwerk.
Er vermeidet Leerstellen, indem er einfach schweigt: durch Pausen Zäsuren herbeiführt,
was Bruckner von ihm gelernt hat - oder indem er diese Formteile musikalisch dermaßen beseelt,
daß von ihrer Formelhaftigkeit nichts übrigbleibt.

Auch zu Beethovens Durchführungstechnik hat Schubert weise Distanz gehalten,
wenn man davon absieht, daß er sich in der Zeit seiner Fragmente-Produktion (c-Moll-Quartettsatz,
h-Moll-Symphonie) intensiv mit LvB beschäftigt hat. Um zu verstehen, was sich Schubert vom Leibe hält:
Die Durchführung des Sonatenhauptsatzes ist in Beethovens Instrumentalmusik der "Kampfplatz der Ideen".
Die Themen werden segmentiert, die Segmente sequenziert, diminuiert und zerhackstückt -
auf der Grundlage eines Modulationsplans - klare Verhältnisse, alles vom Feinsten, alles von erdrückender Logik.
Es gibt Momente, in denen dieses Geschehen auch bei LvB beseelt ist: im 1.Satz der "Eroica"
oder der D-Dur-Klaviersonate op.28, von den späten Sonaten und Quartetten ganz zu schweigen.
Aber im Großen und Ganzen kann einem Beethoven mit der Konflikthaftigkeit seiner Durchführungen,
ihrer Dramatik schwer auf den Senkel gehen, weil alles so überraschungslos, so vorhersehbar ist.
Wenn der Doppelstrich erreicht ist, weiß man: Jetzt kommen wieder die Taschenspielertricks.

Schubert verzichtet im Extremfall völlig auf die Durchführung - für seine Zeit
eine Ungeheuerlichkeit. Er zertrümmert seine Themen nicht, sondern läßt ihnen freien Lauf.
Er liebt es, melodische Ereignisse wortgetreu zu wiederholen, aber harmonisch immer neu eingefärbt.
Im Durchschreiten ständig neuer Harmonie-Landschaften verändert sich die Melodie,
obwohl sie den Noten nach identisch bleibt. Schuberts Themen sind Individuen auf der Wanderschaft:
Sie bleiben sie selbst und verändern sich zugleich mit allem, was sie unterwegs erleben.

Als unnötig läßt Schubert das formal Korrekte, aber nicht vom Ausdruck Erfüllte hinter sich.
Die Modernität dieser Verfahrensweise ist erst im 20.Jahrhundert durch Komponisten
wie Anton Webern sichtbar geworden.
 
Ach, das wirds dann wohl sein: daß ich nämlich manches andre nicht kenne.

oh weh - bist Du wegen einer schnell dahingetippten parlando Formulierung, die Du herausgreifst, eingeschnappt?
Das wäre so schade wie unnötig! Übrigens attestiere ich Dir nicht nur gerne, sondern sogar sehr wahrheitsgemäß, eine ganze Menge anderes sehr wohl und sehr genau zu kennen - - und eben darum wundert mich, dass Dir erstens diese (wie beschrieben recht harmlose) Schubertstelle so sehr auffällt, zweitens dass Dir angesichts dieser Schubertstelle kein Wort zu beispielsweise Beethoven zu entlocken ist.

Ich wiederhole einfach noch mal:
Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es ebenfalls nichts bringt, wenn man eine so schlichte Stelle (trotz davor und danach) zu sehr ins Übergeniale stilisiert: denn was fängt man dann mit einer auf das äußerste reduzierten Vierschichtigkeit an, die geradezu maßlos expressiver als diese Schubertstelle ist? Und solche Sachen gibt es: 1821/22 die Arietta von Beethoven.
Gutwillig attestiere ich der Schubertstelle gerne schönen Klang, auch dem Davor und Danach - aber ich bin nicht fähig, die auffallenden Anteile des Floskel- und Formelhaften sowie des konventionellen Tonfalls zu übersehen. Unter anderem liegt das daran, dass ich manches andere kenne. Kurzum: ich bin nicht dafür zu gewinnen, diese Schubertstelle als bedeutender darzustellen, als sie ist.

