Yann Tiersen Best Of

  • Ersteller des Themas Klaviersternchen
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1.
in diesem Faden wurden tatsächlich idiotischerweise Tiersen und Satie gleichgesetzt und als französisch-schwebender Klang bezeichnet

Aber - ACHTUNG - nicht von mir. Der "französische Klang" steckt allerdings tatsächlich in Tiersens Kompositionen.

minimal music
es wurde in diesem Faden schon mehrmals mitgeteilt, dass u.a. Ph. Glass von Tiersen Lichtjahre entfernt ist - nicht jede banal vereinfachte Seichtigkeit kann unter dem Ettikett minimal music subsumiert werden (oder möchte irgendwer Text und Musik von und mit Roberto Blanco als Minimalismus feiern?)

Du bist etwas engstirnig. Was unterscheidet eine Komposition von Glass von einer Tiersen Komposition in struktureller Hinsicht? Die Musik von Glass ist teilweise bis ins Extrem verinfacht. Siehe seine Metamorphosis Kompositionen.

ist ja schön, wenn sich mittlerweile teilweise die Erkenntnis durchsetzt, dass man so mancherlei nicht miteinander vergleichen kann - wollte sich jetzt noch die Erkenntnis durchsetzen, das bei weitem nicht alle Musiksorten Kunstmusik sein wollen oder sind, dann wäre auch schon viel gewonnen --- und am meisten wäre gewonnen, wenn eingefleischte Tiersenliebhaber ENDLICH aufhören wollten, buhu das ist wie Chopin und so zu greinen.

Weder bin ich eingefleischter ... ach was solls.

selbstredend kann jeder mögen, wonach ihm ist - ich mag z.B. Raumschiff-Alien-Pengpeng-totmach-Filme, aber ich heule nicht, wenn die weder Oscar noch goldene Palme kriegen :D:D:D:D

Der erste Teil der Alien Filme hat einen Oscar in der Kategorie "Beste Spezialeffekte" bekommen sowie mehrere andere Awards in diversen Kategorien und zahlreiche Nominierungen. Die Star Wars Filme haben 10 Oscars gewonnen, die anderen Awards würden den Rahmen hier sprengen.
 
Hallo Opus, hast Du meine Frage / Bitte gelesen? Bis jetzt bist Du, trotz Wiederholung, mit keinem Wort drauf eingegangen! Warum?
 
nu ja: eng ausgelegt hört die musikal. Klassik mit Beethoven auf - was sind dann Chopin und Rachmaninov? E-Musik? Kunstmusik? -- bislang erschien es so, als subsumierst du unter "Klassik" allerlei von Bach bis Stockhausen.

Ich würde diese Epoche als Romantik oder klassische Romantik bezeichnen. Stockhausen zähle ich sicher nicht mehr zur Klassik.
 
Lieber Opus,

Okay, du legst den Begriff eben doch weit aus.

es gibt einfach zwei verschiedene Bedeutungen des Begriffs "Klassik", einmal als Epoche (Haydn, Mozart, Beethoven, ...) oder eben im Sinne "klassische Musik", die weit vor der Klassik anfängt und natürlich bis heute andauert. Sicher kann man Stockhausen usw. nicht in die Epoche der Klassik stecken, aber ganz sicher schreibt er Neue Klassische Musik (bzw. schrieb)! Es wurden hier im Faden schon mehrere andere moderne Komponisten und sogar zeitgenössische Komponisten genannt, die ebenfalls alle Neue Klassische Musik schreiben.

Es ist absolut korrekt, wenn Rolf sagt, dass sich da sehr vieles tut - gerade gestern war ich auf einem Klassenabend der Kompositionsstudenten (anstatt zu üben... ;)), was glaubst du, was die tun? Sie schreiben Neue Musik. Gott sei Dank tun sie das! Gott sei Dank hat es Leute gegeben/gibt es Leute wie Schönberg, Webern, Berg, Cage, Rihm, Boulez, Stockhausen, Kagel, Pärt, Adams, Kurtág, Ligeti, usw..., die uns alle auf sehr spannende Weise zeigen, dass die klassische Musik alles andere als tot ist!

