Yann Tiersen Best Of

  • Ersteller des Themas Klaviersternchen
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Lieber Gomez,


klasse Beitrag! In dieser Ausführlichkeit, mit so differenzierter Betrachtung und so vielen Anregungen zum Hören - es muss sehr viel Zeit kosten, solche Beiträge zu schreiben und ich finde es toll, dass du dir diese Zeit immer wieder nimmst. Danke!
Du solltest überlegen, ob du deine Beiträge sammelst und eines Tages als Musikgeschichte-Buch herausgibst... :)

Herzliche Grüße,
Partita
 
...gütiger Himmel, sei gnädig...

...Opus... muss man dir wirklich die Unterschiede zwischen einem Streichquartett von Glass und den Tiersensächelchen auseinandersetzen?... ...wenn ja, dann ist Hopfen und Malz verloren - d.h. ich hab keinen Bock, ab ovo anzufangen. Natürlich bleibt es jedem unbenommen, laut "Tiersen ist ein Minimalist wie Glass, Reich, Young" zu trompeten - Gelegenheiten für Erheiterung zu sorgen gibt es unzählige :D:D:D:D


Im Augenblick sorgst du bei mir für Erheiterung.
 
Lieber Dreiklang,

sieh mir bitte nach, daß ich meinen Quellbeitrag gelöscht habe.

das bedauere ich nach wie vor, daß Du Deine Beiträge laufend edierst
oder sogar löschst. Muß ich jetzt jeden Beitrag von Dir sofort abspeichern?

Diese musikalischen "Phases" ergaben sich wohl unmittelbar aus der technischen Entwicklung damals.
Heutzutage, wo man mittels eines guten freeware-PC-Programms solche Effekte bereits selbst erzeugen kann,
wirken sie - auf mich persönlich - ein wenig anachronistisch.

Naja, aber das gilt nicht für die Übertragung des phase shifting auf Instrumente
oder Stimmen. Dadurch hat Reich komplexe Kanonstrukturen entwickelt.

Mein Text von heute nacht gefällt mir nicht mehr. Am liebsten würde ich ihn umschreiben.
Die meiste Arbeit habe ich damit verbracht, die Musikbeispiele zu verlinken (wie man
auf Neuhochdeutsch sagt), und das Verlinken ist für einen nicht mit dem Computer
Großgewordenen wie mich immer eine zeitraubende Bastelei.

Der Text bedarf einiger Ergänzungen. Die durch Änderung der Phasenverhältnisse
systematisierten Phasenverschiebungen - ein der Physik entlehnter Begriff - habe ich
zu erwähnen vergessen (für die es Vorbilder - wie schon gesagt - bei Strawinksy gibt:
durch die Ineinander-Verzahnung mehrer Ostinati), und das Phänomen der sogenannten
inhärenten Patterns: nicht notierter Stimmen, die sich aus den Überschneidungen
der Stimmverläufe ergeben.

Was den Postminimalismus betrifft, so wäre es nur recht und billig, wenigstens
ein paar Namen zu nennen: John Adams, Louis Andriessen und Karel Goeyvaerts (genau,
der Ur-Serialist, der Stockhausen das Komponieren/Denken in Tönen beigebracht hat
und sich in seinem zweiten Leben ganz eigenwilligen minimalistischen Texturen zugewandt hat).
Leider fehlt mir jetzt die Zeit, Musikbeispiele für all das zu präsentieren. Vielleicht mag mir
jemand diese Arbeit abnehmen?

Um nicht dem "Feind" in die Hände zu arbeiten, wie Hasenbein gesagt hat, hier noch der Hinweis,
warum ich im Kontext der Minimal Music Philip Glass ausgelassen habe. Natürlich gilt Philip Glass
als prominenter Vertreter dieser Stilrichtung, und kein neueres Musikgeschichtsbuch vergißt,
ihn zu erwähnen.

Aber Glass fehlen zwei Dinge, die die Musik seiner Altersgenossen kennzeichnet:
Aussparung und Konstruktivität. Glass schreibt zum Teil großorchestrale Klangteppiche -
von klanglicher Reduktion auf das Wesentliche ist er weit entfernt. Aber vorallem
kennt seine Musik keine Konstruktionsprinzipien. Sie übernimmt von der Minimal Music
à la Steve Reich den durchgehenden Puls, imitiert deren hektische Bewegungsmuster
und füllt sie mit musikalischen Allerweltsstrukturen, die blockweise gegen andere ausgetauscht
werden. Zwischen diesen Blöcken besteht kein konstruktiver Zusammenhang.