Mit etwas gutem Willen, notfalls auch ohne diesen, kann man den Unterschied zu op.111 feststellen.
wenn das falsch sein sollte (woran ich Zweifel hege), dann korrigiere mich bitte - noch erkenne nichts im bisherigen Gesprächsverlauf, was mir die Schubertstelle über die Arietta, über die aufs äußerste reduzierte quasi-Coda vor dem Fugato der Lisztsonate oder über Bartoks Abend auf dem Land stellen würde (um drei gänzlich verschiedene Klavierstücke zu nennen, die tatsächlich [ bei Liszt an der genannten Stelle] reine Substanz bringen, ganz ohne jede Konzession an Konventionen - und letztere finden sich nun mal überdeutlich in der demonstrierten Schubertstelle; ich kann mir nun nicht vorstellen, dass Konzessionen an Konventionen (z.B. wiederholte Floskeln) besonders feinsinnig in Richtung reiner Substanz sein können)

herzliche Grüße,
Rolf
 
"Ich stimme völlig zu, wenn 'reine Substanz'
die Chiffre für das Weglassen von allem Unnötigen meint." (Rolf)


Das Weglassen von allem Unnötigen bezieht sich nicht nur auf den Tonsatz,
sondern auch auf die Form bzw. auf den Umgang mit Formteilen. Analytisch läßt sich dergleichen
getrennt betrachten - im Ernstfall, also dem jeweiligen Werk, bildet es eine Einheit.

Hallo Gomez,

ich kann Deinen recht grimmigen Ansichten zu Beethovens lebenslang experimenteller Verfahrensweise mit der Sonate (bzw. "Sonatenform") nicht zustimmen.

Formal sind es nicht die Schubertsonaten, welche zu stimmungsmäßig einheitlichen (so Chopin in op.35) oder gar einsätzigen (Liszt, Skrjabin, Berg) Sonaten geführt haben. Auch die Verkürzung bis hin zur Weglassung der Durchführung kann ich nicht als Schubertsche Erfindung erkennen - weitaus durchführungsloser gibt sich die Sonate op.111, welche erstaunlicherweise ihre Kontraste nicht aus thematischen, sondern aus stilistischen und perspektivischen Bereichen holt: davon ist Schubert weit entfernt. Ebenso weit entfernt wie von der Tendenz zur Monothematik, die sich erstmals ausgeprägt in op.111 zeigt.

Vordergründig sucht man ja gerne nach 1. und 2. Thema, und man findet sie auch in allerlei Expositionen und Reprisen, sowohl bei Beethoven, als auch bei Schubert, Brahms und Chopin. Erstaunlicherweise finden wir aber Abschnitte, die an der Stelle der erwarteten "Durchführung" stehen, aber auf das zweite Thema verzichten - und das nicht erst bei Chopin, sondern schon bei Beethoven (sogar recht früh: op.13; auffälliger dann in op.53; von op.111 zu schweigen)

Ebenso kenne ich keine Sonatenkonzeption bei Schubert, die etwa dem Geniestreich von op.109 (ich denke da an den Kopfsatz) entsprechen würde!

Kurzum: Deine etwas harschen Einwände gegen Beethovens viele Sonatenkonzepte kann ich nicht nachvollziehen, erst recht nicht, wenn mir die Schubertschen Sonaten als quasi formal überlegen vorgestellt werden: denn sie sind es nicht.

Es genügt völlig, dass Schubert einen eigenen und unverwechselbaren (und tödlichen!) Personalstil in die Musik gebracht hat - niemand möchte diese Werke missen, und sie stehen ganz für sich da: rührend und erschütternd.

So sehr ich, ja über nahezu alles, das große Streichquintett liebe: ein formaler Neuerer, der sogleich zu Mahler oder späterem führt, ist Schubert nicht. Formal sind seine Sonatenkonzepte konventioneller, als die Beethovenschen - was übrigens gar kein sonderliches Werturteil beinhaltet, denn das geht doch Spätromantikern wie Tschaikowski oder Brahms auch nicht anders: die schließen eher an die Konzeptionen des mittleren Beethoven an. Die Beethovenschen Spätwerke finden erst bei Liszt und späteren Komponisten ihre Fortsetzung.

herzliche Grüße,
Rolf

auf einem anderen Blatt steht die ungeheuere subjektive Größe der Schubertschen Musik, die sich sogar in "Kleinigkeiten" wie den Valses nobles unvergeßlich zeigt!
 
oh weh - bist Du wegen einer schnell dahingetippten parlando Formulierung, die Du herausgreifst, eingeschnappt?

Iwo.