Viele vergleichen die Situation der Musik des 20. Jhd. mit dem Übergang vom Mittelalter zur Renaissance - es gibt in der Tat erstaunliche Parallelen: Die Musik ist teilweise so komplex geworden, dass Leute aufschreien, sie sei zu komplex, man könne sie weder spielen noch verstehen - vgl. die Situation der Ars nova und der Ars subtilior, die es sogar soweit gebracht hat, dass der Papst die Mehrstimmigkeit verbieten wollte! :) Ein Glück kam da ein gewisser Herr Palestrina mit seiner Missa Papae Marcelli vorbei und hat das Ganze auf geschickte Weise abgewendet. Wir stehen heute an einer ähnlichen Schwelle, es passiert viel, sogar zuviel, es ist ein Jahrhundert der Suche gewesen und das ist es immer noch. Aber auch wenn wir noch auf der Suche sind, gibt es schon ganz hervorragende Antworten... meine persönliche Lieblingsantwort ist die von György Ligeti.

liebe Grüße,
Partita
 
Der erste Teil der Alien Filme hat einen Oscar in der Kategorie "Beste Spezialeffekte" bekommen sowie mehrere andere Awards in diversen Kategorien und zahlreiche Nominierungen. Die Star Wars Filme haben 10 Oscars gewonnen, die anderen Awards würden den Rahmen hier sprengen.
bäh Alien... Geburtsmetaphorik und tiefere Bedeutung... viel zu verkopft --- Pengpeng-totmach ist so Zeugs wie "Alien versus Predator" und vergleichbarer Krempel, den ich gerne aus Jux gucke
 
Lieber Opus,

auch auf die Gefahr hin, dass die Antwort schon irgendwo in den letzten 10 Seiten steht, die ich nicht mehr mitverfolgt habe - ich fand es interessant, dass du dich auf für mittelalterliche Musik interessierst. Du sagtest sowas wie, du magst daran das Archaische. Hast du mir schon geantwortet, welche Musik du damit genau meinst? Mich würde das wirklich sehr interessieren! Schreib einfach mal ein paar Stücke auf, die du magst!

Liebe Grüße,
Partita
 

Du bist etwas engstirnig. Was unterscheidet eine Komposition von Glass von einer Tiersen Komposition in struktureller Hinsicht? Die Musik von Glass ist teilweise bis ins Extrem verinfacht. Siehe seine Metamorphosis Kompositionen.
...gütiger Himmel, sei gnädig...

...Opus... muss man dir wirklich die Unterschiede zwischen einem Streichquartett von Glass und den Tiersensächelchen auseinandersetzen?... ...wenn ja, dann ist Hopfen und Malz verloren - d.h. ich hab keinen Bock, ab ovo anzufangen. Natürlich bleibt es jedem unbenommen, laut "Tiersen ist ein Minimalist wie Glass, Reich, Young" zu trompeten - Gelegenheiten für Erheiterung zu sorgen gibt es unzählige :D:D:D:D
 
Wenn Du das glaubst, kennst Du im Bereich "Minimal Music" aber nichts gutes.

Könntest Du vielleicht bitte ein paar Namen fallen lassen?

Lieber Dreiklang,

zunächst hat man sich mit einer begrifflichen Unschärfe abzumühen: Zwischen 'reduktiver'
und 'minimalistischer Musik' ist nicht immer genau zu unterscheiden, und in der Literatur
wird auch nicht immer genau unterschieden.

Jedenfalls ist die Reduktion, als Gegengift gegen den Überbietungszwang, ein Urphänomen
der Neuen Musik, gleichberechtigt neben der Steigerung vertrauter Möglichkeiten.
Reduktion ist einer der Taufpaten der frühen Moderne, am radikalsten gleich bei Erik Satie,
der in den "Quatre Ogives" (1886) für Klavier auf die früheste Form der Mehrstimmigkeit
in der abendländischen Musik zurückgreift: das Parallelorganum, und von diesem Nullpunkt aus
Musik ganz neu zu denken beginnt. Leider habe ich im Netz keine gescheite Einspielung davon
gefunden. Als Beleg führe ich nochmals die "Danses de travers" von 1897 an, weil sie
eines der Muster sind, an denen sich Tiersen orientiert: Gleichförmigkeit der Bewegungsabläufe,
bei Satie aber gebrochen durch die unterschiedliche Zäsuren in der rechten Hand, Diatonik,
bei Satie gebrochen durch unerwartete chromatische Einschübe. Saties Musik
bevorzugt weder Höhepunkte noch Abstürze, sie schwebt, und den Schwebezustand
erzeugt sie durch entfunktionalisierte Harmonik, durch Reihung und Wiederholung,
aber mit einem unfehlbaren Gespür für Ausweichmanöver zur richtigen Zeit.