Jetzt höre ich zahlreiche, mit Glass-Musik sozialisierte Forumsnutzer aufschreien.
Ich kann's nicht ändern. Nicht daß Konstruktivität allein ein Qualitätskriterium wäre,
aber zumindest umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn es sich ein Komponist
in diesem Bereich zu leicht macht und für den konstruktiven Umgang mit seinem Material
keinen Sinn entwickelt, ist seine Schreibweise auch sonst eher fahrig und das klingende
Resultat meistens recht bescheiden. Was bei dabei herauskommt, eint Glass und Tiersen:
aneinandergereihte Dudelphrasen.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mit welchem Recht definierst du den Begriff "Klassik" in diesem Sinne als einzig richtigen?
Du bist mal wieder anmaßend. Es ist unbestritten, dass man ihn so oder so auslegen kann.

...als Witzbold funktionerst Du noch. Schlag's nach in Deinem Konversationslexikon,
falls ein solches bei Dir greifbar ist, oder zur Not bei Wikipedia: Es gibt zwei Definitionen
für den Begriff "klassische Musik": 1.) als Benennung der Musik einer bestimmten Stilepoche
(von gewissen Bach-Söhnen und den Mannheimern bis zum mittleren Beethoven;
der späte ist schon mit einem Bein in der Romantik); 2.) als Synonym für die schriftlich
überlieferte Kunstmusik des Abendlands - und zwar bis zum heutigen Tag.

Du tätest besser daran, mal auf ein paar an Dich gerichtete Fragen zu antworten,
auf Argumente einzugehen, mit denen Du persönlich in dieser Diskussion konfrontiert
worden bist, statt hier herumzupoltern. Deine Vermeidungsstrategien zeigen nur,
daß Dir gute Argumente offenbar nicht zur Verfügung stehen.

An sogenannter klassischer Musik im Sinne von 2.) ist das Entscheidende
der Nuancenreichtum, der eine wahre Fülle an Emotionen weckt, wenn man
sich darauf einläßt. Um diese Fülle ignorieren zu können oder sogar verächtlich
zu machen, wie Du es getan hast, muß man abgestumpft sein.

Könntest Du auf diese Rückmeldung wohl mal reagieren? Wenn Du nicht
argumentieren kannst, sondern nur kleinkindhaft-patzige Phrasen von Dir gibst,
machst Du Dich hier vollends unmöglich. Merkst Du das nicht?
 
Hallo miteinander,

nachdem ich nun längere Zeit nicht in clavio unterwegs war, bin ich ausgesprochen verblüfft, wie rasant sich dieser Faden hier entwickelt hat! Als ich das letzte Mal hier unterwegs war, gab es diesen Faden noch nicht - und jetzt 442 Beiträge auf 45 Seiten.

Da ich die hier angesprochenen Fragestellungen ganz interessant finde, habe ich versucht, diesen Faden irgendwie mal im Superschnelldurchgang durchzuscrollen. Teilweise sind die Beiträge und Diskussionen sehr interessant, teilweise verfängt sich der Faden aber auch in um sich selbst kreisenden Endlosschleifen.

Nach meinem höchst unvollständigen Überfliegen dieses Lindwurms, habe ich den Eindruck, dass u.a. folgende interessante Fragestellungen hier aufgeworfen aber noch nicht wirklich beantwortet wurden:

1) Warum gefällt offenbar vielen Menschen die Comptine (bzw. auch andere TEY Musik), die an kompositionstechnischen Maßstäben gemessen wenig zu bieten hat und so gesehen kein auskomponiertes Werk darstellt?