Du solltest allerdings ein parlando, daß Du Dir zugestehst, auch
mir gestatten. Analog zu Deiner Betrachtung:

pardon, aber diese Stelle reisst mich nicht vom Hocker, sie ist doch recht konventionell:
- Oberstimme (oktaviert) spielt eine T-D Floskel
- Tenor als cantus firmus wechselt in liegenden Noten zw. VII und VIII (auch recht formelhalft)
- Alt spielt die einzige melodische Geste (also keine Formel), bringt bVI als Färbung ins Spiel
- Bass repetiert orgelpunktartig auf I
und insgesamt wirken alle vier zusammen ziemlich formelhaft: Sopran, Alt und Baß bringen nur den T-D Wechsel, Tenor erzählt wenigstens ein ganz klein bissle was.

könnte man den Beginn der Kunst der Fuge auch so beschreiben:

Fuga 1: gebrochner d-moll-Dreiklang, dann n Halbton, n Ganzton,
n Halbton, wieder n Ganzton - ziemlich trivial und nichtssagend....

Es macht für mich aus verschiedenen Gründen keinen Sinn, Schuberts
Sonaten mit denen Beethovens zu vergleichen. Alleine über dieses Für
und Wider könnt ich nen ganzen Band Essays schreiben.
Das mag ich momentan aber nicht tun.

Ich wollte lediglich eine der vielen besondren Stellen zeigen, und
die für sich stehen lassen.
Ich kanns nun nicht ändern, wenn Dir nicht sofort - auf den ersten
Blick - die Schönheit daran, auch in Bezug auf die gesamte Sonate,
unmittelbar einleuchtet.

Wie gesagt: "eingeschnappt" bin ich tatsächlich nicht.
Du hast eben Deine Auffassung von der Sache - und ich hab meine.

Herzliche Grüße dito

stephan
 
Es macht für mich aus verschiedenen Gründen keinen Sinn, Schuberts
Sonaten mit denen Beethovens zu vergleichen. Alleine über dieses Für
und Wider könnt ich nen ganzen Band Essays schreiben.
Das mag ich momentan aber nicht tun.

Ich wollte lediglich eine der vielen besondren Stellen zeigen, und
die für sich stehen lassen.
Ich kanns nun nicht ändern, wenn Dir nicht sofort - auf den ersten
Blick - die Schönheit daran, auch in Bezug auf die gesamte Sonate,
unmittelbar einleuchtet.

tja, da unterscheiden wir uns: ich mag nichts isoliert und nur für sich betrachten - schließlich ist Schuberts oder Chopins oder Beethovens Klaviermusik nicht allein auf der Welt. Und ich mag nichts isoliert und nur für sich betrachten müssen, wenn mir etwas als ganz herausragend bezeichnet wird: da ist mir dann danach, das Herausragende in Vergleich zu setzen.

übrigens bemerke ich die Schönheit dieser Schubertstelle durchaus (was ich auch mitgeteilt hatte) - nur die vermeintliche Modernität (im Sinne der reinen Substanz etc.) kann ich darin (wie schon erklärt) nicht entdecken: sie ist halt wiederholend (zweimal dasselbe) und bedient sich geläufiger Formeln/Floskeln.

möglicherweise bin ich da vernagelt, verbohrt, meinetwegen auch blind - aber ich bin´s ganz gern

und stur bin ich sowieso: was hat so eine Schubertstelle an "reiner Substanz" und gar "Zukunftsweisendem" (in Richtung Liszt, Mahler usw.), was op.109 oder op.111 nicht haben????

herzliche Grüße,
Rolf
 
Liebe Chiarina,

ich muß Deine Fragen portionieren, um sie beantworten zu können.

An anderer Stelle hast du von Madrigalismen u.a. geschrieben, die dich an der heutigen Neuen Musik stören.
Gibt es auch ... positive Entwicklungen?

Die Neue Musik-Szene ist so zersplittert, daß zumindest mir eine pauschale Antwort schwerfällt.

Es gibt Avantgardisten, Verfechter der reinen Lehre, die immer noch dem Überbietungszwang gehorchen,
ungebrochen an den Fortschritt glauben und ihren Personalstil als télos der abendländischen Musikentwicklung ausgeben.

Es gibt gemäßigt Moderne, deren Musik mit der Tonalität liebäugelt oder sich pop-ähnlichen Idiomen annähert.
Sie schreiben Neue Musik, wie sie sich Klein-Hänschen vorstellt.

