Moin! Ich habe nicht alle Kommentare gelesen, aber doch zumindest die Hälfte. An die ganzen Kritiker in diesem Beitrag, die noch behaupten Berufsmusiker zu sein: eine Schande, Musiker zu sein und das Wort Empathie nicht zu kennen. Da kann man nur hoffen, dass ihr keine Kammermusikpartner habt.
StefanL89 hat doch nie behauptet, Profi werden zu wollen!
@StefanL89 Warum mir das Thema am Herzen liegt und dies wahrscheinlich mein erster Kommentar ist (obwohl ich schon seit Jahren angemeldet bin): ich bin Hochschuldozent und international konzertierender Pianist, habe als Student aber massiv rhythmische Probleme gehabt.
Meine Lösung und Erfahrung: Rhythmus hat in erster Linie etwas damit zu tun, dass man ihn körperlich "fühlt".
Meiner Meinung nach funktionieren folgende Tipps nicht oder nur ungenügend, wenn man wirkliche rhythmische Probleme hat und den Puls nicht halten kann: zählen im Kopf, klatschen und singen, gehen und klatschen etc...
Die Sache ist die: Was macht man denn, wenn die Klatschübung getan wurde und man wieder anfängt zu spielen?
Natürlich geht beides nicht gleichzeitig.
Und natürlich ist Klatschen, Metronom etc. ein Mittel, das helfen "kann", den inneren Puls zu finden. Ihn nachhaltig "stabilisieren" können diese Mittel aber nicht.
Ich übe auch immer wieder mit Metronom, es ist aber letzten Endes nur jemand, der "meckert", dass man nicht im Metrum ist - wirklich helfen, das Metrum oder besser den Puls zu "fühlen", tut es keinesfalls.
Die Kunst ist es, eine Übung oder ein Mittel zu finden, das einen den Puls "während" des Spielens fühlen lässt, das so unnachgiebig ist, dass ich mein Spiel danach richte und nicht, dass sich mein inneres Zählen meinem Spie anpasst.
Zählen im Kopf nenne ich daher Selbstbetrug, das kann man nicht erfühlen: alle Methoden, die zu weich sind, sind nicht mit dem Körper "erfühlbar".
Ein Klatschen, das zu "weich" ist, ist in dem Sinne nicht erfühlbar.
Ein Gehen, das zu wenig Energie hat, ist nicht erfühlbar.
Mein Professor (Brasilianer) hat regelrecht Samba dazu getanzt auf dem Klavierhocker, wenn er rhytmisch geübt hat. Die Übungen, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe, sind sehr vielfältig und es gibt leider keine einzige Übung, die ich Dir aus der Ferne mitgeben kann. Da muss in der Tat ein erfahrener KL ran, der selbst stark mit rhythmischen Problemen zu kämpfen hatte und sie auch lösen konnte.
Es ist nämlich auch eine Frage des Stückes: ist es ein vom Charakter her eher weiches oder hartes Stück (Toccata, Marsch etc.)?! Danach richten sich die Mittel/Übungen.
Was mir aber allgemein geholfen hat, ist etwas zu finden, das "hart" erfühlbar ist, während ich Klavier spiele. Ich brauche ein so hartes Mittel, ich nenne es mal Taktgeber, dem mein Spiel sich beugt, und nicht umgekehrt, dem sich mein Spiel anpasst.
Das passiert bspw. wenn ich laut und "militärisch" hart (US-General
) eins, zwei, drei... (meinetwegen auch mit den etwas weicheren "und"dazwischen) zähle. Immer auch gerne parallel mit metronom. Aus dem Grund macht ein Metronom übrigens auch hart Tick, Tack... und nicht weich Muh und Mäh...
Wenn ich leise und lasch spreche, funktioniert das nicht - das kann jeder ausprobieren und sofort nachempfinden.
Die meisten meiner Studenten zieren sich da...aber wenn man wirklich laut militärisch zählt, merkt man selbst sofort, wenn das eigene Zählen nicht mehr streng im Takt ist.
Eine Methode, die ich nicht in dem Sinne empfehlen kann, die mir aber nach wie vor hilft, ist, den Puls mit den Zähnen zu klappern (Ober- und Unterkiefer kurz und gut spürbar aufeinander klappen lassen). Vielleicht nicht das ganze Stück, eher nur die Problemstellen, die Gefahr, dass man sich da verkrampft, ist gegeben. Daher ist das keine Empfehlung, sondern ein weiteres Beispiel, um zu verstehen, wo der Unterschied zwischen "harten" und "weichen" Hilfsmitteln sind.
Somit wäre auch geklärt, warum Sänger (während des Singens) nachweislich die allergrößten rhythmischen Probleme haben und Schlagzeuger keine.
Eine einfache allgemeine Übung fällt mir dennoch ein: auf den Vierteln oder Hauptimpulsen mache ich gerne "harte" Akzente. Was für einen "hart" ist, muss jeder selbst für sich entscheiden. Man muss nicht sein Klavier vergewaltigenD aber aus Erfahrung ist es bei den meisten zu weich. Der akzent muss schon fast unmusikalisch "außerhalb" der Komfortzone sein, ein starkes Sforzato/Rinsforzando mit Keil in etwa. Der Akzent muss (im musikalischen Kontext) zumindest so hart sein, dass man ihn auch körperlich (durch Finger, Arm, Schulter, Körper) spürt, bzw. man es sofort spürt, wenn man eben "nicht" mehr im Metrum/Puls spielt.
Die Kunst ist es, diese unmusikalisch harten Akzenten nach und nach wegzulassen und sie nur noch zu "fühlen" und die Musik so klingen und fließen zu lassen, als gäbe es überhaupt keine Akzente (es sei denn, es sind welche notiert).
Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und mein Kommentar kann diese sehr komplexe Thematik nur ungenügend beschreiben. Wenn es denn eine einfache und klare Lösung gäbe, hätte wohl niemand mehr rhythmische Probleme...
Alles Gute und viel Glück!!!