Aus dem unterschiedlichen Mischungsverhältnis von Reduktion und Erweiterung der Mittel
ergeben sich personalstilistische Eigentümlichkeiten, z.B. bei Janácek (Ganztönigkeit neben
Modalität und Chromatik, Aufbau größerer Formen durch Ostinati und deren Abwandlung).
Ähnliches passiert beim Strawinsky der frühen "russischen" Periode (bis ca.1920),
gut hörbar im ersten der Drei Stücke für Streichquartett" aus dem Jahr 1914,
das jedem Instrument eine Auswahl an Tönen und ein individuelles Bewegungsmuster zuweist
und aus der Überlagerung der Bewegungsabläufe seinen Witz bezieht (schon sehr minimalistisch).

Im Niemandsland zwischen Reduktion und Komplexion befinden sich die überraschend
wohlklingenden Zwölftonspiele von Josef Matthias Hauer, der sich - wie Satie -
vom abendländischen Musikbegriff hinwegbewegt und Musik ohne Anfang und Ende komponiert:
Es gibt von ihm hunderte solcher Zwölftonspiele, alle nach demselben Strickmuster verfertigt,
statisch, entindividualisiert, willkürliche Ausschnitte aus einem geträumten Zwölftonkontinuum.

Auch bei Webern geht die Komplexion eine überraschende Verbindung mit der Reduktion ein,
und auch Weberns Musik neigt zur Statik, bedingt durch die abschnittsweise Fixierung
der Oktavlage für Töne oder Aggregate, z.B. in den Variationen op.27 Nr.1, 2 + 3 .

Mit Webern machen wir einen Sprung über den großen Teich, hinüber in die USA,
zu einer Stilrichtung, für die sich der Terminus Minimal Music eingebürgert hat.
Autochthone Vorläufer in den USA waren Moondog, dessen Erwähnung die forumseigenen
Wikinger erfreuen dürfte und dessen repetitive Musik sich auf der Grundlage dunkler
Trimbaklänge entfaltet, Beispiel: Bird's Lament, und wie immer und unvermeidlich:
John Cage, dessen "In a landscape" von 1948 ich bereits vorgestellt hatte.

Reduktion der Mittel ist nicht das einzige Wesensmerkmal minimalistischer Musik.
Ein weiteres Merkmal ist ihre Strukturierung durch Patterns. Entstanden ist
der Begriff Minimal Music in Anlehnung an die Bildenden Künste (Minimal Art),
und wie in vergleichbaren Fällen haben die betroffenen Komponisten, La Monte Young,
Terry Riley und Steve Reich völlig nutzloserweise dagegen protestiert, gemeinsam
in eine Schublade gestopft zu werden - zumal sie sich unterschiedlich entwickelt haben.

Für La Monte Young war die Begegnung mit Weberns Musik das Ur-Erlebnis, hörbar
in den Five small pieces for string quartet von 1956. Der endgültige Durchbruch
gelang La Monte Young nach seiner Begegnung mit John Cage. Seit Anfang der 60er Jahre
schrieb er lange repetitive Stücke, Musik, in der jedes Zeitgefühl verlorengeht, gedehnte Musik
für wenige Töne, "to be held for along time". Hier ein Beispiel aus dem rein gestimmten
Well tuned Piano von 1960.

Für La Monte Young und Terry Riley wurde der Höreindruck indischer und balinesischer Musik
prägend: Hier Land's End von Terry Riley, ebenfalls auf einem rein gestimmten Klavier zu spielen.

Steve Reich kam auf ganz anderem Wege zu einer von Patterns strukturierten Musik:
durch das gleichzeitige Ablaufen zweier Bandschleifen auf zwei Abspielgeräten, Aufnahmen
ein- und desselben Textes. Da keine zwei Tonbandgeräte dieselbe Abspielgeschwindigkeit haben,
ergeben sich zeitliche Verschiebungen der patterns (-->phases): hier "Come out" von 1966
in einer verkürzenden Veranschaulichung des sich entwickelnden Proportionskanons,
woraus Reich ein eigenes Stilprinzip entwickelte (-->phase shifting) und es auf traditionelle
Instrumente übertrug: Piano Phase (1967). Reich beschäftigte sich mit afrikanischer Rhythmik,
hebräischer Psalm-Kantillation, den Kanonkünsten der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Musik
Europas, mit Bach, Webern, Strawinsky, dem Jazz und entwickelte aus der Summe seiner Erfahrungen
eine hochkomplexe und zugleich sehr unangestrengt wirkende Musik. Beispiel: Eight lines (1983).
Hier eine analytische Darstellung des dem Stück zugrundeliegenden Klavierkanons.
Geradezu poppig wirkt ein Stück wie der Electric Counterpoint # 3 von 1987.