Es gibt neo-tonal arbeitende Komponisten, die keine Scheu haben, den Vorrat an approbierten Tonfällen
der Musik aus der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts zu plündern. Vieles aus dieser Scene klingt wie
schlecht nachgemachte Filmmusik.

Es gibt die neue Zunft der Klangkünstler, deren Klang-Installationen u.U. sehr eindrucksvoll sein können,
aber in ihrer Wirkung an den jeweiligen Raum gebunden sind, für den sie konzipiert wurden.

Es gibt die ebenfalls noch recht neue Zunft der Laptop-Komponisten, die eine ganz andere Art
von elektronischer Musik fabriziert als einstens Stockhausen & Co. Dazu kann Dir womöglich
Dein Cousin mehr als ich erzählen. An dieser Gruppe ist interessant, daß ihre Bestrebungen
denen des "electronic underground" nahekommen - hier findet wirklich einmal eine nicht künstlich
von irgendwelchen Studiobossen verfügte E-/U-Musik-Kreuzung statt.

Aus allen fünf Gruppen gibt es Gutes, zumeist aber viel Langweiliges oder auch Peinliches zu hören,
und keine der fünf Gruppen interessiert mich (mehr). So wie man, vom Nordpol aus in alle vier Himmelsrichtungen
aufbrechend, immer nach Süden geht - so landet man in jeder dieser Gruppen bei altvertrauten Tonfällen.
Ich träume von einer "Terza Pratica", wie andernorts schon einmal gesagt, in der die Errungenschaften
der abendländischen Kunstmusik aufgehoben sind - in Hegels Doppelkinn.

Glaubst du, dass sich heutige Komponisten vielleicht sogar in einer Identitätskrise befinden in ihrem Bestreben,
einerseits Entwicklungen weiter voran zu treiben oder im Gegenteil dagegen anzugehen,
andererseits auch in ihrer Suche nach einer Musik, die auch das Publikum anspricht?

Tatsächlich glaube ich, daß sich die meisten heutigen Komponisten in einer Identitätskrise befinden,
weil sie sich selbst und ihre Musik als marginal erleben. Es ist ein bitteres Gefühl,
von niemandem gebraucht zu werden. Aber dieses Gefühl ist kein Privileg der Komponisten.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
und stur bin ich sowieso: was hat so eine Schubertstelle an "reiner Substanz" und gar "Zukunftsweisendem" (in Richtung Liszt, Mahler usw.), was op.109 oder op.111 nicht haben????

Da kannst Du Dich auffn Kopp stellen und mit den Beinchen wackeln:
diese, Deine Frage "so eine Schubertstelle" im Vergleich zu sonsterschendebbes
betreffend mußt Du Dir, wenndes denn unbedingt wissen willst, tunlichst
irgendwie anders beantworten (lassen).

Denn, wie bereits gesagt, ich mag nicht - mir ging es um was andres:
Um Deine Behauptung nämlich, Schuberts Sonaten seinen geschwätzig.




wer hat Schubert manche geschwätzige Sonate, eine Wandererfantasie, eine mißglückte Oper untergejubelt? (um nur ein paar Beispiele zu nennen)

Sag doch bitte: Welche der Schubertschen Sonaten gehören
zu den "geschwätzigen"?

die frühen Klaviersonaten, die Violinsonaten, die ersten paar Sinfonien - durchaus parlierende und formal nicht eben auffallende Werke; ok, man könnte sagen: sind ja nur die frühen Sachen, später wird´s anders - und das stimmt auch zum Teil, aber eben nur zum Teil.

Meinst Du D 537, 568, 575, 664?
Oder eher noch frühere?

müssen wir uns bei dem riesigen Werkkatalog Schuberts jedes einzelne anschauen?

Ich möchte lediglich wissen, ob Du die genannten Sonaten zu den
frühen, "geschwätzigen" rechnest.


.... welche [zählst] Du zu den frühen Sonaten.
Sags doch einfach - was ist denn daran so schwierig?

die letzten drei (c-Moll, A-Dur, B-Dur, D 958–960) sind keine frühen, die anderen sind wohl davor entstanden


....

Das meinte ich mit manchem geschwätzigen Konversationston.

Schon klar. Man sollte sich aber nicht täuschen:

schnipsel_537.png


D 537 - Takte 27ff.