Als Erklärungen hierzu wurden bisher angeboten:
- diese Musik erzeugt bei manchen Hörern positive Gefühle und wird daher gemocht,
- diese Musik ist eine Filmmusik, wird mit dem zugehörigen Film assoziiert
und somit stellvertretend und als Bestandteil des Films gemocht,
- diese Musik entspricht in ihrer (fehlenden) Struktur dem Aufbau zahlreicher Popmusikstücke
und trifft damit bei ihren Liebhabern auf durch allgegenwärtige popmusikalische Alltagsbeschallung vertraute Hörmuster,
- diese Musik erfordert nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hörers,
(kann auch "nebenher" gehört werden)
und ermöglicht einen anstrengungsfreien Hörgenuss im Zustand des Abschaltens
und Ausspannens...
- diese Musik wurde in der Gegenwart von einem selbst noch lebenden Komponisten
komponiert....
- und schließlich als Totschlagargument: Musikalische Präferenzen sind einfach eine
Form des persönlichen Geschmacks und jeder kann und soll ja schließlich hören was
er will...

Ich hege keinerlei Missionsbedürfnis hinsichtlich des musikalischen Geschmacks meiner Mitmenschen und möchte auch niemanden nötigen, zu erklären warum er die comptine mag. Dennoch fände ich es sehr interessant, wenn zu dieser Frage noch weitere Antworten kommen könnten.

Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass der Erfolg derartiger Musik tatsächlich in unbewusst verinnerlichten Hörgewohnheiten liegt. Wer Musik ohne jegliche reflktierende Auseinandersetzung hört, wird sie wahrscheinlich (ähnlich wie bei anderen Sinneswahrnehmungen auch) zunächst mit bereits bekannten ähnlich gearteten Mustern vergleichen - und dann gefällt das, was man irgendwoher schon kennt!

Möglicherweise liege ich hier falsch - aber das Phänomen der selektiven Wahrnehmung ist auf vielen Gebieten zu beobachten und wird auch vielfach genutzt; so machen sich zum Beispiel sound designer dieses im Marketing zunutze, indem sie versuchen, für Produkte typische und unverwechselbare Geräuschbilder zu entwickeln, die sich dann zu einem eigenständigen Qualitätsmerkmal entwickeln und den Kunden letztendlich auf kürzestem Wege von der Qualität des Produktes überzeugen sollen....

Vielleicht ist dieses Beispiel ein wenig weither geholt - es soll an sich nur verdeutlichen, wie vorschnell wir häufig urteilen und Vorlieben entwickeln.


Da ich nun keine Zeit mehr habe die weiteren ungeklärten Fragen dieses Fadens anzusprechen, muss ich das später nachholen!

Beste Grüße

Debbie digitalis
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Was bei dabei herauskommt, eint Glass und Tiersen:
aneinandergereihte Dudelphrasen.
hm...man muss erstmal auf tonale Themen, die man endlos repetieren kann ohne zu langweilen, kommen - Ravel konnte das (Bolero), ja und Glass auch. Bei jedem Komponisten wird sich auch weniger gelungenes und sogar misslungenes finden - also den Beethoven würde ich nicht allein an Wellingtons Sieg messen ;) Und so auch Glass, der nicht nur großformatige Orchesterwerke, sondern auch viel Film- und Bühnenmusik gemacht hat: und die sind weder alle fahrig noch düdelnd.
Tiersen und Glass in einer Tüte - ne, da haste dich vergallopiert...

"klangliche Reduktion auf das Wesentliche" - ja sag mal, und was ist, wenn das Wesentliche gerade mal zu einer Steigerung, zu einem Höhepunkt drängt?
 
1) Warum gefällt offenbar vielen Menschen die Comptine (bzw. auch andere TEY Musik), die an kompositionstechnischen Maßstäben gemessen wenig zu bieten hat und so gesehen kein auskomponiertes Werk darstellt?

Als Erklärungen hierzu wurden bisher angeboten:
Da du Erklärungen ausgelassen hast, die sich daraus ergeben, dass bestimmte
Menschen einen intellektuellen Anspruch haben:
- Weil manche Hörer keinen intellektuellen Anspruch an die Musik stellen, die
sie hören. (Oder bestimmte Ansprüche fehlen.)
- Weil manche Hörer nicht ausreichend in der Lage sind, die Komposition als solche
aus einer theoretischen Perspektive wahrzunehmen.
Wie sehr diese beiden Erklärungen präsent sein mögen, wage ich nicht zu sagen.

Anders ausgedrückt:
Menschen hören nicht nur bestimmte Musik, weil es Dinge an ihr gibt, die sie mögen.
Sondern sie hören auch Musik, weil es keine Dinge an ihr gibt, die sie nicht mögen.

