Die Macht des Fingersatzes, Claudio Arrau & Beethoven, usw. usf.

Ein sehr interessantes Thema! Früher habe ich einfach drauf los gespielt. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Wenn ich ein Werk bühnenreif erarbeite, dann ziehe ich inzwischen möglichst mindestens zwei bis drei Ausgaben heran, auch um eben die Vorschläge für die Fingersätze zu vergleichen und schaue, welcher meiner Vorstellung für Interpretation und Klang am dienlichsten ist. Nimm als Beispiel aber auch die Fingersätze der Paderewski Ausgaben von Chopin. Oftmals völlig anders als es in unserer Natur liegt, aber Mindestens so genial wie Arrau...
 
Also ich gehe da eher naiv heran, probiere aber viel aus. Der Fingersatz, der mir persönlich am besten und bequemsten zu meinen musikalisch/technisch/klanglichen Zielen zu passen scheint, wird genommen. Das ändert sich allerdings auch immer wieder. Da ich auch nicht mit den größten Händen gesegnet bin, muß ich manchmal die Aufteilung zwischen linker und rechter Hand verändern. Zum Vorpsielen habe ich zwar einen festen Fingersatz, aber ansonsten wechsele ich ihn dann doch, wenn es mir angezeigt erscheint. Es gibt für mich jedenfalls nicht "den" Fingersatz, weder für mich noch allgemein für alle Pianisten. Leider habe ich auch schon ein paar Male bemerkt, daß ich mich von einem gedruckten Fingersatz zu sehr habe beeinflussen lassen. Deswegen sind mir Ausgaben ohne Fingersatz oft lieber. Natürlich sind aber die von Arrau oder auch Chopins eigene in den Etüden z.B. sehr interessant.
Jannis
 
Wenn ich ein Werk bühnenreif erarbeite, dann ziehe ich inzwischen möglichst mindestens zwei bis drei Ausgaben heran, auch um eben die Vorschläge für die Fingersätze zu vergleichen und schaue, welcher meiner Vorstellung für Interpretation und Klang am dienlichsten ist.
du gehörst ja zu den Spielern, denen man das Prädikat "doch schon etwas fortgeschrittenererer" ;-)zuschreiben kann.
Was spricht denn dagegen, sich stattdessen auch mal eigene Fingersätze zu erarbeiten?
Dies sollte doch keine unlösbare Aufgabe sein.
Auf deinem spielerischen Niveau würde es mich wundern, wenn da völliger Murks bei rauskäme.
 
du gehörst ja zu den Spielern, denen man das Prädikat "doch schon etwas fortgeschrittenererer" ;-)zuschreiben kann.
Was spricht denn dagegen, sich stattdessen auch mal eigene Fingersätze zu erarbeiten?
Dies sollte doch keine unlösbare Aufgabe sein.
Auf deinem spielerischen Niveau würde es mich wundern, wenn da völliger Murks bei rauskäme.

Es ist eine Frage der Zeit. Ich schaue welche Vorschläge es gibt und übernehme dann das, was mir am geeignetsten erscheint bzw. modifiziere es. Manchmal sind Fingersätze im langsamen Tempo beispielsweise von Paderewski absolut genial, im Originaltempo erweisen sie sich dann als unbrauchbar.
 
Ich bin im Laufe der Jahre definitiv besser geworden, Fingersätze zu beurteilen, aber bei ungewohnten Spielfiguren kenne ich folgendes Problem: Richte ich mich nach dem Prinzip "Einfachheit" (= wenig über-/untersetzen, Prinzip beibehalten auch bei transponierten Stellen) oder klappt das hier nicht?
Ein ungewöhnlicher, genialer Fingersatz ist für mich manchmal schwer zu unterscheiden von einem unpraktischen und sinnlosen Fingersatz. Ich habe aber in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es mir nicht mehr schwer fällt, Fingersätze zu ändern und neu einzuüben. Das entschärft dieses Problem etwas.

lg marcus
 
Ich habe mir nach einigem Überlegen nun auch die Arrau-Ausgabe zugelegt und ich muss sagen, ich bin begeistert. Ich glaube, ich habe noch nie so gute, überlegte Fingersätze gesehen (bisher war Cortot/Etüden mein Favorit). Im Moment verwende ich sogar zum Spielen die Arrau-Ausgabe, obwohl etwas unleserlicher als Henle, da ich wirklich den Großteil der Fingersätze übernehme. Was das wert ist habe ich heute dann gemerkt, als ich Schubert gespielt habe, Fingersatz von Theopold. Hab geflucht wie ein Rohrspatz...
 
Seit 2 Wochen beschäftige ich mich (endlich) mit op. 110 von Beethoven. In diesem Zuge empfahl mir mein Klavierprofessor die im Peters Verlag erschienene und von Claudio Arrau und Lothar Hoffmann-Erbrecht editierte Ausgabe der Klaviersonaten von Beethoven.

Dann lege ich Dir dringendst ans Herz, einmal den absoluten Gegenpol zu Arrau anzuschauen:







Gulda scheut nicht davor zurück, die Hände anders als notiert zu verteilen, was Arrau ja grundsätzlich verdammt. Guldas Fingersätze im Mittelteil des 2. Satzes sind schon ziemlich abgefahren. Und im ersten Satz (T. 56) nutzt er einen Fingersatz, auf den ich nach viel Herumprobieren auch selbst gekommen bin und komplett anders ist als Arrau.

Dennoch, ich finde die Arrau-Ausgabe der Sonaten als höchst instruktiv, vor allem wenn man sich in Videos anschaut, wie Arrau spielt. Die Fingersätze sind schon sehr auf seine eigene Physiognomie ausgelegt und nicht unbedingt von jedermann sinnvoll zu übernehmen.
 
Mann schaue sich in diesem Zusammenhang einfach die Hände von Arrau mal an: extrem kompakt dabei trotzdem groß (er sagt bei J. Horowitz bis zu einer Undezime) , da ist die Kombination 3-5, die auf eine Verkleinerung der Hand hinausläuft sehr angenehm. Das empfehle ich insbesondere bei Umkehrpunkten von Tonleiterpassagen (Haydn, Mozart, Beethoven) viel leichter als 3-4-3!
Es ist immer wieder überraschend, wie nützlich es ist Fingersätze auf eine kompakte Hand hin anzulegen!
Auch Triller weiss-schwarz mit einer Taste dazwischen (h-cis, es-f, ....) sind besser mit 2-4 oder 3-5, oder sogar 2-4/5, als mit benachbarten Fingern.
 

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