Vier Schichten, vier Gestalten - die dann ganz kurzfristig
in eine F-Dur-Brechung münden (und ihr Ziel auf jeweils
spezifische Weise erreichen), bevors dann weitergeht - und wie....

Eine Versenkung ins Detail ist bei Schubert allemal lohnenswert.

gruß

stephan



Wieso sollte mich in diesem Zusammenhang Beethoven intressieren??
-
wenn Du glaubst, das sei so überaus wichtig, um Schubert zu verstehen,
dann erläuters doch selbst - ich wär der Letzte, der Dich davon abhält.


gruß

stephan
 
mir ging es um was andres:
Um Deine Behauptung nämlich, Schuberts Sonaten seinen geschwätzig.

na Stephan, die böse Behauptung von mir bezog sich nicht auf sämtliche der Schubertsonaten. Und da findet sich nun mal ein salopp gesagt "geschwätziger" Konversationstonfall, den der Franz allerdings später auszulassen pflegte - und auch das ist keine Schande oder so: des lieben Chopin beide Klavierkonzerte sind stilistisch auch woanders, als seine 4. Ballade. Und ebenso geht es den ersten Schubertschen Sonaten: sie sind noch nicht auf der Höhe des Streichquintetts.

aber bon, nehmen wir die um 1816/18 entstandenen: gäbe sonst gar keine Klaviermusik, wären sie der Gipfel des Olymp. Aber sie sind nun mal nicht allein auf der Welt, und das relativiert sie nun doch ein wenig...

Folglich kann ich die von Dir offenbar mit Ehrfurcht und Bewunderung gezeigte vierschichtige Stelle nicht als großes Wunder betrachten.

Wer zwischen 1810-30 Klaviersonaten produzierte, der hatte darin arge Konkurrenz: den grimmen Ludwig, der dieses Metier doch ziemlich gut beherrschte (ein ähnliches Phänomen gilt in der Sinfonienproduktion der 1. Hälfte des 19. Jh.) - - erstaunlicherweise aber mochten sich viele nicht in die Nähe der Sonaten ab op.101 begeben. Mir leuchtet nun überhaupt nicht ein, warum ich irgendwelche Sonaten aus dem Kontext ihrer Zeit und Umstände lösen und gänzlich isoliert betrachten sollte.

herzliche Grüße,
Rolf (der den Eindruck nicht los wird, dass Du wohl doch etwas eingeschnappt bist)
 
Und ebenso geht es den ersten Schubertschen Sonaten: sie sind noch nicht auf der Höhe des Streichquintetts.

Genausowenig sind Beethovens Klaviersonaten "auf der Höhe" seiner
letzten Streichquartette - ganz im Gegenteil könnte man jene als
Entwicklungsschritt in Richtung dieser ansehen, und das dann vielleicht
intressant finden, und es kann auch durchaus intressant sein, sie
unterm Blickwinkel der Reflexion aufs barocke Erbe zu betrachten.
Wo man hinguggt: Relativierungen, Relativierungen, Relativierungen....

Aber sie sind nun mal nicht allein auf der Welt, und das relativiert sie nun doch ein wenig...

Mag sein, mag nicht sein.
Wenn ich glauben würde, der von Dir geforderte Vergleich
bescherte mir irgendne Erkenntnis - ich würd ihn glatt anstellen.
Ich glaubs halt nicht, im Gegensatz zu Dir:

Folglich kann ich die von Dir offenbar mit Ehrfurcht und Bewunderung gezeigte vierschichtige Stelle nicht als großes Wunder betrachten.

Du kannst es nicht, ok. Ich kanns - find ich auch ok.

Mir leuchtet nun überhaupt nicht ein, warum ich irgendwelche Sonaten aus dem Kontext ihrer Zeit und Umstände lösen und gänzlich isoliert betrachten sollte.

Also ich zumindest kann mich nicht entsinnen, das von Dir verlangt zu haben.
Wiewohl - versuchs doch mal! Probiern geht über Studiern!

(der den Eindruck nicht los wird, dass Du wohl doch etwas eingeschnappt bist)

Nochmals: Nein - definitiv! Vertraue mir....

gruß

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ich träume von einer "Terza Pratica", wie andernorts schon einmal gesagt, in der die Errungenschaften
der abendländischen Kunstmusik aufgehoben sind - in Hegels Doppelkinn.

............