Wie ernst die (post)serielle Avantgarde diesen Gegner nahm, zeigt der Bannfluch,
den sie über den hinter'n "neuesten Stand des Materials" zurückfallenden
Minimalismus aussprach. Darin steckte aber schon ein Stück Anerkennung.
Einen nicht satisfaktionsfähigen Gegner hätte man nicht so bekämpfen müssen.
Unter den Avantgardisten war Ligeti der erste, der dem Minimalismus etwas Befreiendes
abgewann, und es bildete sich eine jüngere Gruppe europäischer Komponisten, die Elemente
der minimalistischen Musik aufnahm und weiterentwickelte (--> Postminimalismus).

Bitte sieh mir nach, daß ich die in diesem Kontext oft genannten Namen Philip Glass
und Yann Tiersen unberücksichtigt gelassen habe. Sie wären hier wirklich deplaciert.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Jedenfalls ist die Reduktion, als Gegengift gegen den Überbietungszwang, ein Urphänomen
der Neuen Musik, gleichberechtigt neben der Steigerung vertrauter Möglichkeiten.
Reduktion ist einer der Taufpaten der frühen Moderne, am radikalsten gleich bei Erik Satie,
der in den "Quatre Ogives" (1886) für Klavier auf die früheste Form der Mehrstimmigkeit
in der abendländischen Musik Bezug nimmt: das Parallelorganum, und von diesem Nullpunkt aus
Musik ganz neu zu denken beginnt. Leider habe ich im Netz keine gescheite Einspielung davon
gefunden. Als Beleg führe ich nochmals die "Danses de travers" von 1897 an, weil sie
eines der Muster sind, an denen sich Tiersen orientiert: Gleichförmigkeit der Bewegungsabläufe,
bei Satie aber gebrochen durch die unterschiedliche Zäsuren in der rechten Hand, Diatonik,
bei Satie gebrochen durch unerwartete chromatische Einschübe. Saties Musik
bevorzugt weder Höhepunkte noch Abstürze, sie schwebt, und den Schwebezustand
erzeugt sie durch entfunktionalisierte Harmonik, durch Reihung und Wiederholung,
aber mit einem unfehlbaren Gespür für Ausweichmanöver zur richtigen Zeit.
und mit einem unfehlbaren Gespür für Proportionen jenseits aller herkömmlicher 8-Takt Perioden
 
Finde eigentlich nur ich diesen Bogenschlag königlich amüsant?
Bemerkenswert finde ich das deshalb, weil viele Klassik-Fans der Popmusik genau diesen Vorwurf machen, natürlich nicht ohne das blasierte Nase rümpfen, und sich dann die hunderdste Interpretation von Bachs Goldberg-Variationen anhören.

Dass Beethoven, Mozart, aber auch Debussy etc. beim Publikum nicht mehr besonders beliebt sind, hat nichts damit zu tun, dass die Mehrheit an Geschmacksverirrung leidet.

Worauf ich hinweisen wollte ist, dass [die klassische Musik] aus einer abgeschlossenen Periode stammt, sofern man den Begriff "Klassik" nicht zu weit auslegt.

nu ja: eng ausgelegt hört die musikal. Klassik mit Beethoven auf - was sind dann Chopin und Rachmaninov? E-Musik? Kunstmusik? -- bislang erschien es so, als subsumierst du unter "Klassik" allerlei von Bach bis Stockhausen.

Ich würde diese Epoche als Romantik oder klassische Romantik bezeichnen. Stockhausen zähle ich sicher nicht mehr zur Klassik.

Okay, du legst den Begriff eben doch weit aus.

:D:D:D:D
 
Bitte sieh mir nach, daß ich die in diesem Kontext oft genannten Namen Philip Glass
und Yann Tiersen unberücksichtigt gelassen habe. Sie wären hier wirklich deplaciert.

Herzliche Grüße,

Gomez

.

nö, der ist nicht deplaziert

ansonsten:
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Okay, du legst den Begriff eben doch weit aus.

Rolf legt den Begriff völlig normal aus - Du verengst ihn künstlich.

Die gesamte abendländische Kunstmusik, vom gregorianischen Choral
bis hin zum jüngsten Avantgardefiepser, wird unter dem Begriff "Klassik" subsummiert.

Du selbst hast meinen Kommentar zu Debussy unbeanstandet gelassen,
also ist Dir dieser erweiterte Gebrauch dieses Wortes wohlvertraut.

Als ernstzunehmender Gesprächspartner hast Du Dich offenbar längst verabschiedet.
 
