Lieber Dreiklang,
sieh mir bitte nach, daß ich meinen Quellbeitrag gelöscht habe.
das bedauere ich nach wie vor, daß Du Deine Beiträge laufend edierst
oder sogar löschst. Muß ich jetzt jeden Beitrag von Dir sofort abspeichern?
Diese musikalischen "Phases" ergaben sich wohl unmittelbar aus der technischen Entwicklung damals.
Heutzutage, wo man mittels eines guten freeware-PC-Programms solche Effekte bereits selbst erzeugen kann,
wirken sie - auf mich persönlich - ein wenig anachronistisch.
Naja, aber das gilt nicht für die Übertragung des phase shifting auf Instrumente
oder Stimmen. Dadurch hat Reich komplexe Kanonstrukturen entwickelt.
Mein Text von heute nacht gefällt mir nicht mehr. Am liebsten würde ich ihn umschreiben.
Die meiste Arbeit habe ich damit verbracht, die Musikbeispiele zu verlinken (wie man
auf Neuhochdeutsch sagt), und das Verlinken ist für einen nicht mit dem Computer
Großgewordenen wie mich immer eine zeitraubende Bastelei.
Der Text bedarf einiger Ergänzungen. Die durch Änderung der Phasenverhältnisse
systematisierten Phasenverschiebungen - ein der Physik entlehnter Begriff - habe ich
zu erwähnen vergessen (für die es Vorbilder - wie schon gesagt - bei Strawinksy gibt:
durch die Ineinander-Verzahnung mehrer Ostinati), und das Phänomen der sogenannten
inhärenten Patterns: nicht notierter Stimmen, die sich aus den Überschneidungen
der Stimmverläufe ergeben.
Was den Postminimalismus betrifft, so wäre es nur recht und billig, wenigstens
ein paar Namen zu nennen: John Adams, Louis Andriessen und Karel Goeyvaerts (genau,
der Ur-Serialist, der Stockhausen das Komponieren/Denken in Tönen beigebracht hat
und sich in seinem zweiten Leben ganz eigenwilligen minimalistischen Texturen zugewandt hat).
Leider fehlt mir jetzt die Zeit, Musikbeispiele für all das zu präsentieren. Vielleicht mag mir
jemand diese Arbeit abnehmen?
Um nicht dem "Feind" in die Hände zu arbeiten, wie Hasenbein gesagt hat, hier noch der Hinweis,
warum ich im Kontext der Minimal Music Philip Glass ausgelassen habe. Natürlich gilt Philip Glass
als prominenter Vertreter dieser Stilrichtung, und kein neueres Musikgeschichtsbuch vergißt,
ihn zu erwähnen.
Aber Glass fehlen zwei Dinge, die die Musik seiner Altersgenossen kennzeichnet:
Aussparung und Konstruktivität. Glass schreibt zum Teil großorchestrale Klangteppiche -
von klanglicher Reduktion auf das Wesentliche ist er weit entfernt. Aber vorallem
kennt seine Musik keine Konstruktionsprinzipien. Sie übernimmt von der Minimal Music
à la Steve Reich den durchgehenden Puls, imitiert deren hektische Bewegungsmuster
und füllt sie mit musikalischen Allerweltsstrukturen, die blockweise gegen andere ausgetauscht
werden. Zwischen diesen Blöcken besteht kein konstruktiver Zusammenhang.
Jetzt höre ich zahlreiche, mit Glass-Musik sozialisierte Forumsnutzer aufschreien.
Ich kann's nicht ändern. Nicht daß Konstruktivität allein ein Qualitätskriterium wäre,
aber zumindest umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn es sich ein Komponist
in diesem Bereich zu leicht macht und für den konstruktiven Umgang mit seinem Material
keinen Sinn entwickelt, ist seine Schreibweise auch sonst eher fahrig und das klingende
Resultat meistens recht bescheiden. Was bei dabei herauskommt, eint Glass und Tiersen:
aneinandergereihte Dudelphrasen.
Herzliche Grüße,
Gomez
.