Tatsächlich glaube ich, daß sich die meisten heutigen Komponisten in einer Identitätskrise befinden,
weil sie sich selbst und ihre Musik als marginal erleben. Es ist ein bitteres Gefühl,
von niemandem gebraucht zu werden. Aber dieses Gefühl ist kein Privileg der Komponisten.


Hallo Gomez,

vielen Dank abermals für deine Antwort!!! Mein Cousin hat Ähnliches erzählt - und spricht auch von der Identitätskrise. Er glaubt, dass diese Zeit eine notwendige ist, um zu neuen bzw. alten Stilen zu(rückzu-) finden. Wer weiß, wo es noch hingeht. Eine klitzekleine Frage habe ich trotz schlechten Gewissens noch - was meinst du mit "Terza Practica"? Ich habe die Stelle nicht gefunden, aber vielleicht habe ich wieder schlecht gelesen?

Liebe Grüße

chiarina
 
Eine klitzekleine Frage habe ich trotz schlechten Gewissens noch -
was meinst du mit "Terza Practica"? Ich habe die Stelle nicht gefunden,
aber vielleicht habe ich wieder schlecht gelesen?

Liebe Chiarina,

schlechtes Gewissen ist völlig unangebracht. Von der "Terza Pratica" habe ich nicht hier,
sondern in einem anderen Thread gesprochen - ich weiß gar nicht mehr, wo das war.

Der Begriff "Seconda Pratica" kam um 1600 in Italien auf und bezeichnete eine neue Kompositionspraxis,
den Bezug einer oder je nach Besetzung mehrerer (Instrumental)-Stimmen auf den Generalbaß.
Damit begann das dezidiert homophone Komponieren auf funktionstonaler Grundlage -
in bewußter Abgrenzung von der Vokalpolyphonie der Frankoflamen des 15.Jahrhunderts (--> Prima Pratica).

Herzliche Grüße,

Gomez
 
Liebe Chiarina,

schlechtes Gewissen ist völlig unangebracht. Von der "Terza Pratica" habe ich nicht hier,
sondern in einem anderen Thread gesprochen - ich weiß gar nicht mehr, wo das war.

Der Begriff "Seconda Pratica" kam um 1600 in Italien auf und bezeichnete eine neue Kompositionspraxis,
den Bezug einer oder je nach Besetzung mehrerer (Instrumental)-Stimmen auf den Generalbaß.
Damit begann das dezidiert homophone Komponieren auf funktionstonaler Grundlage -
in bewußter Abgrenzung von der Vokalpolyphonie der Frankoflamen des 15.Jahrhunderts (--> Prima Pratica).

Herzliche Grüße,

Gomez


Hallo Gomez,

ahhh :idea: :) ! Jetzt habe ich es kapiert! Peinlicherweise habe ich von diesen Ausdrücken noch nie etwas gehört ....!

Na ja, besser spät als nie!

Liebe Grüße

chiarina
 
Danke pppetc,

seit ich gemerkt habe, dass man deine farbigen Antworten anklicken kann, eröffnen sich mir ganz neue Welten :D . Ich werd noch ganz gebildet (so in ein paar Jahrzehnten oder so) :D !

Viele Grüße

chiarina
 
Genausowenig sind Beethovens Klaviersonaten "auf der Höhe" seiner
letzten Streichquartette - ganz im Gegenteil könnte man jene als
Entwicklungsschritt in Richtung dieser ansehen, und das dann vielleicht
intressant finden, und es kann auch durchaus intressant sein, sie
unterm Blickwinkel der Reflexion aufs barocke Erbe zu betrachten.
Wo man hinguggt: Relativierungen, Relativierungen, Relativierungen....

in der Tat, man könnte - und man irrte dann :) c´est la vie, sowas kommt vor.

lieber Stephan,
ich verstehe Deinen Grimm nicht.
ich verstehe auch nicht, warum man partout restlos alle Sonaten von Schubert nicht nur für offenbar ganz arg paradiesisch halten soll, sondern sie auch nur ganz isoliert für sich betrachten soll - - und am allerwenigsten verstehe ich, warum Du mit rabiatem Ingrimm darauf beharrst, ich würde restlos alle Schubertschen Sonaten für geschwätzig halten.