Hallo lieber Gomez,

sieh mir bitte nach, daß ich meinen Quellbeitrag gelöscht habe. Die Diskussion schien mir nun endgültig in andere Bahnen zu verlaufen. Da war ich wohl etwas zu voreilig, und Du hattest ja jetzt in Folge weit mehr getan, als nur "ein paar Namen zu nennen". Ich fand Deine Ausführungen hochgradig interessant, und habe mir Deinen Beitrag übrigens auch auf Festplatte abgelegt - gute Dinge verliere ich nicht so gerne. Nun aber zum inhaltlichen.


Ich denke, dieses Stück ist ein gutes Beispiel, woher eine mögliche Voreingenommenheit gegenüber der Neuen Musik kommen könnte. Höre ich solch ein Stück, erscheint es mir zunächst eigentümlich. Wenn man sich aber darauf einläßt, erkennt man möglicherweise schon intuitiv dieses Muster der Reduktion der Instrumente auf eine Auswahl an Tönen bzw. Klangfacetten. Und wenn man dann noch dazu den theoretischen Hintergrund hat ("reduktive Musik"), dann kann man wiederum noch viel mehr mit dieser Musik anfangen.
Für mich klingt dieses Streichquartett wie ein jahreszeitliches Fest in einem Hirtendorf hoch in den Bergen, wo gespielt, getanzt, musiziert wird, aber eben auf Instrumenten, von denen jedes für sich nur eng begrenzte tonale Fähigkeiten hat.

Und das ist dann wieder das interessante an diesem Stück: wurden doch im Laufe ihrer Entwicklung die Musikinstrumente in ihren tonalen Fähigkeiten konsequent erweitert (vermutlich bis zu einem Grad, wo einem hohen tonalen Funktionsumfang eine noch praktikable Handhabung gegenübersteht), so wurden in diesem Fall die tonalen Fähigkeiten der Instrumente wieder kompositorisch reduziert.

Mir scheint, gerade für die Neue Musik ist ein Grundverständnis dessen, welche Mittel sie einsetzt (Zit. "Reduktion der Mittel ist nicht das einzige Wesensmerkmal minimalistischer Musik. Ein weiteres Merkmal ist ihre Strukturierung durch Patterns"), und auch eine Kenntnis ihrer Intention und Entwicklungsgeschichte entscheidend dafür, daß man sie versteht, und aus diesem Kontext heraus mag dann der Genuß folgen.

Interessant - und letztlich auch spannend - ist es zu sehen, welche Möglichkeiten, Musik zu gestalten, die Menschen letztlich gefunden, erfunden und benutzt haben.

Ob man es nun mag oder nicht, und sich dieses Gebiet der Musik, oder jenes, für seine persönliche Beschäftigung mit der "Leidenschaft Musik" auserkoren hat, ist, und man muß es wohl gerade im Kontext dieses Fadens wieder sagen, reine Geschmackssache.
Genauso, welche aktive Art des Musizierens man wählt. Mir wird jetzt erst bewußt, wie viele, unzählige, Möglichkeiten es gibt, sich mit Musik zu befassen. Aktiv - passiv, konsumierend oder generierend, und jede denkbare Kombination aus beidem.

Zit.: "Da keine zwei Tonbandgeräte dieselbe Abspielgeschwindigkeit haben, ergeben sich zeitliche Verschiebungen der patterns (-->phases)"

Diese musikalischen "Phases" ergaben sich wohl unmittelbar aus der technischen Entwicklung damals. Heutzutage, wo man mittels eines guten freeware-PC-Programms solche Effekte bereits selbst erzeugen kann, wirken sie - auf mich persönlich - ein wenig anachronistisch. Zur damaligen Zeit, wohl sicher aufregend und visionär.

Was bleibt, ist die Frage nach Tiersen & Co.. Vielleicht gibt es keine Antwort darauf außer die folgende: TEY trifft offenbar den Nerv von vielen Menschen, die aktives Musizieren beginnen wollen. Ich wollte es mal genauer wissen: Tiersen konnte außer in seinem Heimatland (mit dem César) keine Lorbeeren für seine Filmmusik zu "Amelie" einheimsen. Den Oscar hat er nicht nur nicht gewonnen, er wurde nicht einmal dafür nominiert. Für eine Musik, die man als einen irgendwie gearteten "musikalischen Meilenstein" sehen wollte, z.B. in Richtung Minimalismus, ist das zu dürftig - Qualität hat eben die Tendenz, sich durchzusetzen. Trotzdem wünsche ich jedem, der Freude an und mit diesem Stück hat, eine ungetrübte solche - von Herzen. Warum auch nicht! ;)

Viele Grüße
Dreiklang
 

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