Worauf ich hinweisen wollte ist, dass sich die klassische Musik logischerweise nicht mehr entwickelt, [...]
Selbst wenn das zutreffen würde - was soll das für eine Bedeutung haben? Was
folgt daraus? Das sie nicht mehr hörenswert ist? Das sie schlechter ist?

[...]während hier immer wieder, häufig ziemlich hochnäsig, auf alles herab geschaut wird, was nicht Klassik ist.
Also geht es in Wirklichkeit darum, dass diejenigen, die über die Comptine urteilen,
hochnäsig seien? Wo liegt die Hochnase?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Liebe Leute,

Die sich aus dem phase shifting ergebenden Phasenverschiebungen - ein der Physik entlehnter Begriff - habe ich zu erwähnen vergessen (für die es Vorbilder - wie schon gesagt - bei Strawinksy gibt:
durch die Ineinander-Verzahnung mehrer Ostinati), und das Phänomen der sogenannten inhärenten Patterns: nicht notierter Stimmen, die sich aus den Überschneidungen der Stimmverläufe ergeben.

Da Gomez hierzu kein Stück verlinkt hat, kann ich es mir nicht nehmen lassen, diese Steilvorlage für Ligeti zu nehmen:

- Continuum für Cembalo
- Klavieretüde Nr. 6: Automne à Varsovie
(ab 4:13)
- Klavieretüde Nr.10: Zauberlehrling
(ebenfalls ab 4:13 - witzig :))
- 3.Satz des Klavierkonzertes

Liebe Grüße,
Partita
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ihr Lieben,

ich habe über den Verlauf des Fadens noch einmal nachgedacht (! :p ) und glaube, dass es zu den sehr unterschiedlichen Positionen auch deshalb gekommen ist, weil die wesentlichen Begrifflichkeiten der Diskussion nicht klar umrissen sind.

Solche Begriffe sind z.B. "Geschmack" und "Klassik" (später mehr dazu). Zudem ist auch die Abgrenzung der Comptine gegenüber klassischer Musik nicht so einfach und eindeutig, da es ein tonales, romantisches Klavierstück ist und auch anderswo gern in einen Zusammenhang mit Satie gebracht wird (Tiersen hat sich übrigens immer gegen eine Bezeichnung als Komponist von Filmmusik ausgesprochen). Ebenfalls wird Tiersen gern als ein Vertreter der Minimal Music genannt, was ihn in eine Reihe mit den von Gomez (danke für deinen Beitrag!!!) erwähnten Komponisten stellt und wieder nicht von der Klassik abgrenzt. Die Grenzen der Musik Tiersen's, zumindest der Comptine, zu klassischer Musik sind also nicht ganz klar. Das führt zu Missverständnissen und Ärger. :D

Was "Klassik" angeht, haben ja schon viele hier Wichtiges gesagt. Ich möchte nur ergänzen, dass in einem Kompositionsstudium die Studenten sich selbstverständlich mit den vergangenen Stilen und Epochen intensiv beschäftigen, darin komponieren, kopieren, um diese Sprachen zu lernen. Auf der Basis können sie zu einer eigenen Sprache, um zu einem eigenen Stil zu gelangen. So machen es übrigens alle Künstler, Maler wie Bildhauer..... .

Was Geschmack angeht, ist das ein schwieriges Feld, auf dem ich mich zu wenig auskenne. Weiß hier zufällig jemand genauer über Kant und seine "Kritik der Urteilskraft" Bescheid? Das würde mich sehr interessieren! Es ist nämlich die Frage, welche Urteile oder welche Aspekte eines Urteils subjektiv sind, also ein Geschmacksurteil darstellen, und welche Urteile so viel objektive, logische Argumente enthalten, dass sie allgemeingültig(er) sind.

Kant sagt dazu:

„Das Geschmacksurteil postuliert nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Gründe anführen kann); es sinnt nur jedermann diese Einstimmung an.“

Hier führt er noch ein weiteren Aspekt eines Geschmacksurteils an: jeder möchte, wenn er Schönheit in einem Stück sieht und empfindet, diese teilen. Aus diesem Grund führt es leicht zu Kränkungen, wenn ein Geschmacksurteil nicht geteilt wird..... .