Glücklich ist,
wer vergisst
was doch nicht zu ändern ist
(J. Strauss jun., Fledermaus)

wenn ich jetzt mitteile, dass das von mir ganz furchtbar bewunderte und geliebte Streichquintett seine Qualität (nicht ein überflüssige Note) nicht aus der recht konventionellen Form, sondern aus dem musikalischen Inhalt bezieht (einer auf die Spitze konzentrierten Innigkeit, die sogar die scheinbar harmloseste Geste zum expressiven Ereignis macht!), dann werde ich vermutlich füsiliert - also schreibe ich das lieber nicht.

...stattdessen schreibe ich, um am Leben gelassen zu werden: Hosianna, der große Schubert hat die zweisätzige Sonate, das double function design, die einsätzige Sonate, die Tristanharmonik, die Atonalität, den elektrischen Strom und die Kaffeemaschine, auch das Rad und die Schrift erfunden, und das schon mit seinen allerersten Noten - der eklektische dumme Beethoven, von kleineren Geistern ganz zu schweigen, hat da nur fade und bestenfalls kniehoch abgekupfert :D

jetzt hoff ich mal, dass Du Humor hast :)

herzliche Grüße,
Rolf
 
jetzt hoff ich mal, dass Du Humor hast :)

Ich wills doch nicht hoffen! Mein Nachbar hatte das auch, annner Prosada,
hoder zoo, wahr öhndwih bößartig, isser dran verstohben, grad gestern.


Ich bin nich grimmig - schließlich heiß ich nich Beethoven.
Es geht bloß darum:

in der Tat, man könnte - und man irrte dann :) c´est la vie, sowas kommt vor.

Allein darüber könnten wir uns nächtelang die Köppe heißreden, und
ich hoffe doch sehr, daß wir das demnächst mal machen, beim einen
oder andern Rähmschen Bier. Aber halt nicht jetzt: weil das über alle
Maßen ausufert, und für mein Gefühl fürs momentane Thema wenig
bringt. Damit mein ich nun nicht off <-> on - topic odder son Käse,
sondern eben ne Konzentration aufs Wesentliche, das beispielsweise
von Christoph sehr schön benannt wurde:

Als unnötig läßt Schubert das formal Korrekte, aber nicht vom Ausdruck Erfüllte hinter sich.
Die Modernität dieser Verfahrensweise ist erst im 20.Jahrhundert durch Komponisten
wie Anton Webern sichtbar geworden.


der eklektische dumme Beethoven, von kleineren Geistern ganz zu schweigen, hat da nur fade und bestenfalls kniehoch abgekupfert

Und auch darüber könnte man (nach dem ersten Kasten freilich) reden -
denn sooooo aus der Welt ist sogar diese These nicht....


Gruß von Haus zu Haus

stephan
 
Zitat von Gomez de Riquet:
Als unnötig läßt Schubert das formal Korrekte, aber nicht vom Ausdruck Erfüllte hinter sich.
Die Modernität dieser Verfahrensweise ist erst im 20.Jahrhundert durch Komponisten
wie Anton Webern sichtbar geworden

ach, und das tut Beethoven nicht??? ...ja wozu hat denn der eine op.111 geschrieben??? ...oder sollte die Murks sein...

Köppe heiß reden, sintemalen mit kaltem Getränke accompagniert, dazu immer wieder das Piano traktieren, ist eine richtig gute Idee -- soll nicht demnächst zu Frankfurt die Walküre gespielt werden?

um fürs Köppe heiß reden eine Anregung zu bieten:
formal hat Schubert der Sonatenkonzeption nicht viel geboten, er füllt allerdings die allmählich obsolet werdende "klassische" Viersätzigkeit mit seinen ungeheuerlichen subjektiven Klängen - - da sind mir die späten Sonaten von Beethoven (vor allem op.109 und op.111) insgesamt doch deutlich (sic) lieber, da sie nicht nur über mindestens dieselbe radikale Subjektivität verfügen, sondern obendrein formal und harmonisch weitaus mehr tun.
wenn schon im frühen 19. Jh. eine erster Komponist von Neuer Musik lokalisiert werden soll, dann ist das eher der alt gewordene Ludwig, der nahezu alles an Konvention ohne Rücksicht auf verluste hinter sich lässt.

na, wenn das nicht ein schöner Anlaß fürs Köppe heißreden ist :)

herzliche Grüße,
Rolf

p.s. off-on - - mir wurscht!! Wenn Schubert und Beethoven auftauchen (aus welchem Grund auch immer), dann sind die mir relevanter als irgendein off-on :D
 
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