Weiter:

„Durch ein Geschmacksurteil lässt sich kein anderes Urteil, auch kein anderes Geschmacksurteil, begründen, umgekehrt kann es selbst durch andere Urteile nicht begründet werden, auch nicht durch andere Geschmacksurteile.“

zu lesen hier:

Urteil und Gefühl: Kants Theorie der Urteilskraft - Wolfgang Wieland - Google Bücher


Zudem unterscheidet Kant zwischen Geschmacksurteil (das Vermögen der Beurteilung des Schönen) und Erkenntnisurteil (basiert auf Regeln, Ordnung, Definitionen, …..,ist also begründbar):

„Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann.“

Nur: wie unterscheidet man beides voneinander? Es scheint nicht immer einfach zu sein, wie sich auch hier am Beispiel Glass' zeigt.

Und verliert ein Geschmacksurteil jede Berechtigung, ein Maßstab für eine allgemeingültige Bewertung zu sein? Ist es ausschließlich für den Einzelnen wichtig, der es vertritt?


Kants Schlüssel zur Kritik des Geschmacks: ästhetitische Erfahrung heute ... - Ursula Franke - Google Bücher


Ich zitiere aus diesem Text:

„Denn wer sich nur auf sein Gefühl berufen kann, hat kein Recht, sein Urteil so vorzubringen, als handle es sich um eine objektiv gültige Behauptung; also scheint das Geschmacksurteil, wie es geht und steht, etwas Unsinniges und daher Unvernünftiges zu sein.

Für den Beurteiler des Schönen wäre eine andere Situation gegeben, wenn sich zeigen ließe, dass in seinem Fall (in dem das positive Gefühl der Lust ein interesseloses Wohlgefallen sein soll) dieses Gefühl irgendwie doch etwas zum Ausdruck bringt, was ein mit dem schönen Gegenstand als solchem verbundener und daher für alle Beurteiler gleichermaßen gültiger Sachverhalt ist. Das käme einer prinzipiellen Rechtfertigung gleich.

Diese Möglichkeit besteht aber nur, wenn das Gefühle (der Lust) als Folge (des Resultats) der Beurteilung des gegebenen Gegenstandes verstanden werden kann, und nicht das Urteil sich nach dem Gefühl (der Lust oder Unlust) richtet. Diese Wendung ist der Schlüssel zur Kritik des Geschmacks, der schließt, wenn man nachweisen kann, dass es sich so verhält. Also muss man zwei Dinge tun: man muss zum Einen die Art der Beurteilung spezifizieren, das heißt, dartun, worauf der Beurteiler des Schönen achtet und worauf nicht und was er dabei feststellt; und man muss zum Andern zeigen, dass und warum ein Gefühl des interesselosen Wohlgefallens (oder Missfallens) im Gefolge einer solchen Beurteilung auftritt und ein sicheres Indiz für das vorgängige Urteil ist.“



Demnach ist entscheidend für ein Geschmacksurteil, das auch für andere relevant ist oder sogar Allgemeingültigkeit besitzt, ob es spontan getroffen wird oder erst nach gedanklicher Reflexion.

Interessant sind also gerade bei unterschiedlichen Geschmacksurteilen die Gründe, den die Beurteiler des Schönen (oder Hässlichen) für ihr Verhalten, ihre Bewertung, haben. Wenn wir wissen und verstehen, indem wir etwas tun, was und warum wir es tun, können wir uns selbst und anderen unser Urteil verständlich machen und wenn auch nicht Einverständnis, so doch Einsicht erreichen.

Aus diesem Grunde versuchen viele wie auch ich hier, argumentativ zu überzeugen. Es ist die einzige Möglichkeit, unser Urteil über die Comptine zu begründen und es hat nichts mit elitärem Denken oder arrogantem, intellektuellem Gerede zu tun! Und daher interessiert mich wirklich, warum die Comptine so schön ist für manche! Lieber Opus, auch ich würde mich sehr freuen, wenn du auf unsere Argumente eingehst! Im besten Fall arbeiten wir daran, unsere Positionen zumindest verständlich zu machen!

Ich hoffe, ich habe hier keinen Murks geschrieben! Ich bin mir etwas unsicher! :p Ich finde es aber total interessant, darüber nachzudenken und es kommt ja immer wieder vor, dass Musik als reine Geschmackssache bezeichnet wird. Zu meinem großen Leidwesen!


Liebe Grüße

chiarina
 

Und daher interessiert mich wirklich, warum die Comptine so schön ist für manche!
Weil sie einfach daher kommt. Sie macht nichts - sie ist einfach nur da diese Melodie. Ich lasse mich treiben, die Dinge fließen an mir vorbei, komme in den Dreh - alles fällt ab.
Und wenn sie zuende ist, ist es gut - mehr nicht. Ich bewerte sie nicht, weil sie mir keinen Anlaß dazu gibt. Sie ist ja nicht mehr als eine einfache daherkommende Stimmung, die, wie es mit den Gefühlen und Stimmungen so ist, kommen und gehen. Sie ist nur ein Moment, keine Angelegenheit - für mich.

Kulimanauke

Dieser Thread hat mich veranlaßt, diese Musik mal wieder zu hören. Eigentlich liegt die Comptine längst bei den Akten.
 
Kuli, ich finde, Du hast auf den Punkt gebracht, was die C. ausmacht. Auch das ist eine Art Qualität, die jedoch oftmals mit einer anderen Art Qualität durcheindergewurstelt wird.
 
Was Geschmack angeht, ist das ein schwieriges Feld, auf dem ich mich zu wenig auskenne.
das ist ja nicht weiter schlimm, denn das ließe sich nachholen -- Vorsicht allerdings ist geboten, da der Begriff Geschmack im späten 17. und frühen 18. Jh. eine andere Bedeutung hatte als heute: nämlich eine weitaus weniger trivial-beliebige. Was Kant oder Schopenhauer mit dem Begriff "Geschmack" ansprachen und was damals von ihren Lesern auch verstanden wurde, das hat nichts mit einem heutigen beliebigen "buhu das gefälltmir, ist halt Geschmackssache" zu tun.
 
Lieber Gomez,

Mein Text von heute nacht gefällt mir nicht mehr. Am liebsten würde ich ihn umschreiben. Die meiste Arbeit habe ich damit verbracht, die Musikbeispiele zu verlinken

auch von mir nochmal ein explizites Dankeschön für diese Arbeit! Keine Sorge - ich habe auch kein "absolut vollständiges Kompendium" erwartet - dieser Streifzug durch die Neue Musik war genau das richtige. Man hat ja immer die Möglichkeit, von solch einer Basis aus tiefer in die Materie einzudringen, mehr zu hören, mehr zu lesen. Nur, eine solche tragfähige Ausgangsbasis, die benötige ich oftmals schon.

Vielleicht noch ein Wort zu WP: man findet dort in aller Regel eine gute Basis vor; wenn mir etwas wirklich wichtig ist, und es mir um Details geht, dann würde ich aber immer auch andere Quellen heranziehen.

Zum Begriff "Serialismus" wollte ich schon nachhaken, merkte aber, daß das nicht nötig ist (siehe Serielle Musik).

John Adams, Louis Andriessen und Karel Goeyvaerts

Diese Namen genügen - YT gibt auch gleich Ergebnisse dafür aus. Abschließend, nochmals vielen Dank!

Schönen Gruß,
Dreiklang

P.S. allfälliges Nachbearbeiten meiner Beiträge tue ich aus den verschiedensten Gründen und ist nicht diskutierbar; der Faden-Kontext bleibt aber immer gewahrt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
das ist ja nicht weiter schlimm, denn das ließe sich nachholen -- Vorsicht allerdings ist geboten, da der Begriff Geschmack im späten 17. und frühen 18. Jh. eine andere Bedeutung hatte als heute: nämlich eine weitaus weniger trivial-beliebige. Was Kant oder Schopenhauer mit dem Begriff "Geschmack" ansprachen und was damals von ihren Lesern auch verstanden wurde, das hat nichts mit einem heutigen beliebigen "buhu das gefälltmir, ist halt Geschmackssache" zu tun.

Aber rolf, wo genau liegt denn der Unterschied? Wenn ein Geschmacksurteil "das Vermögen der Beurteilung des Schönen" (oder eben Nicht - Schönen) ist, ist das doch nicht so weit entfernt, auch wenn "Schönheit" und "Ästhetik" dort ganz anders gefasst wurden.

Ich wäre froh über ein bisschen Nachhilfe! :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Wenn ich das hier alles lese, möchte ich schwarze Löcher komponieren können......:wink:

Oder mir Musik im Zusammenhang mit solchen Debatten abgewöhnen. :)
 

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